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93. Jahrgang
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V 196
Dienstag den 26. August
1919.
Dsr Weg in die Sklaverei.
Näher und näher rück! der Tas. aro der siegreiche Raubvrlband dem xelchlagenen D?uisch!and nicht nur die Rechnung präsentieren, sondern auch sofortige Bezahlung verlangen wird. Bi« jetzt Hst man uns und unsere merk» würdige Negierung ruhig gewähren lassen. Achselzuckend haben die Feinde zugeschen, wie wir, deren einziges Heil in angestrengter, ernster Arbeit liegt, unsere Arbeitsleistung von Monat zu Monet verringern und durch Streiks aller Sorten, Lohn-, Protest-, Sympathie» u. a. Streiks dis Maschine immer sicherer zum Stillstand bringen. Ir. Paris und London denkt natürlich niemand daran, sich etnzu- mischen. Je weiter wir uns selbst herunterbriogen, desto angenehmer ist es den Gegnern. Frankreich sähe nichts lieber, als ein sür alle Zeit hilflose», verarmte», verlumptes Deutschland, das ihm nie wieder gefährlich werden kann, und England ist Mit jedem Sire ch, den wir gegen unseren eigenen Körper führen, von Herzen einverstanden. Es will den deutschen Wettbewerber für immer los sein und denkt gar nicht daran, wie Illnstms- und S-isenblcsen-Poliiikcr bei uns glauben, uns Schonung rmgrüeihrn zu lassen, um sich die deutsche Kundschaft zu erhalten. Mögen wir bol- schewWsch und anarchistisch unsere Industrie zerstören, mögen wir allesamt die Hände in den Schoß legen, die Sieger werden uns nicht dabei stören, oorausgrs-tzi allerdings, daß wir den sürchmlichrn Friedenrbedingungen Nachkommen, die sie uns auserlegt haben.
Diese Frirdensbedingungen verlangen von uns Zahlung eine» gerüttelten Hausens goldener Milliarden und daneben Lieferung wichtiger Rohstoffe, in erster Reihe deutsche Kohle. Bleiben wir damit im Rückstand, so hört sür die Feinde der Spaß aus. Das Geld wird ihnen nun sreiiich zunächst zufließen. Dafür sorgi schon das Reichsnowpser. Herr Erzberger hat zwar erklärt, er werde mit der Erhebung dieser Abgabe sofori einhalirn, wenn der Bkloerband die Hände auf den Ertrag legen will. Aber abgesehen davon, daß Herrn Erzbrrgers Beteuerungen vielseitig und nicht immer unbedingt zuverlässig sind, abgesehen davon, ist er gegebenenfalls gar nicht in der Lage, den Zugriff der feindlichen Mächte zu hindern. Bleiben wir mit unseren Zahlungen im Rückstand, so brechen wir damit die Friedens- Vereinbarungen und setzen uns der unverzüglichen Zwangsvollstreckung aus. Die Regierung Hst noch immer nachgegeden, wenn der Bieloerdand eine enischlossen« Miene ausstrckte, und wird es auch, wohl oder Übel, in diesem Falle tun müssen und tun.
Wahrscheinlich, ohne sich übermäßig lange zu sperre» und zu z eren. Weit schwieriger wird ihre Lage, sobald
der Fe'nd die vereinbarten Kohlenlieserungen heischt. Deutschland erzeugt, dank der allgemeinen Arbeilsunlust und der endlosen Streiks, nicht annähernd so viel Kahle, um seine eigene, stark zurückgegangens Industrie ausreichend speisen, seine Eisenbahnen und Städtt versorgen zu können. Kommt jetzt die Entente und besteht aus ihren Schein, dann ist da» Eiend vollkommen. Denn dann bleibt für uns im Lande — die Ansprüche des Feindes gehen ja vor und werden zuerst erjüllt — nichts mehr übrig. Wae dann aber au» der deutschen Binnenwirtschast werden soll und werden wird, darüber ist kaum noch ein Wort zu verlieren.
Harle, heiße Arbeit allein könnte uns retten. Jeder Deutschs müßte heute sine Stunde täglich mehr arbeiten als vor dem Krieg — statt dessen arbeitet er durchschnittlich zwei Stunden weniger. All« Welt glaubt, di« Revolution habe den ausschließlichen Zwrck gehabt, die allgemeine Trägheit zu steigern und gleichzeilig die Löhne zu erhöhen. Wie der BoZel Strauß strckm unsere Arbeiter den Kopf in den Sand. Und ahnen nicht, daß ihre Arbeitsunlust sie erbarmungslos dem Feind ass Messer Wert, sie und alle die freiheitlichen Errungenschaften dieser Tage. Der Weg. den wir jetzt gehen, sührt un» unmittelbar in die Sklaverei de» Bieio rbande».
Tagesneuigkeiter,.
Sturmzeichen aus Bayer«.
Berlin, 25. Aug. Usdrr Sturmzeichen in Bayern läßt sich der .Berliner Lokslanzeiger* berichten. In München sei bei den Unabhängigen «in System eingerichtet, um in denkbar kurzer Zeit die gesamte Anhängerschaft zu mobilisieren. Äie Kommunisten warteten nur aus den ihnen geeignet erscheinenden Zeitpunkt völliger Bergung der Ernte, um Ihre Pläne neuerdings zu verwirklichen. Außer dem Reichswehr minister kommt auch der Reichspräsident heute nach München.
Die Poleugefahr.
Berlin. 25. Aug. Die polnischen Sozialisten verlangen, wie der .Berliner Lokakarrzetger" aus Wien erfährt, kn einem Nuttuf von der polnischen Regierung, sie möge von der deutschen Regierung die Räumung Obrrschlefiens fordern und der dorr kämpfenden Bevölkerung militärische Unterstützung angedrihen lasten.
Friedrich Raumau«
Berlin. 24. Auz. Der Vorsitzende der Deutschen Demo- kratischrn Partei und Abgeordneter der Nationalversammlung D. Friedrich Naumann ist heute in Trawrmünde an den Folgen eines Schlagansalles gestorben.
Zu Friedrich Naumanns Ableben sagt die .Deutsche Allg. Zeitz.": Seinem ganzen Wesen lag das Ideal«, das
Himingreifen in weste zukünftig» Plätte näh» als der harte Weg langsamen Ausbaues s, der Stein um Stein in den erstrebten Bau fügt. Das war der Fehler, aber auch der Vorzug dieses Manne», dessen rein geistige und stets vornehm« Kampfrsart auch den politischen Gegnern Achtung abnörigte. Sein Tod wird überall ohne Unterschied der Partei und der politischen Anschauung ein Empfinden starken Verlustes für unser politische« Leben auriösen. — Der .Vorwärts" schreibt. Der Tod Naumanns ist nicht nur rin Verlust für die Demokratische Partei, sondern für das ganze politische Leben Deutschland». Seine vornehme und kluge Art hat auch den entschiedensten politischen Gegnern stets Respekt abgswonnen. —3m .Brrl. Lokalanz." heißt es: Naumann gehörte zu den vornehmsten deutschen Parlamentariern. Er war eine ausgesprochene Persönlichkeit und ein glänzender Redner, der durch die Plastik seiner Bilder auch di« Widerstrebenden zu feffeln und lief« Wirkungen zu erzielen vermochte.
Zum ueueu Regierungswechsel i» Ungar«.
Budapest. 23. Aug. Da« ungarische Korr.-Bureau meldet: Heute nachmittag ist vom Präsidenten der Friedenskonferenz, Tlkmenceau, ein Telegramm hier «ingegangen mit der Mitteilung, daß die a und a. Mächte die Berwkserschast des königlichen Prinzen Joseph und di« durch den Prinzen ernannte Regierung nicht anerkennen und erklären, daß sie nicht geneigt find, mit dieser Regierung über den Frieden zu verhandeln. Nach Einlauf dieses Telegramme berirs Ministerpräsident Friedrich sofort einen Mknisterra«, zu dem auch Prinz Joseph erschien. jEs wurden zwei wichtige Entschließungen gefaßt, und zwar 1.. daß Prinz Joseph infolge der Stellungnahme der Entente seine Tätigkeit als abgeschlossrn betrachtet und von der Brrw.'serschast zurücklritt; 2. daß auch die durch den Prinzen ernannte Regierung demissioniert. Bon dieser Entschließung machte der Ministerpräsident persönlich der kn Budapest weilenden Ententemisston und mittel« Funkspruchs dem Präsidenten der Friedenskonferenz, Clemenceau. Mitteilung. Di« Budapest« Ententemisfion fordert« den Ministerpräsidenten auf. ein Ministerium zu bilden, woria sämtliche Sesellschaflrschichten des Landes vertreten find. Zugleich wurde der Ministerpräsident aufgefordert. unter allen Umständen für die Austechterhaltung der Ordnung zu sorgen. Die Entente stellte zur Bildung der neuen Regierung «ine Frist von drei Tagen. Hieraus kehrte Ministerpräsident Friedrich in den Minister«« zurück, w» der Minister de» Aeußern Looaszy im Namen der Mitglieder de« zurückzetretenen Kabinetts von dem Prinzen Joseph Abschied nahm Tr erklärt«, Prinz Joseph habe sich in den Stunden der Krisis zum Handeln entschlossen, weshalb ihm
!
SMfeIZ.
Original-Roman von K äte Lubowski.
13) (Nachdruck verbalen.)
Sie fühlte den Zügel, mit dem sie allzeit ihr Leben gclen.lt balle, mieden straff in den Händen . . . und sich sclüll als Herrsch-.r'n ihres Geschickes. Darum kämpfte sie sich auch an Georg PirlS Seile wieder durch den Sturm, schloß leicht die Lippen, atmete tief und regelmäßig durch die Nase die frische, Herbe Luft ein und begann ihm schließlich von dem Vorschläge des alten Chefs zu erzählen:
j „Denken Sie nur, Herr Pirl, was geschehen kann ... »Ich werde vielleicht durch Kauf zur Inhaberin des lGroßerschen Betriebes werden! Es steht zwar alles noch ! im unklaren — aber, es wird wohl so und nicht anders - kommen."
Er erschrak. Sie merkte das den-tlich an dem ruckartigen Zusammenziehen seiner Schultern.
In Wat rheit riß er nur seine Kräfte zusammen, bannt sie alle bereit wären.
. . . Das durfte nicht geschehen! Dann war sie ihm verloren. Jetzt und immer. Zwar ließen sich übernommene Pflichten wiederum abschütteln. Jedoch in dielen, Falle wohl kaum ohne schwere Opfer an Geld. Solche aber mußten vermieden werden. Darum durfte er den heutigen Tag nicht Vorbeigehen lassen, ohne ihr jeden Gedanken an die Möglichkeit dieses Kaufes zu zerstören . . . Sein Gesicht veränderte sich ausfallend. Ihr entging auch das nicht. Und eine stolze Freude wallte in ihr aus. als sie iune ward, daß er erregt — ia außer sich erschien. Ihr Herz tat einen raschen Schlag. Ihr wurde heiß und eng, und sie meinte, daß sie von seinen Worten erschüttert wäre.
Bon diesen verheißungsvollen, ängstlich klingenden Worten:
. „Das darf niemals geschehen! — Um meinetwillen nicht!"
Sie wallte ihn, antworten . . . eine Frage tun, aber es mar zu spät. Sie waren schon zur Stelle . . .
-— Vor der Tür, hinter welcher Professor Wilke
litt, ging wie ein treuer Wächter die sanfte Pflegeschwester auf und ab. Ihr Gesicht »erriet nicht, wie es drinnen stehe. Es trug — wie- auch sonst — den ergebenen, freund- lsiber, Ausdruck, und die Augen mit der bläulichen Iris unschuldiger Kinder schauten zufrieden. Daraus meinte Helea Holtmann gute Hoffnung schöpfen zu dürfen.
„Nicht wahr, es geht ihm besser, Schwester?"
Aber sie irrte. Vielleicht war diese stille Hüterin schon so weit, daß sie dem Tode mit voller Überlegung entgegen lächeln konnte. Klar trat das nicht hervor.
Die Augen senkten sich ein wenig und die Stimme ward noch demütiger und sanfter:
„Er darf bald heimgehen . . . sagt der Chefarzt!"
Helea Holtmanns junge Kraft erhielt einen Stoß. Etwas von dem starken Zittern unerbittlichen Grauens, das sie geschüttelt, so lange ihr Vater tot und starr in dem Steinbrinkener Gutshause gelegen, überkam sie auch jetzt. Denn die Nähe des Todes bat für jeden Menschen, der gern lebt, eine Faust bereit, die schwer- auf den, Herzen lastet. Darum kann er doch fernab von aller Feigheit sein.
Helea Holtmann war sonst mutig und voller Kraft. Wenn sie jetzt vor dieser Tür lange zauderte, so sprach auch die Frage mit, ob sie dem Ringenden nahe genug stehe, um zu ihm gehen zu dürfen.
Die Schwester setzte allem Zögern ein Ziel.
„Er hat noch in seinen letzten klaren Augenblicken von Ihnen gesprochen, Fräulein Holtmann."
Da sah Helea Holtmann zu Georg Pirl hinüber, nickte ihm zu und ging dann in das Zimmer mit den dunkeln Schatten.
—-Es war so weit, daß der alte Mann auch
heimgehen wollte!
Zwar regte sich sein Atem noch, aber das Gesicht war das eines Verblichenen. Scharf und spitz trat die Nase hervor. Zwei tiefe Rinnen liefen, wie eing«schnitten, tt dem bleichen Munde nieder. Und das Unke Auge
mar bereits geschloffen. Das rechte über irrte umber, au Georg Pirl vorbei, bis sein Blick Helea Holtmann gefunden hatte.
Nun ruhte er sich auf ihrem Antlitz aus!
Sie wartete auf ein letztes Wort von ihm. Es erschien ihr unmöglich, daß er stumm verlöschen sollte. Aber er redete nickst mehr. Nur aus dem offenen Auge jammerte ein Wunsch, den sie nicht verstand.
Auch- Georg Pirl konnte ihr nichts enthüllen. Er stand blaß und stumm abseits. Seine Lider hinter den dicken Brillengläsern waren geschlossen, als wollte er nicht mit aniehen, was da käme.
Die Stille blieb.
Auch die Schwester war jetzt im Zimmer. Sie tupfte niit einem weißen Tüchlein den Schweiß von der Stirn des Totgemeihten. Kein Zucken verriet, daß er es spüre.
. . . Nachdem sie ihre Pflicht getan, glitt sie wieder laut< los in den Hintergrund zurück und lehnte sich schwer an den alten, tiefen Stuhl, denn sie war seit zwei Nächten nicht aus den Kleidern gewesen.
Und die Stille wuchs!
Da verzogen sich plötzlich die Glieder des Kranken inj einem Krampf. Seine Rechte zuckte ans und suchte wie! zuvor das Auge . . . Suchte nach einer anderen Hand,! an die er sich in dieser höchsten Not klammern konnte. ! Suchte einen Augenblick umsonst.
Dann ward ihm eine Stütze. Helea Holtmanns! warme, kräftige Finger umschloffen die seinen. Und es ^ war, als wenn sein Auge weniger jammerte. Regungslos stand sie. Den Atem eingehalten, das junge Haupt geneigt ... bis es war, als ob der Krampf austobe.
Die blasse, zuckende Hand lag plötzlich seltsam schwer in der ihren. Das beredte offene Auge schien verstummt.
Ein Wirbel packte Helea Holtmann und nahm ihr einen Augenblick jeden klaren Gedanken. Sie empfand, als müsse sie stürzen. Sie wankte auch wirtlich . ..
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(Fortsetzung folgt.)