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93. Jahrgang.
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Samstag, den 23. August
1919 .
IS4
Wochenrundschau.
2s höhn die Schäfte, ur.d Löhne emporschnelle», desto größer wird dis Ardett»unlust. Sttbst die Besserung der Erniihrlmgsy-rsMlitfje hpi nicht« daran geändert. Den deutlichsten Bwels finden Wir in dem Kohlen elend, mit dem fich auch dir Nationalversammlung beschäftigt. DK Reich,, egierung hatte in threr bekannten Tatenlofigkeir, die nur durch em« müßige Geschästigkeit und durch eine vlan> lose Beunrhrung dW Bcamtenheeres verhüllt wird, Sie Sache monatelang liegen lassen, wrti eben fitzt im republikanischen Deulschianü höchste» Gesetz die Un-schmeichrlung der Mafien ist und weil kein Recht mehr höher geachtet w-rd. als das d?i Straß». Man hat nun eile möglichen Abhiifsmittel erwogen, aber sie kommen, falls sie übrrhaupt etwas taugen, zu spät. Die Folge sehen wir schon seit Wochen in den Betriedsrinschränkungsn der Gas- und Elektrizitätswerke, denen bald auch di« Fabriken folgen wilden. Nicht weniger lästig empfunden Wird die nunmehr ongrkündigte Ein- stsllung de« gesamten Personen, und Schnellzugsoerdrhrs an den Sonntagen. Aber es bleibt wsh! mchts andere» üb-ig. sonst haben wir nicht einmal mehr die Kohlen zur Abwickelung drs großen Güterverkehr« imHerdst. Den aber brauchen wir ganz besonders, weil die Emteaus- sichten von Woche zu Woche besser geworden find, wozu auch dir berrorftehknse Obsternte gehört. Aepfel und Birnen sollrn in drr Hauptsache dem Verkehr freigrgeben wrrden, tm übrigen aber ist von einem Abbau der Zwangswirtschaft besonder« drr im Getreide, noch keine Rede. Das würtiem' brrgische EknährungSAtnisterium wäre wohl gern bereit ge- wrfen, dra Forderungen unserer Landwirtschaft zu entsprechen, aber die Reichsregierung gestattet es nicht, und außerdem muß vor allem di« großstädtische Bevölkerung versorgt werden, die immer noch ihre etgen-n Intereffm über die der Bauernschaft stellt, selbst nur 8 oder weniger Stunden arbeitet, dem Bauern die doppelte Arbeitszeit zumutet und ihm obendrein da» Verfügungsrecht über sein Eigentum nimmt, während der städtische Ärbsker fich ein Verfügung«, recht über das Eigentum seines eigenen Arbeitgeber« aus dem Umweg über dis Betriebsräte anmaßt. Kein Wunder daß drr Unmut aus dem Lande immer größer und drr Ruf irrmkk lauter wird: Wann wird gewählt?
So kann es ja nicht bleiben. Wenn schon von den höchsten Regierungsstellen in Weimar eins wilde Demagogie gegen da, Bürgertum getrieben wird, wenn bürgerliche Reich«minister von der .ausgehungerten, belogenen und betrsgenen Aibetterschast" sprechen, wm« der revolutionäre Partetklünge! in Weimar schallet und waltet, wie r« ihm gersde paßt, dann ist es die höchste Zeit, durch Neuwahlen las Bold zu brftagen, ob es mit dieser Wirtschaft noch länger cinorrstanden ist. und einmal Klipp und klar fest- zustellen, ob die jetzige Machtoertetlungin den deutschen Parlamenten auch heute noch dem Bolkswillen entspricht. Seitdem wir aus den Steueroorlagen volle Klarheit über di« Wirtschaft gewonnen haben, die mit dem deutschen Volks, »«mögen getrieben wird, seitdem auch ein Blinder die Etnstchr bekommen mußte, daß unter dem neuen Regime nicht mehr wie früher Fleiß und Leistung belohn». Spar- samkrit und Bermöglusbüdung gefördert werden, sondern eine öde Gleichmacherei zum Prinzip erhoben ist, seither hat mancher anders denken gelernt als bet den Wahlen im Januar. Wir brauchen nur den jämmerlichen Stand unserer Valuta zu betrachten, dann erkennen wir. daß sie nicht, weiter ist, als ein Mißtrauen«; eichen de» Auslandes in die Arbeit,kiaft und den Arbeitswillen Deutschlands und -aß dort der einst so bewunderte deutsche Fleiß nur noch für ein sagenhafte» Märchen gilt. Fiieh» wirklich so vier deutsche» Kapital in« Ausland bloß au« Steuerscheu? Wir bezweifeln e». Der Grund für diese traurige Gischet, nung »st vielfach auch die Furcht vor der sozialistischen Regierungswetse. vor der Enteignung 'und Konfiskation durch die stimio« gegen jeden Besitz wütenden Gewalten.
Me Nattonaloerjammlung sollte mit der amrltchen Verkündigung drr neuen Reichsoerfafiung den alten Namen Reichstag wieder annehmrn. Sir Hai er aber selbst abgelehnt und damit wohl zum Ausdruck gebracht, daß ihre Tage gezählt find; denn mit der Annahme der Reich«vrrsaflung m.b der notwendigsten Steuergesetze ist ihre Ausgabe erfüllt. Also müssen die Wahlen jetzt kom. men. uno zwar bald. Wir stehen aus dem Höhepunkt der uu-erwirtschaftlichen Krisis nach dem Kriege Wird nicht Ichleurigst Klarheit über den Bolkswillen geschaffen, so bekommen wir auch noch eine weitere politische Krise, möglicherweise eine neue Revolution. Es ist immerhin ein pichen der Zeit, daß jetzt schon die Entente sich zu dem Ra! an die drutiche Regierung genötigt sieht, den ewigen
Streik» ein Ende zu machen, und daß sie zu diesem Zweck ih-r eigenen Truppen zur Verfügung stellen will. Wenigstem Hecht es so in der Berliner P esie; vielleicht aber rst die Nachricht nicht wahr, wie neulich auch di« Meldung, daß die Entente aus die Hälfte unser« Kohienzwanzs- Mieftrunz verzichtet habe, um uns wirtschaftlich auszuhrlsen.
Aber unsere Feinde beringen- schon die eizkin Krisis zu spüren. Lleyd George hielt neulich eine g oße Rede tm englischen Unterhaus, au» der dmtitch die Sorge vor demZusammenbruch der englischen Zn dustrie wegen der NrbL'terftazrn und vor Englands wirtschaftlicher Uederflügelu-g Lurch dis Bereinigten Staaten herausklang. Dazu kommen die Wirren tm Osten. In Ungarn ist Zwar dis Räteregierung beseitigt, aber der Erzherzog Joseph will schon wieder zurücktrrteu. wri? er, wie e» heißt, drr Entente nicht genehm ist. Da« Schicksal Ungar« bleibt sonach in der Schwede. Und Rußland? Kein Mensch weiß, wa» da werden soll. Die Sovjttkuppen, vielmehr dir Banden, die sich so nenne», schlagen sich an allen Grenzen herum. Im äußerst«» Osten scheinen sie gegen den Admiral Koltschak Fortschritts zu machen; im Westen z'ehsn die G-rglärdrr ihre Landarmes zurück, haben aber in einem Sretrrffen im finnischen Meerbuscn eine Rrihe russischer Schlachtschiffe versenkt. Di« Putschversuche, sdi« neulich in Oderschlesirn von den Polen angezettelt wurden, find wohl auch nur ein Vmsluß dieser Schwierigkeiten drr Entente. Wir sollen diesen Bezirk noch vermal- ten, bis eins Volksabstimmung über seine fernere Zugehörig, krit entweder zu Deutschland oder Polen entscheidet. Wenn um aber polnische Band«» daran hindern, so ist es dis Pflicht der Entente. Einspruch zu erheben. Nur haben diese EinsprLchr kaum mehr praktischen Wett Man hat da« an Rumänien gemerkt, das «ach der Besetzung von Budapest durch seine Truppen drei Noten unbeantwortet ließ, bis es schließlich dem Obersten Rat der Alliier- ten tu Pari« gelang, durch alle möglichen diplomaiischen Kniffe das Schlimmste zu oerhüten. In der Türket zieht eine neue Krists heraus. Der ganz« Balkan wird, des steht heute schon fest, noch w'tt mehr ois vor dem Kriege «in ewig brodelnder H-xsnkrflel der Gefährdung des Frie- de:s in Europa. Besonder« interessant find Sie deftigen Prlffeauseinendersetzungen zwischen Part» und London wegen Persien und Syrien. Dt-Engländer wollen das eine, die Franzosen da« andere olr Kriegsbeute, und keiner gönnt dem andern dir seine. So sehen dis Grundsätze des neuen Völkerbundes aus. Wilson aber, drr Barer all dieser Ideen, die uns zum Fallstrick geworden sind, läßt die ameridanlschm Truppen in Mexiko eimückrn und macht rv gerade so. Dazu kommt dann noch die Haltung Japan» in der Scharttunzsrage, die den Zündstoff zu einer neuen Weltkrise zu geben vermag. Vielleicht begreift drr deutsche Michel nun doch mit der Zeit, welchen wahren Wert die Errungenschaften seiner Revolution tm eigenen Lande und draußen in der Welt besitzen.
Das Rätegesetz.
Weimar, 21. Auz. Erster Gegenstand der heutigen Sitzun« der Nationalversammlung ist ein von Abgeordneten aller Parteien eivgrbrachter Antrag, noiletde.idrn Krlegs- hivterbltebmen Beihilfe zu gewähren. Der Antrag wird einstimmig angenommen.
E« folgt die erste Beratung de» Grfttzr, über die Betriebsräte. Reich,arbeit,minister Schi cke sagt in seiner Begründung u. a.: Das drei Gebiete behandelnde Gesetz (Arbeitsversaffung. Arbeitsvermittlung und Arbeit,, recht) stellt eine grundlegende Umgestaltung des Wirtschaft« leben» dar. Die Regierung Hai erklärt, daß sie «in Räte Wem mit poMschen Aufgaben adlehne. daß neben dem aus freien Wahlen heroorgehenden Parlament nicht noch ein andere» eingesetzt werden Kölns. Dagegen hat st« sich den Gedanken, die RSie mit wirtschajlltchrn und sozialen Ausgaben zu betrauen, zu eigen gemacht nno in Art. 165 der Verfassung festgesetzt. Diesem ersten Gssetze werden andere folgen über Ardei'erräte und Wlttschastsräte. sodaß in diesem Jahre noch die gesamte Räteoe kaffung festgelsgt wird. Wenn Arbeitgeber weinen, daß der Einst ,ß der Albeitrrschast zu weit «ehe. so werden sie sich daran ge- wöhnen müssen; ander» kann das Vertrauen der Arbeit nehmer nicht geweckt werden. Die Arbeiter haben an der gesteigerten Leistungsfähigkeit des Betriebes genau dasselbe Interesse wie der Arbeitgeber. Die zahlreiche,, wrrtgehrnden Bedenken gegen da« Gesetz sollte man im Intereffe seines Zwecke« zurückstellen. Da» Ziel der Arbeit soll da» Gemeinwohl fein. (Beifall.)
Di- Vorlage geht an den siebenten (sozialpolitischen) Aurschnß. Aus Wunsch sämtlicher Fraktionen wird noch
nachträglich der Ausschußberlchl über die Notstand»Versorgung mit Obrrkleidunz und Schuhwrrd, sowie über den Abbau drr Zwangswirtschaft in der Textilindustrie erledigt. Der Ausschußantrag wird angenommen und die 7 MU> glirder des Ausschusses werden sofort gewählt.
Drr Präsident beraumt dte nächste Sitzung auf nach, mittags 5 Uhr pünktlich an mit der Tagesordnung: Vereidigung des Reichspräsidenten. Der Reichspräsident wird, so sagt drr Präsident, von den Schriftführern und Vizepräsidenten am Eingang begrüßt und ins Hau» hrneinge- sührt werden. Drr Präsident wird den Reichspräsidenten alsdann in den Saal geleite«, und seine Vereidigung vor- nehmen. Daran werden fich eine ku ze Ansprache de» Präsidenten an den Reichspräsidenten und eine kurze Erwiderung de» letzteren anschlteßen. Dann wird vom P ästdetten dir Schlußarffprachr gehalten werden. Präfi- dent Fehrenbsch fährt fort: Wir stehen am Schlüsse einesTagungsabschnittes von ga^z außerordent- sicher Arbkitrfülle. Gs wird nachmittag« Gelegenheit sein, dem Hause de» Dank sü? die treue und außerordentlich anstrengende Arbeit dieses halbm Jahres auszufprcchen. Wenn wir in gewisser Hast ardrttrn mußten, so ist da§ aus die Rechnung der außerordentlichen Verhältnisse zu setzen. E» handelte fich nicht um eine normale psriamentarische Tagung. Wir mußten ein zusammengebrochrne» Hau» wieder reu ausbauen. Dabei kam es nicht darauf en, jeden Stein sogsältig zu behauen, sondern rasche Arbeit zu tun. um das Hau» schleunigst wieder zu überdachen. Die ungeheure Arbeit ist vom Hause in fleißigster Tätigkeit ge- reistet worden. Die Ferien für die Ausschüsse erstrecken sich bi« Dienstag den 23. September. Die Vollversammlung wird Dienstag, den 30. Septrmder in Berlin wieder zu- ssNmenkomArn. vorausgesetzt, daß außerordentliche Vir- hältkiffe nicht die Notwendigkeit einer früheren Tagung erzwingen.
Derfaffungseid des Reichspräsidenten.
Weimar, 2l. Aug. Dis feie,siche Vereidigung des Reichspräsidenten halt« schon lange vor Beginn drr Sitzung eine große Menschenmenge nach dem Platze vor dem Nttio altheater gezogen. Kur- nach 4 Uhr rückte mit klingendem Spiel eine Ehrenkompanie Landesjäzer in Paradeuniform auf den Platz Kurz vor 5 Uhr erschien da» Automobil de, Reichspräsidenten. Al» der Reichs- Präsident das Haus betrat, rklönte rauschender Orgelklang. Der Sitzungssaal hatte einfachen, aber würdevollen Blumenschmuck erhalten. Die oersammrlten Mitglieder de» Reichs- rats erhoben fich zur Begrüßung, ebenso die gesamte Nttionaiosrsammtung. die sehr stark besetzt war. Nur die Plätze drr Deulsch-Nationalen und der Unabhängigen waren leer geblieben.
Präsident Fehreubach richtete an den Reichspräsidenten die folgenden Worte, Herr Präsident. Artikel 42 unserer in Kraft getretenen Beichsveisaffunz ordnet an. daß sie den Eid aus dte Verfassung zu leisten haben. Ich habe zur Vornahme dieser ernstseierlichen Hcmdtung die Sitzung an- beraumt. Ich bitte das gesamte Hau«, sich von den Plätzen zu erheben. Nachdem die dte Eidesformtt enthaltende Urkunde dem Reich,Präsidenten überreicht worden war, fuhr Präsident Fehrenbach fort: Gw. Exzellenz ich bitte Sie, den oorgsschriebenrn Eid zu leisten. -
Der Reichspräsident sprach mit markiger Stimme dte vorgeschrirberre Eidesformel.
Hieraus richtete der Präsident der Nationalversammlung an den Reichspräsidenten folgende Ansprache: Herr Präsiden). Durch drr Leistung des Eides auf dir Verfassung sind Sie dem deutschen Volke verpflichtet worden, das durch seine berufenen Verirrter Sie an dte Spitze der deutschen Republik berufen hat. Namen» des deutschen Volkes beglückwünsche ich Sie und spreche dir Urberzeugung aus, daß Sie da« neu« Amt mtt ihrem ganzen Herzen «Wen wer- den. Sir find aus dem Dolde hrrvorgegangen. Wir beide, die heute bet diesem denkwürdigen Vorgang einander gegen- überstchen, bekennen es mit oollrm Gedenke« an unsere Heimgegangenen Titern, Unsere bescheidene Heimat steht im Badener Land, am Fuß« des Odemvaldes und an den Höhen de» Schwarzwaides, der unsere Kindheit beschirmte. Sie werden ein treuer Freund de» arbeitenden Volke» sein, dem sie nach besten Kräften zu dienen suchen, wie sie im fürchterlichen Krieg das schmerzlichste Opfer gebracht haben, da von den 4 Söhnen, dl« sie unter die Fahnen stellten. 2 nicht mehr ins Vaterhaus zurückgekrhrt find. E, ist ein dornenvolles Amt. da« in der schwersten Zeit de» Vaterland«» aus Ihre Schütteln gelegt woben ist; aber mit ruhigem Grwiffen können sie jede Schuld und Berant- wortung an der trostlosen Lage de» Reiche» adlehnen. Sie