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93. Jahrgang.
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Freitag den 8. August
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Der intemailonale Gew^kschastrkongietz in Amsterdam hat zu bemerken«Merten Zusammenstößen zwischen den Ge- werdschasten der Zrntralmächte und den anzlo-amertdanischen Arbriterorgantsattonrn gejührt. Auch hier zeigte sich, daß die internationalen Ideen und das Programm der Int«, nationale Hali machen müssen vor den rein wirtschaftlichen Interesten der Arbeiter, die nirgendwo sich gleichen und immer national gebunden find. Die größien Arbeiterorganisationen der Welt, die deuischen Gewerkschaften, außerordentlich ge- schickt durch Legten, einem der feinsten und vielleicht besähigsten Kops der deuischen Arbeiterschaft, geführt, sollten von den Amerikanern und Engländern von vorne herein auf die Anklagebank gebracht werden. Also von Anklägern, die im Sinne der deuischen Gewerkschastabewegurg durchaus nicht stubrmein sind und überdies während des Krieges alle Mittel bewilligt haben, um die Lebrnshaltung de» deutschen Arbeiters auf da« Sklaoenmaß herabzudrücken. Der Führer dieser Richter ist Herr Gomper«, «in gebürtiger Engländer, der drüben in Amerika nachgewiesenermaßen der korrupten Tam« many-Hall seine Dienste lieh und von den amerikanischen Sozialisten stet» mit Beinamen wie Schurke und Berräter der Arbeiterknteresten bedacht wird. Was die deutsche Arbeiterschaft längst hat, ist in England und den Bereinigten Staaten, erst recht tn Frankreich, noch sernltegende» Ziel des gewerk« schallsicher, Kampfer. So hätte eigentlich die Führung der deutschen Gewerkschaften in Amsterdam das unbestrittene moralische Recht gehabt, den Engländern und Amerikanern oorzuwersea, daß sie nicht das Mindestmaß erfüllen, das Deutsche an die Tätigkeit der Gewerkschaften stellen. Ueber- die» ist in Frankreich, sowohl wie in den Bereinigten Siaalen und England die Zahl der nach deutschem Borbilde Organisierten verhältnismäßig gering. Ausschlaggebend mußte also nicht die Zahl der Deiegkerlen, sondern die Zahl der hinter ihnen stehenden Organisterten sein. Legten hat um dies» demokrsitsch« Prinzip einen entschiedenen Kamps geführt. Die Amerikaner, und vor allem der dunkle Ehrenmann Gomper», antworteten mit Phrasen und Vorwürfen.
Aber der Konflikt hat noch andere Ursachen. Gomper» und die Engländer vertraten vor allem di« Teilnahme an der Konferenz in Washington, die als Gegengewicht gegen di« weitgehend« Forderung Deutschlands und der deutschen Gewerkschaftsführer aus ein internationales Ar beiterlecht im Oktober zusammentreten soll und an der Vertreter der Ententeregierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilneh- men werden. Dt« Engländer und Amerikaner unter Gomper» vertreten unbedingt lediglich amerikanische Interessen und pfeifen aus die Solidarität der Gewerkschaften. Sie haben sich entschieden geweigert, dem Kongreß in Washington di« bekannten Gewerk!chaft«sord«rungrn zu Grunde zu legen, wie sie aus der Berner und Amsterdamer Konferenz ausgestellt wurden. Diese Forderungen können eben allen Arbeitern tn allen Ländern zugute kommen und das liegt nicht im Interest« der Amerikaner und Engländer, die ihre Interessen aus Kosten der Arbeiter der anderen Nationen sichern wollen, aus egoistischem Bestreben heraus, selbst wenn da» die Arbeiter anderer Länder kn Sklaverei bringt. Legten üble schneidende Kritik an Gomper, und sagte mit Recht. die Washingtoner Konferenz würde sich mit Sachen beschäftigen, die vielleicht vor 20 Jahren zur Beratung ge- eignet gewesen wären. Das trifft den Kern. Das fort- geschrittener« und wirtschaftlich modernere Prinzip wird eben von den deuischen Sewrrkschasten verireten, während die anderen Nationen hintenher hinken, was nicht nur rühmlich, sondern auch vorteilhaft für Deutschland ist, wenn es den deuischen Gewerkschaften wieder gelingt, di« deutsche Arbeiterschaft um ihre verdienstvollen Führer zu scharen.
Württembergischer Landtag.
k» Stuttgart, 6. Aug. In der heutigen Sitzung des Landrags wurden *ßie neu «ingrtrrienen Mitglieder Zieg- ler (US) und Fette (S) für legitimiert erklärt. Die Deutsche demokratische Partei erklärte sich mit schriftlicher Beantwortung der Anfrage Henne an den Ernährung»- minister betr. Auslandimehl einverstanden. Das Hau« beriet dann den Gesetzentwurf betr. Aenderung des Polizeistrasrechts. der eine gesetzliche Festlegung der Befugnisse der Legierung, der Bevölkerung drohende Gefahren durch polizeilichen Zwang oorzudeugen, verlangt. Ein Ausschußantrag steht insofern eine Aenderung vor, als allgemeine Anordnungen dem Landtag oorzulrgen sind. Berichterstatter Roth (BV) bemerkt, ein derartiger Ent- wuif könne nur im sogen, .freien Volksstaat- eingemacht werden, wo mau «inen .Landristirsoatrr' Hab«. Diese Bezeichnung für den Staatspräsidenten Blos rügie Präsident
Keil als unzulässig. Slaairprästdenl Blos erklärte sich in humorvoller Weise» gerne bereit, den Abg. Roth in »äirr- lichr Zucht zu nehmen. Der Entwurf fand Widerspruch auf der äußersten Rechten und der äußersten Linden. B a- zille (BP) ist dagegen, weil die erforderlichen Maßnahmen durch die bestehende Verfassung gegeben seien und die Regierung durch den Entwurf nahezu diktatorisch« Gewalt im Polizetrecht bekomme, was gegen die wichtigsten Grund- sätze einer .freien- Verfassung verstoße. Sr beantragte, der Regierung die Ermächtigung zu geben. Polizeiverard- nungen zum Schutze gegen Gefährdungen der Person und des Eigentums zu treffen. Die Unabhängigen Hornung und Frau Zetkin hielten den Entwurf als gegen die revolutionäre Arbeiterschaft gerichtet und lehnten den Entwurf ab. Staatspräsident Blos trat der Befürchtung eine» etwaigen Mißbrauchs des Gesetzes durch die Regierung mit dem Hinweis entgegen, daß die Regierung dem Landtag gegenüber für die Anwendung der Bestimmungen verantwortlich sei. Matlutat(S), Boch (Z) und Fischer (D) traten für die Regierungsvorlage mtt der Ausjchußänarrung ein. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Bazille gegen die Bürgerpartet abgelehnt und das Gesetz gegen Bürgerpartet und Unabhängige angenommen. — Genehmigt wurde noch der Nachtragsetat betr. Lande», polizeiamt und Landjägerkorps, wobei Graf <Z) für die Angehörigen der örtlichen Polizei und de» Landjägerkorps beim Ausbau de« Landespvlizeiamls ein- trat. Nächste Sitzung! Donnerstag 9 Uhr. T.-O. Land- arwrnbrhörde. — 3. Beratung bei Gesetzentwürfen.
Der Verzicht auf de« Laudtagspräfid enter» geh alt.
p Stuttgart, 6. Aug. Zu Beginn der heuligen Sitzung des Landtags kam Präsident Keil aus den einmütigen Beschluß des Finanzausschusses zu sprechen, der ihn um Zurücknahme seine« Verzicht« aus den Prästdentengehalt ersuchte. Nachdem dieser Beschluß die einmütige Billigung des Hause» gesunden habe und dir Gründe weggefallen seien, die ihn zu dem Verzicht veranlaßt hätten, da ferner aus den Reihen der Parteien wiederholt ihm gegenüber der Ansicht Au,druck gegeben worden sei. daß sein Ber- halten wegen der Folgerungen für spätere Präsidenten un- zulässig sei. erklärte Präsident K e i l. daß er den Ver- zicht hiermit zurücknehme.
TckgeSrretrtskeLtr«.
Die neue Berfsfsuug.
Berlin. Die Gründe, warum das Bersaflungsgesrtz bisher vom Reichspräsidenten noch nicht unterzeichnet und noch nicht oeröffenilicht worden ist. find die folgenden, Da« Vrrsaffungsgesetz läßt dt« bisherigen Funktionen, de» Slaakenamschusseik an den Reichsrat übergehen. Insolge von Schwierigkeiten, die in den Etnzelstaaten liegen, läßt sich ein neuer Retchsrat nicht sofort bilde». Der Staaten- ausschuß hätte mit Inkrafttreten de» Verfassung,Gesetzes das Recht verloren, seine bisherigen Funktionen auszu- üben. Es würden also beispielrwetse das Gesetz über die Betriebsräte, sowie einige Steuergrsetze und alle Entwürfe, die der Nationalversammlung oorzelegt werden sollen, nicht mehr durch den Staatenau«schuß erledigt werden können. Man will, bevor das Beifassungsgesetz tn Kraft tritt, diese Gesetzentwürfe durch den Siaatrnausschuß erledigen lasten.
Die Neichseiuko«r»euftener.
Die Reichieinkommensteuer wird eist im Herbst in der Nationalversammlung eingebracht werden. Die Auf- stellung der Entwürfe scheint erhebliche Schwierigkeiten zu machen; denn um das Einkommen vollständig zu erfassen und jede Möglichkeit für Steuerhinterziehungen abzuschnei- den. soll das Einkommen an der Quelle ersaßt werden, also die Gehälter beim Arbeitgeber, das Kapitalvermögen bei den Banken und bri der Reichrschuldorrwaltung etc. Für diese vorweg bezahlte Steuer erhält der Steuerpflichtige einen Bon. den er dann bei den writerrn an seine Person gerichteten Steueransprüchen in Zahlung geben kann. Die Einkommensteuer soll da» Einkommen bi« an die Grenze der äußersten Leifiungrfähigkrit belasten und nach dem Grundsatz erhoben werden, daß alle Deuischen vollkommen unabhängig von ihrem Wohnsitz gleiche Steuer bezahlen. Um da» zu erreichen, will das Reich die Sleueroerwallung in sein« Hand nehmen und durch Finanzämter zur Veranlagung und darüber stehende LandesfinanzSmter au», üben lasten. Diese Landesfinanzämter umfassen groß« Be- zirke mtt ungefähr drei Millionen Einwohnern. Im Ganzen sollen etwa 20 Landesfinanzämter errichtet werden. An der Spitze steht ein Präsident, der drei Direktoren unter sich hat, als Leiter je einer Abteilung für Zölle und Ber-
IMS.
brauchsabgaben, für direkte Steuern Umsatz- und Berkehrs- fieuern und für Verwaltung de» Re!ch»vermögeri». Diese hohen Steuerbeamten werden insbesondere wissenschaftlich und technisch gebildete Juristen fein, über deren Auswahl der Rrichrfinanzmlnister vor etwa drei Wochen mit den Hochschullehrern der Staats, und Bolkswissrnschast ringe- hend« Verhandlungen geführt hat.
Die Verstaatlichung -eA größte» deutfcheu GiseuerzbergeS.
Um dle wenigen Eisenschätze, die nach der Abtretung des lothringischen Erzbesttzes noch im deutschen Boden vorhanden sind, unserer Industrie zu sichern und gleichzeitig aus die Preisbildung de« Auslandes regulierend einzuwirken, beabsichtigt die Regierung, den Eisenerzbergbau und di« Eisenindustrie in dem Hannoverschen Gebiet« Peine-Salz- gitter zu sozialisieren und da» dort vorhandene größere Werk, die Ilseberghütte, zu enteignen. Das Eisenoorkommen von Peine Salzgitter wird auf insgesamt 300 Millionen Tonnen geschätzt. Andere Schätzungen gehen well darüber hinaus. Da, ist da« größte Eisrnerzgebiet in Deutschland und bis auf ganz winzige Teile im Besitz der Aktiengesellschaft Ilseberghütte. Naturgemäß hat die Ilseberghütte bisher das Eisenerz nur sehr sparsam abgedaut. um mög- sichst viele Jahre damit zu reichen. Die Enteignung der Ilseberghütte scheint indessen das einfachste Mittel zu sein, um dieser Eisen in Reich« de sitz zu bringen und unserer Industrie eine reichlichere Bersorzung zu sichern, wenn nicht mehr die Interessen einer Aktiengesellschaft dahinter stehen. Ueber eine Vorlage, die das Enteignungsrecht ausspricht. und drm Aeichsschatzminister den nötigen Betrag für die Entschädigung der Aktiengesellschaft zur Verfügung stellt, ist tn diesen Tagen vsm Staatenausschuß verhandelt worden, sie hat die Zustimmung ziemlich aller deutsch« n Staaten- Vertreter gefunden. Me wir hören, widersetzt sich nur noch einer, das ist Sachsen. Insolgedeffen hat der Staaten aus- schuß keine Entscheidung getroffen. Sie wird wohl nW mehr lange auf sich warten lasten, und die Vorlage wird dann an die Nationalversammlung weiiergehen.
Die Kvhleufrage.
Berlin. 6. Aug. Unter dem Vorfitz des Retchsmini- sterpräftdenten Bauer fand heut« Vormittag zwischen Ver- tielttn der beteiligte» Netchs- u»d Staat,Ministerien, sowie einer Anzahl Vertreter der Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Besprechung über die Möglichkeit der Erhöhung der deuischen Stetnkohlenproduktion statt. Bon sämtlichen Rednern wurde aus den Ernst der Lage hinge- wiesen. Starken Eindruck machten insbesondere di« Ausführungen des preußischen Eisenbahnminister», der betonte, daß schon jetzt durch den großen Rückgang der Produktion ein« Kohleukrtse hrnsche, dl« sich zunehmend verschärft habe, und drohe, da» Verkehrswesen wie auch die Industrie lahmzulegen. Dle Eisenbahn habe im Durchschnitt nur noch Vorräte für acht bi« vierzehn Tage. E» müsse ernst- lich mit der Notwendigkeit gerechnet werden, den Personen- verkehr wiederum stark einzuschränken. Wenn schon jetzt die innere Kohlenoerjorgung Deutschland» durch die lausende Produktion unzulänglich ist, so kommt künftig als erschweren- der Faklor die durch den Friedensvertrag bedingte Abgabe von Kohlen an die Ententeländer hinzu. Wenn auch vo» Seilen der Alliierten zugegeben worden ist, daß die im Friedeneoertrag festgesetzte Lieserung von 40 Millionen Tonnen jährlich für Deutschland eine physische Unmöglichkeit ist. so wird sie wahrscheinlich doch aus der Lieserung ganz erheblich großer Mengen Kohlen bestehen. Deutschland Ist aber verpflichtet und gewillt, diese im Friedensoertrag begründeten Kohlensorderungkn zu erfüllen, soweit dies über- Haupt tn menschlichem Vermögen steh». Eine Einfuhrmöglichkeit von Kohlen nach Deutschland besteht nicht, well auch die Ententeländrr im hohen Maße von einer Kohlen- not betroffen find. Auch ist nicht ersichtlich, wie eine solche Einfuhr bezahlt werden könnte. Der kommende Winter wird daher Deutschland auf jeden Fall tn Hinsicht aus Einfuhrartikel die einschneidendsten Einschränkungen auferlegen. Er »ird eine Kohlennot von größter Härte mit manchrn unvermeidlichen Leiden und Entbehrungen für die Bevölkerung bringen. Man war in der Besprechung all- gemein der Anficht, daß deshalb unter allen Umständen u. um jeden Preis alles getan werden muß, die deutsche Koh. lenproduktion zu Neigern. Au» dem Kreise der Anwesenden wurde eine Reihe von Anregungen ln dieser Hinsicht gegeben. Zur eingehenden Prüfung aller Vorschläge wurde eine Kommission au» Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Kohlenindustrie eingesetzt, die unter dem Vorsitz der Reich,- arbeitsministers schon Donnerstag früh ihre Arbeit ausgenommen hat.