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M 54. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. IlihrMfl.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die EinrnckungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.

Donnerstag, den 7. Mai 1891.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stahl A» Pfg. und 2o Pfg. Träqerlohn, durch v'e Potz bezogen Mk. 1.. lnnsr iv ganz Württemberg Mk. 1. SS.

Amtliche Mliimtmachimg.

betreffend den Ausbruch der Maul­und Klauenseuche.

Unter dem Rindvieh in Liebenzell ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.

Calw, den 4. Mai 1891.

K. Oberamt. Amtmann Bertsch.

Tagcs-Deuiakeiten.

Wir werden ersucht, unserer Notiz in vor­letzter Nummer über den Waldbrand am Dickemer Berg nachzutragen, daß die Feuerwehr von Sommen- hardt die erste am Platze war und namentlich ihr die Rettung des Bahnwarthauses zu verdanken sei. Fast zu gleicher Zeit waren die Liebelsberger ein­getroffen, welche bei der Station Teinach eingriffen. Die Sommenhardter Feuerwehr sowohl, wie die Liebelsberger waren in unserem Berichte gar nicht erwähnt und entspricht es dem Billigkeitsgefühl dies richtigstellend nachzutragen, doch konnte an unsere Notiz der Kürze der Zeit wegen kein Anspruch auf Vollkommenheit gemacht werden. Wir erfahren noch, daß von Teinach keine Hilfe erschienen war.

* Camv, 6. Mai. Dem heutigen Markt waren zugeführr 654 Stck. Rindvieh, 25 Pferde, 53 Körbe Schweine. Der Handel ging durcyweg flau. Auch in feiter Ware war derselbe wenig belebt, ob­wohl schöne fette Ochsen im Preis bis zu 1100^ zu­gebracht waren. Auf den Schweinemarkt waren ;ehr schöne Läufer zugeführt, welche jedoch nur zu gedrück­ten Preisen Abnehmer fanden. Preis der Saugferkel 15 bis 25 ^ pr. Paar.

Nagold, 3. Mai. Heute hielt der nach' lingen ernannte Helfer Finckh seine Abschiedspredigt. In der vorgestern abgehaltenen, sehr zahlreich aus allen Kreisen besuchten Versammlung kam die Hoch­schätzung, die der Scheidende während seiner mehr als 8jährigen Thätigkeit in der hiesigen Gemeinde als Geistlicher und Schulaufseher durch seinen Pflicht­eifer und seinen offenen geraden Charakter gewonnen hat, in verschiedenen Reden zum Ausdruck. Besonders hervorgehoben wurden seine Verdienste um die Hebung der gewerblichen Fortbildungsschule und um den Jüng­lingsverein, sowie sein warmer Patriotismus. Die besten Segenswünsche begleiten ihn an den neuen Bestimmungsort.

Wildbad, 2. Mai. Bei herrlich warmem Sommerwetter wurde gestern die Badezeit eröffnet. Die Hotels sind sämtlich offen. Der Gesundheits­zustand der Stadt ist ein vortrefflicher. Die Um­gebung hat sich in ein saftiges Wiesengrün gekleidet. In der Trinkhalle spielte erstmalig das vollständige Kurorchester morgens 11 Uhr und auf dem Kurplatz mittags 5 Uhr. Die Gäste des kgl. Katharinenstifts sind zahlreich eingetroffen und die Zahl der Baden­den, ist schon jetzt eine ansehnliche. Wie alljährlich, so haven auch Heuer die kgl. Anlagen neue Ver­schönerungen durch Pflanzenschmuck erhalten. Im Gewerbeverein sprach Or. De Ponte über Einiges aus der Volksgesundheitslehre.

Stuttgart, 4. Mai. Seine Königliche Majestät nahmen gestern die Meldungen ver von Trauerfeierlichkeiten in Berlin zurückgekehrten Herren, des mit der Führung des Armeekorps beauftragten Generallieutenants von Wölckern und des Chefs des Generalstabes Oberstlieutenants von Gtlgen- heimb, entgegen.

Stuttgart, 5. Mai. Der ehemalige lang­jährige Abg. Egelhaaf-Gerabronn ist gestorben.

Kaiser Wilhelm-Denkmal. Die Stutt­garter Kunstgenossenschaft hat sich in einer zu diesem Zweck einberufenen Generalversammlung eingehend mit der Kaiser-Denkmalfrage beschäftigt. Als Er­gebnis derselben können wir, nachdem das Komite davon in Kenntnis gesetzt ist, Mitteilen, daß an dieses das Ersuchen gerichtet wurde, es möchten 3 weder bei der Jury noch bei der Preisbewerbung beteiligte Mitglieder der Genossenschaft in das Komite ausge­nommen werden. Für den Fall, daß diesem Wunsche entsprochen würde, sind die Herren Bildhauer H. Bach, Prof. Rob. Haug und Reg.-Baumeister Eisenlohr als Vertreter der Genossenschaft gewählt. Ihre Aufgabe wird zunächst dahin gehen, zu beantragen, daß an die Urheber der 3 preisgekrönten und etwa 2 weitere Entwürfe oder wenigstens an die elfteren das An­sinnen gestellt werde, gegen entsprechende Entschädig­ung ihren Entwurf in größerem Maßstabe, etwa '/- oder '/« Lebensgröße ohne Postament auszuführen, damit hiedurch eine sichere Grundlage für die end- giltige Entscheidung gewonnen würde.

Ludwigsburg, 2. Mai. Gestern nacht er­tönten die Feuer-Alarmsignale. Im Zahlmeisterbureau des Ulanenregiments König Wilhelm Nr. 20 schlugen nach °/«11 Uhr die Flammen zu den der Poststraße zu gelegenen Fenstern heraus, so daß man anfäng­lich das Schlimmste befürchten mußte. Indessen ist es den Anstrengungen der sofort alarmierten Mann­schaft und der rasch zur Stelle geeilten Feuerwehr gelungen, das Feuer in seinem Herd zu ersticken, ehe es nennenswerten Schaden angerichtet hatte. Das­selbe scheint durch irgend eine Fahrlässigkeit entstan­den zu sein.

e? 11 ssboso 11. Nachdruck verboten

Die Spionin.

Roman aus dem russischen Nihilistenleben.

Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.

Von Willibald Mencke.

(Fortsetzung.)

Der russischen Bureaukratie?" fragte Goluboff erstaunt.

Ja, wenigstens indirekt, denn der Mörder, den diese Bureaukratie aufs Schändlichste mißhandelt, batte sich vorgenommen, sich an denen zu rächen, die das Anglück seines Lebens geworden waren, und seine Rache ereilte einen Unschuldigen, der seinem Abscheu vor unserer elenden Tschinoffmkwirtschaft oft genug unverhohlenen Ausdruck gegeben batte."

Seltsam! Ader wie war dies möglich?" *

Hören Sie nur! Ein junger Förster aus der Gegend von Oranienbaum er, hält wegen eines JnsubordinationLfehftrs seinen Abschied aus dem kaiserlichen Dienste. Groß muß sein Vergehen nicht gewesen sein, denn auf sein Immediatgesuch, das er einreicht, erhält er den Bescheid, daß es zwar bei der Absetzung sein Bewenden haben müsse, daß er jedoch eine Remuneration von dreihundert Rubeln Silber erhalten soll. Wer war glücklicher als der Förster! Er hatte bei Orenburg einen Privat­dienst auf einem herrschaftlichen Gute erhalten, und er erwartete nur die Auszahlung der ihm verheißenen Summe, um mit Weib und Kind die Reise an seinen neuen Bestimmungsort anzutreten. Aber die Zahlung erfolgte nicht. Er richtet eine Bitt­schrift nach der anderen an die Stelle, an die man ihn gewiesen hat, er meldet sich vergeblich persönlich, um die Erledigung seines Anliegens zu erwirken; er wird nicht einmal vorgclassen und um seiner Verzweiflung die Krone aufzusetzen, erhält er die

Nachricht, daß seine neue Herrschift, die sein verspätetes Eintreffen nicht länger er­warten will, die Stelle anderweitig besetzt har. Alle Furien der Verzweiflung greifen nun an das Herz des Unglücklichen; ohne Stelle, ohne Exfftenzmittel, durch den langen Aufenthalt in Petersburg seiner letzten Ersparnisse beraubt, sieht er sich und die Semigen dem Elende preisgegeben. Und durch wen? Durch die betrüger­ische Habsucht Derjenigen, die ihm die kaiserliche Remuneration vorenthalten haben. Ich bin verloren! ruft er aus, aber ich will nicht allein das Opfer ihrer Habgier sein. Er eilt noch einmal in das Korngebäude, in dem er so oft den vergeblichen Versuch gemacht hat, zu seinem Rechte zu kommen. Er will sterben, aber er will nicht allein den Weg machen; der erste Schuß aus dem doppelläufigen Pistol, das er bei sich führt, ist für Denjenigen bestimmt, der ihm dort im Hause des Betruges in den Weg kommt; der zweite für ihn selbst. Er ist kaum in jenes Haus einge­treten, als ihm auf der Treppe ein feingekleideter Herr entgegen kommt. Er legt an und schießt ihn nieder. Einen Augenblick ruht sein starres Auge auf demjenigen, der vor ihm auf dem Boden liegt; dann will er die Waffe gegen sich richten. Aber man schlägt sie ihm aus der Hand und ergreift ihn/

Und jener Mann, den seine Kugel getroffen hatte?"

War mein Vater. Man bringt ihn sterbend zu seiner Frau, seinen Kindern. Er erfährt noch das Bekenntniß seines Mörders.Schickt ihn nach Sibiiien", ruck er aus,aber sorgt für sein Weib und seine Kmder." Und mit diesen Worten stirbt er.

Welch ein tragisches Geschick!" bemerkt jetzt Stephan Goluboff.

Sie können sich vorstellen", fuhr der Fürst fort,daß jener SchreckenStag sich der Erinnerung des Knaben unauslöschlich einaeprägt bat. Ich bewahrte meinem Vater ein pietätvolles Andenken und meine Mutter, die j-ncr Schicksalsicklag tief niedergebeugt hatte, war stets darauf bedacht, den Geist des teuren Toten mir als Vorbild me>nes Lebens und Strcbens gegenwärtig zu halten. Ich war 16 Jahre alt, als sie mir die näheren Umstände seiner Ermordung und zugleich die Motive seines Mörders mitteilte, für dessen Hinterbliebene sie nach dem Willen des Ver-