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^ 53. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Jahrgang.
gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Tages-Ueuigkeiten.
Calw, 4. Mai. Unserm letzten Bericht über den Waldbrand am Dickemer Berg tragen wir noch nach, daß das Feuer um V-6 Uhr der Hauptsache nach als gelöscht betrachtet werden konnte; jedoch brannten am Samstag früh weitere 5 Morgen ab und gestern abend soll ebenfalls wieder Feuer entstanden, aber sofort gelöscht worden sein. Die ganz schwarz gefärbten, vollständig versengten Bäumchen und die verkohlten Scheiter und Stämme machen einen traurigen Eindruck. Ueber diesem Waldteil scheint ein eigener Unstern zu walten. Im Jahr 1870 wurde der Wald durch einen Sturm niedergerissen und am Freitag fiel er nun einer ebenso zerstörenden Katastrophe zum Opfer. Am gestrigen Sonntag wurde die Brandstätte von sehr vielen Personen aus Calw und Umgebung besichtigt.
Calw, 4. Mai. Trotz der warmen, ins Freie verlockenden Witterung,- hatten sich gestern abend im Badischen Hof sehr viele Mitglieder des Liederkranzes zu dem veranstalteten Konzert eingefunden. Das reichhaltige Programm enthielt Männerchöre, Tyrolerquartette, Flöten- und Violinenvorträge. Der stattliche Chor hielt sich, von einigen Unebenheiten im Vortrag abgesehen, recht wacker. Sehr guten Eindruck machte das .Frühlingslied" von Gortz und „Wie ist der See so tief" von Angerer. Großen und wohlverdienten Beifall ernteten die HH. Graf, Baumann und Musikdirektor Speidel für ihre vorzüglichen Leistungen auf der Flöte und Violine. Das Tyrolerquartett mit Zitherbegleitung (Frau Schaich und Frln. Beißer) erfreute sich ebenfalls der wärmsten Anerkennung. Die Klavierbegleitungen
Dienstag, den 5. Mai 1891.
hatten die Herren Direktor Müller und Lehrer Vintzvn übernommen und die delikate Aufgabe glücklich durchgeführt. Ein von Hrn. W. Schwämmle noch gesungenes Tenorsolo „Rheinlied" fand dankbare Zuhörer. Das Konzert nahm den befriedigendsten Verlauf, so daß wir nicht umhin können, dem Dirigenten des Vereins, Hrn. Lehrer Müller, besten Dank zu zollen für die umsichtige Leitung und Einübung der Gesänge.
sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.s Durch Beschluß der K. Regierung für den Schwarzwaldkreis vom 30. April ds. Js. ist die Wahl des approbierten Arztes vr. msä. Schwab in Weilder- stadt zum Ortsarmenarzt in Ostelsheim, OA. Calw, bestätigt worden.
Cannstatt, 29. April. Die bürgerlichen Kollegien von Cannstatt haben beschlossen, dem Herrn Staatsminister des Innern v. Schmid „für die überzeugende Begründung, die glänzende Befürwortung und namentlich auch für das warme Interesse," womit der Herr Minister die Exigenz für die neue Neckarbrücke in der Kammer der Abgeord. vertreten hat, den Dank der Stadt Cannstatt zu übermitteln. Eine große Anzahl der Mitglieder der bürgerlichen Kollegien hat der betreffenden Verhandlung der Kammer der Abgeordneten angewohnt.
Kirchheim u. T., 1. Mai. Die gegenwärtige gute Witterung ermöglicht eine rasche Beendigung der Heuer ohnedies ungebührlich weit hinausgerückten Feldarbeiten. Wie sich herausstellt, hat ein Teil der Saaten, und zwar solche, die spät im Herbst bestellt wurden, durch den langen Winter notgelitten. — Die Bäume zeigen reichliche Fruchtknospen-
Abonnementspreis vierteljährlich tn der Stadt »o Pfg. und rtt» Pfg. Trägerlohn, durch d'e Post bqoqerr Mk. 1. 1ö, sonst in ganz Württemberg Mk. 1. LL.
ansätze, die aber in der Entwicklung noch weit zurück sind.
Kusterdingen, 30. April. Auf wirklich höchst traurige Art hat sich das Dunkel gelichtet, das über dem Verbleib des vermißten 11jährigen Konrav Jung von hier mehr als 3 Wochen schwebte. Der an der Blaulach stationierte Bahnwärter Walker entdeckte heute vormittag den von Verwesungsgasen gehobenen, entseelten Körper des Vermißten in der Blaulach, ganz in der Nähe der Eisenbahnbrücke. Raben, die auf dem Leichnam saßen, führten zur Entdeckung. Es bleibt leider keine andere Annahme übrig, als daß die Furcht vor Strafe (wie seiner Zeit berichtet, wegen eines verlorenen Fünfzigpfennigstücks!" —) den unglücklichen Knaben in den Tod getrieben hat. Der Eindruck, den diese ganze bejammernswerte Begebenheit nicht nur auf die Schulkameraden des jugendlichen Selbstmörders, sondern auf die ganze hiesige Einwohnerschaft macht, ist ein erschütternder.
Von der bayrischen Grenze, 28. April. Eine eigentümliche Rache verübten die jungen Burschen des Dorfes O. an einem Kameraden, der, dem dörflichen Herkommen entgegen, sich eine Braut aus einem Nachbarbezirke erkoren hatte und am Montag beim Standesamte sich ehelich verbinden wollte. Der Bursche war ein bäuerlicher Don Juan und hatte mit gar vielen Mädchen aus nahe und ferne Bekanntschaft gehabt. Diese Verlassenen waren überredet worden, zum Hochzeitstage zu kommen und die meisten waren erschienen. Die achtzehn Stufen der Rathaustreppe waren mit 39 Mädchen besetzt, von denen Manche auch lebende Angedenken bei sich hatten. Man denke
Nachdruck verboten
Jeuitketon.
Die Spionin.
Roman aus dem russischen Nihilistenleben Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.
Von Willibald M?ncke.
(Fortsetzung.)
„Und was gedenken Sie zu thun?"
„Pah! Was liegt daran? Ich verkaufe. Trägt der Besitz des alten Palais etwas z l meinem Glücke bei? Nicht das Geringste. Im Gegenteile! Ich fühle mich unbehaglich in dem großen Hause." ,
„Es ist der Stammsitz Ihrer Familie." ^7
„Allerdings. Im Anfänge konnte ich mich auch mit diesem Gedanken nicht recht befreunden. Jndeß, die Notwendigkeit fragt nicht darnach, ob sie angenehm ist, wenn sie kommt; sie kommt ebm. Das letzte Mittel, ihr auszuweichen, habe ich heute Abend versucht. I h habe zehntausend Rubel flüssig gemacht und dem Herrn Marquis de l'Orme meinen Besuch abgestattet. Sie haben gesehen, wie es mir
zu schicken." ^ ^ ^ v
„O mein Fürst!' ^(7 cX ^ -
„Aber ich werde sie Ihnen schicken, das versteht sich. Vielleicht ist es bester.', für mich, wenn die Dinge ihren Lauf nehmen, wie ich es jetzt voraussehen kann. Ich werde mein Palais verkaufen und mit dem Erlös meine Schulden decken. Dann bleibt mir noch immer mein Gut bei Pskow, von besten Erträgnissen ich ein ehrliches bürgerliches Dasein fristen kann. Es wird mir vielleicht Vergnügen machen, unter meinen Bauern umherzugehen und meinen Kohl selbst zu pflanzen, worin ja nach dem alten Horaz der Gipfel der Glückseligkeit besteht. Ich habe, wie Sie sehen, «in sehr glückliches Naturell, vor allen Dingen besitze ich auch jenes Quantum von
Le chtsinn, welches jedem guten Rüsten im Blute steckt, und wer weiß, ob ich, wenn ich der Reize des Landlebens übe drüsfig bin, nicht Lust bekomme, als Tschin- offnick mein Glück zu versuchen. Ich kenne einen Mann aus einer ebenso angesehenen Familie wie diejenige, deren Namen ich trage, und dieser Mann ist Beamter im Departement der öffentlichen Steuern mit einem Jahreseinkommen von 40 000 Rubeln- Warum sollte man nicht zufrieden sein, wenn das Schifflein des Lebens zuletzt in einen solchen Hafen einläuft?"
„Sie scherzen mein Fürst. Aber offen gestanden, ich begreife nicht —. Darf ich meine Meinung gerade heraussagen?"
„Ich bitte Sie darum."
„Sie sind nicht bloß als der Abkömmling einer unserer ersten Familien, Sie sind auch als ein Mann von großen Fähigkeiten bekannt."
„In welchen Kreisen, mein Herr?" unterbrach der junge Fürst seinen Freund, der sich ihm als Stephan Goluboff vorgestellt hatte.
„In ganz Petersburg."
„Sehr schmeichelhaft."
„Man sagt dies nicht, so oft man Ihr Lob singt, sondern so oft man Sie tadelt." Ah!'
ergangen ist. Ich werde Mühe haben, Ihnen morgen Ihre fünftausend RstbchH^.' -So ist es, mein Fürst. Man sagt sich - und mir sind derartige Stimmen
^ b I schon sehr oft zu Ohren gekommen — da ist ein ;unger Mann von der vornehmsten
Geburt, mit Glücksgütern sicher so west gesegnet, als es ihm für seine Laufbahn förderlich ist, von wissenschaftlicher Bildung und ««-lesenen Geistesgaben —'
„Vergessen Sie nicht mein einnehmendes Aeußere, Herr Goluboff" — sagte lächelnd der Fürst, indem er ein Rebhuhn zerlegte, das ihm der Kellner gebracht hatte.
„Und dieser junge Mann"-fuhr Stephan Goluboff fort, — von der
Natur mit solchen Vorzügen ausgestattet, sucht — ich bitte Sie nochmals um Verzeihung für meine freimütigen Aeußerungen — dieser junge Mann sucht das Ziel seines Ehrgeizes darin —"
„Die Theater zu besuchen, Pferde zuzureiten, den Launen koketter Weiber zu