S I MrL > ;> /
SÄlMW
Z^"r ' ^-Ä^^rWW
M^iLLL
cHIirSLW
KW!
W!WU
MW
HÄM
8Ä-z«j
>'S?S'
.LI
^ 50.
Amts
und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
66. IahrgW-.
Erscheint Di en S t a g , Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Dienstag, den 28. April 1891.
Abonnementspreis vierteljährlich 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post ganz Württemberg Ml. 1. 35.
in der Stadt BO Pfg. und bezogen Mk. 1. iS, sonst i«
Amtliche Bekanntmachungen.
K. Amtsgericht Calw.
Als Gerichtsvollzieher
für die zusammengesetzte Gemeinde Aichhalden- Oberweiler, mit dem Sitz in Aichhalden, wurde der
Schreiner Kriedrich Mruder in Aichhalden
aufgestellt.
Den 25. April 1891.
Oberamtsrichter: Deckinger.
Deutsches Reich.
Berlin. 25. April. Generalfeldmarschall Graf Moltke, welcher gestern Nachmittag noch der Sitzung des Reichstags und des Herrenhauses beiwohnte, ist abends 9°/« Uhr infolge Herzschlages schmerzlos und sanft gestorben.
Alle Blätter, welcher politischen Richtung sie auch angehören mögen, widmen dem Verstorbenen eine die größte Hochachtung bezeugenden Nachruf. So schreibt der „Ob. Anz.":
Wieder steigt Einer der Paladine Wilhelms I. in das Grab — Moltke ist gestorben! Gestern mittag noch wohnte der greise Herr in gewohnter Pflichttreue als Abgeordneter den Sitzungen des Reichstags bei; abends gegen 10 Uhr machte ein Herzschlag dem Leben des „großen Schweigers" ein Ende. Trauernd steht das ganze Volk an der Bahre dieses Mannes, der wie wenige seiner Zeitgenossen jedem Deutschen in's Herz gewachsen war. Und er hat die warme Liebe und Verehrung, welche man ihm in allen Kreisen entgegenbrachte, redlich verdient; sie war der Lohn einer lebenslangen treuen unermüdlichen Pflichterfüllung bis in's kleinste, einer vielseitigen, tiefen
und edlen Geistesbildung, einer unübertroffenen Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit und seiner mit den glänzendsten Erfolgen belohnten Strategie. Moltke hat sein Leben, seine Fähigkeiten, seine Kenntnisse, sein ganzes Wollen und Können zu allen Zeiten dem deutschen Reiche geweiht; er ist ein Volksmann im besten Sinne des Wortes geworden, ohne daß er je um Volkes Gunst gebuhlt hatte; er hat Millionen von Freunden und Verehrern und keinen einzigen Feind; er ist und bleibt einer der sympatischesten Persönlichkeiten der Geschichte aller Zeiten; er war ein ganzer Mann und ein echt deutscher Mann mit allen Fasern seines Herzens, der stets das Beste gewollt und das Beste vollbracht hat, so daß er sich unvergänglichen Ruhm in der Weltgeschichte und ewige Dankbarkeit im Herzen des deutschen Volkes gesichert hat. Moltke hat gegen viele und mächtige Feinde gekämpft und er hat sie besiegt, aber er hat auf der ganzen Erde keinen einzigen Feind! Auch das Ausland ließ ihm Gerechtigkeit wiederfahren und auch dort galt er als der bedeutende Mann, welchem der deutschen Heimat reicher Lorbeer ohne Mißgunst gegönnt wurde.
Stuttgart, 25. April. In der Kammer der Abgeordneten sprach heute Präsident v. Hohl nach Eröffnung der Sitzung: Durch die deutschen Lande geht die Trauerkunde, daß Generalfeldmarschall Graf Moltke aus dem Leben geschieden, der große Heerführer, der die deutschen Heere zum Siege führen und der Einigung unseres deutschen Vaterlandes auf den Schlachtfeldern die Wege bahnen half; der dann in den folgenden schönen glücklichen Jahren auch auf dem Felde des politischen Lebens treu mitschaffen half an der Lösung der großen Aufgaben, die auf diesem Gebiete herantraten. Das Andenken des Heimgegangenen großen Heerführers wird im deutschen Vaterlande, im deutschen Volke fortleben für alle Zeiten!
Tliges-Ueuigkeiten.
Calw, 25. April. Eingesendet. Die ungünstigen Aussichten für den Ausfall der Winterfrüchte haben bereits auch hier sich geltend gemacht und uns einen Brotaufschlag gebracht. Wenn die freie Bäckergenossenschaft von Stadt und Land angesichts der Steigerung der Mehl- und Getreidepreise sofort zu einem Brotaufschlag schreitet, so ist ihr dies nicht zu verargen, dagegen wäre andererseits auch zu erwarten, daß die Herren Bäckermeister bei einem Rückgang der Mehlpreise — wie ein solcher z. B. erst im vorigen Jahr eintrat — mit einem Brotabschlag ebenso rasch bei der Hand wären.
* Calw, 26. April. Am Samstag abend fand die Generalversammlung des Liederkranzes im Badischen Hofe statt. Der Vorstand, Hr. Präzeptor Bäuchle, begrüßte die Erschienenen in freundlichster Weise und gab sodann einen kurzen Ueberblick über das für den Liederkranz so günstig verlaufene Vereinsjahr. Das Rechnungsergebnis vom verflossenen Jahre, sowie die Vorlage des Etats pro 1891—92 erläuterte 4>er Kassier, Hr. Hugo Rau. Die Aufstellungen gaben zu keiner Debatte Veranlassung. Wir entnehmen dem Bericht, daß der Stand der Kasse im allgemeinen ein günstiger ist und daß der Klavierfonds nunmehr 255 ^ beträgt. Der Schriftführer, Hr. Heinrich Haag, berichtete über die Veränderungen im Mitgliederstande und forderte die Versammlung auf, sich zum ehrenden Andenken an die dahingeschiedenen Mitglieder von den Sitzen zu erheben. Die Mitgliederzahl stellt sich am 1. April auf 207 und 1 Ehrenmitglied. Dem Ausschuß und Rechner wurde Entlastung erteilt. Nun schritt man zur Wahl des Vorstandes und der Ausschußmitglieder. Der Vorstand und Vicevorstand wurden pr. Akklamation wiedergewählt. In dem Ausschuß verbleiben die seit-
Nachdruck »erbaten.
Die Spionin.
Roman aus dem russischen Nihilistenleben.
Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibcamten.
Von Willibald Mencke.
(Fortsetzung.)
„Sagen Sie mir einmal, mein Lieber," fuhr ich fort, indem ich die gleichgültigste Miene von der Welt annahm und meinen Mund zu einem Lächeln zwang, „wie haben Sie es fertig gebracht, mir den Brief der Vera Timanoff so geschickt aus meinem Schreibtisch zu entwenden? Denn ich weiß jetzt, daß Sie es waren, der ihn gestohlen hat."
Zwetajeff sprang von seinem Sitze auf, als sei er von einer Natter gestochen. Er erbleichte und zitterte am ganzen Körper. Sein erstes war, daß er in die Rocktasche griff, aus der er einen Revolver hervorzog. Er trat drei Schritte zurück und blieb dann stehen, unschlüssig, ob er die Waffe gegen mich oder gegen sich selbst richten sollt«. „Lassen Sie das Ding nur in der Tasche", sagte ich immer noch mit demselben ruhigen und gleichgültigen Tone. „DaS Geräusch «nes Schusses würde die Polizeiwache herbeiführen, di« ich auf der Straß« ausgestellt Hab«. Und Sie werden doch unsere schöne Anna Sergejewna nicht zum zweiten Male zur Witwe machen wollen, ehe si, noch Ihnen die Hand gereicht hat."
Er sah mich an, als verstehe er de» Sinn meiner Worte nicht. Dan» warf er einen Blick nach der Thür, wie um sich zu überzeugen, daß der Ausweg noch frei sei.
„ES fällt Ihnen auf, daß ich scherze," fuhr ich fort, „während es sich doch um eine so ernst« Sache handelt. In Wahrheit aber haben Sie nie in Ihrem
Leben einen klügeren Streich ausgeführt als damals, da Sie Vera's Brief aus meinem Bureau entwendeten. Stecken Sie Ihren Revolver ein und lesen Sie dieses Dokument; und nehmen Sie zugleich die Glückwünsche Ihres Chefs entgegen." Ich überreichte ihm das Dekret des PolizeimeistsrS, welches er, immer noch den Revolver in der Linken, mit allen Zeichen des Erstaunens las.
„Ich begreife nicht," stammelte er.
„Den Zusammenhang zwischen Ihrer Beförderung und jenem Diebstahl, nicht wahr?" fragte ich, immer noch lächelnd, als handle es sich um die Aufklärung eines kleinen Mißverständnisses. „Setzen Sie sich nur wieder auf ihren Platz, zünden Sie sich Ihre Cigarre wieder an und hören Sie ruhig an, was ich Ihnen zu sagen habe."
Die Ruhe, die ich bewahrt hatte, mochte ihm imponieren. Er steckte seinen Revolver wieder ein und setzte sich auf seinen früheren Platz, indem er seine dunklen Auge«, ohne mich anzusehen, auf die verglühenden Kohlen des Kamins richtete.
„Ich kann mir denken, Paul Zwetajeff," begann ich, „was Sie veranlaßt hat, sich dieser Gesellschaft von Verschwörern anzuschließen. Sie kamen nach Petersburg ohne die Mittel, eine Existenz zu führen, die sich über den mühevollen täglichen Broterwerb erhob. Sie waren ohne die Stütze von Verwandten, ganz auf die eigene Kraft angewiesen, zu einem harten Kampfe ums Dasein verurteilt und doch von dem Ehrgeize der Jugend beseelt. Und nun sahen Sie hier die Wunder der Residenz vor Ihren erstaunten Augen ausgebre tet, den Reichtum und dm Luxus ihrer Bewohner, Sie sahm, wie die Unfähigkeit Karriere macht, wenn sie von der Protektion getragen wird, und mit offenem Blicke durchschauten Sie die Schäden dieser Gesellschaft und die Mängel unseres Staatswesens. Bei dieser Stimmung, als ei» Einsamer in dem reichen Strome des hauptstädtischen Lebens umhertreibeno. kommen Sie mit jungen unruhigen Geistern zusammen, welche die Bestimmung in sich fühlen, die russische Gesellschaft zu reformieren und unserem StaatSwesen neue Grundlagen