-----SW
m?W
-»«LZ
IstiWl
^Amrss-ü:
>:i» De
wAM
«>LS.
MUK
GsWML
liZL-W-?
sssM
48. Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Jahrgang
Evscheini DirnSiag, DonnerStcy und SamSicis,. i Die st-inrückunqsgebühr beträflt im Bezirk und nächster Um- ! gebung S Pfg. die Aeile, sonst 12 Pfg. ^
Donnerstag, Len 23. April 1891
Abonnement-preir viertelsührlich in der Stadt »l> Psg. ru LO Pfg. Tragerlohn, durch d'e Pos: bezog-n Dtk. 1. 15, sonst »r- ganz Württnnber,? Mk. 1. SS.
Deutsches Reich.
Berlin, 18. April. Reichstag. Fortsetzung der Beratung des Arbeiterschutzgesetzes.
Z 137 verbietet die Nachtarbeit der Arbeiterinnen zwischen halb 9 Uhr abends und halb 6 Uhr früh. An Borabenden der Sonn- und Festtage soll die Beschäftigung derselben nicht über halb 6 Uhr hinaus dauern. Für Arbeiterinnen über 16 Jahren darf die Arbeitszeit die Dauer von 11 Stunden, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage von 10 Stunden nicht überschreiten. Die Mittagspause muß mindestens eine Stunde betragen. Wöchnerinnen dürfen während 4 Wochen nach ihrer Niederkunft überhaupt nicht, in den folgenden beiden Wochen nur dann beschäftigt werden, wenn das Zeugnis eines approbierten Arztes dies für zulässig erklärt.
Auer und Gen. (soz.) wollen das Verbot der Nachtarbeit auf die Zeit von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens erstrecken, für die Wöchnerinnen 6 Wochen freilassen u. s. w.
Paper und Gen. (Volkspartei) beantragen den zehnstünd. Normalarbeitstag für alle Arbeiterinnen im Alter von mehr als 16 Jahren. Schädler (Zentrum) will diese 10 Stunden für verheiratete Frauen. Auch Frhr. v. Münch stellt einen eigenen abweichenden Antrag.
Gutfleisch und Möller wollen einen Absatz folgenden Wortlauts einschieben:
„Arbeiterinnen im Alter von über 16 Jahren, welche sin Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens anderthalb Stunden beträgt."
Schädler: Er wolle die Frau auf ihren alten Ehrenplatz zurückführen, den sie im Hause am
Herde einnehmen soll. 203000 Frauen seien in der Textilindustrie beschäftigt, welche eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von 11 bis 12 Stunden haben; auf dem hygienischen Kongresse seit betont worden, daß die beste Arbeiterwohnung nichts zur Erhaltung der Gesundheit beitragen könne, wenn sie nicht von der Hausfrau in Ordnung gehalten werde.
Preuß. Handelsminister Frhr. v. Berlepsch: Bei keinem Anträge bedauere e-r so lebhaft, für Ablehnung sprechen zu müssen, als bei den Anträgen Payer und Schädler. Die Motivierung der Anträge sei richtig. Es müsse in der That eine Hauptaufgabe der Gesetzgebung sein, dir Fabrikthätigkeit einzuschränken, damit sie ihrer Pflicht als Mütter und Gattinnen Nachkommen können. Auch die Regierungen hätten gerne schon jetzt einen zehnstündigen Arbeitstag für alle Frauen eingeführt, aber sich überzeugen müssen, daß die Einführung für den Augenblick unmöglich sei. Die notwendige Folge wenigstens in dem überwiegenden Teil der Textilindustrie würde sein, daß die Frauen überhaupt keine Beschäftigung mehr finden, und das wäre ein empfindlicher Eingriff in die Ernährungsverhältnisse einer großen Zahl von Familien. Die Negierungen müssen daher den beiden Anträgen entgegentreten, deren Annahme das Gesetz ernstlich gefährden würde.
Schädler verzichtet auf diese Erklärung hin auf seinen Antrag.
Hirsch (freis.): Die große Mehrheit seiner Partei werde für den Antrag Payer stimmen.
Ulrich (soz.): Es heiße auch diesmal wieder: Morgen, morgen, nur nicht heute. Wenn der Unter- j nehmerprofit in Frage gestellt sei, dann treten die I sittlichen Momente sofort zurück und das Zustande- ! kommen des Gesetzes sei „gefährdet."
Payer (Volksp.): Der Antrag Gutfleisch werde den Arbeiterinnen nicht zum Vorteil, sondern eher zum Nachteil gereichen, weil die Frauen entweder für die halbstündige Pause des Mittags am Abend nachexerzieren oder eine entsprechende Einbuße am Lohn erleiden müssen. Seinen Antrag halte er nun erst recht aufrecht, damit diejenigen ihre Gesinnung be- thätigen können, welche, ohne auf dem Boden des soz. Antrages zu stehen, doch einen elfstündigen Arbeitstag für Frauen nicht aufrecht erhalten wollen. Eine Differenz mit den Regierungen bestehe nur hinsichtlich des Tempos, er teile aber die Befürchtungen der Regierungen nicht und stütze sich dabei auf die persönlichen Erfahrungen mehrerer Mitglieder seiner Partei. Der einzige Nachweis liege im Versuch, und diesen glaube seine Partei wagen zu dürfen. Der Industrie werde ein Opfer auferlegt, aber da, wie der Minister selbst sage, nirgends ein größeres Unrecht geschah, als auf dem Gebiete der Ausnützung der Frau in der Industrie, und da der Vorteil dieses alten Unrechts der Industrie zu gute kam, so werde sie die mit der Beseitigung des Unrechts verbundenen Schäden ans sich nehmen müssen. Der Minister sage, das ganze Gesetz sei gefährdet, wenn der Antrag angenommen werde; es werde so schlimm nicht sein.
Bebel: Daß die Frauen in den Fabriken überangestrengt werden, könne niemand bestreiten. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt nehme in den Jndustrie- bezirken die Zahl der militärtauglichen Leute ab. Die Sterblichkeit der Neugebornen sei da mehr als doppelt höher, als in den mehr ländlichen Bezirken. Die Zunahme der Frauenarbeit betrachte er nun freilich trotz aller Schattenseiten im ganzen als einen Fortschritt und sei weit entfernt, die verheiratete Frau aus der Fabrik zu entfernen, aber vor Ueberanstrengung, vor übergroßer Ausnützung müsse man sie schützen.
6 44 4 11 6 1 O 44 . Nachdruck verboten.
Die Spionin.
Roman aus dem russischen Nihilistenleben.
Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.
Von Willibald Mencke.
(Fortsetzung.)
„Gewiß, aber nicht so den ganzen Tag über beschäftigt, wie ich. Und Sie werden sich erinnern, wie selten die Stunden waren, die er bei seiner jungen Frau zubringen konnte."
„Ach ja, Sie haben Recht," seufzte Anna Sergejewna, die den Zeitpunkt für passend erachtete, um für einen Augenblick die Schatten der Witwentrauer auf ihre heiteren Züge fallen zu lassen."
„Jndeß" — fuhr ich fort — „Sie werden dem Stande Ihres verstorbenen Gatten auch dann treu bleiben, wenn Sie Denjenigen wählen, den ich Ihnen bestimmt habe."
„Und wer ist das?"
„Mein Sekretär."
„Wiederum Paul Zwetajeff? Aare v'sst uns plaisantsris, monsieur!"
„Durchaus nicht."
„Ich soll einen jungen Mann heiraten, der nicht viel älter ist-als ich? v'sst ampvssibls!" '
«Die Jugend ist kein Fehler."
„Das kann nicht Ihr Ernst sein. Ich bin kein junges Mädchen mehr, welches schnell bereit ist, einen schwärmerischen Seladon zu erhören. Ich mache Ansprüche."
„Die zu stellen Sie vollständig berechtigt sind."
„Ich verlange, daß der Mann, welcher sich um meine Hand bewirbt und dem ich sie reichen soll, eine sociale Psition einniwmt. Und ein Sekretär mit 800 Rubeln Jahreseinkommen!"
„Paul Zwetajeff wird binnen Kurzem dieselbe Position einnehmen, welche Ihr verstorbener Gatte bekleidete."
„Wie? Er wird Pristaw werden?"
„So ist es. — Lesen Sie, bitte!"
„Ich überreichte ihr ein Dokument, das ich aus der Tasche zog. Es war ein Dekret des Polizeimeisters, welches dem Sekretär Paul P trowitsch Zwetajeff als Lohn für geleistete Dienste eine Erhöhung seines Gehaltes auf 1200 Rubel und die Stelle einer Pristaw-Stellvertrrtung im vierten Bezirke zusicherte.
„Hm!" — meinte Anna Sergejewna, als sie gelesen hatte. Das ist etwas Anderes. Im Gruade genommen ist Paul Zwetajeff ein junger Mann, der fih in einem Salon sehen lassen kann —"
„Er hat sich überraschend schnell die Manieren der vornehmen Welt angeeignet."
„Er hat Verstand —"
„Er ist sogar ein kluger Kopf, der rasch Kuriere mach n wird. Er hat das Zeug zu einem Polizeimeister."
„Meinen Sie?-Aber welches Interests haben Sie eigentlich — mich
gerade mit ihm zu verheiraten?"
Das Interesse, das ich an einem jungen Mann nehme, besten Talent zu schönen Hoffnungen berechtigt und der mir schon wertvolle Dienste geleistet hat. Zudem weiß ich, daß er Sie liebt, und da ich glaube, daß s.ine aufrichtige Neigung der Erwiederung nicht unwürdig ist —" - . »
„Gestehen Sie nur", unterbrach sie mich, „daß das Staatsintercfss dabei im Spiele ist?"
(Fortsetzung folgt).