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83..Jahrgang-

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Dienstag, den 22. April

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Der Münchner Hexenkessel.

München. 16 April, abend». Es war Sturmge­läute. das Dienrtag abend nach 9 Uhr von allen Tür- men de« an Kirchen reichen München scholl: die Arbeiter wrndrn zu den Waffen «erujen. In das Dröhnen der Glocken mischte sich von Norden her immer schärfer der Lärm von Gtwchc- und Maschinengewehrfeuer und der dumpse Schlag von Geschützen. Di« Stadt war im ersten Augenblick von Panik beherrscht. Die Bewachung» truppen sagten da» Publikum mit Schreckschüssen von den Straßen. Dann sausten die ganze Nacht hindurch Lastautos mit Mannschaften der Noten Garde und Munttionstransporten hinou». Da» Glockengeläute hörte nicht ans. Da» Schießen war bald auch vom Osten her zu vernehmen. Das kriegerische Getöse schwoll gegen 4 Uhr morgens zu be­sonderer Stärke an. ließ dann aber allmählich wieder nrch. Zwischen Dachau und München soll ein Gesecht um die Station Bllach staltgrfunden haben, bei dem der Bahn­hof Allsch in den Händen der Noten Garde geblieben sein so!!,- nach anderer Darstellung hätten zwei Abteilungen der Noten Garde in der Dunkelheit sich filder bekämpft. Tat« sächlich sollen in Allach eine große Anzahl Schwerverletzter liegen. Dachau selbst ist non kriegsmäßig ausgerüsteten Truppen derBambergerRegierung besetzt. Ebeaso stehe», wie ich zuoeriässtg erfahre, bei Ir ei sing drei Militärzüge der Neairrungrtruppen; ste führen Artillerie und Panzrrautos mit. Freistng selbst ist in den Händen der Münchner Räte-Gainison.

Alle Derbindurgen München« mit den Bürorte» sind unterbrochen. Die Straßen find auch für den Fuß­oerkehr gesperrt. Vormittags erschien ein Flieger über München und wsrs Flugblätter des Generalkommando« Nürnberg ab m!t der Aufforderung, der in Bamberg zu bildenden Bolkswehr beizutketen, sowie Aufrufe der nord- bayrrischen Arbeiter, und Soldatenrä'e. die Arbeiterschaft möge sich von Leuten wie L pp. Wadier usd Mühsam nicht länger mißbrauchen lasten und sich der Negierung Hoffmann anschltetzen. Der Flieger wurde von der Garnison sehr stark beschossen und ging plötzlich im Glrllflug tief herab; e» h'ißt, er habe noilanden müsstn. Um sie Mit tagszett wurde wieder Simm geläutet. In den nördlichrn Bswrtbezirken vernahm man heftige« Schießen; anzrblich war es z» einem Gesecht gekommen.

Die Stadt Aosenheim ist gestern durch Truppen der N ä t «-Negierung genommen wordrn. Der Bahnhof wurde unter Anwendung von schweren Minenwersern ge­stürmt. Bei dem Kampf wurde von den Dächern und aus Ketzern geschossen und die Bürgerschaft daraufhin entwaff- nel. Da« Leid Regiment hatte zwei Tote und vier Ver­

wundete. In Schleißheim bei München wurden Truppen, die zur Regierung Hoffmann halten, von bewaff- rieten Arbeitern MÜckgeirieden.

Ueber di« nächsten Ziele der Münch« ner kommunisti­schen Räte Republik gab eine Versammlung Au» Kunst, in der gestern die in Permanenz tagenden Betrieb«, und Kasernenräte zur Lag« Stellung nahmen. E» macht sich aut verschiedenen Seilen die Neigung geltend. den Generalstreik lellwrise aus.uhrben; wenigsten, sollen die Bäcker de« sozialistischen Konsumverein, dt« Arbeit wieder ausnehmrn uns die für die Allgemeinheit bestimmten ver- derblicken Güter sollen ausgriuden werdrn. Die Erwerbs­losen, denen die Bezüge für di« vorige Woche noch nicht ausbezahli worden find, erklärten, sie seien in größter Not. da dir Stadtverwaltung die Unterstützung nicht leiste. L« wurde beschlossen, dir in Frage kommenden Beamten de» Magistrat« zu veranlassen, ihre Tätigkeit sofort wieder auszunehmkn; auch sollen die Banken wird« gröffnet werden. Dr. Levien. der d«m Vollzugsausschuß, wie er angad, nur als beratendes Mitglied ongehört. rvanU« fich gegen einen vorzeitigen Abbruch de» Generalstreik,; dies« wüste nötigenfalls noch verschärft werden, um die MM. rische Aktion zu unterstützen. Der Kommuntstenführn Leoine-Nisten erstattete Bericht über die vom Bollzugsrat getroffenen Maßnahmen, die mehr oder weniger dem russi­schen Muster nachoekttdet sind. E« gelte vor all»n Dingen, den Widerstand -er Kapuausren zu brechen. Man trägt sich mit der Abficht, sämtliche Bank-n zu beschlagnahmen. Sie sollen unter die Kontrolle von Kommissaren der pro­letarischen Regierung gestellt werdrn. Die Besitzer von Safes werden ausgesordert, diese zu öffnen. Der Inhalt wird durch eine Ausnahme fefizkstellt und es ist oelbot'n, ohne Eilaubni» der Regierung darüber zu verfügen: im Falle der Weigerunz werden die Safes zu Gunsten der arbeitenden Bevölkern«« beschlagnahmt. Die Telephon- gespiäche kommen unter Kontrolle; auch in den Telegraphen- ämlern wird eine Zensur eingerichtet. Sämtliche Hotels sollen, beschlagnahmt und die obdachlosen Proletarier dort untergrdrschl werden. Dss Regina-Palost-Holel dient den "ulglledern de« Ausschusses als Quartier. Gegen die Hamstrrlagee der Wohlhabenden wird ein systematischer Feldzug unternommen. Da» Publ kum soll bekanntgeben, wo sich solche Hamsterlager destndeu. Die .Kapitalisten- viertel" werden überwacht damit kein« Vorräte verschleppt werden. Tine Kommission zur Bedämpfung dtr Segen- reooluiton hat ihre Arbeiten mit der Festnahme von Geiseln begonnen. Die Revoiutionsgertchte, bei driien anfangs auch Rechtsanwälte mitwirkten. sollen nur noch au« Proletariern destrhrn. Di« Proletarier sollen überhaupt alle» selber

machen. In allen Aemtern und Betrieben werden Volks­kommissare e «gesetzt. Die Grfahr dr« Hungers u d^drr Weißen Garde sei nicht zu unterschätzen, ober man brauche ja nur ein paar Wochrn auszuhattrn. dann wisse man. was im Lbrigrn Deutschland geschehe. Die Weltrevolulion greife bereits aus Italien. England, Frankreich, ja selbst auf Amerika über.

Der Führer der Unabhängigen, der Student Toller, berichtete über ble letzten Stunden der ersten Räte-Republik. Die Lage fei Samstag kultisch gewesen. Die Nachricht, daß Augsburg bedingungslos vor ver Re­gierung Hoffmann kapituliert habe, habe Ihren Eindruck nicht verfehlt, aber man habe durch Ueberwcchurg des Telegraphen- und Telephonve«kehrs wichtige Nachrichten erhallen und rechtzeitig erfahren, daß Hoffmann etwas im Schilde führe. Im wetteren Verlauf der Aussprache er­klärte Toller, daß München bi, Ende Juli mit Brotgetleide versorg» sei. Die Rationen an Eier und Fett könnten gleichsall» für dtr nächsten Monate weiter gewährt werden. Mit der Mrlchzufuhr stehe es sehr schlecht; sie werde fich ober wieder heben, wcnn erst da» bayrische Oberland ganz in den Händen der Räterepublik sei. Die für Säuglinge vorhandenen Reserven an kondenfierier Milch reichten noch rin paar Tage. Kartoffeln seien äußerst Krapp; dafür Vönnte die Brotration erhöht werden. Am schlimmsten sei e» mit der Kohlenoeriorgung bestellt. Die Bäckereien ver- sügien höchstens nrch für zehn Tage über Heizmaterial. Schätz die erste Räteregterung Kobe versucht, mt der Ischechv-ftewaklschen Republik sin Abkommen z» tnffen. um Kohlr» im Ausglr ch gegen Holz zu e,holten. Eine Kommission, die noch Prag entsandt worden sei, sei noch nicht zurückgekehrt nrd anorficht» der Gesinnung der Prager Regierung gegen die vayeriiche Räterepublik mürbe auch wenig Hoffnung. Kotzten «w Böhmen zu erholtem«!» Toller ein Flugblatt verlas, in dem die Regierung Hoffmann di« Bauern de» beyrrischen Oberländer aussorderr. dem Beispiel der fränkischen und schwäbischen Bauern zu folgen und kein Stück »rot und kein Pfund sonstiger Lebensmittel nach München gelangen zu las- sen.beuiächligle fich der Versammlung «ine ungeheure Sr- regung. Als Gegenmittel gegen dies« Hungerblockade wurde von der Bersammlung au» impsohl«n, den Begüterten dt« Lebensmittelkarten abzvnehmen und fir vom Bezug von Kohle. Ga», sowie M ich für Säug- ltnge und kleinen Kindern, .die ja doch nur zu Feinden des arbeitenden Bolke» heran- wüchsen", abzusperren. Schließlich beschloß man, dem- gemäß folgende» Ultimatum an die Regierung Hof- marin zu richten: .Die unmerschliche Maßnahme der Huuger- blockade^diedieRetzierungHosmann^de^rn^all^

rs,

Knns Wedekmd.

Roman von Dr. Bruno Wagner.

(Nachdruck verboten.)

Aber woher das Geld nehmen wie es rechtzeitig an seine Adresse befördern, um den Schein dafür zurück- »uerhalten? Es dem Vater sagen? Was der unter dem Siegel des Amtsgeheimnisses erfuhr, das war in einem sicheren Schrein geborgen. Das wußte sie. Und sie wußte mich, daß der Drter das Geld geben würde. Er halte ja mehr, weit inehr, als sie bedurften, und kein Bittender ging ungetröstet von ihm.

Aber die Mutter? DaS Vermögen, dar ihnen durch ein« Erbschaft zugefallen war, stammte von mütterlicher Seite. Nie würde der Vater die Summe von zweitausend Mark fortaeben, ohne der Mutter etwas davon zu sagen. Sie war ja gut, scharf und verbittert sie Fremden er- scheinen mochte. Aber sie würde fragen und nicht eher Ruhe geben, biS sie alles wußte; und bann würde sie es für ihre Pflicht als Pfarrersfrau halten, dem leichtsinnigen jungen Offizier in mütterlich ernster Weise den Kopf i »urechtzusetzen. L

l Neinl Das aller ging ja nicht. Sie selbst mußte s helfen. Niemand weiter durfte das Geheimnis keimen. ! Eine richtige Ahnung sagt« ihr, daß es ja gerade das war^ «was den Leutnant fast in den Tod getrieben hätte, daß andere Menschen sein Geheimnis, an dem seine Ehre hing, ' kennenletnen sollten. Nein, bei ihr sollte «S wohl aufge­hoben sein. Nicht Vater, nicht Mutter sollten darum wissen. Aber wie helfen?

Da kam ihr ein erlösender Gedanke. Al- ihrer Mutter von einer entfernten Verwandten die nicht unbeträchtliche Erbschaft zugefallen war, war auch Anna in dem Testa­ment« der Verstorbenen bedacht worden. Dreitausend Mark, die in Hamburg auf der Sparkasse angelegt waren, batte st» damals geerbt, mit der Bestimmung, daß ihr da< Sparkassenbuch nach vollendetem achtzehnten Lebensjahr« »m freien Verfügung für einen nützlichen Zweck ausge- oärid-gt weiden sollte. Sie hatte wohl einmal daran ge­

dacht. mit ihren Eltern ein« Reise zu machen. Jetzt gab es einen befielen Zweck.

Das Buch lag in einer Truhe verschlossen tn ihrem Schranke. Seit sie eS vor mehr denn einem Jahre dort hinterlegt hatte, hatte sie eS nicht wieder in Händen ge­habt. Nun holte sie eS hervor.-

Als Anna Wedekind am nächsten Vormittag tn der Eisenbahn saß, die sie nach Hamburg bringen sollte, «vor ihr doch etivas bänglich zumute. Sie war erst einmal in ihrem Leben in die große Stadt gekommen damals, als sie mit der Mutter nach Alton« gefahren war, um dir Tante, der sie das Sparkassenbuch verdankte, noch vor ihrem Tode zu sehen.

Anna hatte keinen Sinn für die äußeren Eindrücke der Fahrt, die sie in anderthalb Stunden nach Hamburg bringen sollte. Ihre Gedanken gingen rückwärts. Ganz deutlich stand ihr vor der Seele, wa» ste heute früh durchgemacht hatte, als sie reisefertig zu den Eltern an den Kaffeetisch getreten war und die Bitte ausgesprochen hatte, nach Hamburg fahren zu dürfen.

Zuerst sprachlose- Erstaunen, verwunderte» Kopf- schütteln deS Vaters dann ein Strom von Fragen auS der Mutter Mund, Vorwürse über Geheimniskrämerei, Schelte über unkindlichen Eigensinn, als sie den Zweck der Reise nicht Nennen wollte. Auch der Vater erhob in seiner milden Art Bedenken. Doch Anna blieb still.

Vertrauen hatte Pastor Webekind zu seinem Kind«, volles Vertrauen, da» sagte er mit seinem freundlichen Lächeln, da» die fast blinden Augen so schön machte. Aber doch hätten Eltern wohl ein Recht, di« Tochter zu fragen, wohin sie »ehe. Sie könne eS nicht sagen? Und Wohl und Wehr eine» Menschen hänge davon ab? Run gut, er zweifle nicht daran, daß eS so sei. Aber habe sie fich wohl überlegt, ob ste nicht zuviel auf sich genommen habe, ob sie nicht selbst Schaden leiden tonne in vermeintlichem Wohltun?

Und al» Unna fest gedlieben war. da war der grsise Seelenhirt «ufgestandrn und batt« ihr die zitternden Händ« au iS Haupt gelegt und ihre Stirn geküßt. Da hatte auch die Mutter sich gefügt, erst mürrisch, weil man ste nicht

vorher gefragt batte bann aber doch mit Interest« «w dein richtigen Fortkommen der Tochter und mit unzähligen Ratschlägen der verschiedensten Art an ihre Kusine, die Frau Gymnasialprofestor, bei der sich Anna telegraphisch anmelden und um Nachtquartier bitten sollte.

Nun hielt der Zug auf dem kleinen Nebenbahnhofe in Altona, und Anna bestieg sogleich eine Droschke. Ihr erster Weg sollte zur Sparkasse tn Hamburg sein. Aber hier harrte ihrer eine Enttäuschung. Zweitausend Mark so mir nichts dir nichts abbeben nein, daS ging nicht. BiS zu eintausend Mark war das zulässig. Größere Posten mußten.vorher gekündigt werden. Ob sie tausend Mark haben wollte? Nein, die nützten ihr nicht-.

RatloS stand ste auf der Straße. WaS nun? TS war ihr ein furchtbar peinlicher Gedanke, den Verwandten, bei denen ste übernachten sollte, ihre Verlegenheit zu gestehen und um Rat zu fragen. Dann würde daS Fragen wieder angehen; und gerade daS wollte ste vermeiden.

Plötzlich hörte sie, wie jemand ganz erstaunt ihren Namen rief. Sie drehte sich um. Im ersten Augenblick erkannte ste den jungen Mann gar nicht, der vor ihr stand. Aber die blitzenden braunen Augen, die so lustig in die Welt lachten das war ja der Henning Uhle! Und hier in der Großstadt, in deren Treiben sie sich so vereinsamt und verkästen oorkam, war der ihr fast wie «in Gruß auS ihrem Kirchdorf«. Und ohne sich einen Augenblick zu be­sinnen, streckte ste ihm 1>ie Hand entgegen, in die er kräfti« «inschlug.

Er unterdrückte sogar das spöttische Lachen, ba» gerade Heraufziehen wollte, als er den groben Handschuh von schwarzer Baumwolle sah, der ihre Rechte nicht einmal faltenlos umschloß, und al- sein prüfender Blick über den von der Frau Pastor selbst garnierten schwarzen Etrohhut und über das schwarze Jackett glitt, da» in der Taille viel »u kur» war. Er nickte nur mit seinem übermütigen Ge- sichte, al» er sah, wie ihre Wangen sich rot gefärbt hatten und auch die wasterblauen Augen vor Freude über die unerwartete Begegnung in tieferem Schimmer leuchteten.

(Fortsetzung folgt.)