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^»Z 45. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Jahrgang. "

Erscheint Dien S t a g , Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Psg.

Donnerstag, den 16. April 1891.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt B0 Pfg. un so Pfg. Lrägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst i« ganz Württemberg Mk. 1. 85.

Amtliche Bekanntmachungen.

Amtliche DkkllNlitinachillrg.

betreffend den Ausbruch der Schafräude.

Unter der 18 Stück zählenden Schafheerde des Johann Georg Bischer in Holzbronn ist die Räude ausgebrochen.

Calw, den 15. April 1891.

K. Oberamt. Amtmann Bert sch.

Tages-Ueniakeiten.

Solitude, 12. April. Heute, zum erstenmal Heuer, wurde im Kgl. Rotmildpark hier, der früh­lingsverkündende Ruf des Kukuks vernommen. Es ist daher mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß jetzt eine mildere und wärmere Witterung eintritt. Im verflossenen Jahr war es der 6. April, wo sich der Kukuk hier zum erstenmal hören ließ.

Stuttgart, 10. April. Neuerdings sind in dem hies. Garnisonslazarete Versuche mit dem Lieb­reichsten Jmpfmittel gemacht worden, die aber keinen günstigen Erfolg hatten, so daß man damit wieder aufgehört hat. Die Impfung mit dem Koch'schen Mittel ist im Katharinenhospital gänzlich eingestellt worden.

Stuttgart, 13. April. Das N. Tagbl. be­richtet: Exzesse am Tage der Kontrolversammlung. Bekanntlich stehen am Tage der Kontrolversamlung die Kontrolpflichtigen nicht nur während der Dauer der Versammlung, sondern den ganzen Tag unter militärischen Gesetzen und werden, wenn sie sich wäh­lend dieser Zeit Exzesse zu schulden kommen lassen.

auch nach diesen, das heißt sehr streng bestraft. Nichts­destoweniger zieht alljährlich eine Reihe von Reser­visten und Landwehrmänner durch Thorheiten, die an diesem Tag begangen werden, sich empfindliche Freiheitsstrafen zu. So schreibt man aus Oehr- ingen unterm 11. April: Vorgestern wurde in Kupferzell eine Kontrolversammlung ab­gehalten. Nach derselben ging eine größere Anzahl der Landwehrleute in das Wirtshaus zur Krone, wo sich, nachdem die Köpfe etwas erhitzt waren, ein Streit erhob, der zu einer so schlimmen Prügelei führte, daß neun von den Geschlagenen in das dort­ige Krankenhaus verbracht werden mußten. Die Sieger zogen darauf unter wildem Lärm in das Gasthaus zum Pflug, wo der Wirt mit Rücksicht auf ihren Zustand sich weigerte, ihnen Getränke zu ver­abreichen. Dies versetzte sie in solche Wut, daß sie im Wirtszimmer alles Geräte zusammenschlugen. Als nun vollends einer unter ihnen, der vor Kurzem eine Erbschaft gemacht hatte, erklärte, daß alles zer­stört sein müsse und wenn es ihn 1000 ^ koste, so warfen sie auch von außen mit Steinen und leeren Bierfäßchen nach dem Hause, so daß die Hausthüre zertrümmert wurde und von allen Fenstern nur noch zwei unversehrt blieben. Auch in dingen gab es bei der Kontrolversammlung Schlägereien zwischen Burschen von Nordhausen und Forstweiler, wobei einer ziemlich bedeutend verletzt wurde. In Unter­schneidheim verwundeten sie dann noch den Wirt zum Lamm, welcher ihnen kein Getränke verabfolgen lassen wollte. Alle diese Exzedenten werden für ihren Ueber- mut hart zu büßen haben.

Münsingen,13. April. In Jngstetten wurde gestern abend ein 14 Jahre alter Knabe von einem Farren im Stall des Farrenhalters so an die Wand gedrückt, daß er das Leben lassen mußte.

Kirchheim u. T., 11. April. Die hiesigen Motorenbesitzer die mehr als 4000 Kubikmeter Gas verbrauchen, zahlen für das Mehr nur 13 und diejenigen, welche mehr als 8000 Kubikmeter verbrauchen, zahlen nur 10 ^ pro Kubikmeter!

Münder kingen, 10. April. Kürzlich ließ eine hiesige reiche Bierbrauereibesitzers-Witwe einen Schreinermeister, der in den ersten Tagen des ver­gangenen Monats bei ihr gearbeitet hatte, zu sich rufen und drohte ihm, falls er nicht sofort einen Hundertmarkschein, den er ihr vor mehreren Wochen gestohlen habe, zurückgebe, mit einer Anzeige beim Landjäger. Der Schreinermeister verwahrte sich gegen diese Anklage und ersuchte die Frau, ihre schwere Beschuldigung zurückzunehmen. Da sich dieselbe aber nicht hiezu verstand, sah sich der Angeschuldigte ge­nötigt, die Witwe wegen dieser Anschuldigung gericht­lich zu belangen. Man ist nun darauf gespannt, was der vermißte Hunderter im Gefolge hat.

Ravensburg, 13. April. Der Weinbau hatte einst in unserem Schussenthal eine viel größere Ausdehnung als heute; auch in der Ebene, an Halden, wo jetzt Aecker, Wiesen und Gärten sich befinden, wurde Wein gebaut; jetzt beträgt das Areal der Weinberge auf hiesiger Markung noch gegen 40 Im. Eine der Ursachen der geringen Rentabilität mag der hergebrachte Brauch sein, die alten Stöcklinge viele Jahrzehnte stehen zu lassen, statt durch junge Stöck­linge die Weinberge von Zeit zu Zeit zu erneuern. In letzterer Beziehung will nun die Stiftungsverwaltung, die ziemlich viel Reben besitzt, in anerkennenswerter Weise Vorgehen und versuchsweise einmal einen Teil ihres Areals mit neuen Sorten vom Unterland und jungen Stöcklingen anpflanzen.

Leutkirch, 12. April Gestern vormittag er­eignete sich hier ein bedauerlicher Unglücksfall.

6 Ir r ^ ^ 6 1 ^ rr« Nachdruck verboten

Die Spionin.

Roman aus dem russischen Nihilistenleben.

Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.

Von Willibald Mencke.

(Fortsetzung.)

»Gott verderbe ihre Mörder!" rief er aus.Hat man eine Spur von ihnen gefunden?"

Ich erzählte ihm Alles, was mir an diesem Tage zu entdecken gelungen war, und er begleitete meine Erzählung mit dem Ausdrucke des Erstaunens über die Verruchtheit und die Frechheit der Nihilisten. Ich fragte ihn dann, ob er in jener Zeit, in der er noch mit Vera Timanoff dasselbe HauS bewohnte, nie mit diesen Leuten in Berührung gekommen war, und er teilte mir mit, was er mir früher schon gesagt hatte, daß er bei Vera wohl einige junge Leute kennen gelernt habe, die sehr frei in ihren Ansichten gewesen wären, daß er aber damals noch keine Ahn' ung davon gehabt habe, was der Nihilismus eigentlich zu bedeuten habe. Ich er- -suchte ihn dann, etwas länger auf dem Bureau zu bleiben, da er noch einen Bericht an den Polizeimeister zu überbringen habe. Er ging an seine Arbeit und ließ mich allein.

Ich warf mich aufs Sopha, zündete mir eine Cigarrette an und nahm das Tagebuch Vera'S zur Hand. Ich laS diese sauber mit einer zierlichen Frauenhand beschriebenen Blätter mit steigendem Interesse, anfangs nur angezogen von der rein menschlichen Teilnahme an dem Geschicke dieses interessanten und so unglücklichen Mädchens, und dann, gefesselt von dem Reize der gewandten und sinnigen Dar­stellung aller inneren und äußeren Erlebnisse. die in diesem Frauenleben, da« sich so abseits von den gewöhnlichen Bahnen d«S Weiblichen bewegte, eine Rolle gespielt »hatten. Allmählich aber wurde mein Interesse fieberhaft erregt durch Bekenntnisse und Enthüllungen, di« für mich von dxr größten Wichtigkeit waren. ES war mir, >alS würde mir eine Binde von den Augen genommen, und eine Fülle von Lichi idrang «ns mich «in, das mich anfangs verwirrte.

Ich werde im Verlauf meiner Erzählung noch Gelegenheit finden, ausführ­lichere Mitteilungen aus diesen so interessanten Aufzeichnungen einer Person zu geben, die ich für eine Spionin der Polizei gehalten hatte und die in Wahrheit eine Spionin im Dienste des Nihilismus war. Ich setze für jetzt nur die aus dem Zu­sammenhangs mit dem Uebrigen herausgerissenen Fragmente hierher, die mir nicht nur das, was ich bisher in dieser merkwürdigen Geschichte entdeckt, sondern auch Alles, was mich bisher in Berührung mit der nihilistischen Agitation gebracht hatte, in einem völlig veränderten Lichte erscheinen ließen.

Aus Veras Tagebuch.

14. Dezember.

Nachgerade ist es mir eine liebe Gewohnheit geworden in meinem Tage, buch gleichsam Gespräche mit mir selbst zu führen. Ich weiß recht gut. daß ich da­mit gegen eines der ersten Gebote unseres Bundes sündige, denn es ist uns streng verboten, schriftliche Aufzeichnungen irgend welcher Art zu machen, die in die Hände der Polizei gelangen können. Niemand aber soll mich hindern, auf diesen Blättern gleichsam mir selbst Rechenschaft von meinem Thun und Lassen abzulegen, und ich bin so gewiß, daß sie Niemandem, so lange ich lebe, zu Gesicht kommen werden, daß ich ihnen die geheimsten Regungen meine» Herzens ebenso anvertraue, wie die intimsten Vorgänge im Schooße unseres Bundes-

Meiner Thätigkeit im Dienste desselben ist jetzt eine bestimmte Aufgabe zuge­wiesen : ich habe düs E. C. über die Machinationen und Anschläge der Polizei gegen den Nihilismus zu unterrichten. Man hat mir den Weg bezeichnet, auf dem ich diese Aufgabe zu lösen habe. Ich habe der Polizei scheinbar als Spionin gegen unsere Partei zu dienen und mich auf diese Weise in ihr Vertrauen einzuschleichen. Gewiß keine leichte Aufgabe. Pugatschew hat mir in der gestrigen Sitzung eine lange Rede darüber gehalten, welches Vertrauen man in meine Klugheit und meine Energie setzt. Gut! Ich werde es zu verdienen suchen."

16. Dezember.

.Der Koup mit der Anzeige der geheimen Druckerei ist vollständig gelungen und hat die beabsichtigte Wirkung erzielt. Ich bin nun Spionin der Poluei. Der Polizeirat hat mich rufen lassen und mir eine feste Anstellung mit einem Gehalte