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dings nichts gesagt, da er zu sehr bestürzt gewesen sei, allein es sei, bald ein Gast hinausgegangen und habe dem Ungerer die nötige Hilfe angedechen lasten. Üugerer wurde heimgeschafft und starb er am folgenden Morgen an den Folgen eines erlittenen Schädel- hruchs ohne wieder zur Besinnung gekommen zu sein. Wie erhoben worden ist, hatte der verletzte Ungerer än- jenem Tage etn» 10 Glas Bier getrunken, man hat ihm aber von Betrunkenheit nichts angemerkt, er konnte noch gut laufen und auch im Reden war nichts von Betrunkenheit an ihm zu bemerken. Zwei Zeugen, ein Gqst, der sich kurz vorher aus der Wirtschaft entfernt hatte und etwa 40 Meter entfernt war und ein Mann, der bereits im Bett war, bezeugten, daß es ein wuchtiger Fall gewesen sei. Letzterer fügte bei, daß er zu der Ansicht gelangt sei, daß hier Einer regelrecht hinausgeworfen worden sei. Der Sachverständige von Calw giebt zu, daß die Verletzung durch einen Fall die Treppe herunter entstanden sein könne und dieser Fall nicht notwendigerweise auf einen Stoß zurückgeführt werden müsse. Ungerer könne auch über seinen Ueberzieher, den er blos umgehängt gehabt habe, gefallen sein. Der Sachverständige von Tübingen sprach sich dahin aus, daß der Fall sehr wahrscheinlich auf einen Stoß zurückzuführen sei, es sei aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß er auch von selbst erfolgt sein könnte. Die steinerne Treppe vor der Wirtschaft, über welche der Sturz erfolgt ist, hat blos drei Stufen, es ist aber unten ein Kandel und über diesem drüben ist Ungerer gelegen, die Füße gegen die Staffeln, den Kopf nach auswärts. Nach der Angabe des Angeklagten hatte es damals viel Eis, aber die Treppe sei eisfrei gewesen, blos auf beiden Seiten des Ausgangs seien Eishaufen gelegen. Hr. I. Staatsanwalt Degen hob die Momente hervor, welche für die Schuld des Armeklagten sprechen, ohne jedoch einen Antrag zu stellen. Der Verteidiger, Hr. Rechtsanwalt WetzeIII., trat entschieden für ein Nichtschuldig ein, indem er insbesondere geltend machte, daß es undenkbar erscheine, daß der Angeklagte bei dem kräftigen Steinbrecher, der nachgewiesenermaßen mit ihm gerauft und der den Angeklagten, wie dieser jenen gefaßt gehabt habe, so viel Spielraum gewonnen habe, um diesen mit Wucht hinausbefördern zu können. Die Geschworenen sprachen sich nach kurzer Beratung für ein Nichtschuldig aus, worauf sofortige Freisprechung erfolgte. T. Chr.
Eßlingen, 9. April. Gestern abend belustigten sich einige Knaben damit, auf den im Hammerkanal liegenden, angebundenen Flößen herumzuspringen. Hiebei glitt der 12jährige Sohn des Metalldrehers Kölle aus und siel ins Wasser. Bei dem hohen Wasserstand und dem sehr trüben Wasser gelang es erst nach mehrstündigen Bemühungen gegen 7 Uhr die Leiche desselben aufzufinden.
Reutlingen, 8. April. Das XIII. Württem- bergische Landesschießen hier ist nun endgiltig auf 19. und 20. Juli festgesetzt. Nach einem Bericht über den Stand der Vorbereitungen ist die verlangte Garantiesumme von 8000 heute schon um 2000 überzeichnet und zwar nur von Mitgliedern der Schützengilde, und weitere Zeichnungen wurden in sichere Aussicht gestellt. Es sollen 8 Schießstände
für Feldscheibe (300 Meter), 13 desgleichen für Stand (175 Meter) und einer auf laufend Wild (60 Meter) zusammen 22 Meter aufgestellt werden. An das Schießhaus wird sich der Gabentempel anschließen.
Reutlingen, 8. April. Gestern vormittag mißhandelte die Frau eines Schneiders in der St. Leonhardstraße dgs 7jährige Mädchen aus erster Ehe zuerst mit einem Scheitle Holz m unmenschlichster Weise und begoß es dann mit heißem Wasser, so daß der inzwischen hinzugerufene Arzt an dem Wiederaufkommen des Kindes zweifelt. Der bedauernswerte Mann, den man von der Arbeit nach Hause rief, hätte sich an seiner Frau thätlich vergriffen, wenn man ihn nicht davon abgehalten hätte. Zudem ist dieses Weib die Schwester der ersten Frau, also auch die Tante und überdies noch die Pathin des Kindes.
Rottweil, 7. April. Für das im nächsten Jahre abzuhaltende Sängerfest war von seiten des Ausschusses des Schwäbischen Sängerbundes die Stadt Rottweil als Festort bestimmt. Es mußte leider die zugedachte Ehre abgelehnt werden, weil es hier an erforderlichen Lokalitäten fehlt, um etwa 3000 Sänger unterzubringen.
Ebingen, 8. April. Im benachbarten Thail - fingen kam gestern ein 7jähriges Mädchen in Abwesenheit der Mutter dem Herdfeuer zu nahe, die Kleider fingen Feuer und als die von einem Brüderchen rasch herbeigeholte Mutter kam, war das arme Kind bereits so jämmerlich zugerichtet, daß es noch am Abend seinen Verletzungen erlegen ist
Ebingen, 9. April. Allgemeine herzliche Teilnahme wendet sich einer hochachtbaren hiesigen in der Bahnhofstraße wohnenden Fabrikantenfamilie zu, welche durch einen jähen Todesfall ein munteres hoffnungsvolles Kind von nahezu 3 Jahren verlor. Als nämlich gestern abend kurz nach 6 Uhr die Mutter auf wenige Augenblicke das Zimmer verließ, um dem schon längere Zeit kranken Gatten ihre Sorge zuzuwenden und gleichzeitig das Kindsmädchen bei den andern Kindern beschäftigt war, stieg der lebhafte Knabe auf einen am Fenster stehenden Stuhl, öffnete das geschlossene Fenster und Vorfenster und fiel, da er wahrscheinlich beim Oeffnen des letzteren das Ueber- gewicht bekommen hatte, durch das Fenster aus der Höhe von etwa 8 Metern kopfüber auf das Cement- Trottoir. Obwohl ärztliche Hilfe sofort zur Hand war und die beklagenswerte Mutter selbstverständlich Allem aufbot das junge Leben zu erhalten, so blieben doch alle Versuche zur Rettung erfolglos und wenige Minuten vor 7 Uhr starb das arme Kind.
Oggelsbeuren, 7. April. Gestern in den Nachmittagsstunden zog das erste diesjährige schwere Gewitter von Westen nach Osten über unsere Gegend hin, welches leider nicht ohne Unfall ablausen sollte. Im benachbarten Jngerkmgen wurde eine auf dem Felde arbeitende Frau vom Blitz erschlagen. Vom Walde heimkehrende Holzmacher fanden die Unglückliche bereits entseelt auf ihrem Kleeacker, wo sie vorher mit Ablesen von Steinen beschäftigt war. Die Teilnahme ist allgemein.
Aalen, 8. April. In Lauterburg wurden heute um 12 Uhr die letzten Sonntag verunglückten 7 Konfirmanden beerdigt. Ein bekränzter Wagen fuhr
durch den Ort und nahm der Reihe nach die Särge auf, nachdem vor jedem Trauerhaus die Schuljugend von Essingen einen Choral gesungen hatte. Sämtliche Leichen wurden in ein Grab gebettet.
Möckmühl, 8. April. Diesen Vormittag stürzte im städtischen Waschhaus das Kamin samt dem Rauchfang ein, während zwei Wäscherinnen vor dem Waschkessel standen. Die Frauen wurden durch die einstürzende Masse niedergeschlagen und bis zum Kopf begraben. Beide wurden schwer verletzt.
Laupheim, 8. April. Seit vorgestern scheint der Frühling sich bleibend eingestellt zu haben, dir Störche haben sich auf allen Kirchtürmen der umliegenden Ortschaften eingefunden und beleben unser großes Ried zur Freude von Jung und Alt.
München, 5. April. Gestern nacht 12 Uhr rauften sich in einem Wirtshaus an der Schützenstraße zwei Burschen wegen eines Frauenzimmers und einer verfolgte den andern mit Revolverschüfsen. Zwei Gendarmen am Karlsthor gingen den Schüssen entgegen und in der Luitpoldstraße schoß der Bursche auch auf den Gendarm Anton Burckhart eine Kugel ab, die an dessen Taschenuhr aufschlug und durch seinen Schenkel ging. Mit Hilfe eines Soldaten konnte der Gendarm den Attentäter, der sich Joh. Hipp, Dienstknecht von Grießbeckerzell, BA. Aichach, nannte, festhalten, den das entrüstete Publikum dann gründlich verklopfte, so daß er mit blutigem Kopf ms Krankenhaus verbracht werden mußte. Die Verwundung des Gendarmen ist schwer, aber nicht lebensgefährlich.
Are Bedeutung eines gesunden Akutes für den menschlichen Körper wird beim Publikum noch ganz gewaltig unterschätzt. Man begreift nicht, daß eine sehr große Anzahl Leiden durch schlechtes, nicht gehörig zusammengesetztes Blut hervorgerufen werden. Diejenigen» welche über Blutarmut, Blutandrang, < Blutwallungen), Herzklopfen, Schwindelanfälle, Funkensehen, Bleichsucht, Hautausschlag rc. zu klagen haben, sollten dafür sorgen» durch eine geregelte Verdauung und Ernährung das Blut zu kräftigen. In solchen Fällen leisten bekanntlich die Apotheker Mchard Brandt's Schweizerpillen, welche in den Apotheken ä Schachtel 1 erhältlich sind, sehr schätzbare Dienste und werden besonders auch von den Frauen wegen ihrer angenehmen Wirkung allen anderen Mitteln vorgezogcn. Man verlange aber stets unter besonderer Beachtung des Vornamens Apotheker ZUchard Brandt's Schweizerpillen. Halte man daran fest, daß jede ächte Schachtel als Etikette ein weißes Kreuz in rotem Felde hat und die Bezeichnung Apotheker Wchard Brandt's Schweizerpillen trägt. Alle anders aussehenden Schachteln sind zurückzuweisen. „Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandteile sind:, Silge, Moschusgarbe, Aloe, Absynth, Bitterklee, Gentian.'
Gottesdienst
am Sonntag, den 12. April. Confirmation.
Vom Turm: 245.
9 Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun» Nachm. (-3 Uhr Unterredung mit den Neukonsirmierten. Herr Helfer Eyte l.
Areitag, den 17. April.
10 Uhr Vorbereitung und Beichte.
„Ich bin allein, mein Kind. Mein Sekretär arbeitet im Nebenzimmer."
„Ich habe eine Bitte an Sie, Herr Polizeirat."
„Sprechen Sie, mein Kind."
„Sie misten, daß der Beruf, mit dem ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene, nicht ohne Gefahr ist."
„Seien Sie überzeugt, mein Fräulein, daß wir das zu würdigen wissen. Sie haben uns gute Dienste geleistet, und wenn Sie eine außerordentliche Belohnung beanspruchen —"
„Es ist nicht das, was mich zu Ihnen geführt hat. Ach ich bin besorgt, daß mir etwas zustoßen kann, was ein für allemal der Thätigkeit ein Ende macht, für die Sie mich meiner Ansicht nach gut genug bezahlen."
„Sie meinen?"
„Es macht mir den Eindruck, daß den Verschworenen meine Anstellung als Spionin der Polizei nicht mehr ganz unbekannt ist."
„Woraus schließen Sie das?"
„Aus der Art und Weise, wie sich diejenigen gegen mich benehmen, — mit denen ich ja täglich verkehre."
„Sie täuschen sich vielleicht."
„Bis jetzt mag eS nur Mißtrauen sein, mit dem sie mich beobachten. Haben sie aber erst Beweise meiner Schuld in Händen, — so habe ich aufgehört zu leben."
„Man wird Sie zu schützen wissen."
„Nein, Herr Polizeirat. Niemand vermag mich zu schützen, wenn sie meinen Tod beschlosten haben. Für diesen Fall, der nicht so unwahrscheinlich ist, als Sie glauben, möchte ich Ihnen einen Brief übergeben, mit der ausdrücklichen Bitte, Laß Sie ihn erst nach meinem Tode öffnen."
„Ich finde Ihr Anliegen etwas seltsam, mein liebes Kind, und ich hoffe, daß Ihre Besorgnisse unbegründet sind", sagte ich. „Im Uebrigen steht der Erfüllung Ihrer Bitte nichts im Wege. Gebm Sie mir den Brief."
„Sie geben mir Ihr Ehrenwort als Mann darauf, Herr Polizeirat, daß Sie
diesen Brief erst eröffnen, sobald Ihnen mein Tod bekannt ist oder wenn ich Sie ausdrücklich darum ersuche?"
„Mein Ehrenwort."
„Sie reichte mir den Brief. Er war schwarz gesiegelt und trug keine Auf« schrist. Ich legte ihn in ein Fach meines Bureaus und wandte mich dann mit einer scherzhaften Frage an Vera, um den feierlichen Eindruck dieser Scene zu verwischen. Sie antwortete mir nur kurz, während ein wehmütiges Lächeln ihre Lippen umspielte, und als sie sich von mir verabschiedete, bemerkte ich, daß ihr Auge von dem feuchten Schimmer einer Thräne überglänzt war. Sie mußte viel gelitten haben in der Nacht, die dieser Morgenstunde vorausging.
Seltsames Mädchen! So wie sie damals vor mir stand, als sie mir ihre Hand zum letzten Male reichte, lebt sie noch jetzt in meiner Erinnemng. Sie trug ein einfaches graues Kleid, ein Mäntelchen von etwas verschossenem Sammt, am Hals und an den Aermeln mit Pelz besetzt, und ein rundes Hütchen, mit einem schwarzen Schleier umwunden, auf dem kurzgeschnittenen, braunen, mit einem Netze eingefaßten Haar. In ihren Zügen lag etwas Weiches, Träumerisches, das seltsam kontrastierte mit der fast männlichen Energie ihres Wesens. Das kecke Stumpfnäschen beeinträchtigte die Regelmäßigkeit ihrer Züge, und obwohl ihre hellblauen Augen nicht schön zu nmnen waren, so lag doch über dem ganzen Gesichtchen ein Interesse erweckender geistiger Ausdruck, der auf den ersten Blick verriet, daß diese freien und offenen Züge der Spiegel eines reichen Gemütslebens waren.
Alle Einzelheiten jener letzten Begegnung vergegenwärtigte ich mir, während ich mein Bureau aufsuchte, um dort das Vermächtnis einer Abgeschiedenen in Empfang zu nehmen. Ich hatte ja jetzt ein Recht, Vera's Brief zu öffnen, denn wie sollte ich noch daran zweifeln, daß ihre düsteren Vorahnungen in Erfüllung gegangen waren, und daß sie das Opfer des Berufes geworden war, den sie sich gewählt hatte..
(Fortsetzung folgt.)