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Staatsbeitrage zur Murr-Correktion. Minister v. Schmid: Daß der Staat die Fluß-Correctionsfrage im Auge habe, zeige die Erhöhung der Exigenz um um die Hälfte, lieber das Bedürfnis der Schuffen- Eorrection ist der Staat genau unterrichtet, die Sache sei aber noch an dem geringen Entgegenkommen der Gemeinden gescheitert. Die Murrgemeinden hätten noch nicht petitioniert. Bezüglich des von Hartranfft ausgesprochenen Wunsches antwortet der Minister entgegenkommend, ebenso auf den Wunsch von Storz, betr. die Donau-Correction. Kap. 43 wird ange­nommen.

Lübeck, S. April. Der Kaiser fuhr gestern abend um 9 Uhr nach Travemünde, wo die Bürger­schaft eine prächtige Illumination und eine elektrische Beleuchtung des Meeres veranstaltet hatte. Der Kaiser brachte die Nacht in seinem Salonwagen zu und bestieg heute früh um '/-9 Uhr den Dampfer Greif." Er wurde auf der Fahrt von drei Torpe­doschiffen begleitet. Die Bevölkerung hatte bis zur Schiffbrücke Spalier gebildet und den Kaiser enthu­siastisch begrüßt.

Kiel, 2. April. DieCarola", derGreif" und die drei Torpedoboote sind abends 7 Uhr hier eingetroffen. Der Kaiser war an Bord derCarola." Beim Einlaufen in den Hafen wurde die Kaiser­standarte vomBlücher" salutiert. Der Kaiser fuhr mit dem Kaiserboot nach der Gefionbrücke und begab sich mit dem Prinzen Heinrich in das Schloß. Tau­sende warteten am Hafen auf die Ankunft des Kai­sersund begrüßten denselben mit begeisterten Hochrufen.

Kiel, 3. April. Der Kaiser besuchte mit dem Prinzen Heinrich die kaiserliche Werft und stellte den Generalfeldmarschall Grafen Moltke in Anbetracht seines regen Interesses an der Marine L la suite des 1. Seebataillons.

Kiel, 4. April. Prinz Heinrich vollzog den Taufakt des Kreuzers mit folgenden Worten:Umringt von jenen Meistern, von jenen Arbeitern, welche durch treue Pflichterfüllung und im Schweiße ihres Angesichts, Dir das schöne Bild ver­liehen haben, in dem Du jetzt vor uns stehst, ferner beobachtet von den Augen jener Männer, deren her­vorragender Beruf es ist. Dich zu leiten und in dritter Reihe und ganz besonders vor den Augen Deines Kaisers, Königs und Kriegsherrn, der für Dich und Deine Art ein warmes seemännisches Herz hat, stehst Du bereit, Deinem Elemente übergeben zu werden. So fahre denn hin in alle Meere, wache über Deutschlands Ehre, über Deutschlands unbefleck­ter Flagge mit dem scharfen Auge jenes gefiederten Königs der Lüfte, dem nichts entgeht! Auf Aller­höchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs taufe ich Dich a^f den NamenFalke".

Berlin, 4. April. Die Freisinnigen haben für den 19. Hannoverschen Wahlkreis gegen Bismarck einen scharfen Wahlaufruf erlassen; es heißt darin, man wolle keinen Mann wählen, der im Unfrieden von dem Kaiser geschieden sei. Die Sozialdemokraten rechnen auf ca 5500 Stimmen für ihren Kandidaten.

Tages-Neuiakeiten.

fAmtliches aus dem Staatsanzeiger.s Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Sekondlieutenant Silcher im Grenadier- Regiment Königin Olga Nr. 119 (Adjutant beim Bezirkskommando Calw) zum Premierlieutenant zu befördern.

Verkehrswesen. Für die Beförderung von Pferden nach und von Stuttgart wird über die Dauer des heurigen Stuttgarter Pferdemarkts eine Frachtvergünstigung eingeräumt.

Cannstatt, 1. April. Daß der Viehankauf durch Metzger außerhalb des Wohnorts derselben ge­mäß ZZ 44 und 3. der Staatsgewerbeordnung einer Legitimationskarte bedarf, dürfte in weiten Kreisen bisher nicht beachtet worden sein. Das Oberlandes­gericht München hat jedoch voriges Jahr einen Metz­ger, der außerhalb des Orts seiner gewerblichen Nieder­lassung eine Kalbin behufs Schlachtung im Wohn­ort eingekauft hat, weil er, wie die meisten anderen Metzger auch, niemals eine Legitimationskarte gelöst hatte, verurteilt.

Untertürkheim, 31. März. Ein abscheu­licher Racheakt oder Bubenstück wurde hier verübt, indem der Gaise des Christian Berner Nachts im Stall ein Ohr, beide Striche am Euter abgeschnitten und auf dem Rücken noch 2 Schnitte beigebracht wurden, in Folge dessen das Tier, wie auch die 2 Jungen wegen Mangel an Nahrung, verendeten.

Heilbronn, 3. April. In der Bahnhof­straße ist gestern abend halb 6 Uhr ein Maurerlehr­ling schwer verunglückt. Er machte sich an einem Steinwagen, den er zu begleiten hatte, während der Fahrt etwas zu schaffen, kam dabei zu Fall, und die Näder des schwer beladenen Fuhrwerks gingen ihm über beide Beine, den Fuhrmann trifft kein Verschulden.

Rottenburg, 4. April. Mittelst Entschließ­ung des württembergischen Kultusministers v. Sarwey wurde das Bittgesuch des hochwürdigsten Herrn Bischofs Dr. ö. Hefele um Zulassung von Männerorden in Württemberg abgelehnt.

Schöckingen, 30. März. Baron H. v. Gais- berg hat kürzlich im Schöckinger HolzEulenberg" eine auffallend schöne und starke Wildkatze erlegt. Jäger und Hund waren wohl nicht darauf gefaßt, beim Suchen nach Schnepfen am Nachmittag plötzlich im dichten Unterholz ein langhaariges, graugelb ge­streiftes Raubtier wahrzunehmen, das sich von Busch zu Busch rasch verfolgt zuletzt auf einer hohen Forche bäumte und in den Aesten zu verbergen suchte. Ein wohlgezielter Schuß, zwar mit Schnepfen­schrot, machte hier sofort dem Leben dieses von allen jagdbaren Vögeln, sowie Hasen, ja selbst Rehkitzchen sich nährenden Raubtiers ein Ende.

Aalen, 2. April. Gestern abend logierte sich im Gasthaus zum Lamm in Wasseralfingen ein junges Paar ein. Als man heute früh mehrere Revolver­schüsse aus dessen Zimmer vernahm, wurde die ge­schlossene Thüre gewaltsam geöffnet. Das Mädchen lag durch eine Revolverkugel schwer verletzt, der junge

Man tot am Boden. Aus den Papieren des letzteren, hat sich ergeben, daß derselbe ein Gymnasist aus Augsburg ist, während das Mädchen von hier ge­bürtig ist.

Aus dem Rheingau, 4. April. Die ganze Pflanzenwelt hat durch den langen und harten Win­ter gelitten. Auch die Wintersaat steht recht schlecht; nur die Obstbäume sind gut durchgekommen, die Blüten­knospen der frühen Stein- und Kernobstsorten sind zahlreich vorhanden und haben ein sehr gesundes Aus­sehen. Während sonst an Ostern schon ein ziemlich starker Fremdenverkehr im Rheingaue herrschte, war der diesjährige gleich Null: im Jahre 1890 nahm die Zahnradbahn RüdesheimNiederwald an den beiden Osterfeiertagen über 1000 Mark ein, in diesem Jahre nicht einmal 100 Mark. Im Laufe dieser Woche hat die Landstraße RüdesheimGeisenheim einen schönen Schmuck erhalten: auf Kosten des kom­munalständischen Verbandes ist nämlich an der Süd­seite der Straße eine Lindenallee angelegt worden, sie geht von dem Bahnübergänge in der Nähe der Schaumweinfabrik Ewald u. Comp, zu Rüdesheim bis an die Westgrenze der Besitzung Monrepos des Herrn Eduard von Lade zu Geisenheim und umfaßt 306 Bäumchen. Die Pflanzung wurde unter der Anweisung des Gartengehilfen Weber-Geisenheim von den Schülern der königl. Lehranstalt für Obst- und Gartenbau ausgesührt; die alte, schon sehr gelichtete Nußbaumallee wird verschwinden.

Von der Geburtstagsfeier in Friedrichs­ruh berichten dieHamb. Nachr.": Aus dem Post-> und Telegraphenamt waren sechs Aushilfsbeamte außer den ständigen Bediensteten zur Stelle. Die Zahl der Telegramme war schon nach 2 Uhr auf 2000 gestiegen. Alle nach dem Schlosse führenden Wege waren von Promenierenden belebt, denen jeder ein­rollende Zug frischen Zuwachs brachte. Gegen 4 Uhr nachmittags erschollen aus dem Schloßhof stürmische Hochrufe, in die sich kräftiges Bellen von Rüden mischte. Aus der Einfahrt bog ein offener, von. strammen Landpferden gezogener Zweispänner ein.. Der Fürst, der Fürst!" ging es von Mund zu Mund. Er war eingehüllt in seinen grauen Rad­mantel mit Pelzkragen, auf dem Haupt die weiße Kürassiermütze. Frohsinn lag auf seinem Gesichte. Ihm zur Seite saß ein Herr im Zivilrock und Cylinder der Herzog von Ujsst. Der Wagen bog dem Walde zu, weithin begleitet von den Zurufen der Angesammelten. Bei der Rückkehr derselbe Will­kommen, dieselben jubelnden Zurufe. Beim Fest­essen im Schlosse, das 24 Gedecke zählte, brachte Fürst Bismarck einen Toast auf den Kaiser aus. Unterdessen begann die Anfahrt der dichtbesetzten Extrazüge, deren Insassen bei der Fahrt am Schloß, vorüber in Hochrufe ausbrachen. Meist von Musik­korps begleitet, zogen die Angekommenen zum Schloß­hof, wo der Fackelzug sich aufstellte. Gegen 7 Uhr trat Fürst Bismarck mit mehreren Herren aus dem Portal des Hauses ans Gitterthor. Dort hatte man.

Lächeln um sein schwarzes Schnurrbärtchen spieltezu erfahren, was die ge­strenge Polizei veranlaßt, uns bei einem so heiteren Diner zu stören."

Die Sache läßt sich sehr leicht abmachen, mein Fürst."

Desto besser. Der Kaffee wird sonst kalt, der auf dem Tische steht."

Sie erinnern sich vielleicht, daß Sie Madame einen Besuch machten an jenem Tage, an dem ihre Kostbarkeiten veräußert wurden?"

Ein trauriger Tag in dem Leben unserer Diva", sagte er, indem er der Schauspielerin die Hand küßte.Jndeß ich hoffe, daß eine schönere Zeit die Er­innerungen an jenen trübseligen Vormittag längst verwischt hat, nicht wahr, meine teure Camilla?"

Er sprach von nun an mehr zu ihr als zu mir, und schien meine Gegenwart kaum zu beachten.

Aber Sie erinnern sich doch deutlich, daß Sie damals hier warm?"

Da ich mich sehr oft nach dem Befinden unserer verehrten Diva erkundigte, so ist dies leicht möglich.

Vielleicht auch, daß Sie draußen im Korridor mit einer jungen Dame sprachen, die bei dem Verkaufe der Schmucksachen ein Armband diese- Armband - erstanden hatte?"

Die Züge des Fürsten nahmen einen Augenblick einen ernsten Ausdruck an und seltsamer Weise gerade in dem Augenblick, da ich ihm das Armband zeigte. Aber gleich darauf umspielte das spöttische Lächeln wieder seinm Mund.

Ich? Mit einer Dame? Im Korridor draußen? Nein. Daran kann ich mich nicht erinnern."

ES liegt die bestimmte Aussage von Madames Kammermädchen vor."

Der Fürst schien nachzudenken.Ah, jetzt fällt eS mir ein" sagte er dann. Ich kam gerade an. als die Versteigerung beendet war.Einer der letzten Gegen­stände war dieses Armband gewesen, ja richtig! Wie man so etwas vergessen kann! Ich sprach die Dame an und erbot mich, ihr das Armband abzukaufe«, um

es meiner verehrten Diva wieder zu Füßen zu legen. Ich bot ihr 100 Rubel mehr als der Preis, um den sie es gekauft hatte. Seltsamerweise ging sie auf den Handel nicht ein. Es lag ihr wahrscheinlich viel daran, ein Andenken an den Stern des Michael-Theaters zu behalten, den die Welt unter dem schönen Namen Camille Dupre verehrt."

Sie kannten die junge Dame also nicht?"

Wie sollte ich? Hält die Polizei mich für einen solchen Don Juan, daß ich alle jungen Damen von Petersburg kennen soll?"

Dann ist mein Geschäft in diesem Hause zu Ende", sagte ich, verletzt durch die Art und Weise, wie der junge Fürst meine Fragen beantwortet hatte.Ich habe die Ehre, Madame! Mein Fürst"

Der Fürst verbeugte sich und reichte der Schauspielerin den Arm. Die Zofe, die auf das Glockensignal ihrer Herrin wieder erschienen war, gekettete mich zur Thüre.

dem Gefühle der tiefsten Niedergeschlagenheit trat ich auf die Straße hinaus. Mir war zu Mitte, wie einem Feldherrn, der eine Schlacht verloren hat. Was hatte ich erreicht? Was war das Resultat meiner unablässigen Nachforschungen? Nichts, auch gar nichts. Nach drei Tagen rastloser Thätigkeit war ich so wett als damals, da ich vor dem geöffneten Koffer stand. Die Spuren, denen ich gefolgt, waren verwischt, der leüende Faden, der mich geführt hatte, war mir aus den Händen gefallen. Gewiß, nach dem Erscheinen der Baronin, das das ganze Ge­bäude meiner Kombinattonen über den Haufen warf, hatte ich eine neue Spur ge­funden, die mich in das Haus der Schauspielerin geführt hatte, aber wie sie weiter verfolgen? Ich zweifelte nicht daran, daß die Ermordete von Jelagin Niemand anderes war als die Unbekannte, die das Armband der Mademoiselle Dupre ge­kauft hatte; aber wie sollte ich sie herausfinden aus dem Labyrinth, der Riesenstadt,- deren verworrener Lärm von allen Setten an mein Ohr schallte, während ich ein- sam sinnend meines Weges ging?

(Fortsetzung folgt.)

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