nächsten Monat wird dem Vernehmen nach das Werk in Angriff genommen werden, zu dem die nötigen Vorbereitungen seit einer Reihe von Jahren geschehen sind. Die erste Anregung zur Erneurung und Ver­schönerung unseres Gotteshauses datiert aus dem Jahre 1884, aus jener Zeit, wo die K. Staatsfinanz- Verwaltung aus freien Stücken erklärte, die in Folge des Komplexlastengesetzes vom 19. April 1865 zur Ablösung angemeldete Baulast an hiesiger Kirche auch fernerhin behalten zu wollen, uns aus. diesem Anlaß einige Abgesandte dieser hohen Staatsbehörde hieher- kamen, um den baulichen Zustand der Kirche in Augen­schein zu nehmen. Die vorgetragenen Wünsche und Bitten der hiesigen Gemeinde, es möchte unserer nach­gerade recht ärmlichen und, wenn nicht baufälligen so doch der einem Gotteshaus gebührenden Schönheit fast ganz entbehrenden Kirche in thunlicher Bälde eine würdige Erneurung zu Teil werden, haben von damals an ein wohlwollendes Entgegenkommen von seiten der K. Domänendirektion gefunden; es waren Gründe teils finanzieller, teils auch geschäftlicher Natur, welche die Ausführung des Bauwesens bisher von Jahr zu Jahr verzögert haben. Desto mehr freuen wir uns, jetzt unmittelbar vor der Erfüllung unserer Wünsche zu stehen; und wenn auch während der auf 2 Sommer berechneten Bauzeit die Gemeinde mit einem gar dürftigen und engen Versammlungsort sich wird be­helfen müssen, so daß die Abhaltung vermehrter Gottes­dienste besonders an den kirchlichen Festtagen sich kaum wird umgehen lassen, sie wird sich darein gerne schicken in der Hoffnung, daß sie hernach ein desto geräumigeres und freundlicheres Gotteshaus haben wird. In gestriger Sitzung haben die bürger­lichen Collegien von Liebenzell nahezu einmütig be­schlossen, die Räume im Erdgeschoß des Rathauses für die Zwecke des Gottesdienstes auf 2 Jahre zur Verfügung zu stellen. Vom 1. April an wird das K. Bezirksbauamt daran gehen, diese Räume, die auf ca. 650 Sitzplätze berechnet sind, zuzubereiten. Die nicht unbedeutenden Ausgaben, die für Hand- und Spannfronen bei der bevorstehenden Kirchenrestauration den Gemeindegenoffen obliegen, hoffen diese um so leichter bestreiten zu können, nachdem die Ausscheidung des Kirchenvermögens nunmehr bei uns vollzogen ist und zwar so, daß in allen Orten des Kirchspiels Liebenzell das vorhandene Stiftungsvermögen nach Abzug der für nichtkirchliche Zwecke bestimmten Ein­zelstiftungen ungeteilt in das Eigentum der Kirchen­gemeinden übergegangen ist, indem die Vertretung der bürgerlichen Gemeinde auf einen Anteil an dem­selben freiwillig verzichtet hat. Möchte mit dem be­ginnenden Bau der Kirche das Interesse der Gemeinde auch in der Richtung erwachen, daß Schenkungen und Vermächtnisse für einzelne besondere Zwecke, die bei einer würdigen Zurichtung und Ausstattung unseres Gotteshauses ins Auge gefaßt werden können, die aber das Maß der von der K. Staatsfinanz-Verwaltung aufzuwendenden Mittel übersteigen, nicht ausbleiben! Möge überhaupt der bevorstehende Kirchenbau mit der Zeit auch den Segen bringen, daß frommer Sinn

und kirchliches Leben einen neuen Aufschwung nehmen in den beteiligten Gemeinden!

Der Eisenbahnfahrplan f. d. Sommer­dienst wird nach den Mitteilungen der General­direktion der Staatseisenbahnen hinsichtlich der Strecke CalwStuttgart folgende Aenderung erfahren:

Die gemischten Züge Nr. 171,

Calw ab 2.'5 nachm.

Stuttgart an 5.°^

und Nr. 172,

Stuttgart ab 3.°° nachm.

Calw an 6.2°

sollen in Personenzüge umgewandelt werden und fol­gende Fahrzeiten erhalten:

Nr. 171 Calw, nach Ankunft des Zugs Nr. 182 von Horb ab 4.°° abds.

Stuttgart an 5.°°

Nr. 172 Stuttgart ab 2.°° nachm.

Calw an 3.»°

zum Anschluß an den Zug 182 nach Pforzheim.

Herrenalb, 18. März. Gestern Abend er­eignete sich hier ein bedauerlicher Unglücksfall. Die Pferde des Fuhrmanns W. Gräßle scheuten mit einem geladenen Wagen, rannten mit demselben davon und die Räder überfuhren das eigene Söhnlein des Mannes, das nach wenigen Stunden starb. Die Eltern werden sehr bedauert.

Ludwigsburg, 20. März. Gesterü Nach­mittag ertrank im Neckar der invalidierte Schützen­wachtmeister M. von hier. Derselbe bekleidete die Stelle eines Kontrolleurs der Ortskrankenkasse und hatte gestern beruflich in einigen am Neckar gelegenen Gemeinden zu thun. Als er sich auf dem Rückweg über den Fluß setzen ließ, stürzte er, ehe der Fähr­mann es verhindern konnte, ins Wasser, und bis der Nachen ihn erreichte, war er tot. Er hinterläßt eine Witwe und mehrere unversorgte Kinder.

Heilbronn, 19. März. Ledermarkt. Der gestrige Markt hatte eine solch schwache Zufuhr auf­zuweisen, wie dies in vielen Jahren nicht der Fall war, was wir zum weitaus größten Teil dem lang andauernden strengen Winter zuschreiben dürfen, wel­cher der Fabrikation sehr hinderlich war. Das kleine Angebot hat die lebhafte Entwicklung des Geschäftes sehr begünstigt, so daß der Markt schon nach wenigen Stunden als beendigt gelten konnte. Wildo Ker­le der, namentlich in leichter Ware, wurde alsbald zu etwas höherem Preise als im Februar ausgenommen, schwerere Sortimente räumten sich langsamer, dagegen war Schmalleder sehr offeriert und auch schwierig anzubringen. Kalbleder fand flotten Abgang, während Sohlleder bei mäßigem Angebot zu seit­herigen unveränderten Preisen verkehrte. Zeug- l ed e r, das verhältnismäßig viel zugeführt war, konnte sich doch auf dem seitherigen Preise behaupten. Schaf­leder erzielte einen Preisaufschlag von ca.12 per Decher. Der nächste Ledermarkt findet Mitt­woch den 20. Mai ds. Js. hier statt.

Heilbronn, 20. März. Als sich am Diens­tag vormittag Betriebsführer Nagelmann am First im Salzwerk zu schaffen machte, löste sich plötzlich ein größeres Stück Salz, riß Nagelmann mit herunter,

wobei der Bedauernswerte zwei Rippen brach und einen Fuß stark verletzte.

Hall, 19. März. Heute vormittag brach irr der Bahnhofstraße in einem dem Bärenwirt G. ge­hörigen Wohnhause, das aber auch Raum zum Auf­bewahren von Futter enthält, im Heu Feuer aus, das dank der herbeigreilten Feuerwehr bald gelöscht war.

Eingesendet.

-j- Calw. Die Musikfreunde, welche am kommenden Charfreitag abend der Aufführung, des Kirchengesangvereins anwohnen wol­len, seien mit wenigen Worten auf den erstmals hier vorzutragenden Eingangschor der Bach'schen Matthäuspassion aufmerksam gemacht. Der Text, der dem Chor zu Grunde liegt, nimmt Bezug auf den Gang zur Richtstätte auf welchem Jesus unter dem Klagen und Weinen der Töchter Jerusalems sein Kreuz selber trug. Was nun Bach musikalisch gestaltete, ist ein großartiges Bild einer sich unter Klagegesängen fortbewegenden, wogenden Menge. In das verschlungene Stimmengewebe zweier Chöre und des doppelten Orchesters hat er mit bewunder­ungswürdiger Kunst als dritten Chor den Choral r O Lamm Gottes unschuldig" eingefügt, indem er äußerst geschickt die einzelnen Abschnitte des Chor- Textes zu der jedesmaligen Choralzeile in Beziehung setzt. So erscheint der Choral als die das Ganze beherrschende Macht. Der bekannte Bitter sagt hier­über:Ein breitgehaltenes Vorspiel in klagender, unruhig forttreibender Bewegung und trüber Grund­stimmung führt uns in die Hauptgedanken ein. Eine wogende Menge scheint auf dem Wege zu sein; sie drängt sich und Angst- und Klagegeschrei dringt zu unserm Ohr rc. doch durch den unruhig fortstreb­enden Gang der beiden Hauptmassen hindurch strahlt wie klarer Lichtschein der Choral:O Lamm Gottes^ Wie groß und unvergleichlich die Mittel sein mögen, welche der Meister hier angewendet hat, sie werden weit überboten durch den Gedankenreichtum und tiefen Gehalt dessen, was er uns gezeichnet hat. Der Bräutigam ist es, dem die klagende Menge auf dem schweren Leidenswege nachfolgt. Aber nicht blos das Leidende erregt uns. Der Lichtschein der Versöhn­ung gießt durch die düstern Wolken die den Himmel verhüllen, in dem schönen Choral die ersten Strahlen der Erfüllung aus. Neben dem Leiden sehen wir die Erlösung und über der klagenden Unruhe stellt sich uns die Herrlichkeit des Herrn in seiner Zukunft dar." Wie ein riesiges Portal eröffnet uns dieser Chor den Eingang in den Wunderbau des großen. Kunstwerks.

Gottesdienste in der Karwoche.

Donnerstag, den 26. März. Hründonnerstag.

'/-10 Uhr Predigt: Herr Helfer Eytel. Nachher Beichte für das Karfreitagsabendmahl. 11 Uhr im Vereinshaus: Abendmahl für Leidende und Gebrechliche. Abends 7 Uhr in der Kirche: Abendmahlsfeier mit voran­gehender Beichte.

Areitag, den 27. März. Karfreitag.

',110 Uhr Beichte in der Sakristei. '/-IO Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. Feier des heil., Abendmahls. 3 Uhr Nachm.-Predigt: Herr Helfer Eytel. Nachher Beichte für das Abendmahl am Osterfest.

Was ich auf den rsten Blick bemerkte, war Folgendes: Links und rechts standen Kisten und Kasten aufgetürmt. Der Boden war mit einer dicken Staub­kruste bedeckt, nur an einer Stelle zeigte sich auf den Dielen ein staubfreies läng­liches Viereck: hier mußte sich ein Gegenstand befunden haben, der erst vor Kurzem entfernt worden war.

Was hat hier gestanden?" fragte ich nun den Dwornik.

Ein Koffer, Euer Wohlgeboren!"

Den die Frau Baronin mit auf die Reise genommen hat?"

Nein."

Ihre Excellenz hat ihn mir geschenkt.

Ich»zog ein Centimetermaß aus der Tasche, beugte mich zur Erde nieder und maß genau die Länge und Breite der Stelle. Die Dimensionen entsprachen gmau der Größe des Koffer» mit der Leiche, das heißt sie stimmten völlig überein mit den Angaben der Brette und Länge, die ich in meinem Notizbuche ausgezeichnet hatte.

Wo hast Du den Koffer?"

Ich habe ihn verkauft?"

An wen?"

An einen Händler des Apraxin-Marktes."

Führe mich zu ihm."

Euer Wohlgeboren verzeihen, eS ist schon halb acht und der Händler wird seinen Laden schon geschlossen haben."

Wir werden ihn schon zu finden wissen. Setze Dich zu meinem Kutscher auf den Bock. Und daß Du keine Miene machst, uns zu entwischen!"

Warum sollte ich entfliehen, Euer Wohlgeboren? Gott gebe, daß Jeder­manns Gewissen so rein ist, wie das meine."

Eine Viertelstunde später hielt ein Wagen vor einer Holzbude des Apraxin- Marktes, die ihr Besitzer eben schließen wollte. Der Trödler zog seine Mütze und fragte nach unfern Wünschen.

Sie haben" fragte ich ihnvor einigen. Tagen einen Koffer von diesem Manne gekauft?"

Euer Wohlgeboren verzeihen, aber ich kann mich nicht erinnern."

Aber Du erinnerst Dich doch ganz genau", fragte ich den Dwornik,daß Du hier den Koffer verkauft hast?"

Allerdings, Herr."

Um welchen Preis?"

Für sechs Rubel."

Und an diesen Mann?"

Der Dwornik sah den Trödler prüfend an.Ich glaube ja" sagte er zögernd,aber ich möchte nicht darauf schwören, daß es gerade dieser Mann gewesen ist."'

Haben Sie noch einen Gehilfen im Geschäfte?" fragte ich den Trödler.

Nein, Herr."

Ich besorge das Geschäft ganz allein, nur um die Mittagszeit löst mein Sohn mich ab, der bei einem Tischler in der Lehre ist. Wenn ich übrigens den Koffer sehen könnte, so würde ich ganz bestimmt aussagen können, ob der Koffer bei mir verkauft wurde oder nicht.

Schließen Sie schnell Ihre Bude und dann folgen Sie mir."

Ich nahm den Trödler und den Dwornik zu mir in den Wagen und fuhr nach dem Polizeibureau von Krestowsky. Der Dwornik erkannte alsbald den Koffer der Baronin; der Trödler besichtigte ihn sehr genau und erklärte dann in der be­stimmtesten Weise, daß er nicht durch seine Hände gegangen sei.

Du hast also gelogen, mein Freund, indem Du behauptetest, daß Du deu. Koffer an diesen Mann verkauftest."

Ich sagte nur, daß ich ihn in seiner Bude verkauft habe."

Um welche Zeit?" fragte der Trödler.

Etwas früher als jetzt. Die Bude war eben geschloffen."

(Fortsetzung folgt.)