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92. Jahrgang.
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M 266 Dienstag, den 12. November 1918.
W.. . . .
Amsterdam, 11. Nov. Drahtb. WTB. Das Niederländische Pressebüro Radio Hai einen drahtlosen Bericht aufgesangen, daß der Waffenstillstand heute morgen S Uhr «ach französischer Zeit unterzeichnet wurde, der n« LI Uhr morZens nach frauzöfischer Zeit in Kraft tritt« Der Funksprnch an die alliierte» Oberkomnmudieverrden lautet: Die Feindseligkeiten an der ganze« Front werden heute, am 11 Rov., morgens 11 Uhr, eingestellt. Die alliierten Trup pe» habe«, solange nicht weitere Befehle kommen, die erreichten Linie» nicht z» überschreiten.
Wehe den Besiegten!
8. Me Warte des Brrnnus: »Vae vicii8!- (.Wehe den Besiegten!') lasten unheimlich über dem deutschen Bvik. Es scheint, als ob uns nichis von allen Leiden erspart Werden soll. Di« Opfsrfchale ist gefüllt bis zum Rande, und bangen Mutes fragt man sich: ,Was bringt der morgige Tag?"
Wehs dsn Besiegten! Wir haben mit einem unerbittlichen Gegner und' Sieger gerechnet, aber dis Beckündt- gueg v-r Waffmstillstandsbedingungen hat dis letzlen Hoff' nungen gersubl. Und während die eisenstarrende Phalanx unserer Feldgrauen die heimatlichen Grenzen schützt, hat man der Frönt hinterrücks die Waffen aus der Hand geschlagen. Die nationale Brrteidigung soll verhindert, die bedingungslose Annahme drs Waffenstillstands durch^esetzt werden. Ueberall herrscht brr Arbeiter- und Soldatenrat. Maschinengewehrs und Geschütze haben eine neue Siaalen- o Lnung proklamiert. Bürgerliche Elemente hibrn sich angeschlossen, wohl aus dem Grunde, um dis Bewegung in ruhigere Bahnen zu lenken. Ob das gelingen dürste, ist zweifelhaft. Es wiederholen sich dieselben Sympiome wie bei der russischen Mvokulion. Ob sich auch hier bei uns dis Tragik des Schicksals offenbaren wird, daß man mit der .neuen" Freiheit nichts anzufangen weiß? Liebknecht hat auf dem böeigüchen Schloff« Zu Berlin die rot« Fahne gehißt. Matrosen fahren mit Luftschiff und Auto nach Berlin, um dis resakutionüre Bewegung zu stücken. Es hat jetzt keinen Zweck, flammende Proteste zu schreiben. Aus bestimmten Gründen mutz man es sich versagen, deutlicher Zu reden. Das Wolffbüro befindet sich in der Hand des Arbeiter- und Soldatenrates, und die erste Pflicht jeden Bürgers ist nun einmal gerade hier die Ruhe. Das erste Erfordernis ist, daß die Lebensmittelzusuhr klappt, sonst sind die Folgen unabsehbar, dann kann der Bauer, der Kleinstädter den Bürgerkrieg zu kosten bekommen. Vielleicht kommt es auch so weit, — und Nachrichten aus Ententekreisen liegen vor —, daß die Entente unter dem Grunde in ganz Deutschland einmarfchieri, um den bolschewistischen Bazillus auszurotten und die Ruhe herzustellen. Mit einem bolschewistischen Deutschland verhandelt aus guten T ünden keine Ententemächte Daher Nochmals: Bewahrt in den heißesten Stunden, die unser Vaterland durchlebt, Ruhe. Die gegenwärtige Regierung wird sich in seiner jetzigen Zusammensetzung nicht behaupten kämen. Bis jetzt ist der Bolkswiüen der Großstadtst aßen und Fabriken gehört worden. Andere Leute haben in dem neuen angekündigten Staate doch auch noch ein Wort zu sagen.
Wehe den Besiegten! Der Kaiser hat seine Dornenkrone abgelegt und ist außer Landes gegangen. Das deutsche Volk hat seit länger als vier Jahren gedarbt, hat seine besten Söhne dahtngegeben, hat sein Hab und Gut dem Bakerland als Kriegsanleihe zur Verfügung gestellt. Das deutsche Volk ist von seinen Bundesgenossen, die es in der schwersten Not immer beschützte, treulos im Stich gekästen worden, ja man wagt es hinterher noch, für seine Opfer an Menschen und Gut zu beschimpfen. Das ist besonders für diejenigen bitter, deren Söhne und Väter in den Karpathen, in Galizien, in Rumänien, am Isonzo, aus Galltpolts oder in der Wüste dem ewigen Ausersteh- ungsmorgm entgegen schirm mein.
Das deutsche Volk ist unter der Wucht der Ereignisse zusammengebrochen, und die Schwere der Siegerfaust hält es nieder. Er ahnt, daß ihm vielleicht noch traurigere Zeiten bevorstrhm, daß die Opserschale überlaufen wird. Nur die bange Frage wirst es auf: Wofür ist das Blut unserer Besten geflossen? Wofür haben wir unser Gut geopfert? Wofür haben wir gedarbt? Wofür?
Still ruhen unsere Helden aus den Heldensriedhössn, im Massengrabe, in dir See. Sie sehen nichts vom Sturm, der über Deutschlands Gaue braust. So mancher von uns neidet dm Tapsern die Gräber ruhe. Wer denkt da nicht an 3. Mosens Worte:
.Was fragt ihr, Todesgenoffen,
Die ihr da unten ruht;
Was hals es, daß geflossen So viel vom roten Blut?
Wer kann such Antwort sagen,
Wer sagen solches Leid?
Wohl euch, daß ihr erschlagen.
Daß ihr erschlagen seid!"
RWW KSnW i« Berti».
Berlin, !0. Nosimöer. WTB. Ueder den Kampf zwischen König streuen v. Revolutionären gibt der A.-mrd S.-Rat folgend- Schilderung:
In Berlin, ist es in der Nacht vom Samstag zum Sonntag unter den Linden mehrfach zu Kämpfen zwischen den Trupp: n des A -S.-R. uud Anhängern des Königs- tums gekommen. Die Kämpfe setzten sich auch im Lause des Sonniag-Bormiltag fort. Gegen ^9 Uhr begann das Feuer von neuem. Die Häuser drr Viktoria- Kaffees, sowie des Kaffees Bauer sollen noch von Offizieren. Kadetten und Iugendweh: besetzt sein. Auch in der Bibliothek, im Zeughaus und im Alten Museum haben sich königstreue Offiziere verschanzt. Als vor 9 Uhr aus einem dieser Gebäude einige Schüsse fielen, wurde durch Rätetruppen. dis im Opernhaus, der Neuen Wache und vor dem Schloß Ausstellung genommen Hallen, ein allgemeines Feuer eröffn; t. Es dauerte 40 Minuten.
Auch aus dem Platz vor dem Marstall wurde ge- kämpft. Dis Verteidiger bedienten sich unterirdischer Gänge, die vom Marstall in das Schloß führen, besetzten einzige Räume des Schlöffe«, die sich in den Händen der Rätetruppen befinden, und feuerten über die Straße. Gegenwärtig ist der Widerstand fast vollständig nie- dergekä mpst: Der Dom, das Schloß und der Marstall weisen eine große Anzahl Schußflellen auf. Am meisten hat bisher der Marstall gelitten. Ob die Kämpfe Menschenleben gefordert haben, ist noch unbekannt.
Auch die Umgebung des Bahnhofs Friedrichstraße war in der vergangenen Nacht der Gegenstand lebhafter Kämpfe. Seit 2 Uhr nachts wurde von den Dächern der Häuser in der Friedrichstratze. zwischen Bahnhof Fried- nchstrüß; und Unter den Linden, von der Fnedrichstraße bis zur Königlichen Bibliothek, aus vorübergehend« Patrouillen der A.-S.-R. mlt Maschinengewehren geschossen. Auch h!er sind Offiziere die Angreifer gewesen. Am Sonntag vormittag r/,9 Uhr rückten größere Ableitungen Soldaten zu Fuß und in Lastautomobilen an und umstellten die Gebäudekomplexe von Aschinger und des Zentralhotel« am Bahnhof Friedlichstraße. Bon den Kuppeln der beiden letztgenannten Gebäude wurde plötzlich Maschinengewehrseuer eröffnet, das die Soldaten aus gedeckten Stellungen erwiderten. Das Gefecht dauerte etwa 20 Minuten. Verletzt wurde dabei niemand. Die Soldaten sprangen mit Neuangekommenen Mannschaften in die Gebäude und verhafteten 5 Offiziere, deren Täterschaft jedoch noch nicht mit Sicherheit fsststeht. Auch von den Dächern des Victoria Kaffee« der Königl. Bibliothek und des Astoria-Kafsees wurde mit Maschinengewehren geschossen. Das Feuer wurde von den Soldaten schnell zum Schweigen gebrach!.
Leider ist es bei diesem Kampfe nicht ohne Blutoer. gießen abgegangen. Fünf Soldaten wurden schwer verletzt. Den in die Gebäude da und dort eingedrungenen Soldaten gelang es, einige Offiziere gefangen zu nehmen, deren Schuld zweifetfret seststehl. Gegen halb 1! Uhr vormittags war da« Grwehrseuer verstummt. Alle diese Ge- bäudekomplex« sind umzingelt und werden scharf bewacht. In unterirdischen Sängen, zu denen man bisher noch nicht überall Zutritt finden konnte, werden noch über 20 Offiziere vermutet. Die Soldaten haben strenge Weisung erhalten nicht mehr zu schießen. Man hofft der Attentäter durch eine umfangreiche, in allen Ecken aufgenommenen Untersuchung der unterirdischen Gänge und der Gebäude habhaft zu werden. Außer zerbrochenen Fensterscheiben weisen die Gebäude nennenswerte Beschädigungen nicht aus. Ein nächtliches Feuergefecht hat ferner um das Haus der deutschen Ingenieure an der Ecke der Sommer- und Dorothrenstraße stattgefunden. Unter den Soldaten spricht man von Toten und Verwundeten, aber eine amtliche Bestätigung dieser Behauptungen liegt nicht vor.
Berlin. 10. November. Die .Norddeutsche Allgemein: Zeitung' tst heule früh unter Lern neue r Namen erschienen: .Die Internationale", ehemals Nsrd'o. Allgemeine Zeirung. Am Sametag abend um 9 Uhr Hst eine neue Redaktion die Leitung in der .Nordd. Allgem. Zeitung" übernommen und dem Blatt auch den neuen Namen gegeben. An der Erschrinungszeit soll einstweilen nichts geändert werden. Er tst anzunehwek, daß das Blatt sich in den Händen der Unabhängigen befindet, während bekanntlich die Spartacus-Gwppe auf den Scherl- scheu .Lokslanzeiger" Hand gelegt hat. der bereits unter dem Namen .Dis rote Fahne" erschienen ist.
Berlin, 10. Noo. WTB. Das Berliner Polizeipräsidium wird von dem Unabhängigen Sozialisten Eichhorn geleitet. Auch der gesamte Sicherheitsdienst in Großberlin ist ihm unterstellt. Pollzsidirektor ist der Abgeordnete Hirsch von der sozialdemokratischen Mehrheilsparlei.
Berl n, 10. November. WTB. Das Btkioria-Kaffee ist von einer Wache von 4 Mann und einem Unteroffizier besetzt. Döli wurden um 1 Uhr mittags die letzten Schüsse gewechselt. Zwei Ossiztere wurden sestgenommm. Sie hatten sich mit einer Anzahl Zivilpersonen im Keller versteckt. Man nimmt an. daß diese Offiziere die Schüsse aus dem Biktoria-Kaffee abgegeben haben. Zur Zeit ist im Bidioria-Kaff« etwas Verdächtiges nicht mehr zu finden. Im BiktoriaHotel, das bisher die Prefleabteilung der Auswärtigen Amts beherbergt«, war in den Bureau- Räumen alles durcheinander geworfen. Die Schubfächer waren ausgeräumt. mehrere Möbelstücks beschädigt, die Spiegel zerbrochen. Der Zustand der Amlsräume ließ daraus schlichen, daß die Offiziere der Presseabkilrmg ihren Dienst am Sonnabend mittag in wrllder Flucht verlassen haben. Sie angekommenen Postsachen lagen noch uner- öffnet da, darunter u. a. ein Telegramm, ausgenommen von Petersburg am 9. November, 2.45 Uhr morgen«, von der Auslandshilfsstrlle Petersburg, angedommen in Berlin am 9. November. Mittag« 1.40 Uhr. Das Telegramm hat folgenden Wortlaut: Nach hiesiger Besprechung scheint nunmehr Aussicht, daß wir heute oder morgen mit Kam- Missionen über Orcha abfahren. Enigültige Nachricht nach Eintreffen Tschitscherins definitiver Entscheidung Vorbehalten.
Berlin, 10. November. WTB. Der heute zusammen- getretene Soldatenrat hat die innere militärische Leitung übernommen. Seinen Befehlen ist unbedingt Folge zu leisten. Ein entsprechender Ausruf des A.S.R. besagt: Kameraden! Wir haben gemeinsam im Felde gestanden und geblutet. Gemeinsam werden wir Deutschland einer glücklicheren Zukunft enigegensühren. Haltet unserem Volke und seiner Aufgabe unbedingt die Treue! Wir arbeiten Hand in Hand mit den Arbeitern und der Dolkiregirrung. Ihr erhaltet in kurzer Zeit regelmäßige Befehle. Der Soldatenrat. im Aufträge B rrstlde. Deneke, Steinicke. Gelberg, Lemmerk. Barth. Gohen, Höche, Bäcker, Bern- Hagen, Strobel, Bergmann, Hans Pausche.
Berl'n, 10. Noo. WTB. Sämtliche Kriegsgefangene dursten am heutigen Sonntag zum erstenmal frei ausgehen. Ihr freies und ungezwungenes Benehmen belebte das Berliner Straßenbild in charakteristischer Weise. Vielfach wurden die Gefangenen vom Publikum ins Gespräch ge- zogen. An verschiedenen Stellen der Stadt ist es zwischen Rätetruppen und sranzöstschen und russischen Kriegsgefangenen zu Berbrüderungsszenen gekommen.
Berlin, 10 November. WTB. 4.15 Uhr nachmittags. Zu dem von der "B. Z. am Mittag" gemeldeten Vorgang erfahren wir folgendes: Das Schloß ist von Offizieren vollständig geräumt und von den Rätetruppen besetzt. Die Lage ist vollkommen ruhig. Gegen 12 Uhr fiel aus Richtung der Universität der letzte Schuß. Sonst ist nicht» Verdächtiges in der Umgebung des Schlöffe» mehr vorgrsallen.
Ne Rote««Merke.
Heule Nacht ist folgende Note an den Staatssekretär Lansing nach Washington gefunkt worden:
Herr Staatssekretär! Ueberzeugt von drr Gemeinsamkeit der demokratischen Ziele und Ideale, hat sich die deutsche Regierung an den Herrn Präsidenten der Bereinigten Staaten mit der Bitte gewandt, den Frieden wieder hrrzustellen. Dieser Frieden sollte den Grundsätzen ent- sprechen, zu denen Präsident Wilson sich stets bekannt hat. Tr sollt« eine gerechte Lösung aller streitigen Fragen und eine dauernde Versöhnung der Völker zum Zweck haben. Der Präsident hat ferner erklärt, daß er nicht mit dem deutschen Volk Krieg führen und es in srtnrr friedlich«» Entwickelung nicht behindern wolle.