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92. Jahrgang.

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Der Weltkrieg.

Berichte der dentfche« HeereSlettuug.

Grsße« Hauptquartier. 9. Nov. Am« WTB DrohiL.

Westttürrs Krtegtschksptstz:

Der aus dem Wrstufer der Schelde gelegene Teil von Tournoy wurde von uns geräumt und von den Englän dern desttzi. Zwischen Schelde und Oise und westlich der Maas haben wir unsere Linien planmäßig zurückoerlegt. An einigen Eleven haben sich NachhutkSmpfe entwickelt. Der Feinh hat die Linie westlich Chislrin westlich Maubeuge östlich und südlich Aoesnes erreicht. Ferner steht der Feind aus der Linie LiattWarby und an der Maas westlich Sedan. Aus den östlichen Maashöhen fanden Lrtlkämpfe statt.

Der Erste GeneralquarLiermeister: Grüner.

Srahe» Hauptquartier. 10. Nov. Amti. WTB. Drahtb.

Westlicher Kriegsschauplatz.

Zwischen Schelde und Maas jst der Feind uns aus der Linie BonseeLevxcCbis'ainMaudeugeTrelon und über Sounonne westlich Charlkville gefolgt. Aus den östlichen Maashöhen und in der Ebene von Moeuvre wiesen wir Borstöße der Amerikaner ab.

Der Erste Generakqaartiermetster: Grüner.

Me Umheu i« Reich.

Berlin, 8. November. WTB. Ueber die Unruhen im Reich wird von zuständiger Stelle weiter folgendes mitgkleili! 3n Kolbrrg liefen drei kleinere Kriegsschiffe ein. die aus Kiel geflüchtet sind. Die Besatzungen wur­den in dis Heimat beurlaubt und sti d abgereist. In Kol- brrg herrscht Ruhe. Auch in Swimmünde ist alles rnh'g Die dort liegenden Fahrzeuge sind treu und es haben sich keine So.daismä.'e gebildet. In Lübeck scheint der Soldatenrai noch nicht im Besitz der Gewalt zu sein. In Braunschweig und Wolsebüttel sind die Unruhen bisher ohne Blutvergießen verlausen, doch ist die Entwickelung noch nicht abgeschlossen. Aus Köln liegen Nachrichten vor, daß der Arbeiter- und Soldatenrai die Kontrolle über all« Soldaten übernommen hat Dir Bahrihosskommas- dantur und alle militärischen Waffen sind durch den Gou­verneur zurückgezogen worden, der heute mit dem Arbeiter- und Soidatenrot verhandelte. Zu Zusammenstößen ist es bisher nicht gekommen, j-doch macht es sich für dir Zivil­bevölkerung unangenehm bemerkbar, daß die aus den militärischen und Zioilstrosanstalten bestellen Gefangenen, die dort schr zahlreich sind, sich raubend und plündernd auf dir Konstk'.ionLgeschL.te stürzen. Bet den Eisenbahn- bedieustetsn, auch in den Werkstätten, ist alles ruhig. Die Bahnhöfe sind durch den Arbeiter- und Soldatenrai be­setzt. In München brachen im Anschluß an Massenver­sammlungen am 7. Noo. ernste Unruhen aus. Die Re­publik wurde ausgerusen. In der Nacht zum 8. Noo. bildete sich ein Rat aus Arbeitern, Soldaten und Bauern unter dem Vorsitz von KuU Gisner. Dieser Rat erließ an die Bevölkerung Münchens einen langen Aufruf, wo­nach er die Ordnung und die Sicherheit der Person und des Eigentum« verbürgt. Die Soldaten in den Kasernen regieren sich durch Soldalemäte. Offiziere, die sich nicht widrrsetzen, dürfen ihren Dienst weiterorrsehen. Die Bauern verbürgen sich für die Lebensoersorgung. Weiter wird ge- meldrt, daß der Polizeipräsident im Einvernehmen mit dem Arbeiter- und Soldatenrai unter gewissen Berpflich- tungen sein Amt metterversteht.

Wilhelm»hafen, 8. November. WTB. Gestern vor­mittag bewegte sich ein Demonstrationezug durch di« Stra­ßen >nd begab sich vor das Stationsgebäude. Dort Übergabe die Führer dem Chef der Marinestatio» die Wünsche der Matrosen, deren Erfüllung der Station«- chef zusazte. Dann entfernte sich der Zug in aller Ruhe und zerstreute sich später. Nachmittags 2 Uhr fand auf dkm großen Exerzierplatz eine Massenversammlung statt, in der ein auswärtiger Redner aus Bremen im Sinne der unabhängigen Sozialdemokratie sprach. Im Anschluß an diese Bersammlung wurde ein Arbeiter- und Soldaten­

Montag, den 11. November

rat gebildet, dessen Vorsitzender ein Signalobermaat sein soll. Der Arbeiter- und Soldatenrat hat sich im Park­haus etrigerkchüt. Heule vormittag 10 Uhr fand wieder- um aus dem großen Exerzierplatz eine Massenversammlung statt, die einen ruhigm Verlaus nahm und nach dem Schluß de« Referates eines auswärtigen Redners eine Entschlie­ßung im Sinne der unabhängigen Sozialdemokratie an­nahm.

Kiel. 9. November. WTB. Der Arbeiter- und Sol­datenrat Hst einen Aufruf an die Bevölkerung von Schief- wig>Holstein gerichtet, worin es heißt: die politische Macht ist in unserer Hand. Es wird ein« provisorische Provin- zialregieruug gebildet, die im Zusammenarbeiten mit den bestehenden Behö ben eine Neuordnung aufrichtet. Unser Ziel ist die freie soziale Volksrepublik. Unsere Hauptauf­gabe wird es zunächst sein, den Frieden zu sicher" und die Schäden des Krieges zu heilen. Die über den Rah­men der Provinziaioerwaliung hluausgreisenden Fragen unterliegen selbstverständlich nach wie vor der Staats- und Rrtchsgesetzgebung. Wir sind gewillt, mit der gesamten Beamtenschaft sofern sie sich dem neuen Km« unterstellt in den bisherigen Formen zusammen za arbeiten. Wir sind enisch'osssn, jeden Widerstand mit der uns zur Ver­fügung stehenden öffentlichen Gewalt entgegen zu treten.

Rostock, 8. November WTB. Hier find Arbriter- und Soldalemäte gebildet. Die Siraße nach Warnemünde ist besetzt.

Hannover, 8. November. WTB. Nachdem sich heute morgen die Soldaten und Matrosen des Bahnhofes und der militärischen Verwaltungsgebäude bemächtigt hatten, herrschte tagsüber verhältnismäßig Ruhe. Der vorläufige Arbeiter- und Soldatenrai hatte nachmittags nach dem Klagkmarkt eine Versammlung einberuserr. in der die ReichLtagsabgrordneien Bray und Fischer Ansprachen hiel­ten und die Menge zur AUsrschierhalmng der Ruhe und Ordnung ermahnten. Es wurde beschlossen, sofort ln Verhandlungen mit der Militär, und der Staatsverwal­tung zu treten. Zu Zusammenstößen kam es nirgends.

Berlin. 8. November. Die Unruhen haben sich außer auf die Umgebung von Kiel und die Hansestädte noch weiter über Hannover, Oldenburg und andere Slädts aus- gebreitet. Fast überall ist es ohne schwere Gefährdung der Ordnung und S chsrheit abgegangen. Die Berliner Arbeilerbsvölkerung zeigt Besonnenheit. Der Straßenver- kehr spielt sich wie gewöhnlich ab. Die Polizei geht über­all mit Takt und Umsicht vor. Die Inanspruchnahme des militärischen Schutzes ist in Berlin nicht nötig.

Berlin, 8. Nos. WTB. Ueber die Unruhen im Reichs wird von zuständiger Stelle folgendes mitgeleilt: Die Ausstandsbewegungen haben sich weiter ausgedehnt. Es find davon unter anderem in Mitteidenschast gezogen. Hannover, Köln. München, Braunschweig und Magdeburg. Hiermit ist noch nicht gesagt, daß dies« Städte ganz in die Hände der Ausständischen geraten sind. Die Nachrichten sind naturgemäß nicht zuverlässig und widerspruchsvoll. In Hannover ist zum Beispiel ein Teil der Garnison fest in der Hand ihrer Führer und wehrt sich entschlossen gegen die Bewegung. Aehnliche Verhält­nisse scheinen in Magdeburg. Köln und München vorzu- liegen. Vom Industriegebiet sind die Meldungen noch nicht klar. Es scheinen aber Versuche vorzuliegen, an einzelnen Orten Arbeiter- und Scldakenräte zu bilden. Es zeigt sich jetzt ein gewisses planmäßiges Borgehen. Ueberall dasselbe Bild! Au» den Yauytzentren Kiel und Hamburg sind im Lause des gestrigen Tages immer wieder Züge mit bewaffneten Matrosen und Ausrührern in das Land entsandt worden. Die versuchen, in den wichtigsten Städten sich sofort der Berkehrszentralen zu bemächtigen und dir Kommandostellen auszuheben. Dann wird unter Heranziehung lichtscheuer Elr mente, unter denen sich eine große Reihe Fahnenflüchtiger befindet, versucht, auch die Truppen zu verseuchen, in dem ihnen vorgespiegelt wird, daß es sich gar nicht um eine reooluiionSre Bewegung handele, sondern um militärische Reformen. Bei manchen Truppen ist der Versuch gelungen, bei anderen hat er energischen Widerstand gefunden. An zahlreichen Stellen ist bereit« durch entsprechende Boistellungen «in gewisse« Einlenken erreicht worden. Die ganze Bewegung geht bei aller Unklarheit in Einzelheiten offenbar von Ruß- land an», wobet die bisherige Berliner Vertretung der russischen Sovjktrepublik bekanntlich mitgcwirkt hat. Wie die russische Soojetregierung selbst zugibt, hofft sie nur da­durch sich zu erhalten, daß auch in Deutschland und dem­nächst in ganz Europa die bolschewistische Idee noch ein mal zum Aufflammen kommt. In dem Bewußtsein, daß das deutsche Volk in seiner Masse für di« bolschewistische Idee nicht zu haben ist, wird planmäßig versucht, die Un­

1918.

zufriedenen und nach Möglichkeit Telle der bewaffneten Macht allmählich auf die schüfe Ebene zu bringen, indem man sie zunächst durch noch nicht terroristische Reformvor- Wäge in Md-rspruch mit ihren Pstchten und der be­stehenden Bolksregirrung zu bringen sucht Allmählich sollen die Leute dann weitergedrängl werden bi« zu einem bolschewistischen Radikalismus, wie dies in einzelnen Fällen bereits klar erkennbar i . Die Berfühtten und MittLuser sind sich nicht im Mindesten bewußt, zu welchen vrrhüng- nisvollen Folgen ein« bolschewistische Bewegung in Deutsch­land notgedrungen führen mutz wo die Bolksemährung bisher nur mit einer seingegliederten Organisation durch- führbar war.

Die Vorgänge in München.

München, 8. Nov. Die .Münchener Neuesten Nach­richten' wurden gestern abend von den Aufständischen be­setzt und unter Kontrolle genommen. Sie sind die ein­zige Zeitung Münchens, die heuie erscheinen darf. Die Proklamation an der Spitze de« Blattes bringt den wie au« einem wirren Traum erwachten Lesern heute früh die veränderte Lage zum Bewußtsein. Wir geben heute, nachdem die Stockungen, dis gestern abend im tele­graphischen und telephonischen Berkehr eintraten, wieder überwunden sind, folgenden Ueberblick über den Gang der Ereignisse, wie sie sich gestern zuge- lragrn haben:

Die gestern von den Gewerkschaften, der sozialdemv' kratischen Partei und den Unabhängige., gemeinsam ver­anstaltete Massenkundgebung nahm zunächst einen eindrucksvollen, ungestörten Berlaus. Seit den Mittags­stunden standen alle Betriebe still, die Läden und Gastlodale wurden geschloffen, auch erschienen Keine Zeitun­gen mehr. In den frühen Nachmtttagsstunden versammelte sich dann an den Se.tenabhängen derTheresi«nhöhe. die am Bavariadenkmal die Riesenfläche der Festwiese um­rahmen, eine nach Zehntausend«» zählende Menge. Meh­rere Dutzend Redner der beiden sozialdemokratischen Partei- richlungen entwickelten unter schallendem Beifall die For- derungen, die dem gemeinsamen Aktionsprogramm zugrunde liegen sollen, und an deren Spitze der Rücktri 1 t de« Kaiser« stand. Alle Ansprachen schloffen mit einer Mahnung zur Ordnung und Disziplin.

Dann bewegte sich die Masse in stundenlangem Zuge, in dem auch viele Soldaten den roten Fahnen folgten, mit Musik, mit Hochrufen aus die Freiheit und dem Gesang der Arbeitermarseilais« durch die Verkehrs- firaßen. Bor der königlichen Residenz kam es immer wieder unter Pfeifen und Johlen zu Kundgebungen gegen den Kaiser und König Ludwig, gegen aas Haus Hohenzollern und Wittelsbach und für di« Republik. Erst in der Dunkelheil löste sich der Zug in aller Ruhe aus.

Inzwischen aber war es in einzelnen Teilen der Stadt zum Ausruhr gekommen. Schon auf der Theresien- wiese konnte man beobachten, wie ein Soldat, mit einer roten Fahne winkend, einem kleinen Trupp voran­schritt. dem sich immer mehr Soldaten au« der M-nge an­schloffen. Schließlich war er eine große Schar von Krtegs- tetlnehmern. die die Straß» durchzogen, überall ihre Kameraden auffordernd, ihnen zu folgen. Große Tumuit- szenen ereigneten sich am Bahnhof und aus dem Bahnhof- platz, vor dem Haupttelegraphrnamt. Ein Zug Soldaten wandte sich zur Kaserne in der Guldeinschule, nahm von ihr Besitz und veranlaß!« die dort untergedrüchten Mannschaften, sich anzuschließen. Bis zum späten Abend aber waren da« Mtlttärgesängnts und die mili­tärischen Depot« sowie die Kasernen Münchens säst restlos in den Händen der Aufständischen.

In mehreren großen Versammlungslokalen, so vor allem im Maihäserbräu und im Löwenbräukeller, hatten sich inzwischen Soldaten- und Arbekierräte organisiert, die die Leitung der Bewegung in die Hand nahmen, für die Besetzung des Telegrapyenamtes und de» Bahnhof« und für Äusrechterhaltung der Ordnung in den Straßen Sorge trugen, in denen sich das Publikum, von einigen Absperrungen abgesehen, frei bewegen konnte. Ueberall sah man Abteilungen von Be- wassneien umherziehen oder auf Lastautos vorüber- fahren. Manche Soldaten, aber auch Zivilisten, trugen Maschinengewehre, bi» in die späte Nacht hinein Hörle man aus den verschiedensten Stadtteilen fast ununterbrochen, manchmal sogar recht heftiges Schießen, ohne daß der Zu­sammenhang einwandfrei sestzustellen war. Segen 9 Uhr hatte der telephonische Berkehr und der Slraßenbahnbetriel» völlig ausgehört.