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und die Gründung von zwei Unteroffiziersschulen. Bezüglich des 1. Punktes wurde die Regierungsvorlage abgelehnt und der Kommissionsantrag angenommen, welcher nur bei Jnsantcrieoffizieren einen Notstand anerkannte und daher nur diesen Pferdegelder bewilligen wollte. Gegen die Neuerrichtung der Kadettenstellen und die Unteroffiziersvorschulen gingen die Freisinnigen vor, doch gelang es ihnen nicht die Mehrheit zu überzeugen. Bei den ersteren wurde bemängelt, daß die Erziehung in den Kadettenanstalten eine einseitige sei und für gewisse Stände unnötige Privilegien schaffe; die Notwendigkeit von Unteroffiziersvorschulen wurde überhaupt bestritten. Gegen diese Forderungen stimmten Freisinnige, Volkspartei und Sozialdemokraten.
Dienstag: 3. März. Die einmaligen Ausgaben, sowie der Etat wurde angenommen.
Mittwoch: Eisenbahnetat.
— Die „Kreuzztg." enthält einen ernsten Artikel gegen die Frechheit eines großen Teils der französischen Presse; es sei kaum für möglich zu halten, ! welche Frechheiten und jeder ritterlichen Empfindung hohnsprechende Manieren sie sich der Mutter unseres Kaisers gegenüber erlaubt habe. Der Grund liege darin: Den Franzosen ist unsere Versöhnlichkeit schon längst als Schwäche vorgekommen; in der frechsten Weise haben sie sich über alles lustig gemacht, was in dieser Hinsicht geschehen ist. Es ist nicht abzusehen, wohin das führen soll. Noch ist es Zeit, den Spuck mit einem kräftigen Worte zu bannen. Die Franzosen sind die Helden nicht, für die sie sich ausgeben, so lange sie den Eindruck haben, daß man vor ihnen zurückweicht. Die Haltung der Pariser Künstler wie die der Regierung zeigt, daß sie unendlich leicht einzuschüchtern sind. Was ist binnen acht Tagen aus den tapferen Entschließungen dieser Gesellschaft geworden, die den Chauvinismus kalt zu behandeln verhieß und sich vor vor seiner ersten Regung in ihr Mauseloch verkriecht?! Döroulsde, ver soeben noch als „Tollhäusler" galt, legt ihnen allen das Gesetz seines Willens auf, zwingt sie, sich vor ihm niederzuwerfen und mitzumachen, was und wie es ihm gefällt! Und diese Leute sollten uns imponieren! Wir haben nur nötig, ihnen einen ernsten Blick zuzuwerfen und sie werden sich in Acht nehmen lernen. Der Artikel der „Köln. Ztg.", welcher von Genugthuung sprach, hat die Pariser Börse in einen panischen Schrecken versetzt. So ist es mit dem Mute und Entschlossenheit dieser Großprahler in Wahrheit bestellt. Man darf in Paris sich nicht gewöhnen, die deutsche Geduld für unerschöpflich anzusehen, weil sich die Unverschämtheit der Chauvinisten sonst bis zu einem Grade steigern würde, die das Schlimmste unausbleiblich machen würde.
Berlin, 1. März. Herr v. Caprivi hat mit Rücksicht auf die Reise der Kaiserin Friedrich nach Paris, mit aller Energie an maßgebender Stelle seine Anschauung dahin geltend gemacht, daß er, falls
er die Leitung der Politik ferner beibehalten solle, von Allem unterrichtet werde, daß nichts über seinen Kopf hinweg befohlen oder angeordnet werde, was sich auf die politschen Verhältnisse des Landes beziehe, für die er allein die Verantwortung tragen müsse.
— Die „Nat.-Ztg." meint, es sei eine blutige Ironie, daß die von der freisinnigen Presse so gepriesene Pariser Reise zu nichts ariderem geführt habe, als daß erstens die französischen Maler ihre Beteiligung zurückgezogen haben, und daß zweitens die von Bismarck eingeführte Maßregel mit aller Strenge wieder in Kraft gesetzt werde.
Ausland.
Brüssel, 2. März. Vier junge Anarchisten im Alter von 20 bis 22 Jahren, welche aus Frankreich herübergekommen, seit einem Monat sich hier aufhielten und eifrigste Propaganda betrieben, wurden in ihrer Wohnung aufgehoben, ins Polizeilokal im Rathause verbracht und von dort ins Gefängnis des Petits Carmes überführt. Bei ihrer Verhaftung, sowie bei ihrer Ueberführung ließen sie fortwährend die Anarchie hochleben, was auf dem Rathausplatze, da jeder der Verhafteten in einem besonderen Fiaker hergebracht wurde, viel Aufsehen erregte.
London, 3. März. Einem halbamtlichen Berichte zufolge haben drei Bataillone und ein viertes Regiment der Regierungstruppen in der Nähe von Pisagua ihre eigenen Offiziere erschossen und sich für die Revolution erklärt.
Euges-Nnliykeiten.
^Amtliches.) Seine Königliche Majestät haben am 2. d. M. die erledigte Stelle eines Salinenverwalters in Hall dem Bergrats-Affessor Schüz in Stuttgart allergnädigst übertragen.
Schwindel. In den Zeitungen werden von einer Wiener Firma für den Preis von 2,50 ^ Umhängetücher angeboten, welche angeblich „infolge amerikanischer Zollverhältnisse" von einer „berühmten Umhängetücherfabrik" käuflich erworben sind. Diejenigen, welche sich ein solches „prachtvolles Umhängetuch" mit „prachtvoller Bordüre und feinen Fransen" zuschicken lassen, finden beim Oeffnen des Pakets statt des „prachtvollen" Umhängetuchs ein dem Empfänger zum Hohn in eselgrauer Farbe gewähltes Stück Zeug vor. Dasselbe ist aus schlechtester Baumwolle gefertigt, die „feinen" Fransen sehen aus wie gefärbte Bindfäden und die „prachtvolle" Farbe ist einfach „gräulich." Von Wärme, welche das dünnwebige Zeug spenden soll, kann bei der gelieferten Ware keine Rede- sein. Da zu dem Betrage von 2,50 ^ noch 70 iZ für Porto und 75 für Zoll, sowie manchmal auch 20 für Verpackungs- und Bestellgebühr kommen, so kostet das Tuch, dessen Wert etwa 1 bis 1,50 ist, somit den enttäuschten Em-
Anspruch auf ein Vermögen," sagte Frau Sarah stolz, indem sie ein zerknittertes
Plakat aus der Tasche zog und es Taubert vor Augen hielt. „Sehen Sie hier, Herr Taubert — dieses Papier sichert uns eine sorgenfreie Existenz."
Taubert hatte auf den ersten Blick das Plakat erkannt, aber er wußte seine unangenehme Ueberraschung zu verbergen, und die Gattin des Zwerges fixierend, sagte er spöttisch:
„Sollten Sie, Frau Jenkins, wirklich in der Lage sein, Auskunft über Katharina Rockwald zu geben?"
„Nun — und wenn dem so wäre?" sagte Frau Sarah herausfordernd.
„Na — dann würde es mich interessieren, mehr über die Sache zu hören," versetzte Taubert möglichst unbefangen.
„Ei, das glaube ich gern — 20000 Dollars sind kein Pappenstiel und daß ich Sarah Anna Jenkins die Belohnung sozusagen schon in der Tasche habe, läßt sich nicht leugnen."
„Aber ich begreife noch immer nicht —"
„Ist auch garnicht nötig — wenn wir's nur begreifen," kicherte Frau Jenkins.
„Du wirst schweigen, Henry," wandte sie sich scharf an ihren Gatten, der kein Sterbenswörtchen gesagt hatte; weitere Bemerkungen schnitt der hastige Eintritt des Advokaten ab.
„Ich muß um Entschuldigung bitten," begann er, Taubert begrüßend, und dann gewahrte er Jenkins und seine Gattin und fragte erstaunt:
„Was wünschen Sie von mir und mit wem habe ich die Ehre, meine Herrschaften ?"
„Wir sind hierhergekommen, um die von Ihnen ausgesetzten 20 000 Dollars zu erheben," sagte Jenkins stolz, indem er sich in die Brust warf.
„In der That? Aber wollen Sie sich nicht deutlicher ausdrücken?" entgegnete der Advokat, den Zwerg verwundert bettachtend.
„Ich dächte, ich hätte mich deutlich genug ausgedrückt," sagte Jenkins mit gekränkter Miene; „ich sagte, wir seien hierhergekommen, um die 20 000 Dollars zu erheben."
„Ja, erlauben Sie gütigst — Sie müssen mir doch vorher erklären —"
pfänger die unerwartet hohe Summe von 4,50 wofür er den unleidlichen Geruch als Zugabe erhält. Bei jedem Kaufmann im eigenen Orte erhält man aber für den Preis von 4,50 ^ schon ein schönes, warmes Tuch aus reiner Wolle. Bekanntlich werdem Umhängetücher jetzt fast nur noch von den untern Volksklassen getragen, und da es zweifellos nur auf den Geldbeutel dieser abgesehen ist, so sei vor einem Ankäufe jener Schundware hiermit gewarnt.
Aus der Pfalz, 28. Febr. Vom Schöffengericht zu Bergzabern wurden zwei Bürger von Oberhausen, welche am Neujahr Gratulationskarten schmählichen Inhalts verschickten, der eine zu 6, der andere zu 2 Mon. und solidarisch in die Kosten verurteilt.
Eingesendet.
Der fesselnde Vortrag des Herrn Capitän Bade über die Grönländer, den wir letzten Freitag abend mit so viel Genuß angehört haben, bedarf einer Ergänzung. Der verehrte Redner sprach ausschließlich von heidnischen Grönländern und sagte von diesen u. a., sie seien in hohem Grade der Todesfurcht unterworfen, „weil die Segnungen des Christentums noch nicht zu ihnen gelangt seien." Dieß und überhaupt der ganze Vortrag mußte den Eindruck machen, als seien die meisten, am Ende gar alle Grönländer noch Heiden. Nun giebt es aber thatsächlich nur noch etwa 400 heidnische- Grönländer; alle anderen sind zum Christentum bekehrt; ca. 8000 gehören zur lutherischen Kirche und haben dänische, vom Staat angestellte Pastoren, die übrigen 2000 gehören zur Brüdergemeine, welche K Stationen auf der Westküste von Grönland unterhält. Als Herr Kapitän Bade nach seinem Vortrag an diesen Thatbestand erinnert und darauf aufmerksam gemacht wurde, welch schiefen Eindruck seine Darstellung bei Unkundigen habe Hervorrufen müssen,, sprach er sofort sein Bedauern darüber aus, er habe daran nicht gedacht und werde nicht verfehlen, bei nächster Gelegenheit den Thatbestand richtig zu stellen. Es geschieht also nicht im Widerspruch gegen ihn,, sondern ganz in seinem Sinn> wenn auch an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht wird, daß von den etwa 10 400 Eskimos in Grönland nur noch etwa 400 Heiden (auf der Ostküste), alle übrigen aber evangelische Christen sind.
__ Joh. Hesse.
Calw.
Landwirt. BeMsverein.
Um den Bezug von Probsteihaber zu ermöglichen, sollten noch 20 Säcke ü 150 Pfv. bestellt werden und fordern wir unsere Mitglieder auf, weitere Bestellungen sofort einzureichen. Landwirte, die sich als Mitglied unseres Vereins alsbald anmelden, erhalten den Haber ebenfalls' zum ermäßigten Preise.
Der Vereinssekretär: Hugo Rau.
„Na — haben Sie's etwa nicht an allen Ecken anfchlagen lassen, daß Sie
dem, der Ihnen Nachricht von Katharina Rockwald giebt, die genannte Summe auszahlen wollen?" fiel Frau Sarah keifend ein, „jetzt, wo's an den Bindiiemcn geht, wollen Sie wohl abschnappen?"
„Beruhigen Sie sich — was ich versprochen, halte ich," lächelte der Advokat. Taubert saß inzwischen abwartend neben dem Schreibtisch, und als das Ehepaar Jenkins ihre Stimmen über Gebühr erhob, bemerkte der Detektiv, daß die ins Nebengemach führende Thür ein wenig geöffnet wurde und ein leichenblasses Gesicht durch den Spalt lugte.
Taubert schmunzelte behaglich, als er wahrnahm, daß die Persönlichkeit, welche ihn nicht sehen konnte, den Worten des Zwerges in fieberhafter Spannung lauschte. Jetzt warf Frau Jenkins zufällig einen Blick auf den Detektiv und seine offenbare Befriedigung ausdrückende Miene, erschien der Dame so kränkend, daß sie ziemlich giftig sagte:
„Sie brauchen gar kein so spöttisches Gesicht zu machen, Herr Taubert; ich weiß sehr wohl, was ich will, und Sie werden mir die zwanzig Tausend Dollars schon gönnen müssen."
„Aber, Frau Jenkins," entgegnete Taubert lächend, „ich bin weit davon entfernt, spöttisch auszusehen; ich selbst hegte freilich die vermessene Hoffnung, die zwanzig Tausend Dollars cinzustreichen, aber wenn Ihre Mitteilungen zuverlässiger sind, als die meinen, bescheide ich mich gern. Ich —"
„Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Taubert," rief der Advokat lebhaft, „wie nannten Sie diese Dame?"
„Frau Jenkins — das würdige Ehepaar befand sich bisher im Besitz einer Schaubude und — aber was haben Sie denn, Herr Wapping," unterbrach der Detektiv sich erstaunt, als der Advokat eine Miene machte, den Zwerg in die Arme zu schließen und mit Hellem Jubel ausrief:
„Da ist ja die verlorene Spur — o, wie glücklich wird Fritz sein — Herr: Jenkins, ich habe Sie gesucht wie eine Stecknadel!*
(Forts, folgt.)