16. Amts-
und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Jahrgang
Erscheint Di en s t a g , Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, den 5. Jebruar 1891.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt »N Pfg. un 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst iu ganz Württemberg Mk. 1. 3b.
Amtliche Bekanntmachungen.
Deutsches Reich.
An die Orlsnorsteher.
Die Amtsvergleichungskostenverzeichnisse pro 1890/91 und die Verzeichnisse des Aufwands der Gemeinden für Geisteskranke pro 1890/91 sind getrennt in doppelter Ausfertigung spätestens bis 1. März d. I. mit den erforderlichen Belägen an die Amtspflege einzusenden.
Von Gemeinden, aus welchen die genannten Verzeichnisse nicht rechtzeitig einkommen, wird angenommen, daß sie derartigen Aufwand im Jahr 1890/91 nicht gehabt haben.
Calw, den 3. Februar 1891.
K. Oberamt.
Supper.
Die Ortsvorßthkr
werden auf die durch Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 17. Jan. d. I. betreffend die Influenza der Pferde Amtsbl. S. 13 statuierte Verpflichtung, von jedem bekannt gewordenen Ausbruch, sowie vom Erlöschen der Influenza dem Oberamt sofort Anzeige zu machen, besonders hingewiesen. — Unter der Bezeichnung Influenza bei den Pferden werden Brustseuche — ansteckende Lungenentzündung, Pferdestaupe oder Notlaufseuche — sowie Skalma oder seuchenartiger Katarrh der Luftwege — begriffen.
Calw, den 3. Febr. 1891.
K. Oberamt.
Amtm. Bert sch.
Berlin, 3. Febr. (Reichstag.) Etat des Auswärtigen Amtes. Frhr. v. Marsch all erklärt betreffs des Vorgehens der Newyorker Polizisten auf dem deutschen Schiffe „Elbe", die Regiemng der Vereinigten Staaten habe eine energische Untersuchung zugesagt. Bei den gegenwärtigen freundlichen Beziehungen sei eine befriedigende Lösung zu erwarten.
Berlin, 3. Febr. Die „Nordd. Allg. Ztg." teilt eine huldvolle allerhöchste Ordre an den Grafen Waldersee mit, worin dem Abschiedsgesuche vom 30. Jan. nicht entsprochen, jedoch Graf Waldersee von seiner Stellung als Chef des Generalstabes entbunden und zum Kommandeur des neunten Armeekorps ernannt wird. Die Ordre erkennt insbesondere die Verdienste des Grafen um die Durchführung der Organisation des Generalstabes an und verweist auf die jüngst bei Gelegenheit des kaiserlichen Geburtstages erfolgte Auszeichnung und darauf, daß das neunte Armeekorps vermöge seiner Beziehung zur Heimatprovinz der Kaiserin dem Kaiser besonders nahe stehe.
Berlin, 1. Febr. Der „Reichsanzeiger" meldet unter Personalveränderungen in der k. preuß. Armee: v. Alvensleben, General der Kavallerie von der Armee, in Genehmigung seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Disposition gestellt.
Berlin, 3. Febr. Dem „Berl. Tagblatt" wird unterm 10. Januar aus Sansibar geschrieben, Major v. Wiß mann habe dem Kaiser telegraphisch sein Abschiedsgesuch eingereicht.
— Major v. Wißmann hat jetzt die Berichte Emin Pascha's über seine Expedition nach dem Viktoria Nyanza, der Aufforderung des Auswärtigen Amtes entsprechend, eingesandt. Sie sind sehr umfangreich und werden erst in einiger Zeit teilweise veröffentlicht werden. Manches, was Emin
Pascha über Personen und Zustände in Deutsch-Ost- afrika und an seinen Grenzen schreibt, dürfte sich nicht zur Veröffentlichung ' eignen. Seine Thätigkeit im Seeengebiet dürfte sehr erfolgreich gewesen sein und dies ist auch in Berlin anerkannt. Major von Wißmann's Thätigkeit endigt bestimmt am 1. April, worauf Freiherr von Soden die Verwaltung übernimmt. — Auf Grund der Berichte Emin Pascha's aus Centralafrika hat der Reichskanzler beschlossen, eine größere Expedition nach dem Viktoria Nyanza abzusenden. Dieselbe wird, da Major von Wißmann nicht in Ostafrika bleibt, Emin Pascha anvertraut und diesem Dr. Peters beigegeben werden, was einem von beiden Herren kundgegebenen Wunsche entspricht.
— In der Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses wurde Seitens der Regierung mitgeteilt, daß Verhandlungen über eine Herabsetzung der Billetpreise zu einem gewissen Abschluß gelangt und in den meisten Punkten mit den übrigen deutschen Bundesstaaten eine Einigung erzielt ist. Die preußische Regierung strebt eine allgemein fühlbare Ermäßigung der Tarife unter Vereinfachung des Systems an. Zwischen Nord und Süd besteht freilich noch eine Meinungsverschiedenheit betreffs der vierten Klasse, welche Preußen nicht fallen lassen wolle. Die Regierung sei sich wohl bewußt, daß man bei durchgreifender Reform das Risiko eines Ausfalles von 18 bis 50 Millionen Mark in den Einnahmen laufe, doch rechne sie auch auf einen gewissen Ausgleich durch Steigerung des Verkehrs. Vorbedingungen des Erfolges sei allerdings, daß die Ermäßigung an der richtigen Stelle und in dem richtigen Maße vorgenommen würde.
— Jesuiten-Petitionen. Auch in. dem neuesten (zehnten) Verzeichnis der bei dem Reichstag eingegangenen Petitionen füllen diejenigen für und wider die Jesuiten wieder den größten
0ui1kott?rr. Nachdruck verboten.
WerfeHmt.
Nach amerikanischem Motiv frei bearbeitet von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
Taubert indes war das verstörte Aussehen des seltsamen Menschen nicht entgangen, und er beobachtete Matthias in unauffälliger Weise. Um sich davon zu überzeugen, ob er vorhin recht gesehen, als er zu bemerken geglaubt, daß Matthias erschrocken sei, als der Name Rockwalde genannt worden, brachte er das Gespräch auf diese Angelegenheit, und seine Vermutung, daß dies Thema den Schreiber mindestens lebhaft interessiere, ward zur Gewißheit, als er wahrnahm, wie gespannt Matthias seinen Fragen und den Antworten des Advokaten lauschte. In einer Pause der Unterhaltung ermannte er sich sogar soweit, selbst einzelne Fragen an Varley in Betreff der Angelegenheit zu richten, und es entging Taubett nicht, daß Matthias erleichtert aufatmete, als der Advokat erklärte, er selbst sei nicht besonders hoffnungsvoll in Bezug auf die Auffindung der Erbin.
„Ich begreife auch wirklich nicht, weshalb Sie die alte, längst vergessene Geschichte wieder aufrühren wollen, Herr Varley," bemerkte er schüchtern.
„Das verstehen Sie nicht, Matthias," entgegnete der Advokat gleichmütig» „wir sind mit der Vollstreckung des Testaments betraut und somit verpflichtet, nichts unversucht zu lassen, bis die Erbin gefunden ist. Man sollte wirklich glauben, die Erde habe diese Katharina Nockwald mit samt ihrer Tochter eingeschluckt," schloß er unmutig; „sie ist spurlos verschwunden, und trotz aller Nachforschungen, die damals gleich nach ihrem Verschwinden angestellt worden, fand sich auch nicht der leiseste Fingerzeig. Man sagt nicht umsonst, der Haß sehe schärfer als die Liebe; Per alte Freiherr hat Scharen von Detektives besoldet, um die Schwiegertochter aufspüren zu lassen, und dennoch blieb Alles erfolglos."
„Sie dürfen aber nicht vergessen, daß das Detektivwesen in den letzten zwanzig Jahren einen bedeutenden Umschwung erfahren hat," meinte Taubert; „ich werde mein Möglichstes thun und ich denke die Erbin zu entdecken."
Matthias zuckte zusammen und warf einen ängstlichen Blick auf den Polizisten, so daß Varley lachend sagte:
„Beruhigen Sie sich nur, Matthias — es wird nichts so heiß gegessen, als es gekocht ist, und was mich betrifft, so gebe ich keinen Pfifferling auf vie Aussicht, die fehlende Erbin zu finden."
„Alles in Allem finde ich es ein elendes Gewerbe, Menschen zu jagen," sagte Matthias mit zuckender Lippe; „um die ausgesetzte Belohnung zu veidienen, hetzt man arme Leute zu Tode, und wenn es zum Klappen kommt, handelt sich's weniger darum, die Erbin für Rockwalde zu finden, als ihre elende Mutter doch noch an den Galgen zu bringen."
„Davon ist nicht die Rede, Matthias," sagte Varley ernst und abweisend; „Katharine Rcckwald wird, falls sie noch lebt, was freilich kaum anzunehmen ist, kein Haar gekrümmt werden und es wäre eine Sünde und Schande, wenn das enorme Vermögen dem Staat anheimfiele."
„Na — jedenfalls ists ein Glück für Katharina Rockwalv, daß sie tot ist," murmelte Matthias, sein Glas leerend und sich erhebend.
„Ei — wißt Ihr vielleicht Näheres über ihr Ende?" fragte Taubert mißtrauisch ; „wenn dem so ist, wäre es bedeutend leichter, die Erbin aufzuspüren! Na — was meint Ihr — wollen wir Halbpart machen und dem Rockwald'schen Vermögen zu einer Herrin verhelfen, Herr Matthias?"
„Behüte — wie käme ich dazu, etwas von Katharina Rockwald zu wissen," knurrte Matthias; „wenn dem übrigens so wäre." schloß er finster, „ließe ich mich eher in Stücke reißen, als daß ich sie verriete. Ich —"
Ein heftiger Hustenanfall unterbrach den Redenden, und eine Entschuldung murmelnd verließ er das Zimmer, um sein Dachkämmerchen aufzusuchen.