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vom Schlafe auf. Im unteren nordöstlichen Flügel des Neuen Schulhauses war Feuer ausgebrochen und eine mächtige Flamme schlug am Dachgesimse zum Nachthimmel empor. Die Feuerwehr, die trotz später Stunde mühsam auf knirschendem Schnee ihre Maschinen zur Unglücksstätte schaffte, erhielt strenge Arbeit. Eine benachbarte Brauerei sorgte für heißes Äässer für die Maschinen, ebenso andere Nachbarn, mid so gelang es, da besonders auch Windstille herrschte, den Brand zu unterdrücken. Wohl sind 3 Stockwercke deS genannten Flügels stark durch Wasser geschädigt, aber das stattliche Gebäude, eine Zierde der Stadt ist gerettet. Das Feuer scheint dadurch entstanden zu sein, daß bei der herrschenden strengen Kälte 10—15° L. an die Oefen der Schulen vermehrte Ansprüche gemacht werden mußten. Dadurch entzündete sich ein Balken und wurde so die Ursache des Unglücks.
— In Frankfurt stand nach dem „Frkf. I." am gestrigen Mittwoch vor der Strafkammer der Redakteur der „Frankfurter Zeitung" Dr. I. Stern und der Redakteur der „Frankfurter Volksstimme" G. Hoch wegen der vielbesprochenen Vorgänge im Stuttgarter Ulanenregiment „König Karl", Kläger ist das Ofstzierkorps, Nebenkläger die entlassenen Offiziere. Nach Verlesung der Strafanträge wird zuerst Herr Dr. Jos. Stern vernommen. Vors, (nach Feststellung der Personalien): Können Sie uns Ihre Vorstrafen angeben? — Stern: Soweit ich sie im Kopfe habe, ja. Im Jahre 1867 oder 1868 sechs Monate Gefängnis, 1869 5 Wochen Festung wegen Beleidigung durch die Presse, 1879 wegen Bismarckbeleidigung 3 und 5 Monate, seitdem nicht mehr. — Vors.: Was wollen Sie über den Artikel, für welchen Sie verantwortlich sind, erklären? — Dr. Stern: Ich will von vornherein erklären, daß ich mich später überzeugt habe, daß die in der Stuttgarter Korrespondenz enthaltenen Thatsachen unwahr sind, ebenso gebe ich ihren beleidigenden Charakter zu. Ueber die Genesis der Veröffentlichung kann ich vollständig wahrheitsgemäß Folgendes mitteilen: Der Artikel rührt von einem langjährigen Vertreter der „Frankfurter Zeitung" in Stuttgart her, dem gegenüber wir gar keinen Grund zum Mißtrauen hatten, um so weniger, als bereits im Sommer von einer schwebenden Untersuchung gegen die Offiziere des betreffenden Regiments die Rede war, und es sogar hieß, es seien die Akten auf dem Wege nach Friedrichshafen verschwunden. Auch steht fest, daß eine Untersuchung stattgefunden hat, durch die Verabschiedung der verschiedenen Offiziere, welche nach militärischen Begriffen keine ehrenvolle war. Der Abschied ist in der Weise erfolgt, die man in Preußen schlicht zu nennen pflegt. Es wurde mir auch nach dem Dementi des „Württemb. Staatsanzeigers" noch versichert, die Sache verhalte sich wirklich so, und in Stuttgart waren Gerüchte dieser Art verbreitet, sonst würde der „Stuttgarter Beobachter" den Artikel nicht aus der „Franks. Ztg." abgedruckt haben. Als ich von privater Seite darüber belehrt wurde, daß ein solcher Vorfall nicht vorgekommen sei, habe ich den Antrag auf Ladung verschiedener Offiziere zurückgezogen und auch das möglichste gethan, um den eigentlich Schuldigen der Justiz zu stellen. Ich habe mich bereit erklärt.
den Namen des Korrespondenten zu nennen, falls auf den Strafantrag der „Franks. Ztg." verzichtet würde. Ohne diesen Verzicht würde mir die Nennung des Namens ja nichts genutzt haben. Ich kann aber nur erklären, daß ich den Artikel nicht gelesen habe, ehe er ins Blatt kam, und habe sofort mein Bedauern ausgesprochen, daß der betreffende College ihn mir nicht vorgelegt hat, da ich ihn weder nach Form noch nach Inhalt billigen könne. — Vorsitz.: Aber in der Zeitung haben Sie eine solche Erklärung nicht abgegeben? — Dr. Stern: Nein. Redakteur Hoch beruft sich darauf, daß er den Artikel für richtig gehalten und deshalb auch seinen Lesern mitgeteilt habe. Der erste Zeuge, Oberstlieutenant Graf Huede Grais, Kommandeur des Ulanenregiments, erklärt, daß die Angaben des Artikels nach keiner Richtung hin auf Wahrheit beruhen. Weder habe ein derartiges Fest stattgefunden, noch seien die Offiziere von ihm überrascht, noch sei einer von ihnen deshalb zur Untersuchung gezogen worden. - Die Offiziere seien auch nicht mit schlichtem Abschied entlassen, sondern der Abschied sei ihnen erteilt worden. Die Entlassunng erfolgt lediglich auf Grund persönlicher Zerwürfnisse einzelner Offiziere und der Art ihrer Austragung. In Begründung der Anklage führte Staatsanwalt Schulte aus, daß der Artikel in boshafter Weise erfunden sei und daß es gegen derartige Ehrabschneidungen keine andere Sühne gebe, als eine gehörige Freiheitsstrafe. Er beantrage deshalb gegen Dr. Stern 6 Monate und gegen Hoch, welcher den Artikel blos abgedruckt habe, 4 Monate Gefängnis. Rechtsanwalt Dr. Wiedemann als Vertreter der Nebenkläger ist ebenfalls der Ansicht, daß ein derartig leichtfertiges Vorgehen nicht durch eine Geldstrafe gesühnt werden könne. Der Angeklagte Stern habe sich zwar so gut verteidigt als es überhaupt möglich war, aber bei einem derartigen Artikel wäre es Pflicht des Redakteurs gewesen, ihn erst nach der reiflichsten Erkundigung aufzunehmen. Die Gerüchte haben in Stuttgart nur deshalb zirkuliert, weil ein Blatt wie die „Franks. Ztg." sie wiedergegeben hat. Herr Dr. Stern hat den Artikel bedauert, aber dann hätte er sollen auch aus freien Stücken einen Widerruf in die Zeitung einrücken lassen. Derartige Artikel sind nur geeignet, die Masse des Volkes gegen die besitzenden Klassen und gegen den Ofsizierstand insbesondere aufzuhetzen. Es ist ei>: wahres Glück, daß heute durch die Vernehmung des Regimentskommandeurs festgestellt wurde, daß der Artikel von Anfang bis zu Ende erlogen ist, und daß dies zur Kenntnis des württem- bergischen Volkes kommt, denn nicht nur die darin mit Namen genannten Offiziere, sondern auch deren Familien werden durch den Artikel mit Schmutz beworfen. Justirat Dr. Hums er, der zweite Nebenkläger, gesteht zu, daß ein Zeitungsschreiber in einer nützlichen Lage ist, und daß Dr. Stern den Fehler, so viel an ihm lag, gut gemacht habe. Aber derselbe hätte sich auch sofort sagen müssen, daß das, was in dem Artikel steht, unmöglich wahr sein könne. Statt dessen habe er sich erst nach drei Monaten überzeugt, daß der Wahrheitsbeweis nicht zu erbringen sei. Hätte er verlangt, daß der leichtsinnige junge Mann, welcher den Artikel aufnahm, sofort entlassen würde, und hätte er öffentlich in der Zeitung sein Bedauern : darüber auszesprochen, daß ein solcher Artikel aufge-
zweite Stein des Anstoßes — Lilly hat keine Verwandten! Als ob nicht Jeder, der heiratet, Gott danken müßte, seine Frau ohne Ballast von Schwiegereltern rc. in sein Haus führen zu dürfen, aber auch hierin ist mein Vater leider anderer Ansicht. Er findet den Mangel an Geld wie an Familie zu bedenklich, um Lilly willkommen zu heißen, und dabei hat er selbst seiner Zeit unter der Fuchtel seiner Schwiegermutter gestanden und an dem Tage, da sie endlich das Zeitliche segnete, einen namhaften Betrag an die Armenkasse bezahlt. Um den Leuten Sand in die Augen zu streuen, hieß es, es geschehe zu ihrem Gedächtnis, ich weiß aber ganz genau, daß er es in der Herzensfreude, von seinem Quälgeist erlöst zu sein, als Opfer der Dankbarkeit gestiftet hat."
„Ich fürchte, alter Junge," begann Herr Wapping sanft, „Du wirst Dich einstweilen fügen müssen, denn selbst wenn Du die junge Dame ohne Vorwiffen Deines Vaters heiraten und nachher an seine Großmut appellieren wolltest —"
„Ach, wenns damit gethan wäre, hätte ich mich nicht lange besonnen," fiel Fritz dem alten Herrn lebhaft ins Wort, „aber in diesem Punkte ist Lilly unerbittlich. Ohne Vaters Erlaubnis wird sie nie die Meine, das habe ich begriffen und wenn es mir nicht gelingt, eine Familie, oder ein Vermögen, oder bester beides, für Lilly zu entdecken, ist's aus mit mir. Also rate und hilf mir, Onkel — Du bist ja Advokat — Dir wird cs ein Leichtes sein, einen Stammbaum zu finden, auf den Lilly Ansprüche machen kann!"
„Fritz, ich glaube wahrhaftig, Du hast Deinen Verstand eingebüßt," rief Herr Wapping halb lachend, halb ärgerlich, „Stammbäume liegen nicht aus der Straße, wie altes Eisen."
„Aber man kann doch vielleicht einen Stammbaum kaufen?" warf der junge Mann ein, „ich habe schon von dergleichen gehört."
„Ich auch, und zwar in Romanen," versetzte Wapping trocken.
„Ach was — das Leben ist mitunter toller, als der tollste Roman," sagte Fritz Wilton eifrig, „ich bin sicher, daß Du, wenn Du Lilly nur erst kennen lernen und sie nach ihren frühesten Jugend-Erinnerungen ausforschen wolltest, schon irgend
nommen wurde, so würde er jetzt anders dastehend aber ein Redacteur glaube„ es gehe gegen die journalistische Ehre, etwas zu widerrufen und deshalb müsse er dafür büßen. Er treibe nun einmal ein gefährliches Gewerbe, und wer Dachdecker werden will,, müsse sich darauf gefaßt machen,, daß er auch einmal vom Dache fällt. Der Verteidiger des Angeklagten Hoch beantragt die Verhängung einer geringen Geldstrafe, da sein Client nur unter dem Renommö der „Franks. Zeitung" mit leiden müsse. Dr. Stern, meint, ob die Entlassung eine ehrenvolle gewesen, bleibe dahingestellt. Die Vorlage des Artikels durch- die Ressortredacteure sei unterlassen worden und der Dachdecker sei richtig vom Dach gefallen. Bezüglich der Strafe habe er das Vertrauen zum hohen Gerichtshöfe, daß derselbe das richtige Maaß treffe. Hiernachzieht sich der Gerichtshof zurück und verkündet um 3. Uhr folgendes Urteil: Die Angeklagten Dr. Stern und Hoch sind der öffentlichen Beleidigung im Sinne der ZZ 185 und 186 Str.-G.-B. schuldig, und werden verurteilt: Dr. Stern zu 3 Monaten, Hoch zu 6 Wochen Gefängnis, ferner zur Tragung der Kosten, einschließlich derjenigen, welche durch die Nebenklage entstanden sind. Den beleidigten Offizieren wird die Befugnis zzrgesprochen, den entscheidenden Teil des Urteils auf Kosten der Angeklagten in der „Franks. Ztg.", der „Franks. Volksstimme" und im „Württemb. Staatsanzeiger" öffentlich bekannt zu geben.
Hamburg, 20. Jan. Die mildere Temperatur und westliche Winde lassen eine baldige Besserung des Eiszustandes hoffen. Das Barometer fällt; im Nordseegebiet ist Regen eingetreten. Ein Staatsdampfer ist bereits mit Lootsen hinausgefahren.
— Von Worms erhalten die Zeitungsexpeditionen gegenwärtig folgendes Angebot: Als L ü ck e n - Annonce empfehle Euer Wohlgeboren für den dortigen Kreis untenstehende Annonce. Wenn Euer Wohlgeboren diese Annonce aufnehmen, so zahle ich für verkauftes Geflügel in ihrem Kreis 5°/o, was eine ganz resp. Summe ausmachen dürfte, wenn einmal eingeführt. Alle 3 Monate sende eine Verkaufs- Liste, gleichzeitig folgt der jemalige Prozentbetrag für verkauftes Geflügel mit. Als angenommen betrachte ich, wenn eine Zeitung von Ihnen mit der Annonce an mich gelangt. Hochachtungsvoll Jac. Brunner, Geflügelhof „zur Lieben-Au". Naivetät setzen wir bei diesem sicherlich erfahrenen Geschäftsmann nicht, voraus, daß er aber die Expeditionen m solch hohem Grade — naiv hält, müssen wir ihm entschieden ver-
Standesamt ßalw.
Geborene:
17. Jan. Heinrich, Sohn des Jos. Merkt, Eisenbahn- taglöhners.
20. „ Emil Gottlieb, S. d. Gg. Jung, Kaufmanns.
Gestorbene:
22. Jan. Christof Braun, Schuhmacher, 78 Jahre alt.
Gottesdienst
am Sonntag, den 25. Januar.
Vom Turm: 323.
Vorm.-Predigt: Herr Dekan Braun. 1 Uhr Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr Bibelstunde im Vereinshaus: Herr Helfer Eytel.
eine glaubhafte Geschichte entdecken würdest. — Ihr Juristen versteht ja besser zu kombinieren, wie Unsereins."
„Ich bin Dir sehr dankbar für Deine schmeichelhafte Beurteilung meiner Fähigkeiten," lachte der alte Herr, „und damit Du siehst, daß ich nicht so hartherzig bin, als Du zu denken scheinst, will ich gleich auf der Stelle mit Dir zu Fräulein Maitland gehen — dagegen verlange ich aber von Dir das feste Versprechen, mich während der nächsten Tage nicht wieder in so unverantwortlicher Weise zu stören, da ich dringende Geschäfte habe."
„Ich verspreche Dir Alles," rief Fritz aufspringend, „Onkel, Du bist wirklich ein prächtiger Kerl!"
6. Kapitel.
Während Herr Wapping in Begleitung Fritz Wilton's der Wohnung der jungen Klavierlehrerin zuschritt, erkundigte er sich bei seinem Gefährten, ob Fräulein Maitland in der Thal gar nichts von ihrer Familie und Abstammung wisse.
„Es ist so, wie Du sagst, Onkel," versetzte Fritz Wilton lebhaft; „sie weiß nicht einmal ihren Familiennamen."
- „Sie heißt aber doch Mastland?" sagte Herr Wapping verblüfft.
„Ach nein — sie wird nur so genannt, weil die Dame, bei welcher sie auf- wuchs, Mastland hieß; Lilly war ihr als Findling ins Haus geschneit."
„Hm — das klingt nicht vielversprechend; wo war sie denn, bevor sie zu der Dame kam?"
„Ja, wenn sie das wüßte! Sie meint, sie müsse bei einer herumziehenden Schauspieler- oder Akrobatengesellschaft gewesen sein, doch halte ich dies eigentlich für Einbildung — wie sollte sie zu solchen Leuten kommen!"
„Was also mit anderen Worten ungefähr heißen soll, lieber keine Familie, als eine, deren man sich schämen müßte: Fritz, habe ichs getroffen?"
(Fortsetzung folgt.)