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10. ^ Amts-

und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw. 66. IahrMß.

Erscheint Di en s t a g , Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Psg- die Zeile, sonst 12 Pfg.

Donnerstag, den 22. Januar 1891.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt »6 Pfg. und so Pfg. Lrägerlohn, durch d'e Post bezogen Mk, 1., sonst 1» ganz Württemberg Mk, 1. 35.

Tages-Ueuigkeiten.

sAmtliches.j Se. Maj. der König hat die erledigte evang. Pfarrei Unterreichenbach, Dek. Calw, dem Pfarrverweser Otto Furch in Kaltenthal, Amts­dekan. Stuttgart, übertragen.

* Calw, 20. Jan. Gestern abend eröffnet« die Reihe der öffentlichen Vorträge im Georgenäum Hr. Rektor vr. Weizsäcker mit dem Vortrag über Herzogin Anna Amalia, die Begründerin des Weimarischen Musenhofes." Weimar, so führte der geehrte Redner aus, verdankt seine hohe Bedeutung einer Frau, nämlich der Herzogin Anna Amalia. Geboren am 24. Okt. 1739 als Tochter des Herzogs Karl von Braunschweig-Wolfenbüttel vermählte sie sich kaum 17 Jahre alt mit Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar, wurde aber schon nach 2jähriger überaus glücklicher Ehe Witwe. Die Last der Re­gierung wurde nun auf ihre Schultern gelegt; ihre Anverwandten waren damals in den 7jährigen Krieg verwickelt und man hörte den Namen Braunschweig überall mit Begeisterung aussprechen. Dies erweckte auch ihren Stolz. Die Lage ihres Landes war sehr schwierig; ihr Herz gehörte ihrem Oheim Friedrich dem Großen und als Reichsfürstin war sie gezwungen ihre Truppen gegen ihn kämpfen zu sehen; ihr Land hatte zwar nicht viel zu leiden, aber mit großer Freude erfüllte sie doch der im Jahr 1763 geschlossene Friede. Durch gute Verwaltung tilgte sie die Folgen des Krieges und sorgte für Bildung des Volks. Unter­stützt wurde sie hiebei durch den Geheimenrat Greiner. Sie stellte verschiedene Mißbräuche ab, half dem Ackerbau auf und brachte die Universität Jena zu hoher Blüte. Ihre Hauptsorge richtete sie auf die gute Erziehung des Erbprinzen Karl August; sie verfolgte den Gang des Unterrichts und ließ sich aus­führliche Berichte über den Erfolg vorlegen. Einer ihrer glücklichsten Handlungen war, daß sie im Jahr 1772 Wieland an ihren Hof berief, damit er die

Erziehung ihres Sohnes leite. Dieser so bedeutende Mann vollendete denn auch die Erziehung zum Wohle des Erbprinzen und des ganzen Landes, das sich unter der langen Regierung des Herzogs der segensreichsten Wohlthaten erfreute. Mit Wieland war die Fürstin in regen geistigen Verkehr getreten; eine Schaubühne wurde errichtet (was in damaliger Zeit etwas heißen wollte) und hiemit der Grund zur Bedeutung des deutschen Theaters überhaupt gelegt; alle edlen Künste, Musikaufführungen u. s. w. hatten an der Fürstin eine hohe Gönnerin; jedermann war daher entzückt von dem fröhlichen Wesen der Herzogin. Im Jahr 1774 berief sie Ludwig Knebel als Erzieher des Prinzen Konstantin an ihren Hof. Ein schweres Unglück erfuhr sie im Mai 1774 durch den Brand des fürstlichen Schlosses. Den Erbprinzen schickte sie, damit er Land und Leute kennen lerne, auf Reisen, bei welcher Gelegenheit er auch die ihm von der sorg­samen Mutter bestimmte Braut, die Prinzessin Luise von Hessen-Darmstadt kennen lernen sollte. Die Ver­mählung erfolgte denn auch im Jahr 1775. Der Prinz inachte auf seiner Reise die Bekanntschaft mit Goethe und auf seine dringende Einladung hin ent­schloß sich der Dichterfürst, Frankfurt zu verlassen und nach Weimar überzusiedeln. Es herrschten nun lustige Zeiten in Weimar, die manches Kopfschütteln erweckte, aber unbekümmert um die mißliebigen Aeußer- üngen eines Böttiger's führte vie Herzogin Mutter ein idyllisches Leben auf den Lustschlössern in Tieffurt und in Ettersberg und war ganz die Seele der dortigen geistigen Bewegungen; durch ihre litterarischen Studien kam sie in Beziehung mit dem Schriftsteller Merck, der ein feines Verständnis für Kunstwerke hatte; durch ihre Liebe zur Malerei trat sie mit dem Leipziger Maler Oeser in Verkehr; derselbe malte denn auch verschiedene Säle und war nun gern gesehener Gast im Schlosse, da er durch seinen heiteren Humor die Abende trefflich zu würzen verstand. So stand die Herzogin also im Umgang mit den glänzendsten Talenten,

aber sie war auch ganz besonders der Naturschönheit zugethan. Im Jahr 1788 machte sie eine Reise nach Italien, sie besuchte Nom und Neapel, knüpfte Ver­bindungen mit den höchsten Adelsgeschlechtern an; in erster Linie aber stand ihr das künstlerische Interesse, weshalb sie mit Vorliebe in der deutschen Künstler­kolonie weilte. Im Jahr 1790 kehrte sie nach Weimar zurück, lebte noch manches glückliche Jahr, immer den Musen getreu; aber auch harte Prüfungen wurden ihr nicht erspart; ihr Bruder fand den Tod >m Kampfe; ihren 2. Sohn Konstantin sah sie im Jahr 1793 ins frühe Grab sinken, durch die unglückliche Schlacht von Jena im Jahr 1806 wurde ihr Sohn durch Napoleon entthront und Weimar zerstört. Dieser Kummer brach ihr das Herz. Ihr Tod, am 10. April 1807, rief allenthalben die schmerzlichste Trauer her­vor, es gab kein Haus in Weimar, in dem ihr Tod nicht eine schmerzliche Lücke riß, eine edle deutsche Frauengestalt ist mit ihr dahingegangen. Mit einer Schilderung des zu einem Erinnerungstempel umge­schaffenen Wittumspalais in Weimar, in dem viele an die Herzogin mahnenden Gegenstände pietätvoll aufbewahrt sind, schloß der Redner seinen sehr an­ziehenden, genußreichen und formvollendeten Vortrag.

Stuttgart, 18. Jan. Die antisemi­tische Strömung ist gegenwärtig stark im Fluß. Der Antisemiten-Verein hat, obwohl bei seiner ersten öffentlichen Kundgebung sich viele Stimmen gegen ihn geltend machten, es, nicht unterlassen, weitere Propa­ganda zu machen. Die Mitglieder und Hauptredner, derSchriftsteller Walker" und Redakteur Güttinger ziehen auf die Dörfer um die Landbevölkerung gegen die Juden aufzuwiegeln. Heute hielten sie in Zuffen­hausen eine Versammlung. Man darf annehmen, daß die hiesige Bewegung vom Berliner Verein aus unter­stützt wird.

Freudenstadt, 15. Jan. Dem hiesigen Hirschwirt ging ein Dienstknecht mit 200 die derselbe zur Bezahlung eines Lieferanten erhalten

^ 6 4till 6 t o 44 . Nachdruck »nbateu.

WerfeHmL.

Nach amerikanischem Motiv frei bearbeitet von A. Geisel.

(Fortsetzung.)

Wenn irgend Jemand Herrn Wapping gefragt hätte, weßhalb er sich des armen Kranken, dem er solche Sorgfalt widmete, annahm, so würde er vermutlich grob geworden sein und gesagt haben, das sei einzig und allein seine Sache. Der alte Herr barg unter einer rauhen Außenseite einen edlen Kern, und er that im Stillen mehr Gutes, als zahlreiche Philanthropen, die die Menschheit nicht im Un­klaren über ihre außerordentlichen Verdienste ließen. Und dazu kam, daß Wapping lange Zeit hindurch dem Kranken, der ein Dachstübchen in demselben Hause be­wohnte, seine Wohlthaten fast mit Gewalt aufdringen mußte. Matthias war eine äußerst scheue Natur, und seit dem Tage, da Herr Wapping den von einem hef­tigen Hustenanfall Erschöpften fast bewußtlos auf der Haustreppe gesunden und vom Hausmeister erfahren hatte, daß er die Dachkammer bewohnte, hatte e« gar vieler Ueberredung und zahlreicher kleiner Aufmerksamkeiten bedurft, um den Kranken zu überzeugen, daß Herr Wapping das Gute nur um des Guten willen thue und keinerlei Absicht mit seinen Wohlthaten verbinde. Trotz alledem blieb Matthias, auch als er sich darein gefunden hatte, Herrn Wapping's Freundlichkeit und werk- thätige Hilfe anzunehmen, scheu, wortkarg und verschlossen, aber der alte Herr ließ sich nicht abschrecken.

Der arme Schelm ist verbittert und mißtrauisch geworden*, sagt« er sich . selbst zmn Tröste, wenn fein Schützling sich gar zu ablehnend und seltsam zeigte; «nach und nach wird er schon austauen", und so verdoppelte er f«n« liebevoll, Sorg« um dm Kranken, und fand hundert Gelegenheiten, chm unbemerkt Gutes zu thun.

Sie sprachen von Schreibereien, Herr Wapping?" fragte Matthias nach einer Weile,ist die Arbeit der Art, daß ich dieselbe auf meinem Zimmer anfertigen kann?"

Diesmal wird dies kaum angehcn," antwortete der Advokat, der die Ab­neigung seines Schützlings, an anderen Orten, als in seinem Dachstübchen zu ar­beiten, kannte (Herr Wapving bemerkte manchmal scherzend, Matthias fürchte sich vor Hellen Räumen, und Sonnenlicht und Lampenlicht seien ihm gleich sehr verhaßt); es handelt sich um einige, auf das Besitztum des verstorbenen Herrn von Rockwalde bezügliche Dokumente, von welchen Abschrift genommen werden muß und diese Dokumente dürfen nicht aus unserem Bureau entfernt werden."

Der verstorbene Herr von Rockwald? Sprechen Sie von dem alten Herrn, Herr Wapping?" fragte Matthias hastig mit zitternder Stimme.

Jawohl der alte Herr ist heute Abend gestorben mein Kompagnon war draußen in Rockwalde und hat ihm die Augen zugedrückt."

Matthias preßte die Hand auf die magere Brust und stöhnte leise, so daß Herr Wapping besorgt fragte, ob er Schmerzen habe.

Matthias nickte nur, und den Kopf tief auf die Brust senkend, fragte er mit stockender Stimme, ob der alte Herr längere Zeit krank gewesen sei. Herr Wapping bejahte und fügte hinzu, Herr von Rockwald sei gestorben, ohne das entworfene Testament unterschrieben zu haben, so daß der ganze, reiche Besitz nunmehr in die Hände seiner einzigen Enkelin, die indeß einstweilen nicht zur Stelle sei, übergehe-

ES ist ein recht hübscher Glücksfall," schloß er scherzend, wenn Einem uner­wartet etliche Millionen zufallen, und die junge Dame wird sicherlich nicht böse darüber sein."

ES ist zu spät." murmelte Matthias mit bebender Stimme;zu spät."

Zu spät wofür denn?" fragte Herr Wapping erstaunt; für die Erb» schaft etwa?*

Za nein ich mrmte, es sei für mich zu spät, um Sie noch länger zu stören," stottert« Matthias, sich hastig erhebend.