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Auf der Rückzugsstraße der Italiener.

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PoftscheLLoato «1» Stnttgart.

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Beilagen:

PlauderstLbchen

und

Muftr. SonMagsblmr.

Freitag, den 21. Dezember

1S17.

Mk MW» »aserer ll-Vsite.

Bon Rittmeister Frhr. v. Maercken zu Geerolh.

Wenn wem die militärischen Ereignisse aus dem ita­lienischen Kriegsschauplatz zuhause auch noch so genau auf der Generalstabskarte verfolgt, so gewinnt man doch erst den vollen Eindruck jener gewaltigen Schläge durch die «nmiitilbrüre Betrachtung an Ort und Solle, zu der mir sie kührung einer Reise verbündeter Kriegsberichterstatter «ach dem Kampfgebiet zwischen Isonzo und Tagltamento reiche Geiegeichrit bot.

Läßt man den Blick vom Erstell» Mine, dessen Hügel der Sage nach Altilla au werfen ließ, um den Brand Aquilejas von hier besser beobachten zu können, durch di! klare azurblaue Luft zu dem schneebedeckten Alpenkranz schweifen, der in scheinbar greifbarer Nähe im Halbkreis di? Ebene Friauls umsäumt, so kann man sich nicht dem Eindruck verschließen, wie sehr es den KampftsmuS und die Stimmung der Truppen unserer Verkündeten beben mutzte, im 4. Kriegswmrer nicht mehr- ger neben allen sonstigen Gefahren des Soldaten der Unbill der Naturgewalten in Schlres! und Eis ausgesrtzt zu sein, wo erfrorene Gliedmaßen deine Seltenheit bildeten, sondern statt besten in den frucht­baren Ebenen Oimitaliens Kämpfen zu können.

Auf Schritt und Tritt erneut sich dem Betrachter das Bild jenes furchtbaren Rückzuges, sür den die Kriege- geschkchls aller Zeilen kein Beispiel kennt und der dis Italiener aus ihren festen Gebirgsstellungen in wenigen Tagen unaufhaltsam bis hinter die Piave führt«.

So überraschend muß der Stoß der deutschen und östrrreichisch'URgarischm Truppen gekommen sein, daß keine Zeit zur Anlage rückwärtiger Stellungen bliib.

Auch wer in diesem Weltkrieg viel« Rückzugsstraßen geschlagener Armeen gesehen hat. muß zugsben. daß das Bild völliger Auslösung, das sich hier noch nach Wochen dem Beschauer bot, einzig war in seiner stummen Beredsamkeit.

Ts gibt keinen Gegenstand der Bewaffnung, Aus­rüstung und des Gepäcks aller Waffengattungen, der hier nicht zu Tausenden und Abertausende« wild zerstreut rechts und links der Straße auf freiem Felde weggeworfen wäre, »m die Eile der Fluchi zu erhöhen, zerbrochene Gewehre,

Starke Versen.

Roman einer jungen Ehe von Paul Blitz.

(Nachdruck verboten.)

Und dann sang er Lieder von Loewe und Schubert und Schumann. Zuletzt sang auch Lotte, aber nur ein Volkslied, mit voller, inniger Stimme sang sieAus der Jugendzeit/

Ruhig und behaglich saß Gert da und hörte zu. Und als er diese zarte, schöne Stimme erklingen hörte, war es ihm, als erklänge ihm aus ferner, nebelferner Zeit, ein Lied in der Seele, ein Lied vom verlorenen Glück, ein Klang von bitterem Weh, das nun vernarbt und von der Zeit geheilt war, ein Klang von leiser, stiller Wehmut, wie die. Wohltat des Geneiens nach langer Krankheit - und als er diese süße, milde Wohltat in der Seele empfand, da fühlte er auch, daß er jetzt für die Sängerin dort, die diesen Klang in ihm geweckt batte, eine schlichte, ehrliche Freundschaft empfand: einst hatte er sie geliebt, dann, als sie ihm so weh getan, hatte er sie gehaßt, und nun hatte die Zeit, mit milder Wohltat, ihn reif werden lassen, und nun war aus jenem Gefühl eine Freundschaft geworden, eine ehrliche Freundschaft. Das war ihm in diesen Minuten klargeworden.

Darum stand er, als der Gesang zu Ende war, be­ruhigt auf, reichte der Hausfrau die Hand, um ihr zu danken, und zugleich auch sich zu empfehlen, da er morgen früh sehr zeitig zum Dienst antreten mußte.

Aber als er ihr jetzt gegenüber stand und sie ruhig und fest ansah, da traf ihn plötzlich ein Blick von ihr, der ihm mit einem Schlage verkündete, wie es in ihrer Seele aussah.

Es war nur ein einziger Blick, aber er sprach klar, unverkennbar klar, denn für diesen Moment war sie nicht Herrin über sich selbst, für diesen einen Moment verließ st« alle Verstellungskunst, und die Augen spiegelten das Bild der Seele klar und deutlich wider.

Er war dermaßen erschrocken darüber, daß er sie ganz verständnislos anschaute.

verrostete Bajonetts und Stahlhelme, zerrissene Stiefel und Wickelgamaschen. Briefschaften und gefüllte Patronentaschen, Revolver, Säbel, Mäntel Kochgeschirre, geleerte Osfiziers- koffer sowie Ueberrefts von Flugzeugen bilden auf 100 Kilometer ein wildes Chaos, in dem in der Umgebung der Dörfer Weiber und halbwüchsige Kinder um eine brauchbare Wolldecke, ein Pferdekummet oder srüstige nütz­liche Gegenstände Nachlese halten. Abseits vom Wege liegen noch einige Pferdrkadaver. Ueberall stößt man aus starke Spuren der Verwüstung durch den eiligen Rückzug. Zerstörte und aboeb «nnle Häuser, znsammengeschoffene Sttaß-mziige bezeichnen den Weg des italienischen Heeres. Auffallend ist die unabsehbare Menge von Wagen und Fahrzeugen aller Art, dis teils um die Straße fr»i zu machen kurzerhand i» den Straßengraben geworfen wurden, teils in Reih und Glied in fast unübersehbar gro­ßen Parks rechts und links die Straße säumen. Dazwi­schen finden sich einzelne Geschütze aller Käl ber, besonder» aber schwere Kanonen und ser. Noch war ss nicht möglich, auch nur den wertvollsten Teil alles diese» nach Millionen z« bewertenden Materials zu bergen, da noch wichtigere Ausgaben der Erfüllungen harren; gilt es doch zunächst, die ungeheuren, in dem weiten Gebiete aufgesta- pellen Vorräte an Lsbensmstteln. Landesprodukten und Munition zunächst mit Lastkraftwagen und Eisenbahnen der Helmat zuzusühren.

Gesprengte Brücken, neben denen starke hölzerne Kriegsbauten der Feldpkoniere über die setzt zum Teil fast ausgetrockneten Flußbetts f hren, vervollständigen das Bild des großen Zusammenbruchs.

Nirgends in Städten und Dörfern herrscht pulsieren­des Leben. Alle Läden find geschloffen, die Magazine be­schlagnahmt und bewacht. Deutsche und österreichisch-»«, garisch« Posten und Patrouillen sorgen sür Ordnung. Die Bevölkerung, soweit sie nicht geflohen ist, verhält sich scheu und zurückhaltend. Nnr hin und wieder blitzen den frem­den Gast au» jungen braunen Gesichter?! weiße Zühne und Helle, lachende Augen an.

Einen schon betagte» italienischen Geistlichen sprachen zwei Schweizer Offiziere unserer Reisegesellschaft bei« Campo Santo von Uöine an, indem sie sich ihm als Neu­trale vorstrllten. Auf ihre Fragen antwortete der würdige alte Herr freimütig, daß der Strom italienischer Deserteure

In demselbAi Augenblick aber begann auch sie alles zu durchschauen, ein Zittern ergriff sie, schnell sprang ihr Mann hinzu, dann sank sie in seinen Arm und bekam einen Weinkrckmpf.

Gert Rossow stand erschrocken und bleich dabei, fragend und peinvoll sah er von einem zum andern, er wußte noch nicht, was er von alldem denken sollte. Da traf ihn ein Blick der alten Frau, ein ernster, fast ein düsterer Blick, der ihn noch mehr in Erstaunen setzte.

Inzwischen hatte Bertold seine Frau hinausgeleitet, und Frau Sabine bat den Gast um Entschuldigung für die Störung, es seien leichte, nervöse Anfälle, unter Lenen die Schwiegertochter jetzt häufiger zu leiden hätte.

Aber schon in der nächsten Minute trat Lotte am Arm ihres Mannes wieder ein. Alles war wieder gut. In ihren Augen stand schon wieder Sonnenschein. Und lächelnd entschuldigte sie sich nun selbst für ihrenKlaps", wie sie scherzend sagte.

Und in heiterster Laune trennte man sich.

14. Kapitel.

In dieser Nacht konnte Lotte keinen Schlaf finden.

Als sie sich niederlegte, war sie so todmatt, daß sie fast schlaff in die Kiffen zurücksank, aber kaum lag sie und batte die Augen geschlossen, da kamen die Gedanken, da kam die Angst, da packten sie guälende Vorwürfe und marterten sie so andauernd entsetzlich, daß sie die Zähne zusammenbeißen und das Gesicht tief ins Kissen drücken mußte, um ihr Weh nicht laut hinauszuschlnchzen.

Jetzt, jetzt war ihr das Eine, das Fürchterliche zum greifen klar geworden: jetzt wußte sie, daß sie den anderen liebte, mehr liebte, als ihren Mann, ja sie wußte, daß sie ihn schon damals geliebt hatte! Ihn, ihn hätte sie heiraten müssen und nicht ihren Mann! Das alles stand nun wie eine brennende Anklage in ihrer Seele und marterte sie mit endlosen Vorwürfen.

Wie schlecht, wie elend, wie niedrig hatte sie damals gehandelt!

Den einen, den sie anbetend liebte, den hatte sie

«nd Marodeure, der sich noch vor dem eigentlichen Rück- zug über die Stadt ergoß, dort ganz furchtbar gehaust und geplündert habe. Wir wissen demnach auch her. wer de wahren Schuldigen gewesen sind, wenn di« EatenteprHe- abermals in Wort und Bild die Truppen der Zentral- Mächte zu Räubern und Barbaren stempeln will.

Hervorragend tntereffant war eine Autofahrt, die nnr durch das Isonzotal zu den Dmchbruchsstellen bei Lolmein und Karsrett führte. Die zu beiden Setten des grün- schimmernden Flüßchen« jäh aussteigenden Bergkoloss« mit ihren stark befestigten Stellungen lasten es fast wi« ein Wunder erscheinen, was deuische Tapeiksit und Tatkraft dort in so Überraschend kurzer Zeit erreicht haben, wie vor allem der schon mit einem leichten Schneekranz umgeben« Gipse! de« Matajur von einer kleinen Heldenschar erstürmt werden konnte.

Nur zwei Tage später sollte die großangelegte und wohlvorbereitete italienische Offensive geg«n Triest oorbre- chen, der unser Durchbruch indessen so gründlich das Kon­zept verdorben hat.

Erst wenn man das Küstengebiet durchstreift und La» graue Karstgestein ohne Baum und Strauch vor sich steht, vermag «an die ganze Eigenart und Schwere jener voran- gegangenen elf Schlachten voll zu würdigen. Was hier unsere töpferen Verbündeten an zäh m Widerstand geleistet haben, wird einst die Geschichte unter die ersten Großtaten dieses Krieges rechnen. Wett ausgedehnte Soldatenfrted- Höfe hinter den ital'eoischen Stellungen in dichten Reihen Kreuz an Kreuz auswcisend, sprechen von den ungeheure» Blutopfern, die hier der Angreifer seinen vergeblichen Be­mühungen zollen mußt«. Der Karst macht nicht nur jedes Eingraben mit dem Spaten unmöglich und gewährt dem einzelnen Schützen, falls n cht Bohrmaschinen zur Verfügung stehen, höchstens hi»1er Felsblöcken etwa» Deckung, sondern er erschwert auch durch seinen fast völligen Wassermangel den Autenthail sür Mensch und Tier ganz außerordentlich. Tausende von Pferden gingen hier elend zugrunde. Diese Schwierigkeiten machten sich besonders fühlbar, wenn «» galt, die Artillerie hier umzugruppieren.

Allein ganze Ströme von Blut und Berge von Elsen, von denen das Plateau von Doberdo »nd die-Hermada er­zählen, vermochte» nicht den Italienern da« ersehnte Ziel

tödlich verletzt und unglücklich gemacht. Und dem anderen, der ihr ebenfalls sein ganzes Dasein zu Füßen legte, dem hatte sie mit treuherzigen Augen etwas versprochen, was sie nicht halten konnte. Des einen Hoffnung vernichtet und des anderen Vertrauen getäuscht. Das hatte sie getan! Das hatte sie tun können! So schlecht, so elend war sie!

Und schluchzend preßte sie das Gesicht ins Kiffen.

Jetzt, erst jetzt durchschaute sie das alles mit grauen­voller Klarheit. Damals war sie unreif gewesen, hatte mit dem Leben bisher nur getändelt, und hatte sich auf den Rat des Vaters verlassen, von dem sie das Beste für sich erhoffte.

Aber jetzt, jetzt war sie reif geworden durch den Ernst i des Lebens, jetzt erkannte sie, daß sie den falschen Weg > eingeschlagen hatte. !

Und nun war es zu spät!

Zu spät! Oh, dies furchtbare Wort!

Es war ibr, als fiel vor ihr eine schwere eiserne Tür krachend ins Schloß, die sie für immer von dem Paradies des Lebens ausschloß.

Zu spät! Jetzt erst fühlte sie, wie gut die Mutter ihr damals geraten hatte, jetzt erst empfand sie die ganze Wucht des Schicksals.

Ja, nun erging es auch ihr, wie es damals der Mutter ergangen war, nun gab es auch für sie das eine nur noch: ein stummes, klagloses Ertragen des selbst­geschaffenen Schicksals.

Das ganze Leben ist ja nur ein Kompromiß", erst jetzt erschöpfte sie den schweren Inhalt der Worte, die damals ihre Mutter gesprochen hatte.

So grau und trostlos sollte nun ihr Leben tagtäglich hingehen? Mit so jungen Jahren sollte sie schon ge­zwungen sein, den Freuden des Lebens zu entsagen? Da­gegen sträubte sich alles in ihr, was jung und gesund war. Nein, nein, das erschien ihr unmöglich!

(Fortsetzung folgt.)