letzte größere Schneefall vor Weihnachten hat die Stadt an 160,000 Mark gekostet, und wenn diesmal Regen und Sonne nicht bald zu Hilfe kommen, wird die Fortschaffung der gegenwärtig in den Straßen liegenden enormen Schneemaffen den Stadtsäckel um etwa 250,000 Mark erleichtern.
Berlin, 8. Jan. Die Lage auf der Unter- Elbe wird immer bedenklicher. 20 große Seeschiffe treiben hilflos umher.
Berlin, 8. Jan. Junge Durchbrenner sind hier am Dienstag abend verhaftet worden. In einem Schanklokal der Frankfurter Straße waren vier Burschen im Alter von 14 bis zu 16 Jahren einge- kehrt, welche dadurch Aufsehen erregten, vaß sie sehr viel Geld verzehrten und auch sich ihrer Mittel rühmten. Der Wirt ließ dem zuständigen Polizeirevier hiervon Meldung machen, und die jungen Leute wurden nach der Wache geführt. In ihrem Besitz wurden 2300 Mark vorgefunden. Sie waren aus Dresden angekommen, woselbst zwei von ihnen als Schreiber bei einem Rechtsanwalt Anstellung gefunden hatten. Diese hatten auf Grund gefälschter Quittungen bei einer Bank in Dresden für Rechnung des Rechtsanwalts bedeutende Geldsummen erhoben und das Geld in Gemeinschaft mit den beiden Anderen verjubelt. Die Burschen hatten bereits eine Vergnügungsreise nach Hamburg hinter sich.
Hamburg, 10. Jan. Die Zahl der Arbeitslosen beträgt ungefähr dreißigtausend infolge Unterbrechung der Schiffahrt und der großen Kälte. Es herrscht große Not.
Lübeck, 7. Jan. Seit drei Tagen schneit es unaufhörlich. Der Nordost, der uns am Montag eine Ueberschwemmung bescheren wollte, hat den Schnee vielfach zu meterhohen Schanzen zusammengesetzt, die dem Verkehr die schwersten Hindernisse bereiten. Der Verkehr auf der Lübeck-Travemünder und aus der Mecklenburgischen Friedrich Franz-Bahn zwischen Lübeck und Kleinen ist bis auf weiteres gänzlich eingestellt. Auf der Lübeck-Büchener Bahn ist der Betrieb bis jetzt aufrecht erhalten, jedoch gefährdet. Auf der Lübeck-Hamburger Bahn ist zum Teil eingeleisiger Betrieb eingeführt worden. Die Eutiner Züge können ihren Bestimmungsort nicht mehr erreichen, sie kommen nur bis Gleschendorf. Der Dampfer „Newa" liegt mitten im Hafen im Eise eingeschloffen, er kostet seine Rhederei durch diese unfreiwillige Eishaft viel Geld, weil er Tag und Nacht unter Dampf liegen muß. Der Dampfer „Caprivi" liegt seewärts vor Travemünde mit voller Ladung im Eise. Fischer und Eisbrecher sind zur Hilfe abgegangen. Wenn das Schneetreiben nicht bald aufhört, steckt Lübeck im Schnee und es ist von jeglicher Verbindung mit der Außenwelt abgeschnitten, haben doch sogar die Milchhändler aus der nächsten Nachbarschaft erklärt, daß sie morgen nicht mehr im Stande sein würden, mit ihren Vorräten sich einen Weg zur Stadt zu bahnen. Die Pferdebahnen haben den Betrieb gestern eingestellt.
Lübeck, 9. Jan. Die Schneestürme der letzten Tage haben mehrere Menschenleben gefordert. Der Kröpeliner Landpostbote Müller ist, nachdem er 40 Stunden im Schnee begraben gewesen, gestorben. Ebenso ist der Teterower Arbeiter Pasenow erfroren. Ein südholsteiner Landpostbote, der 24 Stunden eingeschneit war, wurde desgleichen tot aufgefunden.
Mehrere andere Personen werden zur Stunde noch vermißt.
Helgoland, 6. Januar. Heute nachmittag strandete auf den Seehundsklippen der Schooner „Anna Margaretha" aus Papenburg, Kapitän Oltmanns, mit Holz von Memel unterwegs. Kapitän Oltmanns und die aus 5 Personen bestehende Besatzung wurden durch ein Rettungsboot gerettet. Die Rettung war durch strenge Kälte und Seegang sehr erschwert.
Paris, 9. Jan. Eine heftige Feuersbrunst brach gestern Nachmittag auf dem Boulevard Samt- Martin bei einem Pianohändler aus. Das Feuer ergriff 4 Stockwerke, eine ungeheure Menschenmasse wurde durch das furchtbare Schauspiel angezogen. Der angerichtete Schaden ist bedeutend. Allgemein herrschte die Befürchtung, daß 5 oder 6 benachbarte Häuser von dem Brand ergriffen würden. Ein Feuerwehrmann wurde verwundet. — Gestern Abend wurden auf einem unbebauten Gelände 5 Arbeiter durch eine Explosion von kochendem Harz schwer verwundet.
Madrid, 8. Jan. In ganz Spanien herrscht große Kälte und heftiger Sturm. An der Küste von Valencia erlitten mehrere Schiffe Havarien; andere Schiffsunfälle werden befürchtet. Gestern wurden in Granada starke Erdbeben verspürt.
Dermischtes.
Preßprozeß. Am Mittwoch, den 21. Jan. werden die verantwortlichen Leiter der „Frankfurter Zeitung" Dr. I. Stern und der „Frankfurter Volksstimme," G. Hoch, gemeinschaftlich vor der Strafkammer des Landgerichts erscheinen. Es handelt sich um einen Bericht über angebliche Vorgänge in dem Offiziers-Casino des 1. Württembergischen Ulanen- Regiments „König Karl" zu Stuttgart, welcher von der „Franks. Zeitung" veröffentlicht und von der sozialdemokratischen „Volksstimme" abgedruckt worden war. Von Seiten der Militärbehörde wurde daraufhin Strafantrag gestellt. Die Angeschuldigten wollen, wie es heißt, den Wahrheitsbeweis antreten und haben dem Vernehmen nach die Ladung der kürzlich verabschiedeten Offiziere des Ulanen-Regiments beantragt.
' . . Frkf. I.
Wie Schliem an n fremde Sprachen erlernte. Als der jetzt verstorbene Schliemann noch als einfacher Kaufmann in Petersburg lebte, verkehrte der ehemalige Direktor des Zollamts Rossowski viel in seinem Hause. Dieser teilt jetzt Petersburger Blättern noch manches Interessante aus jener Zeit mit, so u. a. auch, wie- Schliemann es machte, wenn er eine neue Sprache erlernen wollte, deren er schließlich bekanntlich über 20 mächtig war. Er verfuhr dabei, zum Entsetzen seiner Gattin, „sehr einfach." Er verwandte nämlich drei seiner Dienstboten gleichsam als Sprachlehrer. Wollte er Finnisch lernen, wurde der bisherige Kutscher, Diener und Koch entlassen und dafür ein neuer Kutscher, Diener und Koch angenommen, die alle drei Finnen sein mußten. Mit diesem Dienstpersonal unterhielt der sprechlüsterne Brobhsrr sich dann fortwährend. Den Finnen folgten Esthen, Letten, Tartaren u. s. w. Eines Tages traf Rassowski bei seinem Freunde Schliemann einen persischen Diener; einen persischen Kutscher und Koch hatte er wahrscheinlich nicht auftreiben können. Dafür aber verkehrte noch ein anderer Träger der Schaffellmütze viel bei Schliemann und blieb oft den ganzen Tag über bei ihm. Das Neugriechische erlernte
Schliemann durch den häufigen Verkehr mit griechischen Kaufleuten in Petersburg. Ich weiß nicht — meint Rassowski —, wie viele Sprachen der Cardinal Mezzofanti sprach, Schliemann aber war ihrer mehr denn zwanzig mächtig.
Der schwerste Mann von Brooklyn. In Brooklyn starb kürzlich, wie die „Newyorker Staatsztg." mitteilt, im Alter von 39 Jahren Geo. A. Schachtel, welcher sich rühmen konnte, der schwerste Mann in der Stadt zu sein. Das Körpergewicht desselben betrug nicht weniger als 410 Pfund und der Sarg, in welchen der Verstorbene gebettet wurde, war 7 Fuß lang, 2 Fuß 10 Zoll breit und 2'/- Fuß hoch. Bemerkenswert ist der Umstand, daß Schachtel, welcher von deutschen Eltern abstammte, bei Lebzeiten nicht schwerfällig und plump war, sondern sich mit staunenswerter Behendigkeit bewegte. Sein Tod erfolgte keineswegs infolge seiner abnormen Dicke, sondern wurde durch einen Anfall von Gesichtsrose herbeigeführt.
Sprechstunde. — Patient: „Bitte, hat der Herr Doktor jetzt seine Sprechstunden ?" — Diener: „Ja. Er streitet sich soeben mit der Gnädigen!"
Litterarifches.
— Unter den zahlreichen Gratulanten, die am Neujahrstage zur Beglückwünschung erscheinen, fehlt natürlich auch diesmal wieder nicht „Ueber Land und Meer" (herausgegeben von Professor Joseph Kürschner, redigiert von Otto Baisch, Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt.) In dem neuesten, siebenten Hefte (Preis 50 -H) bringt die altbewährte, treue Familienfreundin ihren zahlreichen Verehrern in Wort und Bild ihre besten Glückwünsche dar. Sie zeigt uns in einer anheimelnden Darstellung einen fröhlichen, in Liebe und Glück vereinten Familienkreis in dem Augenblicke, wo zu dem geöffneten Fenster herein der ernste Schlag der letzten Stunde des Jahres vom nahen Glockenturme erschallt und sich mit dem Hellen Klang der punschgefüllten Gläser vermischt. Das Bild ruft uns, im Verein mit den anderen auf das Neujahrsfest bezüglichen schönen Illustrationen das letztere wieder lebhaft in Erinnerung. Außerdem bringt das schöne Hest an Unterhaltungsstoff den Roman „Wozu?" von Robert Byr und die Novelle „Dunkle Steine" von Stefanie Keyser, zwei Autoren, deren Namen allein schon für die Gediegenheit des Dargebotenen sprechen. Daran schließt sich in bunter Abwechslung eine ganze Menge interessanter und trefflicher Artikel geographischen, historischen, künstlerischen, zeitgeschichtlichen rc. Inhalts, die einzeln hier aufzuführen, es uns an Raum gebricht. Fürs Kopfzerbrechen in müßigen Stunden sorgt eine reichhaltige Spielecke, die immer etwas Neues bietet. Die Humorseite bringt hübsche Sachen zur Erheiterung und die Abteilung „Unter uns" ist eine treffliche Ratgeberin in praktischen Arbeiten für Haus und Familie. Eine Fülle prächtiger Illustrationen ziert das Heft; sie gewähren eine wahre Augenweide jedem, der es in die Hand nimmt. Eben beginnt das beliebte Familien- Journal ein neues Quartal und damit ist für alle unsere verehrlichen Leser, welche noch nicht zu den Abonnenten von „Ueber Land und Meer" zählen, die günstige Zeit zum Eintritt ins Abonnement geboten. Eine Probenummer ist in allen Buchhandlungen erhältlich und diese, wie auch alle Postanstalten, nehmen Abonnements jederzeit entgegen.
und leise wimmernd schloß er die schon halbgebrochenen Augen, während Martin auf seinen Herrn blickte und sich nicht zu rühren wagte, um ihn nicht zu erschrecken. — Es war inzwischen völlig dunkel geworden und jetzt vernahm man draußen ganz deutlich das Rollen eines Wagens. Der Kranke versuchte sich aufzurichten, es gelang ihm indessen nicht und Martin's stützende Hand ablehnend, flüsterte er hastig und eindringlich:
»Jetzt endlich kommt er — zünde sämmtliche Lampen an, führe ihn herein und laß uns dann allein — hast Du mich verstanden?, Untersteh' Dich nicht, zu lauschen — was ich mit ihm zu sprechen habe, darf Niemand hören!"
Martin erfüllte schweigend die Befehle seines Herrn — bald strahlte das Zimmer im hellsten Lampenschein und jetzt fuhr der Wagen im raschen Trabe auf den Hof und hielt vor der Hausthür. Gleich darauf trat ein hochgewachsener, hagerer Mann mit grauem Haar und ebensolchem Bart in das Krankenzimmer; der Leidende nickte ihm sehr mürrisch zu und sagte dann bitter:
„Kommst Du wirklich, Varley? Ich glaubte schon.'Du hättest mich vergessen; früher besannst Du Dich nicht so lange, meinem Ruf Folge zu leisten."
„Verzeih, Rockwald." entgegn, te der Andere ohne jede Spur von Empfindlichkeit. „Ich war nicht zu Hause, als Dein Bote eintraf und konnte folglich nicht eher kommen. Wie geht es Dir heute Abend?"
„Wie wird mir's gehen — schlecht wie immer." lautete die in unverbindlichem Tone erteilte Antwort. „Eigentlich geht's mir noch schlechter als sonst," schloß der Kranke, sich unruhig in den Kiffen herumwerfend. Die Wahngebilde nehmen überhand, und manchmal meine ich, ich müsse närrisch werden."
„Ich habe die Papiere und Dokumente, deren Du neulich erwähntest, mitgebracht," sagte der Fremde, indem er in seine Brusttasche griff.
„Hm — eigentlich bedürfen wir derselben wohl kaum," meinte der Kranke un
ruhig; „Martin und die Aerzte glauben, es gehe mit mir zu Ende und so ließ ich mich überreden und beschloß, mein Testament zu machen, aber jetzt fühle ich mich wieder bedeutend wohler und so mag's einstweilen unterbleiben."
„Und doch ist's eine alte Geschichte, daß wir Alle sterben müssen," versetzte Varley gleichmütig; je eher wir unsere irdischen Angelegenheiten ordnen, um so besser ist's für uns. Mach immerhin Dein Testament, Alter — deßhalb stirbst Du noch lange nicht.
„Wenn ich's recht überlege, Varley, so rst Dein Vorschlag gar nicht so übel. Ihr Advokaten trefft immer das Richtige; also Du hast die Dokumente milgebracht?"
„Jawohl — Du ließest mich ja darum bitten. Hier ist Dein altes Testament, welches Du vernichten willst," sagte der Advokat, indem er ein zusammengefaltetes Papier aus seiner Brieftasche nahm und es dem Kranken vor die Augen hielt.
„Wohlan — verbrenne das Testament, Varley, und zwar jetzt gleich — vor meinen Augen."
Varley Kat zum Kamin, in welchem ein Helles Feuer prasselte und legte das Dokument auf die glühenden Kohlen. Im nächsten Augenblick leckten die feurigen Zungen gierig an dem Papier und nachdem dies in Hellen Flammen aufgeleuchtet, war es verschwunden.
Der Kranke seufzte wie erleichtert auf und der Advokat sagte scherzend:
„So — das alte Testament wäre abgethan — gehen wir jetzt zu dem neuen über."
Er ordnete die Papiere, welche er mitgebracht, auf dem Tische neben dem Bett, tauchte die Feder ein und bemerkte dann:
„So Alter — ich bin bereit."
(Fortsetzung folgt.)