ser Konfrontation verfügte sich die Gerichtskommission mit dem Verhafteten nach Möhrendorf und Seebach, um am Thatorte weitere Gegenüberstellungen vorzunehmen. Wie verlautet, widerspricht der Verhaftete der Anschuldigung mit Entschiedenheit, soll sich aber in Widersprüche verwickelt haben.
Worms, 31. Dezbr. Der Verkehr zwischen dem linken und rechten Rheinufer wird infolge des starken Eisganges von Stunde zu Stunde schwieriger. Wie bereits telegraphisch mitgeteilt wurde, ist der ganze Gütertrajekt eingestellt worden und müssen sämtliche Güter über Mainz befördert werden. Das Trajektboot Nr. 1 der Hessischen Ludwigsbahn, welches bis gestern den Güterverkehr unterhielt, hat, da es nicht in den Winterhafen einfahren konnte, am rechten Ufer, wo der Eisgang nicht so stark ist, Schutz gesucht. Der Personenverkehr kann einweilen noch - unterhalten werden; auch werden noch Wagen auf einer „Nähe" übergesetzt, doch ist die Landung eine sehr schwierige und zeitraubende. Die Arbeiter, welche bei der bitteren Kälte (12—15 Grad) lange am Ufer warten müssen, sind wahrlich nicht zu beneiden. Aber bald werden sie vielleicht gar nicht mehr übergesetzt werden können, wie bei einer noch größeren Zunahme des Treibeises befürchtet werden muß. Der Wasserstand war lange nicht mehr ein so niedriger wie augenblicklich. Der Staatspegel zeigte heute morgen 8 Uhr nur mehr 0,06 Mtr. Gegenüber der Liebfrauenkirche ist am linken Rheinufer eine weite Eisfläche, auf der die Jugend dem Eissport huldigt. Der Mißstand der langen Verkehrsunterbrechungen ist ein großer und so recht geeignet, zu zeigen, wie nötig hier ein großer Hafen, sowie eine steinerne Brücke sind.
Bochum, 2. Jan. Auf der Zeche „Heinrich Gustav" fand eine Explosion schlagender Wetter statt. Bisher sind 2 Tote und 9 Verwundete festgestellt.
.Berlin, 1. Jan. Rettung aus höchster Lebensgefahr, das war die Aufgabe, welche der Berliner Feuerwehr am Mittwoch mittag bei einem Brande, Oranienstraße 15, Ecke Heinrichsplatz, zufiel. Berliner Blätter berichten darüber: Im zweiten Stock des meist von kleinen Leuten bewohnten Hauses befindet sich das Comtoirzimmer des Parsümeriefabrikanten Herbst. Kurz nachdem Herbst das meist verschlossene Comptoir verlassen hatte, brach hier aus unbekannter Ursache ein mächtiges Feuer aus, ergriff Regale, Pulte, Fenster und Thüren und erfüllte im Nu das ganze Treppenhaus mit dichtem Rauch. Thörichter Weise wurden von Passanten, die in das brennende Haus eindrangen, die Thüren der Wohnungen aufgerissen, infolge dessen etwa 30 Personen in die Gefahr der Betäubung gerieten. Sieben Personen (eine Frau Herbst (nicht verwandt mit dem Parfümeriefabrikanten) mit fünf Kindern und eine Frau Krause mit ihrem Sohn retteten sich vom vierten Stock auf das Dach des Nachbarhauses, fünf Personen, die neun Jahre alte Ella Wittich, der zweijährige Fritz Wittich, die Witwe Biberstein mit ihrer sechsjährigen Tochter Frieda und eine Witwe Wunderlich, stürzten sich vom dritten Stocke aus in das von der Feuerwehr ausgebreitete Sprungtuch, der iin vierten Stock wohnende 68jährige blinde Maschinenbauer Noack, die schon betäubte Frau Maler Ruß und die fünf Monate alte Emma Weiß, welche in einer verschlossenen Wohnung des vierten Stockes allein gelassen war, wurden von der mit Leitergang vorgehenden Feuerwehr über die Treppen gerettet. Auch die übrigen Bewohner wurden so in Sicherheit gebracht. Eine der Frauen hatte eine I
leichte Kontusion der Rippen davongetragen, alle Anderen sind — wunderbarer Weise — ohne jede Verletzung gerettet worden. Der Feuerwehrmann Wohlfeil siel sich beim Vorgehen einen Arm aus; der Verletzte wurde nach Bethanien und nachvem hier der Arm eingerenkt war, nach seiner Wohnung gebracht. Die Bewältigung des Brandes machte keine besonderen Schwierigkeiten.
Vermischtes.
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Der Kaiser hat aufs Neue sein warmes Interesse für die menschenfreundlichen Bestrebungen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger kund gegeben, indem er vor Kurzem die Beschaffung zweier Sammelschiffchen befohlen hat, von denen eins im königl. Schlosse zu Berlin, das andere im Neuen Palais in Potsdam Verwendung finden soll. — Auf Grund der von dem Bezirksverein für Schwaben im Jahre 1888 erfolgten Stiftung eines Kapitals von 3000 ^ zur Beschaffung eines Rettungsbootes „Schwaben" für die deutsche Nordseeküste, hat der Vorstand der Gesellschaft, im Einverständnis mit der Verwaltung des Bezirksvereins Emden, dem für die Station Borkum-Nord neu erbauten Rettungsboote den Namen „Schwaben" verliehen. Das Boot ist aus kanneliertem Stahlblech erbaut, mit Selbstentleerungsvorrichtung versehen und zum Segeln und Rudern eingerichtet. Es hat eine Länge von 8,5 m, eine Breite von 2,5 w, und eine Tiefe von 0,95 w. Die Ueberführung des Rettungsbootes „Schwaben" nach seiner Station hat vor einigen Tagen stattgefunden- (Eine Photographie des Bootes Schwaben ist im Schaufenster der Firma Eberhardt Fetzer, Kanzleistraße, Stuttgart, ausgestellt.)
Ein praktischer Vater. Vater (zu seinem Sohne, einem jungen Mediziner): „Wenn Du schon werden willst Spezialist, so werd' doch lieber Zahn- als Ohrenarzt; Zähne hat der Mensch zweiunddreißig und Ohren nur zwei!"
Gute Ausrede. Sie: .„Denke Dir, Paul, mir träumte diese Nacht, ich hätte von Dir als Weihnachts-Geschenk ein prachtvolles Kleid bekommen!" — Er: „Das hatte ich allerdings vor, liebe Eugenie; da ich aber, wie Du weißt, ein großer Freund von Ileberraschungen bin, so werde ich's nun gehen lassen!"
— Die bekannte älteste Annoncen-Expedition Haasenstein u. Vogler A.-G. versendet soeben an die Inserenten die 25. (Jubiläums)-Auflage ihres elegant ausgestatteten Notiz-Kalenders und Zeitungs-Katalogs für das Jahr 1891. Derselbe bringt zunächst einen für alle Tage des Jahres berechneten Notiz-Kalender und verzeichnet sodann auf 142 Seiten die ln der ganzen Welt erscheinenden politischen Blätter, Fachzeitschriften, Adreßbücher, Kalender rc. in musterhafter Anordnung; bei den Zeitungen mit Angabe der Auflage, Erscheinungsweise, Spaltenbreite und Zeilenpreise für den Annoncen- und Reklamenteil, bei den Städten mit Vermerk der Einwohnerzahl. Der Reihenfolge nach finden wir alle Länder der Welt angeführt und selbst die entlegensten nicht vergessen; die Fachzeitschriften, ihrer Zahl nach Legion, sind nach Branchen übersichtlich geordnet und registriert, genug, es dürfte kaum ein zweiter Zeitungs-Katalog existieren, der, wie der Haasenstein u. Vogler'sche, dem inserierenden Publikum so eingehend mit Rat beisteht und die Auswahl der Zeitungen erleichtert. Ein 148 Seiten
starker Annoncen-Anhang bringt, zum Teil die verkleinerten Titelseiten oder nähere Details der hervor- ragensten Zeitungen, sodaß sich der Laie leicht über Größe und Tendenz der betreffenden Blätter unterrichten kann. Mit einem Verzeichnis der fast über ganze- zivilisierte Welt verbreiteten Filial-Bureaus und Agenturen der Firma Haasenstein u. Vogler A.-G-, welcher auch, wie wir hören, der Verlag des offiziellen Katalogs und Führers, sowie der offiziellen Ausstellungs-Zeitung der im Jahre 1891 in Frankfurt a. M. stattfindenden Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung übertragen worden ist, schließt der Katalog ab, welcher auf Wunsch den größeren Inserenten gratis verabfolgt wird.
— Tausende läng st, sogar zum Teil mit Haupttreffern von 100000, 80 000, 70000, 60000 50 000 rc. gezogener Loose sind noch uner- hoben und fallen der Verjährung anheim. Jedem Loosbesitzer ist daher dringend zu raten, als lohnendste Geldausgabe die soeben im 25. Jahrgang erschienene Serienliste über alle bis 30. Dezember gezogenen Serienlose nebst Verloosungskalender für's neue Jahr gegen 50 Pfg. Briefmarken franko zu beziehen von Bankier A. Dann in Stuttgart. Derselbe kontroliert auch Loose rc. in allen stattgehabten Ziehungen ä, 10 per Stück, in allen künftigen Ziehungen ä 15 per Stück und Jahr.
Gestörte Verdauung (Verstopfung! kann ernstere Folgen haben, als die meisten damit Behafteten wissen. Erscheinungen und Leiden, wie Blutandrang, Schwindelanfälle, Kopfschmerzen, Herzklopfen, Blähungen, Mangel au Appetit, Müdigkeit der Glieder rc. stellen sich em, ohne daß man weiß, woher eS kommt. Indem man durch Anwendung der in den Apotheken ä Schachtel 1. — erhältlichen ächten Apotheker Mchard Brandt's Schweizerpillen die gestörte Verdauung in Ordnung bringt, beseitigt man die daraus herrüvrenden Erscheinungen. Man verlange aber stets die Etikette mit dem weißen Kreuz in rotem Felde und dem Namenszug Ztichard Brandt. Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandtteile sind: Silge, Moschusgarbe, Aloe, Absynth, Bitterklee, Gentian.
Leongsnsum.
Weites in der Bibliothek.
1) Württembergische V i ert e lj a hrs hefte
für Landesgeschichte. Jahrgang XIII. 1890. Heft I. II.
2) Gothaischer genealogischer Hofkalender
nebst diplomatisch-statistischem Jahrbuch. 1891.
3) Moltke als Denker. Goldene Worte aus
sämtlichen Werken, Reden und Briefen des Generalfeldmarschalls Grafen von Moltke, von vr. A. Kohut.
4) Ilistoi^ »I Hie -lobnstorvn b'Iooä Le.
bz-'tVilllsb'lstelrkrckolmsoir. — Illustratsä. —
5) Or. Emin Pascha, ein Vorkämpfer der Kultur
im Innern Afrikas, von Paul Reichard. — Mit Original-Abbildungen. —
Kandrmrtschafll. Confurrmerein.
Die Mitglieder des landwirtschaftlichen wie auch des Consumvereins werden ersucht, ihren Bedarf an Grassamen längstens bis 14. Januar bei dem Ortsrechner anzumelden, da die Besorgung desselben von jetzt ab durch uns geschehen soll.
Der gcschäftsführende Vorstand:
L. Dingler.
„Ja", schnarrte Großpapa von seinem Sitz am Fenster dazwischen, „sich selbst sein Los verdienen, das ist ein unangenehmes Geschäft für eine junge Dame, viel bester, man setzt sich in ein wohleingerichtetes Haus hinein, selbst wenn man so ein lästiges Anhängsel," er wies auf Ivo, „mit in Kauf nehmen muß."
„Das stößt man dann in alle Ecken," wehklagte seine Gemahlin, „ich habe es nicht einmal, nein Dutzendmal mit angesehen. Wenn ein Kind den Vater verliert, so ist es traurig, aber mit der Mutter büßt es alles, alles ein. Beschwörend streckte sie die Hände nach ihrem wie auf Kohlen stehenden Schwiegersohn aus.
„Franz, wenn Du dem Knaben eine Stiefmutter giebst, sieh' nicht auf Jugend und Schönheit, sieh' nur, ob sie ein Herz zu dem Kind fassen kann!"
„Ich weiß nicht, was Dir einfällt, Großmama," sagte der junge Mann unwirsch, „ich denke nicht daran, mich wieder zu verheiraten. Niein Sohn ist bei Euch gut aufgehoben, und ich kann doch nie wieder so glücklich werden, wie ich es mit Marie gewesen."
Das war eine Beruhigung für die Alten. aber Franz ging ärgerlich, aus seiner gewöhnlichen Gelaffen heit aufgerüttelt, davon. Die Beschwörungen und Prophezeiungen wickelten ihn in einen grauen dicken Nebel ein, durch welchen er die Welt in ziemlich trübseligem Licht erblickte. Zuletzt that es ihm leid, daß er so bestimmt seine Absicht angekündigt, der Nachbarin in Person zu danken. Was sollte ihm der Verkehr mit einer Fremden? Er war durch sein Unglück an Einsamkeit gewöhnt, fühlte sich am wohlsten allein oder in der Gesellschaft seines Kindes. Die Alten hatten nicht Unrecht, er that am besten, wenn er sein leckes Lebensschifflein abseüs von den anderen Seefahrern lenkte, die unter vollem Segel hinglitten und
vom Leben noch Glück und erfüllte Verheißungen erwarteten. Vielleicht hatten sie auch Recht mit ihren Warnungen; sie kennen die Nachbarin seit längerer Zeit, haben sie beobachtet, während er sie noch kaum bemerkt.
Ivo hatte heute nicht viel Vergnügen von seinem vor sich hingrübelnden Papa. Aber er verlangt von dem traurigen Manne nicht, daß er sich so unausgesetzt mit ihm beschäftige, wie es die Großeltern thun, die ihn mit ihren Lehren und ihrer Beaufsichtigung gar oft langweilen. Er ist schon zufrieden, wenn er mit seinem Papa sein, neben ihm hergehen kann, vergebens bemüht, seine Schritte den weitausgreifenden anzupassen. Im Park setzt sich Franz auf eine Bank, der Kleine befriedigt an seine Seite. Nach einer Weile wird er des Stillsitzms überdrüssig und beginnt, die schönen gelbfarbigen und purpurroten Blätter aufzulesen, die der Herbst auf den Rasen verstreut. Ein ganz unterhaltendes Geschäft und wenn man die minder schönen immer wieder gegen besser gefärbte vertauschte, mag es auch für eine geraume Zeit Vorhalten.
Der Vater trefft Anstalten, sich von seinem Sitz zu erheben und blickt nach dem Knaben aus. Beide Hände voll mit seiner prächtigen Beute eilt er auf ihn zu. Franz ist soeben zu dem Entschluß gekommen, es sei am besten, nach Hause zu gehen und der Fremden einige Zeilen des Dankes zu schreiben, denn er ist des Verkehrs mit Frauen vollkommen entwöhnt und die Worte der Alten haben, o'ane daß er es sich gestehen mag, ihren Einfluß auf ihn nicht verfehlt. Da sagt'Ivo: „Die roten und gelben Blumen bringe ich alle dem schönen, großen Mädchen, das mich nach Hause getragen hat. Die wird sich freuen!"
(Fortsetzung folgt.)