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81. Jahrgang. Postscheckkonto 5113 Stuttgart.

Beilagen:

Plauderstübchen

und

Illustr. Sonntagsblatt.

Dienstag, ^dsn 14. August

1917.

«

Isr deutsche Land Elsaß-Lothringen.

Bon Prosefsor Wilhelm Kapp, Slraßburg i. E.

Noch einmal nach fast SO Jahren muß Deutschland mit Frankreich um Elsaß-Lothringen ringen. Die Fran­zosen wollen es nicht leiden, daß dieses Land deutsch ist und deutsch bleibt. Und wir können auf diese westliche Grenzmark des Reiches nicht verzichten. Es bleibt bei dem, was Bismark als ausschlaggebenden Grund für die Wiederangliederung betonte:: es muß zum Schutze des Südens und Südwestens des deutschen Reiches die fran­zösische Grenze vom Rhein hinweg auf die Vogesen und an die Mosel verlegt werden. Die Lebensinteressen des neuen Reiches verlangten die Rückgabe der einstmals dem alten Reiche geraubten Gebiete. Aber wir haben noch ein höheres Anrecht auf das Land: es gehört von Gott und Rechts wegen zum Reich; es ist alles, deut­sches Land.

Wir brauchen nur einen Blick aus dis Karte zu wer­fen, um sofort zu erkennen, daß Elsaß-Lothringen mit in die deutsche Landwirtschaft gehört: Elsaß, geographisch nur ein Stück der «in unteilbares Ganzes bildenten oberrheini­schen Tiefebene, an der mit dem Elsaß, Baden, Pfalz, Hessen teil haben; Lothringen, die nordwestliche Abdachung der Vogesen, unmerklich in die links-rheinische Landschaft des rheinischen Schiesergebirges übergehend, an die es durch die zwei Flutzbünder Mosel und Saar noch besonders an- geschiossen wird. So haben auch dis von Osten und Nor­den sich vorschiebenden deutschen Bolksstämme die elfäfsische Ebene wie das Lothringer Stufenland gleichmäßig in Be­sitz genommen; danach find es überall dieselben Menschen diesseits wie jenseits des Rhein«, im Elsaß wie in Baden und der Pfalz, auf der Lothringer Hochebene wie aus dem Plateau des linksrheinischen Berglandrs; Alemannen und Franken. Keltoromanische Bevölkerung hat sich nur in einigen Bogesentälern und in einem schmalen Streifen längs der heutigen deulsch-französischen Grenze in Lothringen erhalten. Seit dem 5. Jahrhundert sind die Germanen im Besitz der oberrheinischen Ebene und des Lothringer Plateaus. Die Bogesenmauer im südlichen und mittleren Elsaß setzte allein der westwärts sich wälzenden Germanen­flut Ziel und Grenze; die deuisch-sranzöstsche Sprachgrenze

1P

Roman von Reinhold Ortmann.

(Nachdruck verboten.)

Wenn die Sängerin erriet, mit wem sie es zu tun hatte, so verstand sie jedenfalls meisterlich, sich zu be­herrschen, denn es klang vollkommen unbefangen und freundlich, da sie erwiderte:

Durchaus nicht, mein Fräulein, da ich noch eine halbe Stunde Zeit habe, bevor ich mich zu meiner zweiten Nummer umkleiden muß. Lassen Sie uns eine Weile j allein, Frau Wernicke! Sie wissen ja, wann es an der seit ist anzufangen."

. Die Frau mit der weißen Schürze verschwand, und Nora Martini deutete lächelnd auf den einzigen Stuhl, der außer ! dein ihrigen in der Garderobe noch vorhanden war.

/Nehmen Sie gefälligst Platz und entschuldigen Sie '»re Unordnung, in der Sie mich hier finden. Man ist eben in seinem Ankleidezimmer nicht auf Besuche einge­richtet. Womit, mein Fräulein, darf ich Ihnen dienen?"

Obwohl Edithas Knie zitterten und obwohl sie ein fast unwiderstehliches Bedürfnis fühlte, sich zu setzen, leistete ue der Einladung doch keine Folge und blieb, schwer atmend inmitten des schwülen, dunstigen, von allerlei «beklemmenden Gerüchen erfüllten Zimmerchens stehen.

° , »Ach möchte Sie etwas fragen. Das Champagnerlied, oas Sie soeben sangen es war von Günter Wolfradt?" L bwer kecken Pose, die alle Schönheiten ihrer Ge- hervorhob, lehnte sich die Sängerin über die Lehne ihres Stuhles zurück.

»Eigentlich soll es ja ein Geheimnis bleiben", sagte "uw einem kleinen, etwas gemacht anmutenden Zaudern, da Sie es doch schon zu wissen scheinen, brauche no mir wohl kein Gewissen daraus zu machen, wenn ich -obre Frage bejahe. Der Text des Champagnerliedes ist bou unserem Hausdichter und die Musik allerdings von Gunter Wolfradt. Sie kennen den Komponisten?" x?ch mutz ihn wohl kennen. Ec ist ja mein Vetter."

deckt sich im ganzen mit der auf dem Kamme des Ge­birges laufenden politischen Grenze.

Und dieses Stück deutsche Erde gehörte auch zum deutschen Reiche, seitdem es vom 9. Jahrhundert ab ein solches gibt. Es hat die glänzenden Zeiten deutscher Kaiserherrlichkeit des Mittelalters miterledt; ein nicht ge- ringer Teil des Besitzes, der der kaiserlichen Macht in je­nen Tarrsn ihren Rückhalt gab, Königsgur, Reichsaut, lag in elsässtschem Gau; kaiserliche Pfalzen waren in Colmar, Kaysersberg, Slraßburg, Hagenau, Diedenhofen. Die Staufer halten auf elsässtschem Boden am liebsten geweilt, in der Kapelle der Staufenpfalz von Hagenau wurden die Reichsinsignien aufbewahrt. Eine reiche städtische Ent­wicklung srtzte ein; aus engem Raum waren hier 10 Reichs­städte außer der Krone des Landes, der freien Reichsstadt Straßburg.

Ci>? solches Land, das mitten in die große mittelalter­liche deutsche Gefchichtsentwicklung gehört, das muß auch zu dem deutschen Kulturbesitz, der jenen Zeiten entstammt, in hohem Maße seinen Beitrag geleistet haben. Und in der Tat, es gibt kaum ein Gebiet dieser Kultur, auf dem nicht unser Elsaß Lebensvolles, Bahnbrechendes, ja Einzig­artiges hervorgebracht hat. Ein Mönch des Elsasses, Ot- sried von Weitzsnburg, hat die evangelischen Erzählungen zuerst in deutsche räumige Verse gebracht; an die glänzen­den Zeiten der mitteralterlichen Kunstpoesie erinnern die Namen Rsimar o. Hagenau, Gottfried v. Straßburg, die gezeigt haben, daß Anmut und Gestaltungskraft nicht we­niger der deutschen Sprache eignen können als der franzö­sischen; mittelalterliches gottinniges Wesen gab sich in Straßburg bei Tauler, dem großen Schüler Meister Eckarts, zuerst in deutschen Lauten Ausdruck. In den Resten des Kirchen- und Burgenbaues aus der Stauserzeit des 12. Jahrhunderts haben wir mit die schönsten Baudenkmäler jener Zeit, und sie alle sind kerndeutsch, ohne die geringsten Spuren französischen Einschlags. Als die französische Gotik nach Deutschland kam, da entstand im Elsaß das Meister- werk deutscher Gotik in der Schöpfung Meister Erwins, dem Straßburger Münster. Deutschs Künstler, die aus dem Gebiete der Malerei von epochemachender Bedeutung ge­wesen sind, weisen nach dem Elsaß: Marlin Schongauer, Hans Baldung. In den Reihen deutscher Humanisten und Reformaioren sind Elsässer in stattlicher Zahl vertreten;

Nora Martinis bewegliches Gesicht spiegelte eine unangenehme Überraschung.

Ah Sie sind seine Cousine, die Tochter des Bankiers Rüthling? Dann muß ich allerdings be­dauern, Sie nicht früher nach Ihrem Namen gefragt zu haben. Denn einem Mitglied seiner Familie dieser Familie, die so unverantwortlich an ihm handelt, würde ich sein Geheimnis gewiß nicht preisgegeben haben."

Sie sagen, daß seine Familie unverantwortlich an ihm handelt. Darf ich fragen, wie das gemeint ist?"

Sie sollten es eigentlich besser wissen als ich. Aber ich liebe die Aufrichtigkeit. Und ich nehme ein viel zu großes Interesse an Herrn Wolf- radts außerordentlichem Talent, als daß ich nicht mit Vergnügen die Gelegenheit ergreifen sollte, Ihnen ganz offen meine Meinung zu sagen. Ja, es ist unverantwortlich, was man an ihm tut. Er ist ein musi­kalisches Genie, ein Künstler von Gottes Gnaden, und wenn er sich dem Beruf widmen dürste, zu dem seine herr­lichen Anlagen ihn bestimmen, würde er innerhalb weniger Jahre ein berühmter Mann sein. Statt dessen zwingt man ihn unter Berufung auf seine Dankespflichten oder ich weiß nicht, durch welche anderen erbärmlichen Mittel zu einer Tätigkeit, die ihn tief unglücklich macht und in der seine wunderbaren Gaben ungenützt verkümmern müssen. Solche Vergewaltigung eines Talents aber ist in meinen Augen mehr als ein Unrecht, sie ist geradezu ein Verbrechen."

Ihre wohlgesetzte, temperamentvoll hervorgesprudelte Rede klang beinahe, als ob sie sich sorgfältig vorbereitet hätte, sie zu halten. Editha empfand das Schauspielerische in ber Art des Mädchens nicht. Sie fühlte sich vielmehr gedrückt und erniedrigt, denn sie fand es vollkommen be­greiflich, daß Günter einer Frau, die so zu sprechen ver­mochte, vor ihr den Vorzug geben mußte.

Über das alles hat er sich bei Ihnen beklagt?" fragte sie beklommen.Und er hat auch mich unter die gezählt, die ihn unglücklich machen wollen?"

Sie?"

Es war etwas von mitleidiger Geringschätzung in dem

man braucht nur an die Namen von Geiler o. Kaysers- berg. Mmpfelung, Butzer, Jakob Simm, Johannes Siurm zu erinnern.

> Aber in jener Zeit, da deutsches Geistes- und Bildungs­leben sich hier an der Südwestecke des Reiches eine solch einzigartige Stätte geschaffen hatte, da war auch schon das Auge der westlichen Nachbarn mit gierigem Verlangen aus dieses Stück deutscher Erde gerichtet, und das Reich, da« die Aufgabe hatte, dem bedrohten Grenzland Schutz und Schirm zu bieten, war schon zum Schatten geworden. Frankreichs Aus dehnungsdrang hatte sich nach Osten ge­wandt. Im Raum an der Mosel und am Oberrhein sollten die Ausfallstore gegen Deutschland erstehen; so fiel zuerst Metz, dann das Oberelsaß im Dreißigjährigen Krieg, und schließlich folgten Straßbmg und das übrige Elsaß, bis 1789 das ganze Elsaß mit Lothringen ein Stück de« fran­zösischen Einheitsstaates wurde. Schmerzlich hatte das Land seine Trennung vom Reiche, seine Loslösung vom Mutter­boden Deutschland« empfunden, und um so energischer hat man sich seit der Umklammerung durch die fremde geistige Macht in seiner alten angestammten deutschen Art zusammen- gefaßt. So hat Gorhte bei seinem Aufenthalt in Straßburg noch beialt und jung eine liebevolle Anhänglichkeit an alte Verfassung, Sitte, Sprache, Tracht" feststellen können, und Jakob Grimm urteilte 1815 über das Elsaß: .Schmäh­lich von Kaiser und Reich im Sticke gelassen, hat es sich selbst beigestanden, Sprache, Sitte, Tracht ausrecht erhalten."

Indes von 17891870 gerieten Elsaß und Lothringen als mit dem französischen Slaatswesen eng verbundene Provinzen ganz in den großen Strom französischen Lebens. Nationaifranzosen aber find die Elsässer wie auch die Deutsch-Lothringer nie geworden; das Welsche blieb ihnen stets etwas Fremdes; welsche Oberflächlichkeit, welsche Phrasenhastigkeit, welsche Unordnung stieß sie immer ab, wenngleich auch französische Sprache und Bildung sich bis in die unteren Schichten großer Wettschätzung erfreute, was bei der deutschen Ehrfurcht vor dem Fremden nicht allzu verwunderlich ist. Aber Leitgedanke war und blieb bis in« Bürgertum hinein doch der Grundsatz:Politisch Franzose, geistig ein Deutscher".

So hat man sich nach 1871 zunächst nur widerstrebend in die neuen Verhältnisse gefügt; was ganz nach der fran­zösischen Seile neigte, strömte nach Frankreich ab, und der

Blick, den die Sängerin über das schwarzgekleidete Mädchen Hingleiten ließ.

Ich weiß wirklich nicht es mag wohl sein, daß er Sie nicht beschuldigt hat, einen Anteil daran zu haben. Soviel ich mich erinnere, wurde Ihr Name nur ganz bei­läufig zwischen uns erwähnt."

Editha richtete sich auf. Dieser wegwerfende Ton der Qberbrettl-Diva hatte ihren Stolz getroffen. Und sie be­sann sich plötzlich wieder darauf, daß sie nicht gekommen war, sich demütigen zu lassen. Nicht ihr kam es zu, sich gegen eine Anklage zu verteidigen, sondern jener anderen, die den schmachvollen Diebstahl an ihr begangen, die mit ihren verführerischen Künsten und ihren schönen Watten das Herz des geliebten Mannes von ihr abgewendet hatte.

Nur ganz beiläufig also?" sagte sie mit einem Sar­kasmus, der die Sängerin überrascht aufblicken machte. Dann verstehe ich Ihr Benehmen allerdings bester, Fräulein Martini! Denn Sie wußten jedenfalls nicht: welche Be­ziehungen zwischen Günter und mir bestanden, als Sie sich bemühten, ihn für sich zu gewinnen."

Ihn für mich zu gewinnen? Was soll das heißen?"

Wollen Sie etwa in Abrede stellen, daß Ihre Teil­nahme für ihn mehr ist, als nur daS Interesse der Künstlerin an seinem Talent? Wollen Sie leugnen, daß Sie ihn lieben?"

Wahrhaftig, Sie sind drollig, mein liebes Fräulein, solche Fragen an mich zu richten. Wie käme ich denn dazu, Ihnen Antwort darauf zu geben? Was zwischen Herrn Wolfradt und mir vorgeht, kümmert doch wohl niemand als ihn und mich."

Ein wenig, Fräulein Martini, kümmert es wohl auch mich. Es könnte doch sein, daß ich ältere Rechte an ihn häbe als Sie."

Oh, eine Eifersuchtsszene also? Verzeihen Sie, wenn ich mich nicht darauf einlasse, mit Ihnen um diese angeb­lichen älteren Rechte zu streiten. In der Liebe gibt es nach meiner Auffassung dergleichen überhaupt nicht. Und verheiratet sind Sie doch meines Wissens noch nicht mit Herrn Wolfradt. Wir werden uns darum wohl beide in das Unabänderliche fügen müssen." (Forts, folgte