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betreffend die Jnvaliditäts- und Altersversicherung bezüglich der Entrichtung der Versicherungsbeiträge von unständigen Arbeitern Folgendes bestimmt worden:

Solche Versicherte, welche nicht in einem regel­mäßigen Arbeitsverhältnisse zu einem bestimmten Ar­beitgeber stehen, sind, soferne für sie die Beiträge nicht fortlaufend gemäß Z 112 ff. des Reichsgesetzes eingezogen werden, berechtigt, durch Einkleben eines entsprechenden Betrages von Marken in die Quittungs­karte in Gemäßheit des H 109 Absatz 1 des Reichs­gesetzes die Versicherungsbeiträge statt der Arbeitgeber im Voraus zu entrichten. Denjenigen Versicherten, welche auf Grund dieser Ermächtigung den vollen Wochenbeitrag selbst entrichtet haben, steht gegen die nach Z 100 des Reichsgesetzes zur Entrichtung der Beiträge verpflichteten Arbeitgeber der Anspruch auf Erstattung der Hälfte des entrichteten Beitrags zu.

Stuttgart, den 16. Dezember 1890.

Bockshammer.

, Tages-Neuigkeiten.

)( Cali» 22. Dez. Die Bürgergesell­schaft veranst»ete am Samstag abend einen Fami­lienabend im Thudium'schen Saale, welchen Hr. Ansel jun. durch einen Vortrag überDie ger- - maisische Mythologie" einleitete. Dem ebenso belehr­enden wie unterha^nden Vortrag folgte die zahlreiche ^Zuhörerschaft mirzespannter Aufmerksamkeit. Aus dem dargebotenen sehr reichhaltigen Stoff, der von gründlichem Studium und großer Belesenheit zeugte, können wir nur die Hauptpunkte hervorheben, da ein genaueres Eingehen in die Sache hier zu weit führen würde. Die Mythologie (Götterlehre) unserer Vor­fahren war eine sehr reiche, denn die alten Deutschen besaßen große schöpferische Einbildungskraft und waren dem Göttlichen sehr zugekehrt. In den heiligen My­then spiegelte sich ihr inneres Leben ab, daher dieselben auch eine reiche Quelle der Kunst und Poesie geworden sind. Die Germanen verehrten ihre Götter nicht in Tempeln, sondern in dunkeln Wäldern und unter hei­ligen Bäumen. Sie hatten drei Hauptgottheiten: Wo­dan oder Odin, das Urbild der wirkenden Heldenkraft, war ihr höchster Gott und Allvater, 'die zwölf Äsen unterstützten ihn in der Weltregierung; Wodans Ge­mahlin war Frigga oder Freia, die Vorsteherin der Ehen (daher Freitag); seine Söhne Thorr (Donnerer, daher Donnerstag) und Tiu der Kriegsgott (daher Dienstag), Baldar der reine Lichtgott u. a. Im weiteren Verlaufe schilderte der Vortragende die mannig­fachen Thaten und Schicksale der verschiedenen Gott­heiten und das Verhältnis der Menschen zu denselben, wobei es an rätselhaften Andeutungen, allegorischen Erzählungen, bildlichen Reden, Sagen, Erzählungen und Fabeln von den Göttern u. a. nicht fehlte. Da­neben wimmelte es von Elsen (Alsen) und Nixen, Riesen und Zwergen, Nymphen und Sirenen, Berg- Meer- und Schutzgeistern, Haus-und Familiengöttern, Kobolden und Dämonen u. a. Der Tod im Felde aalt den Deutschen als der ehrenvollste; die ge­fallenen Helden erwartete ein freudenreiches Leben in Walhalla, während die unblutig Gestorbenen nach ihrem Glauben ein trauriges Schattenleben in Hellia's Reich führten. Menschenopfer waren nicht selten. Die astronomische Weltanschauung der alten Germanen war eine höchst sonderbare. Manche religiöse Sitten und Gebräuche haben sich bis auf unsere Zeit erhalten, von denen Hr. Ansel zum Schluß einige auf das Oster- und Weihnachtsfest be­zügliche eingehend schilderte. An der Hand zweier gemalter Bilder gab er sodann noch einige weitere Erläuterungen, mit welchen der 1 '/-ständige Vortrag seinen Abschluß fand. Reicher Beifall lohnte den interessanten Vortrag, für welchen der Vorstand der Gesellschaft mit warmen Worten dankte. Die noch u Gebot stehende Zeit des Abends wurde durch musi- alische Vorträge und Spiele ausgefüllt. Möge der Vortrag in seinem Teil dazu beigetragen haben, das Wort des Dichters mehr und mehr erfüllen zu helfen: Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!"

Schömberg, 20. Dez. Dr. Baudach, Arzt des Kurhauses für Lungenkranke in Schömberg, OA. Neuenbürg, ist von Berlin, wo er sich mehrere Tage behufs Studiums des Koch'schen Heilverfahrens aufgehalten hat, im Besitze der Lymphe zurückgekehrt und es werden die hier befindlichen Pattenten teilweise geimpft.

Waldmössingen, 18. Dez. Rentable Viehzucht. Sonnenwirt Schneider von hier, auf dem ganzen Schwarzwaldplateau seines schönen Vieh­standes wegen bekannt und bei Viehausstellungen an­läßlich des landwirtschaftlichen Festes im Bezirke Obern­dorf mehrfach prämiiert, erkaufte im Mai 1889 ein acht Wochen altes Kalb um den Preis von 251 ^ Heute nun verkaufte er diese Kalbin an Rößleswirt Grüner in Seedorf um den überaus hohen Betrag von 1005 Mark. Der im Lande vielfach verkannte

Schwarzwald legt damit das Zeugnis ab, daß er in Sachen der Viehzucht nicht allein auf der Zeithöhe angelangt ist, sondern manche von Milch und Honig fließende Gegenden des gesegneten Schwabenlandes auf diesem Arbeitsgebiete des Landwirtes übertrifft.

Albbote.

Maulbronn, 19. Dez. (Abg.-Wahl.) Ge­wählt ist Schultheiß Kälber von Wurmberg mit 2178 Stimmen. Gemeinderat Plag von hier (Demokr.) erhielt 1010, der frühere Abgeordnete Combe 114 St. Zerspl. 3, ungültig 8 Stimmen.

Besigheim, 19. Dez. Heute frühereignete sich hier ein sehr beklagenswerter Unglücksfall. Ein 39jähriger, fleißiger und solider Arbeiter glitt beim Abeisen eines Wasserrades der unteren Enzmühle in dem Augenblicke aus, als das Rad sich in Beweg­ung setzte und geriet mit dem Kopfe zwischen Rad und Eiswand, wodurch ihm der Kopf zerquetscht wurde, was seinen augenblicklichen Tod zur Folge hatte. Der Verunglückte hinterläßt eine Frau und 8 un­versorgte Kinder in ziemlich dürftigen Verhältnissen.

Hall, 19. Dez. Auf persönliche Verwendung Sr. Durchlaucht des Fürsten von Hohenlohe-Langen- burg in Berlin ist gestern für das Diakonissenhaus und Kinderspital in Schw. Hall eine größere Sendung Koch'scher Lymphe von Berlin angekommen und heute sofort mit den Impfungen begonnen worden. Es sind dabei die nötigen Einrichtungen dafür getroffen, daß jetzt eine größere Anzahl von Tuberkulose-Kranken jeder Art im Diakonissenhaus und Kinderkrankenhaus ausgenommen werden können. Die Tagespreise sind, wie der letzte Jahresbericht aufweist, in 1. Klasse 4 50 in 2. Klasse 3 50 -A und für

weniger Bemittelte in 3. Klasse 1 80 A Im

eigenen Interesse der Kranken wird Vorausanmeldung gefordert und zwar in irgendwie vorgeschritteneren Fällen nicht ohne ein Zeugnis des behandelnden Arztes. Die Anstaltsärzte sind die Herren Doktoren Dürr senior und junior.

Gerabronn, 19. Dez. (Abg.-Wahl.) Zahl der Wahlberechtigten 5794, der Abstimmenden 3907, absolute Majorität 1954. Es erhielten R.-A. Haufi­rn an n-Stuttgart (Demokr.) 2022, Kaufmann Dill in Niederstetten 1863 Stimmen. Der elftere ist ge­wählt. Zersplittert 8, ungiltig 14 Stimmen.

Ebingen, 18. Dez. Der heute hier abge­haltene Weihnachtsmarkt wurde tüchtig verschneit. Auf die anhaltende Kälte erfolgte gestern und In ver­gangener Nacht erneuter Schneefall, welcher nament­lich die Beifuhr von Vieh erschwerte. Der Viehmarkt war daher nur mittelmäßig befahren; der Handel auf demselben auch nicht sehr lebhaft,' so daß sich die Preise nur mit Mühe halten konnten. Man handelte in jung Vieh Jährlinge zu 100140 ^., Halb- jährigeWare 70100 ^5., Einstellrinderfür Brauereien, Brennereien rc. 180240 trächtige Kalbinnen

280 380 ^., jüngere nähige Kühe 280350 Milchkühe 180240 In Ochsen war wenig Verkehr; Preis für das Paar Zugochsen 450600 ^., starke bis fette Ochsen 750850 Auf dem Schweinemarkt galten Milchschweine 1830 pr. Paar.

Ravensburg, 18. Dez. Der bei Markdorf im Badischen als Brauer beschäftigte hiesige Walfisch­wirt Sauter siel in den Bierkessel, wobei er so ver­brüht wurde, daß er bald darauf eine Leiche war. Heute vormittag kam hier ein Fall von ganz be­sonderer Verwilderung vor. Eine Frauensperson kam in der Nähe der Kopp'schen Fabrik in Schornreute nieder und warf das Kind sofort einfach über den Gartenzaun. Eine zufällig dazugekommene Person hob das Kind auf, dasselbe starb aber alsbald.

Berlin, 19. Dez. Die Kaiserin sowie der neugeborene Pinz befinden sich nach einer gut verbrachten Nacht auch heute wohl.

Berlin, 18. Dez. Ehescheidungen. Als ein bemerkenswertes Zeichen der Zeit auf sozialem und ethischem Gebiet kann wohl die fortdauernde Zunahmeder Ehescheidungen betrachtet werden. Bei dem Kammergericht ist ein Senat mit der Bewältig­ung der hier erwachsenden Arbeitslast jetzt ganz allein und vollauf beschäftigt. Dabei tritt die Erscheinung in den Vordergrund, daß weniger der Arbeiterstand, als vielmehr die mittleren und bessersituierten Gesell­schaftsklassen das stärkste Kontingent der Scheidungs­bedürftigen liefern.

Berlin, 19. Dez. Vom Reichtagsbau. Nach der Denkschrift über den Reichstagsbau beträgt der Baufonds gegenwärtig noch 14 200 000 Die für den Bau noch zu leistenden Ausgaben belaufen sich nach der Berechnung auf 12,200,000 Von dem Baufonds sind mithin noch rund 2,000,000 ^ verfügbar, welche als Sicherheitsfonds zur Bestreitung aller unvorhergesehenen Ausgaben zurückgestellt bleiben.

Ferner sind aus diesem Restbeträge, soweit er die Mittel dazu bietet, die Kosten für die Beleuchtungs- Einrichtungen und für die künstlerische Ausschmückung des Gebäudes zu decken. In wie weit daneben für Beschaffung der Mobiliarausstattung noch Mittel ver­bleiben werden, ist zur Zeit nicht zu übersehen.

Coni, 16. Dez. 5 italienische Alpenjäger unter dem Befehl eines Lieutenants sind auf einem Ausflug bei Saccarello von einer Schnee law ine verschüttet worden; bisher sind 2 Leichen aufge­funden.

Vermischtes.

Nun hat auch Professor Virchow sich über KochsHeilmittel geäußert. Es geschah dem Ber­liner Vertreter des New-AorkerHerald" gegenüber,, der Virchow über diese Angelegenheit interviewte. Es ist unmöglich," sagte Virchow,jetzt ein Urteil über den Wert der Kochschen Entdeckung zu fällen.. Daß es eine merkwürdige und wichtige Entdeckung ist,, unterliegt keinem Zweifel. Ich kann keine Meinung ausdrücken über den Grund, warum die Lymphe nur von Bazillen bewohnte Gewebe angreift, bis Koch uns sagt, woraus die Lymphe hergestellt wird. Den besten Schlüssel zur wirklichen Aktion der Lymphe habe ich in Fällen von tuberkulösen Affektionen des Kehlkopfes gefunden. Kochs Flüssigkeit beschleunigt den Zerfall und die Ausscheidung der Tuberkeln inr Kehlkopf in so hohem Grade, daß, ehe neue erscheinen können, wir den ganzen Kehlkopf heilen können. Die Lymphe ist sehr gefährlich für Kinder und für Per­sonen im vorgerückten Stadium der Lungenschwind­sucht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Heil­mittel erstaunliche Veränderungen bei Lupus herbei­geführt und daß augenscheinliche Heilungen bewerk­stelligt werden. Wir werden abzuwarten haben, ob dieselben lediglich zeitweilige oder wirklich dauernde Heilungen sind. Es wird eines Jahres oder zweier bedürfen, ehe wir sagen können, ob Kochs Heilver­fahren wirksam bei Schwindsucht ist. v. Bergmann und Koch scheinen ziemlich sicher zu sein, daß sie ein Heilmittel für Schwindsucht im Entstehen der Krank­heit besitzen; es mag wahr sein, aber wir haben noch keine Beweise. Möglich, daß wir durch sorgfältige^ zwei- bis dreijährige Experimente im Stande sein dürften, diese Beweise zu erlangen. Es wird behaup­tet, daß Kochs Lymphe eine vollkommene Diagnose für alle Arten von Krankheiten ermögliche, die durch Tuberkelbazillen verursacht werden. Dies gebe ich nicht zu."

s Der 3. und 4. Jahresbericht der unter Pfarrer Hermann Faulhaber in Hall stehenden Anstalten, nämlich des Haller Diakonissenhauses, des evangelischen Bundes - Diakonissenhauses und des Johanniter­krankenhauses für Kinder, ist in einem freundlich aus­gestatteten Hefte erschienen. Der Leser erfährt, wel­chen großen Zuwachs das zuerst gegründete Haller Diakonissenhaus durch ein zweites aus Mitteln des evang. Bundes hergestelltes erhalten und wie sich zu diesen beiden großen Anstalten das reizend gelegene Johanniterhospital für Kinder gesellt hat. Der vor­liegende Bericht wirkt besonders dahin ausklärend, daß er in seiner Rechnungsübersicht nachweist, wie die freiwilligen Gaben" nicht für die Haushaltung und die Krankenpflege, sondern nur für die Ausbildung und Ausstattung der in unsere Gemeinden hinauszu­sendenden Diakonissen verwendet werden, also den Gebern selbst wieder zugut kommen. Die Ordnung des Haller Hauses über seine unentgeltliche Gemeinde­pflege, eine Uebersicht über die freiwilligen Gaben und ein ärztlicher Jahresbericht vervollständigt das Ganze. Wer den Bericht liest, kann den Anstalten nur ferneres Gedeihen und einen reichen Zugang von Frauen und Jungfrauen wünschen, die sich dem Liebes- werke der Diakonissen widmen.

Gottesdienste in den Weihnachts- feiertagcn.

Mittwoch, 24. Dezember.

Nachmittags 4 Uhr im Vereinshaus: Weihnachts-- andacht, nachher Leichte. Herr Dekan Braun.

Donnerstag, 25. Dezember: Keik. Christfest.

Vom Turm: 106.

Vorm.-Pred.: Herr Dekan Braun. Feier des heil. Abendmahls. 2 Uhr Nachm.-Pred.: Herr Helfer Eytel. (Für solche, welche am 24. Dez. verhindert sind, zur Beichte zu kommen, wird am Christfest vorm. 9'/4 Beichte in der Sakristei gehalten.)

Freitag, 26. Dezember: Feiertag Stephanus.

Vorm.-Pred.: Herr Helfer Eytel.

Samstag, 27. Dezember: Feiertag Johannes.

Vorm.-Pred.: Herr Dekan Braun.

Sonntag, 28. Dezember.

Vorm.-Pred.: Herr Helfer Eytel. Bibelstunde, abends 5 Uhr: Herr Dekan Braun.