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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Di- EtnrückungSg-bühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung » Psg- die Zeile, sonst 12 PIg.

Dienstag, den 16. Dezember 1890.

AbsnnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt BO Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch d'e Post biogen Mk. 1. 15, sonst i« ganz Württemberg Mk. I. S5.

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Ortsdkhörden

werden benachrichtigt, daß die Stempel der Orts­behörden für die Arbeiterversicherung, soweit nicht die Stempel der Schultheißenämter verwendet werden können, von denjenigen Gemeinden zu beschaffen sind, welche überhaupt die Kosten der Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung zu bestreiten haben (vergl. Gesetz vom 13. Mai 1890, Art. 4 und 7 Re­gierungsblatt Seite 86 und Ministerialverfügung vom 21. Juni 1890 Reg.-Bl. S. 126).

Zur Lieferung von Stempeln der Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung hat sich Graveur Hasert, Gemeinderath in Stuttgart, bereit erklärt.

Den Ortsbehörden wird noch weiter mitgetheilt, daß Vorsorge getroffen ist, daß außer der mit den Quittungskarten zu vertheilenden ganz kurzen Be­lehrung für die Arbeiter noch eine weitere etwas aus­führlichere für die Arbeitgeber, Gemeindebehörden u. s. w. bestimmte, in der nächsten Zeit zum Vertriebe kommt.

Calw, den 15. Dezember 1890.

K. Oberamt.

Supper.

Deutsches Reich.

Berlin, 13. Dez. Das Kaiserpaar mit Familie übersiedelte gestern nach Berlin. Bis zum 20. Dezember folgt der Kaiser mehreren Jagdein­ladungen. Die Kaiserin Friedrich verbleibt über Weihnachten in Kiel und kehrt mit dem Prinzen und der Prinzessin Heinrich für den Winter nach Berlin zurück.

Die Rede des Kaisers über die Schul­reform hat, wie dieFreis. Ztg." meldet, in einigen

Stellen anders gelautet, als derReichsanzeiger" an­gab. Der Kaiser reiste an demselben Tage, an wel­chem er die Rede gehalten, zur Jagd. Er war daher nicht im Stande, das Stenogramm seiner Rede selbst zu korrigieren. Die Korrektur desselben übernahm Regierungsrat Hinzpeter in Gemeinschaft mit dem Kasseler Direktor Dr. Hartwig. Nach dem Bericht desReichsanzeigers" hat der Kaiser als berechtigt den klassischen Gymnasien dieRealschulen" gegen­übergestellt. In Wahrheit aber soll laut Mitteilungen von Konferenzmitgliedern der Kaiser bei den betreff­enden Stellen gar nicht von Realschulen, sondern ausdrücklich vonMittelschulen" gesprochen haben. Ferner soll das Urteil des Kaisers über die Presse wesentlich anders gelautet haben. Der Kaiser sprach dabei weniger allgemein, als es im Wortlant desReichsanzeigers" erscheint und mehr von ver­bummelten Literaten, welche er mit dem Ausdruck Preßchengel bezeichnete. Der Ausdruck Preßbengel, dessen sich Zuhörer ganz bestimmt erinnern, fehlt in dem Bericht desReichsanzeigers" völlig. Die ganze Stelle macht hier aber im Zusammenhang auf die Hörer einen nicht ganz so ungünstigen Eindruck wie nach demReichsanzeiger". Mitglieder der Konferenz hatten schon erwartet, daß der Kaiser eine nachträg­liche Berichtigung des imReichsanzeiger" veröffent­lichten Wortlautes seiner Rede werde folgen lassen.

Zu der Frage der Rückkehr der Jesuiten nach Deutschland schreibt dieFranks. Ztg.":Es ist hier nicht der Ort, die Frage zu untersuchen, ob der Ultramontanismus gut daran gethan hat, die Jesuiten- Angelegenheit gerade jetzt zur Erörterung zu bringen. Daß etwa die katholische Kirche der Thätigkeit des Ordens unter keinen Umständen entraten könne, wird kein Katholik behaupten wollen, der da weiß, daß sie mehr als 1500 Jahre ohne ihn sich beholfen hat. Vielmehr hat es den Anschein, als sei die Bewegung für die Wiederzulassung der Jesuiten eingeleitet wor­

den in dem Bestreben, die katholischen Wählermassen zusammenzuhalten. Es ist den leitenden Kreisen wohl mehr um Gewinnung und Ausnützung eines zug­kräftigen Schlagwortes, als um Erreichung eines praktischen Zweckes zu thun. Das sind indessen Nebenfragen, die mit dem Kernpunkt der Sache nichts zu thun haben. Entscheidend kann allein die Rechts­frage sein, und da liegen die Dinge klar: Es ist unmöglich, Jemanden wegen bloßer Gedanken zu be­strafen, erst für die That konnte eine Strafe ein- treten. Der Jesuit, der sich eines Vergehens schuldig macht, soll gestraft werden, wie jeder andere Bürger, aber für Handlungen, nicht für Gedanken. Es giebt Leute, die keine Jesuiten sind, und noch ganz andere Ansichten haben, und doch werden sie darum nicht bestraft. Aus verschimmelten Folianten beweisen zu wollen, wie gefährlich der Jesuitenorden für den modernen Staat und die heutige Gesellschaft sei, ist sehr überflüssig. Aber sind denn Staat und Gesell­schaft wehrlos? Haben wir nicht ein Strafgesetzbuch, das jede Verfehlung von der leisesten Uebertretung an rächt? Haben wir nicht Staatsanwälte und Rich­ter, die darüber wachen, daß dem Gesetz Genüge geschehe?"

Eine für Fleischer und Viehhändler wich­tige Bestimmung tritt mit dem 1. Januar 1891 im Bereich der preußischen Staatseisenbahnen in Kraft: Die Viehbegleiter brauchen von diesem Tage ab keine Fahrkarten mehr zu lösen, vielmehr dient in allen Fällen der Besörderungsschein als Fahrausweis und ist in diesem der tarifmäßig zu erhebende Fahrpreis von 2 Pfennigen für das Kilometer zu berechnen. Die Beförderung der Begleiter erfolgt in der dritten Wagenklasse, sofern denselben nicht aus besonderen Gründen ein Platz im Pack- oder Gütenvagen ange­wiesen werden muß, oder dieselben nicht in den be­treffenden Viehwagen Platz nehmen.

Jeuilleton

Das Totenschiff.

Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenemDer fliegende Holländer" genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar

von W. Klark Flusse kt.

(Fortsetzung.)

Noch kurzem Umblick zog ich mich vom Hackebord zurück. Arents stand am oberen Ende der Hinrerdcckstreppe und überwachte augenscheinlich die auf dem Haupt­deck pumpenden Matrosen, sodaß mich seine Anwesenheit weiter nicht beunruhigte.

Das Buschfeuer schimmerte wie ein großer roter Funken durch die tiefe, nächt­liche Finsterniß steuerbordwärts. Das dunkle Himmelszelt im Westen war mit Sternen übersäet, die wie eine Wolke silberner Funken dahinzoqen und sich über unseren schwankenden Mastspitzen zu einer Fülle diamantenen Lichtes vereinigten, jedoch jenseits unserer Raaen am Steuerbord begann all dies prächtige Funkeln von Planeten, Sternschnuppen, Fixsternen, all der Glanz des schönen südlichen Kreuzes langsam zu verblassen und bald ganz zu einer schwachen, unbestimmten Helle zu erbleichen. Ich schenkte dieser seltsamen Veränderung anfangs keine besondere Be­achtung, aber als ich einige Augenblicke später nach dem roten Schein des Busch­feuers auslugte, fand ich, daß es verschwunden war, und mit ihm all die Gestirne die noch kurz zuvor über und hinter ihm gestrahlt hatten.

Einige weitere Minuten machten jeder Ungewißheit über die Bedeutung die­ses scheinbar unerklärlichen Verschwindens ein Ende: ein echter südafrikanischer Nebel senkte sich wie weißer Geschützesdampf auf uns herab, verschleierte den Ausblick, um­klammerte uns mit seinen Fühlhörnern dunstiger Gebilde, bis das ganze Schiff in eine undurchsichtige Wolke eingehüllt war und höchstens noch ein lichter Punkt an Stelle der brennenden Laterne, die zur Bequemlichkeit der Pumper am Hauptmast Hing, sichtbar blieb.

Sechsundoirrzigstes Kapitel.

Wein armes ^iev.

Es war zehn Uhr. Wohl schon eine halbe Stunde hatte ich allein in der Kajüte gesessen, und zwar in Erwartung Vanderdeckens, von dem ich hoffte, daß er bald Herabkommen und zu Bette gehen würde. Ich hörte den Vapagei beim ersten Glockenton ärgerlich an seinem Käfig kratzen, als ob er ungedulvig wäre über die Langsamkeit der Schläge und wütend über die ihn störenvcn lautenIKlänge. Noch summte der letzte Accord durch den Raum, als er seine Schwingen heftig zu be­wegen begann und mit einem Unterton heiseren Gekreisches in dem gewöhnlichen Klange seiner harten Stimme grell und laut heroorstieß:

2M al vsräomck!"

Voiäomä bist Du, Du nicht-würdiger Unglücksprophet!" dachte ich und er­hob dabei unwillkürlich meine geballte Faust drohend gegen seinen Käfig;noch ein solches Geheul kön- te Van VogUaar aus seiner Koje ausstöbern." Er sollte in­dessen jenen Fluch nie wieder im Bereich meines OhreS äußern. Ich schritt zur Kajütenthür und sah, wie der Nebel , ab-, schwarz über dem Deck hing; kein Umriß war sichtbar, nichts zu sehen als d r Laternenschein, der sich aus der dichten Dunst­hülle wie ein schwachschimmernder Glühwurm abhob. Das Geraffel der Pumpe schien in zwanzig verschiedenen Echos aus dem jetzt unsichtbaren Gewirr von runden Mastkörben und rechtwinkeligen Raaen zu Häupten zurückzuschallen. Wie gespenster­haft war das lautlose Schweigen, in dem der Schwengel wie von unsichtbaren Händen geschwungen wurde! Man lauschte und lauschte bis das Ohr zu schmerzen schien nach dem Klange eines im nschlichen Lachens, nach dem heiseren Laut einer menschlichen Stimme.

Während ich so dastand und in die Finsternis hinausstarrte, stieg Vander- decken die Hinterdeckstreppe herab. Die Feuchtigkeit des Nebels funkelte an seinem Barte und seine durchnäßte Pelzmütze flimmerte und glänzte im Lampenlicht. Er blieb in der Thüröffnung stehen und stierte mich unter seinen großen, buschigen Brauen hervor lange an, als ob er überrascht, ja erschrocken wäre, mich hier zu