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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
65. Jahrgang.
Erscheint Dirn S t-g , Donnerstag und Sam» tag. Di- EinrücknngSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung !> Psg. -die.steile, sonst 12 Pfg.
Samstag, den 6. Dezember 1890.
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ganz
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt §0 Pfg. und z. Trägerlohn, durch d'e Post bezogen Ml. 1. 15, sonst i« Vürttemberg Ml. 1. 82.
Amtliche Bekanntmachungen.
. Auf Grund der AH 3, 9 und 140 des Reichsgesetzes vom 5. Mai 1886 (Rchsges.-Bl. S. 132) und des Z 8 der Minist.-Verf. vom 29. Dezember 1886 (Reg.-Bl. 1887, S. 1) ist vom Oberamt der Wert der Naturalbezüge für den ganzen Oberamtsbezirk Calw festgesetzt worden, wie folgt:
1. freie Kost bei männlichen Personen auf 210-^,
„ „ „ weiblichen „ „ 150^,
2. freie Wohnung bei männlichen Personen „ 15-^,
„ „ „ weiblichen Personen „ 15^,
„ „ „ einer Arbeiterfamilie „ 40
3. freier Holzbezug bei einer Arbeiterfamilie „ 40-^,
4. Bezüge eines ledigen Betriebsbeamten
n. für Kost.„ 250
b. „ Wohnnng. 40^,
e. „ Holz und Licht. 30^,
5. freie Wohilung für einen verheirateten Betriebs-
beamten.„7Ko^.
Calw, den 5. Dezember 1890.
K. Oberamt. Supper.
Die Ortsbehiirden
werden auf die Ministerialverfügung voin 3. Dezember 1890, betreffend den Vollzug des Reichsgesetzes vom 22. Juni 1889 über die Jnvaliditäts- und Altersversicherung — Staatsanzeiger Nr. 284 — zur genauen Nachachtung hiemit besonders hingewiesen. Calw, den 5. Dezember 1890.
K. Oberamt. Supper.
Amtliche Kkkiillntalhlmg,
betreffend das Arktischen der Maul- und Klauenseuche.
Die Maul- und Klauenseuche unter den Rindviehständen in den Gemeinden Altheng st ett, Dach
tel, Sommenhardt, Hofstett (Gemeindebezirks Neuweiler) und Oberweiler (Gemeindebezirks Aich- Halden) ist als erloschen zu betrachten.
Calw, den 5. Dezember 1890.
K. Oberamt. Amtmann Bertsch.
Amtliche Kelranntmilchltns,
betreffend Maßregeln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche.
Durch oberamtlichen Beschluß vom heutigen Tage ist das am 25. Okt. d. I. erlassene Verbot des Durchtreibens von Schweineheerden durch den Bezirk, und des Hausirhandels mit Rindvieh, Schafen und Schweinen aufgehoben worden. — Hiedurch tritt auch das allgemeine Vieh-Marktverbot außer Kraft, was hiemit zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird.
Der auf Mittwoch 10. Dezember d. I. in der Oberamtsstadt verfallene Rindvieh- markt wird daher abgehalt-n werden.
Calw, den 5. Dezember. 1890.
K. Oberamt.
Amtm. Pertsch.
Deutsches Reich.
Deutscher Reichstag. (3. Dez.) Abg. Schneider wird durch Acclamation zum Schriftführer gewählt. — Die Uebersicht über die Reichsausgaben und -Einnahmen für das Etatsjahr 1889/90 wird der Rechnungskommission überwiesen. Es folgen Wahlprüfungen. Bezüglich der Wahl des Abg. v. Reden beantragt die Wahlprüsungskommission die Gültigkeitserklärung, sowie über einzelne Punkte des eingegangenen sozialdemokratischen Wahlprotestes die Erhebung von Ermittlungen. Abg. Rickert: Diese Wahl gebe zu den erheblichsten Bedenken Anlaß. Der Kriegerverein zu Oerzen, Kreis Hameln, habe bei Strafe des Ausschusses beschlossen, für den Kandidaten v. Reden zu stimmen. Ein solcher Be
schluß sei gesetzwidrig. Diese Punkte bedürfen der amtlichen Untersuchung. Die Frage der Stellung der Kriegervereine zu den politischen Wahlen werde nicht eher zur Ruhe kommen, als bis dieselben sich nicht mehr in politische Wahlangelegenheiten eimnischen. Die Hauptbeschwerde richte sich gegen den Wahlaufruf, welcher unter dem Titel „Ein letztes ernstes Wort an alle Bergleute und Invaliden" von dem Oberbergrat v. Detten erlaffen sei. Die Kommission habe die Ungehörigkeit dieser amtlichen Wahlbeeinfluß« ung erkannt, sei indes zu dem Resultat gekommen, daß selbst nach Abzug der vorhandenen Anzahl von Bergleuten der gewählte Kandidat immer noch die Majorität behält. Vor allen Dingen müsse man die Thatsache amtlich feststellen lassen, und er beantrage deshalb, die Abstimmung über die Gültigkeit der Wahl auszusetzen und über verschiedene Punkte des Protestes Erhebungen anstellen zu lassen. Abg. Auer (Soz.) schließt sich dem Anträge Rickert an. Abg. Baumbach-Altenburg (Reichspartei): Der größte Teil der Proteste beziehe sich auf den ersten Wahlgang, der ja doch an und für sich »ich: angcfochten ist. Die Angriffe gegen die Krieger- und Militärvereine seien in keiner Weise gerechtfertigt. Abg. Auer: Wenn man (rechts) es so scharf betone, daß die Sozialdemokraten in den Kriegervereinen nichts zu thun haben, dann ziehe man wenigstens die Konsequenzen dieses Standpunktes und weise die Sozialdemokraten auch aus den Kasernen heraus. Abg. Mehnert: Er habe nur gesagt, man kann es den Kriegervereinen für ihre Mitglieder nicht verargen, wenn sie diejenigen, die leichtsinnigen Herzens den Fahneneid vergessen und ihre dem König gelobte Treue mißachten, künftig in ihrer Mitte nicht dulden wollen. Der Antrag Rickert wird in allen seinen Teilen angenommen; dafür stimmt auch der größere Teil des Zentrums. Damit ist der Kommissionantrag beseitigt. Die Wahl des Abg. Schütte wird für gültig erklärt. Es folgt die Berichterstattung über i die Wahl des Abg. Freiherrn v. Münch. Abg. s Frhr. v. Münch: So viel Illusionen der Empfang
Jeuilleion.
Das Totenschiff. """
Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" ^genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. tzlark Buffe kk.
(Fortsetzung.)
So gräßlich indessen die Aussicht auf jenes Ufer auch war: wenn ich daran dachte, daselbst ausgesetzt und allein zurückgelaffen zu werden, so schrumpften doch sofort alle diese Schrecken zu bloßen Gefahren zusammen, die Mut, Geduld und Entschlossenheit wohl überwinden möchten, wenn meine rege Einbildungskraft mir mein Mädchen an die Seite stellte und mich, Hand in Hand mit ihr, diese unermeßliche Oede und Einsamkeit durchwandern ließ. In ihrer Schwäche fand ich meine Stärke, in ihrer Liebe und Ergebenheit meine Rüstung. Großer Gott, wie unaussprechlich kostbar ist dem Manne Deine Himmelsgabe edler Frauenliebe! Wäre Jmogene nicht gewesen, wo würden meine Vorsätze und Entschließungen geblieben sein? Um mir darüber Gewißheit zu verschaffen, brauche ich mir nur zurückzurufen, was ich empfand, als ich das Ufer mit scharfen Blicken musterte und mich daselbst im Geiste allein sah.
Die Sonne war seit einer Stunde untergegangen, das Zwielicht war in nächtliches Dunkel zerflossen und der Himmel erglänzte im Licht der Sterne, als das Totenschiff die östliche Klippe, eine Art von Vorgebirge oder Vorland, passierte und innerhalb einer halben Seemeile vom Strande zum Stillstand kam. Ich hörte Vanderdecken Arents zurufen, das Senkblei an der Seite hinabzulafsen. Dies wurde gethan. Der Kapitän erkundigte sich:
„Was für Neigung hat es?"
„Keine, Herr. Die Leine ist oben und unten wie eine'Eisenstange."
„Refft das Marssegel und die Bramsegel! Untere Segel hinauf! Sehen Sie zu, daß Alles in Bereitschaft gehalten wird, die Anker auszuwerfen. Van Vogelaar!"
Diese Befehle wurden weitergerufen. Im Nu war das Deck lebendig von den dunklen Gestalten sich hin und her bewegender Männer, ein Segel nach dem andern verschwand und sank herab unter dem heiseren Rollen der Blöcke, dem Pfeifen ablaufender Taue, dem Rasseln herabsinkender Raaen.
„Alles fertig vorn?" ries Vanderdecken.
„Alles fertig!" antwortete Van Vogelaar von vorn.
„So laßt den Anker fallen!"
Dem heftigen Aufspritzen und Plätschern des durch das ungeheure Eisengewicht in Aufruhr versetzten Wassers folgte ein heißer, zischender Ton der durch die Klüslöcher rollenden Taue; siedend und kochend fuhr die Flut empor und bildete eine sich stetig erweiternde Fläche schneeweißen Schaumes. Ich hatte Acht, ob das Fahrzeug wohl abfallen, das heißt, sich um den Anker schwenken würde; doch bei dem Fehlen jeglicher Brise oder Strömung lag es bewegungslos auf der ruhigen Meeresfläche, nur daß die Mastspitzm, im Takte mit dem langsamen Heben und Senken der Schwellung, leise hin und her schwankten.
„Zimmermann!" rief Vanderdecken.
Eine heisere Stimme antwortete: „Hier, Herr!"
„Sondieren Sie die Pumpe und lassen Sie mich wissen, wie hoch das Wasser steht."
Nach wenigen Minuten flackerte eine Laterne auf, deren Schein die dunklen Umriffe des Schiffsvolks hervorhob, als sie, einem Irrlicht vergleichbar, über daS Deck dahinhuschte, welches von schwachen Streifen phosphorischen Lichtes belebt war.