606
halten. Schließlich reihte sich noch ein TanzkrSnzchen an, das bis zum Morgen währte.
Z Calw. Das diesjährige Kirchenregister (1. Dez. 1889 bis 30. Nov. 1890) führt 144 Todesfälle gegen 105 im Vorjahre auf. Diese vermehrten Todesfälle haben namentlich unter den Kindern stattgefunden; indem im Kirchenjahr 1888/89 33 Kinder aufgezählt sind, starben im verflossenen 59. Die Zahl der Geborenen beträgt 101 gegen 109 im vorigen Kirchenjahr. Danach wäre die Einwohnerzahl von 4632 Personen des Vorjahres auf 4589 herabgesunken. Das Ergebnis der vorgestern stattgehabten Zählung, welche noch über Zuzug und Wegzug entscheiden wird, konnte heute Abend noch nicht mitgeteilt werden.
— Dem Bericht über den am Samstag abend von Herrn E. Fehleisen gehaltenen Vortrag über „Em Bild aus den Tagen der Calwer Zeughand- lungs-Kompagnie" ist noch folgender Schluß nachzutragen, welcher aus Versehen weggelafsen worden war: „Der Redner knüpfte an seinen Vortrag noch den Wunsch, daß die hier bestehende Industrie sich ebenfalls wieder einen solchen Weltruf erwerbe, wie die Erzeugnisse der Kompagnie. Den Ausführungen folgte lang anhaltender Beifall. Der mit viel Humor gewürzte, fesselnde Vortrag war von der Bürgergesellschaft und auch von anderen Personen sehr zahlreich besucht."
Nagold, 30. Nov. Der 61 Jahre alte Adlerwirt Stockinger hier wurde vor drei Tagen von einem Pferd so unglücklich auf den Unterleib geschlagen, daß gestern Abend der Tod bei ihm eintrat.
Feuerbach, 1. Dez. Heute nachmittag wurden 4 Arbeiter der Bauunternehmer Gerlach und Mößner, welche bei dem Abgraben eines hohen Erdhaufens oberhalb des Feuerbacher Tunnels beschäftigt waren, verschüttet; 2 derselben sind schwer, 2 weniger schwer verletzt. Die Letzteren find Gotthilf Krämer und Weingärtner Falk, beide ledig.
— Die Cannstatter Eisbahn ist seit gestern, Montag, eröffnet.
Kirchheim u. T., 27. Nov. Die Hammelsschlächterei nach Paris wird auch im hiesigen Schlachthaus fortgesetzt und mit regem Eifer betrieben. Wie im vorigen Jahre so helfen sich die Metzger und Schafhalter auch in diesem Winter gegenseitig beim Schlachten aus. Acht Mann beginnen morgens 8 Uhr und sind regelmäßig nachmittags 4 Uhr mit dem Schlachten und Ausnehmen von 240 Hämmeln fertig, so daß abends schon der Waggon fertig geladen zum Transport bereit steht.
Nürtingen, 29. Nov. Gestern abend um 5 Uhr ertönte auf dem Stadtkirchcnturm die Feuerglocke. Es brannte aus dem der Hospitalpflege gehörigen Hofgut Tachenhausen. Eine mit Garben, Oehmd und Hackfrüchten gefüllte Scheuer wurde mitsamt dem darin befindlichen Inventar an Wägen, Schlitten und Chaisen ein Raub der Flammen.
Göppingen, 30. Nov. Vor einigen Tagen versammelten sich auf Anregung von Dekan Schnaidt eine Anzahl ev. Männer uno beschlossen einmütig, an den Bundesrat, Reichstag und die württ. Staatsregierung eine Eingabe gegen die Zulassung der Jesuiten zu machen. Der Wortlaut der Eingabe ist bereits veröffentlicht worden; an zahlreichen Unterschriften wird es gewiß nicht fehlen. — Unsere Kampf-
genossenschast beging gestern abend die 20jährige Gedenkfeier der Schlacht von Champia nr> - V illiers mit Reden, Gesang und Musik. — Von. Geislingen kam die Nachricht, daß einer unserer Mitbürger, Be- schlägfabrikant und Gemeinderat W. Baier, auf einer Geschäftsreise begriffen, auf der Straße von Gerstetten nach Geislingen verunglückt sei. Er glitt auf dem schlüpfrigen Boden aus, fiel und erlitt einen schweren Beinbruch. Ein später des Wegs kommendes Fuhrwerk nahm den Verunglückten auf; er wurde in das Geislinger Krankenhaus verbracht.
Heidenheim, 28. Nov. Vor etlichen Wochen erschoß" sich in Schnaitheim Polizeidiener Sch. Als er beerdigt wurde, ging Gemeinderat B. in die Kirche und entriß den Knaben, die läuteten, die Glockenstränge und bedrohte sie mit Schlägen, falls sie wieder läuten würden. Für diese Nötigung wurde er von der Strafkammer zu Ellwangen um 100 gestraft. Erschwerend wirkte, daß durch das unüberlegte Vorgehen des Angeklagten die Beerdigung gestört wurde. Schw. M.
Waldsee, 26. Nov. Gestern nacht ist der 1873 neuerbaute fürstl. sog. „Sennstadel" an der Straße von Wolfegg zum Bahnhof bis auf die kahlen Mauern niedergebrannt. 5—6000 Zentner Futter sind zu Grunde gegangen. Das in den Stallungen untergebrachte Vieh (105 Stück) wurde gerettet.
Ulm, 29. Nov. vr. wsä. Fischer von hier, welcher sich bei einer Operation verletzte und bald darauf erkrankte, ist letzte Nacht an Blutvergiftung gestorben.
Aus Baden, 25. Novbr. Uhrmacher seien mit Nachstehendem auf einen Schwindler von besonderer „Güte" aufmerksam gemacht. Ein Gauner, der kürzlich zum Nachteile eines Offenburger Uhrmachers 5 goldene Damenuhren im Werte von 500 ausgeschwindelt, treibt seine Betrügereien in den süddeutschen Städten weiter. So betrog er mehrere Geschäftsleute in Frankfurt, begab sich dann nach Kaiserslautern, woselbst er ebenfalls bei einem Uhrmacher ganz auf dieselbe Weise wie in Offenburg 5 Stück Uhren erschwindelte. In der abgelaufenen Woche tauchte der Schwindler in Heilbronn auf und es glückte ihm wiederum, 5 wertvolle Damenuhren auf betrügerische Art und Weise zu erlangen. Die Behörden haben es mit einem geriebenen Gauner zu thun, der stets seinen Namen wechselt und durch sein gewandtes Auftreten das Publikum zu täuschen versteht.
Hechingen, 29. Nov. Vorgestern nachmittag wollte ein junger Mann aus Gruol mit einem kleinen Gefährte, das mit einigen Zentnern Eisen beladen war, die Staige hinunterfahren. Da das Pferd, welches für die schneeglatte Straße nicht geeignet beschlagen war, immer ausglitt, so kam dem Fuhrmann der Gedanke, das Pferd auszuspannen und den Führer des Wagens selbst zu machen. Er nahm die Deichsel zur Hand, der Wagen kam in Lauf und der Mann konnte von Glück sagen, daß er an einer Hausecke, an welcher er anfuhr, nicht erdrückt wurde. Die zu vergütende Beschädigung an dem Hause war nicht bedeutend.
Stettin, 29. Nov. Trotz heftigem Schneetreibens war auf der Werft des „Vulkans" eine zahlreiche Menschenmenge versammelt, welche dem Schauspiel des Stapellaufs des neuen Dampfers der
Hamb.-Amerik. Packetfahrtaktiengesellschaft anwohnen wollten. Der Taufakt wurde von der Nichte deL Fürsten Bismarck, Frau Gräfin Bismarck-Kniephof, vorgenommen. Bei dem nachher im Hotel de Prusse stattfindenden Diner brachte der Präsident der Ham- burg-Amerik. Packetfahrt-Gesellschaft ein begeistertes Hoch auf den Fürsten Bismarck aus.
München, 28. Nov. Der am 22. d. auf dem Zentral-Bahnhof wegen betrügerischen Konkurses und Wechselfälschung verhaftete Kaufmann Ekelmann aus Großbuchlitz besaß zwei Kassettenschlüssel und eine Wandbildskizze, welche letztere vermutlich den Ort darstellte, an dem das unterschlagene Geld vergraben war. Ein sächsischer Polizist namens Hammer recherchierte auf Grund dieser Skizze im Wiener Wald,, dem letzten Aufenthalte Ekelmanns, und fand daselbst trotz der Schneedecke beide Kassetten, in welchen sich 5 bayrische Staatsobligationen ü 10000 und 6 italienische Staats-Nentenscheine ä 10000 Lire befanden.
Als Hausmittel gegen Verstopfung und davon herrührende Unterleibs- und Magenbeschwerden, Leberleiden, Kopfweh, Kongestionen, eingenommenen Kopf, bewähren sich vorzüglich die Zacharias-Pillen. Zu- beziehen durch die Apotheken. Preis 90 Pfg. die Schachtel. Versendung auch nach Auswärts gegen Briefmarken. (Porto 20 Pfg.)
Milde aber prompte Wirkung; keine nachfolgende Erschlaffung der Organe, nervenanregend, angenehm zu nehmen. Garantiert unschädlich. 1—2 Stück vor Schlafengehen genommen, genügen.
Niederlage bei Apotheker Bach in Wildberg und Reihlen L Scholl in Stuttgart.
Den Empfehlungen der Kranen haben die echten Apotheker Aichard Brandt's Schweizerpillen, welche in den Apotheken L 1.— erhältlich, unzweifelhaft einen großen Teil ihres heutigen Erfolges zu verdanken, indem ihre angenehme, sichere, absolut schmerzlose Wirkung bei den Frauen alle anderen Mittel verdrängt haben und heute allein bei Störungen in der Verdauung (Verstopfung), Herzklopfen, Blutandrang, Kopfschmerzenec. angewandt werden. Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandteile sind: Tilge, Moschus- garbe, Aloe, Absynth, Bitterklee Gentian.
Oefferrtlicher Uortrag
am Sonntag, den 7. Dez. 1890, Mittags 4 Uhr,.
von Herrn Amtmann Dr. Schön mann,
Coll. Hilfsarbeiter der K. Centralstelle für Handel, und Gewerbe über das
Jnvaliditäts- und Altersvcrsicherungsgesetz.
Bei der großen Wichtigkeit dieses mit dem 1. Januar 1891 in Wirkung tretenden Gesetzes richten wir an die Arbeitgeber sowohl als an die Arbeiter die dringende Einladung, diesen Vortrag zu besuchen. An die Arbeitgeber richten wir noch die besondere Bitte, ihre Arbeiter auf diesen Vortrag aufmerksam zu machen. Männer und Frauen sind eingeladen.
Am Sonntag Nachmittag sind die Lesezimmer, geschlossen.
Verwaltungsrat der Georgenäums-Stiftung.
Gedenket der hungernden Vöglein.
leicht eintreten. In diesem Falle würde Vanderdecken gezwungen sein, sofort wieder, mit oder ohne Leck, in See zu stechen, denn es war kaum annehmbar, daß bloßer Hanf an dem Fluche teilhabe, und die Kabeltaue, welche ich von einigen Matrosen aus dem Kielraume heraufbrmgen und an den akn Bug hängenden Ankern befestigen sah, waren sicherlich nicht im Stande, diesen Riesenklumpen von Fahrzeug, das hoch über Wasser stand und in den oberen Regionen turmdick war, auch nur für zwanzig Minuten einem heftigen Winde zum Trotz festzuhalten.
Aus diesem Grunde sagte ich zu Jmogene, als ich wieder einmal mit ihr allein war und uns nur noch eine Entfernung von einer Seemelle vom Lande trennte, während die Sonne bereits tief im Westen stand: „Geliebte, ich habe mich entschlossen, einen energischen Versuch zu machen, unsere Flucht noch heute Nacht zu bewerkstelligen."
„Ich bin bereit," lautete die schnelle Antwort. „Du brauchst mir nur zu sagen, was ich zu thun habe."
„Wir dürfen das jetzige prachtvolle Wetter nicht unbenutzt vorübergehen lassen," fuhr ich fort. „Es ist eine unbeständige Jahreszeit: in einem halben Dutzend Stunden mag eine Wandlung eintreten und Vanderdecken zwingen, mit arbeitender Pumpe in See zu gehen. Jmogene, jener Augenblick darf uns nicht mehr an Bord finden.
„Nein."
„Der Mond geht nicht vor elf Uhr auf; wir müssen fort sein, ehe er über dem Horizonte emportaucht, denn er scheint hell in diesen Himmelsstrichen."
„O, Geliebter, ich bin ja bereit," wiederholte sie. „Aber, Geoffroy, wage nichts auf die bloße Besorgnis hin, daß sich das Wetter ändere. Du möchtest durch allzu große Hast Dein Leben in Gefahr bringen und — die morgende Nacht ist vielleicht ebenso ruhig als die heutige und der Mond wird ebenso spät sein."
„Jawohl, aber rate mir nicht von jedwedem Wagnis abzustehen!" rief ich auS. „Wir müssen eben Alles wagen — das Ungefähr an Bord und das Ungefähr außerhalb des Schiffes — oder wir sind auf Lebenszell an dieses Fahrzeug gefesselt."
Sie lächelte als Zeichen, daß sie sich in das Unvermeidliche ergab. Mit forschendem, leidenschaftlichen Blick schaute ich sie an, aber niemals blickte einem Liebhaber aus den Augen seines Mädchens ein tapfereres und entschlosseneres Herz entgegen. Ich fand diese furchtlose Hingabe um so bewunderungswürdiger wenn ich an die Angst dachte, die sie noch jüngst wegen der an der Küste uns drohenden Gefahren geäußert hatte, zumal der ferne Buschrauch, nach dem sie, wie ich beobachtete, ihre Blicke zu wiederholten Malen richtete und dessen Bedeutung sie vollkommen verstand, eigentlich diese Angst in ihr von neuem wachrufen und noch erhöhen mußte.
Das Schiff schwamm langsam vorwärts. Die Küste erstickte die Brise, doch umso besser, denn es war noch genug davon vorhanden, uns in die Bai hineinzu- ttagen, und dann, einmal vor Anker, konnte sie nicht bald genug ersterben, um meinen Wünschen zu dienen. Alles war fertig auf Vorderdeck zum Ankerwerfen. Die Mannschaft stand in bleichen stummen Gruppen umher und wartete auf den Befehl, die Segel zu bergen. Das einzige Leben der wunderbaren Barke schien in der Pumpe und ihrem automatenhaften Schwingern zu liegen, so tief war das Schweigen unter dem Schiffsoolk, so unbewegt und starr seine Haltung. Und dazu kam die Totenstille am Lande. O, diese Einsamkeit! Ich stellte mir vor, wie ich daselbst am Ufer stünde — das Schiff fort — Jmogene fort! Ich stand im Geiste am Strande, hinausspähend auf die weite, offene See, neben mir eine alte und vielleicht wertlose Muskete, einige Patronen und ein Häuflein Lebensmittel für eine Woche! Das Brüllen der Brandung hallte mir im Ohre, jedes Rascheln oder Seufzen des Windes im nahen Busche erschreckte mich, rechts und links dehnte sich die Küste in endlosen Meilen aus. und vor mir die weite Wafferwüste, deren vielstimmiges Brausen in tausend Uferhöhlen nach Osten und Westen und in den riesigen. Bergesklippen des fernen Innern ein unheimliches Echo fand.
(Fortsetzung folgt.)