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pflegt werden, auch von den Gesellen wurde er mit Brot, Tabak und Getränke bewirtet und zwar so lange, bis der Geselle erklärte, er habe jetzt genug. Zu welch hübschen Szenen das führte, läßt sich denken, und es beklagten sich daher auch die Gesellen über die bedeutenden Unkosten. Jeder Geselle mußte wandern, durfte aber bei keinemStümpler" arbeiten, sonst mußte er wieder 3 Jahre lernen; kündigen durste ein Geselle, am gleichen Orte fand er aber dann keine Arbeit. Die Gesellen wurden unter stren­ger Zucht gehalten und nur wenige erlangten die Meisterschaft; es war dazu ein Meisterstück und die Einwilligung der Meister notwendig. Meistersöhne konnten sich nach Belieben in die Zunft einkaufen. Das Annehmen von Lehrlingen war gewissen Schran­ken unterworfen; die Eltern mußten unbescholten und nicht von einem Nachrichter abstammen, die Meister sollten aber den Jungen nicht für ein Vieh, sondern für einen Menschen halten. Die Zeugmacher durften die Waren nur an die Gesellschaft verkaufen und alle im Lande gefertigten Tücher mußten im Lande ge­färbt werden. Im Jahr 1740 wurden 2 General­schöner für das ganze Land aufgestellt; was nicht vorschriftsmäßig an den Tüchern erschien, wurde mit einem Stempel, den man Voulks-voiw nannte, be­zeichnet. Diese Tücher durften dann nur stück- oder ellenweise verkauft werden. Wegen des Stempels gab es viel Streitigkeiten; die Knappen, welche der Stümplerei sich schuldig machten, waren abhängig von den Kaufherrn, letztere mußten aber schon wegen des Absatzes auf gute Waare sehen; auch durch einen Vergleich im Jahr 1653 wurde an dieser Sachlage nicht viel Heändert. Die innere Einrichtung der Com­pagnie war durchaus zünftig; jedes Mitglied hatte 1 Stimme; die einzelnen Geschäftszweige waren ge­teilt und wurden je nach der Fähigkeit der Mitglieder zugewiesen. So besorgte im Jahre 1787 I. I. Dör- tenbach die Correspondenz, Buchhalter war Zahn u. s. w. Im Jahr 1595 wurden 300 Weber und Tuchmacher in der Stadt gezählt, 20 Jahre später hatte die Compagnie schon einen ganz bedeutenden Aufschwung genommen, besonders durch die Anfertigung verschie­denartiger Zeuge, die durch die Bemühungen eines Italieners sehr vervollkommnet wurden. Als höchste Leistung der Kompagnie werden 70000 Stück Zeug L 12 Ellen angegeben. Eine große Zahl von Leuten bezog also die Mittel zu ihrer Unterhaltung ganz oder zum Teil von der Compagnie; im ganzen rech­net man in der Blütezeit 7433 Personen. Der Er­trag der Compagnie war mitunter sehr verschieden. Staelin giebt in den Jahren 17761792 den Ge­winn des einzelnen Teilhabers bei einer Einlage von 14,600 fl. auf 1050 fl. oder 7'/-. "/<. an. Es ist aber anzunehmen, daß der Gewinn ein größerer war, da einige Calwer Familien nach Verlauf weniger Jahre sehr wohlhabend wurden; auch ist noch zu be­merken, daß der Wert des Geldes damals ein ganz anderer war. Redner faßt nun seine Ansicht über den Verfall der Compagnie dahin zusammen: Ursprüng­lich eine Quelle des Segens, sei die Compagnie ge­fallen durch eine Reihe von Verhältnissen, die das Geschäft herabdrückten. Der Hauptgrund des Zer­falls liege aber in den Monopolen der Gesellschaft, auf denen sie ausgeruht und sich kein neues Leben eingehaucht habe. Deshalb sei die Compagnie nach seltener Blüte im Jahr 1797 erloschen.

Stuttgart, 26. Nov. Der Vorstand des Berliner Tierschutzvereins verbreitet einen Aufruf, worin auf die ganz unnötigen Martern hingewiesen wird, welche im Deutschen Reich beim Töten von über 100000 Schlachttieren täglich verübt werden und die leicht vermieden werden könnten durch die Be- täubung der kleinen wie der großen Schlachttiere durch Beilschlag, Schlachtmaske oder andere zweckmäßige Betäubungsmittel. Selbst wenn wir absehen, heißt es in dem Aufruf, von dem Erbarmen für die ge­quälten Tiere, so müssen wir schon aus Rücksicht auf die Sitten der Menschen ein humaneres Schlachtver- fahrqn anstreben; besteht doch ein unleugbarer Zu­sammenhang zwischen den Grausamkeiten gegen Tiere und den Rohheiten, Vergehen und Verbrechen gegen die Menschen. Der Aufruf ist unterzeichnet von einer großen Zahl hochangesehener Persönlichkeiten. Wir nennen davon die Feldmarschälle Graf Moltke und Graf Blumenthal, den Reichstagspräsidenten von Levetzow, den Reichsgerichtspräsidenten Dr. Simson, Professor Dr. Zeller in Berlin. Aus Württemberg finden sich die Namen Prälat Dr. v. Merz, Ober- konsistorialrat Dr. Wittich, C. v. Schrandolph, Direk­tor der Kunstschule in Stuttgart, Bischof Dr. v. Hefele von Rottenburg, Reichstagsabgeordneter Graf Adelmann in Adelmannsfelden, Regierungspräsident v. Luz in Reutlingen.

Münsingen, 28. Nov. Von Feldstetten ist ein trauriger Fall zu berichten. Der 13jährige Knabe einer dortigen Familie hat gestern nachmittag in der Scheuer seiner Eltern scherzweise das Erhängen probiert, indem er nach Anhören der Erzählung eines Erhängungsfalles geäußert hatte, das könne er nicht glauben, daß man ersticken könne, wenn man beim Erhängen mit den Füßen auf dem Boden stehe. In Beisein seiner 2 jüngeren Schwestern steckte er den Kopf in die Schlinge eines herabhängenden Seils und sagte noch: Wenn ich schreie, so schreiet auch, da er aber bald erbleichte, sprangen die 2 Mädchen davon und als es die Mutter nach fast einer Stunde von diesen erfuhr, war es zu spät und der Knabe, ein lebhaftes, aufgewecktes Kind, schon tot. Der Jammer in der Familie ist groß.

Für die bevorstehende Landtagswahl im Bezirk Maulbronn werden als Kandidaten ge­nannt: Schultheiß Kälber in Wurmberg, der res. Schultheiß Daur in Enzberg und der frühere demokr. Abg. Combe, Qekonom in Büschleshof, OA. Maul­bronn. Schultheiß Kälber wird von den National­gesinnten unterstüzt, wobei übrigens zu bemerken ist, daß auch Schultheiß Daur gut nationalgesinnt ist und wie uns aus dem Bezirk geschrieben wird, manche Stimme erhalten wird. Eine geschlossene Deutsche Partei giebt es im Bezirk Maulbronn nicht; von einem Kandidaten der Deutschen Partei kann insofern nicht gesprochen werden. Zu wünschen wäre, daß die Nationalen Maulbronns sich rechtzeitig einigen würden, darmt eine Zersplitterung vermieden wird.

Schw. M.

Eingesendet.

Beim Herannahen der Weihnachts- und Haupteinkaufszeit richten wir an alle Familien­väter und Hausfrauen und besonders auch an die­jenigen, welche geschäftliche Rücksichten nicht zu nehmen

haben, die Bitte, ihre Einkäufe womöglich- nm am Platze zu machen. Beamte werden namentlich in dieser Zeit mit Katalogen, Offerten u. s. w. haupt­sächlich von Leipzig, Hamburg, Bremen, Berlin und auch von Württemberg. Orten förmlich überschwemmt und wohl viele werden mit den gemachten Bestellungen schon schlechte Erfahrungen gemacht haben. Tie Meinung, daß man außerhalb besser und viel billiger kaufe, hat sich doch in den meisten Fällen als irrig: erwiesen. Es wird auch hier des Guten so viel ge­boten, daß man nicht nötig hat, außerhalb sich um-- zusehen und sein Geld zu verreisen, wodurch die Waren gewiß nicht billiger werden. Früher galt es ja als fein, seine Bedürfnisse für schweres Geld vom Ausland her zu beziehen, das hat nun zwar größten­teils aufgehört, aber dafür sind nun die größerem Städte in d-e Stelle getreten. Wir sind der Ansicht, daß man seine Geschenke von denjenigen Geschäfts­leuten kaufen soll, unter denen man wohnt und mit denen man verkehrt, wenn man am Platze ebenso gut einkaufen kann als in den großen Hauptstädten. Damit ist dem Käufer wie dem Verkäufer gedient und auch die Gesamtheit hat ihren Nutzen davon.

X.

Als Hausmittel gegen Verstopfung und da­von herrührende Unterleibs-, Magen- und Nerven- Beschwerden, Hämorrhoiden, Kopfweh, Con- gestionen, Blähungen rc. bewähren sich vorzüglich die Zacharias-Pillen. Milde aber sichere Wirkung. Keine nachfolgende Erschlaffung des Magens. An­genehm zu nehmen, nervenanregend, garantiert ui^schädlich. 12 Stück vor Schlafengehen ge­nügen. Zu beziehen durch die Apotheken. Versen­dung auch nach Auswärts gegen Briefmarken. (Porto 20 Pfg.) Preis 90 Pfg. per Schachtel.

Niederlage bei Apotheker B a ch in Wildberg, und Reih len L Scholl in Stuttgart.

Calw.

Landwirt. Bezirks?; ereirr.

Am 1. Januar 1891 beginnt ein neues Abonne­ment auf das landw. Wochenblatt. Da dessen kosten­freier Bezug mit dem Eintritt in den landw. Verein verbunden ist, und zum Zweck der Fertigung der Postlisten die Mitgliederliste spätestens am 10. Dez., nach Stuttgart abgeschickt werden muß, so werven alle diejenigen, welche dem landw. Verein Leitreten wollen, gebeten, sich vor dem 10. Dezember mündlich oder schriftlich bei dem Vereinskassier Ansel anzumelden. Spätere Meldungen würden erst vom 1. Juli 1891 ab zum Bezug des landw. Blatts berechtigen. Der Austritt aus dem Verein kann nur durch Abmeldung vor dem 10. Dez. er­folgen. Wer diesen Termin versäumt, hat seinen Beitrag für das Jahr 1891 fortzuentrichten.

Die Herren Ortsvorsteher werden ersucht, zum Zweck der Richtigstellung der Mitgliederliste ebenfalls vor dem 10. Dez. dem Kassier Ansel anzuzeigen, welche Mitglieder wegen Todes oder Wegzugs zu streichen sind.

Calw, den 1. Dez. 1890.

Der Vereinsvorstand:

Supper.

Der Vereinskassier:

Ansel.

ja vor Lauschern nicht sicher waren, schon zu lange gewährt. Bald darauf begaben wir uns hinab zum Mittagessen.

Draußen schien die Sonne in vollster Pracht und das blaue Luftmeer zeigte die Reinheit und Durchsichtigkeit geschliffenen Glases; doch nur ein kleiner Bruchteil des Lichtes fand Eingang zu uns durch die kleinen Fenster m der Kajütenfront und wir aßen und blickten einander an in einer düsteren Halbdämmerung, dis ebenso melancholisch stimmte wie der Ausdruck in VanderdeckenL Gesicht. In diesem Augen­blicke sehe ich ihn noch ebenso deutlich vor mir als' an jenem Tage: wie sein langer Bart auf die Brust herabwallt, sein Kopf sich leicht nach vorn neigt, seine Blicke in wagerechter Richtung umherwandern, um oftmals starr und fest auf einem Gegen­stände haften zu bleiben, wie seine Haut die Bläffe des Todes wiederspiegelt. Sein Anzug bestcknd aus einer Art Blouse von dunkelgrünem Tuch, die um die Hüften von einem gelben mit einem kleinen Metallschloß versehenen Gürtel zusammenge­halten wurde.

Während des ersten Tecks der Mahlzeit saßen wir Alle schweigend an der Tafel. Niemand sprach. Doch als ich mir überlegte, daß nickits, was ich sagen könnte, mir ein noch härteres Geschick als das mir von diesen Männern bereits be­stimmte zuzuziehen vermöchte, beschloß ich, ein oder zwei Fragen zu thun, und sagte: Hat Ihr Schiffezimmermann entdeckt, in welchem Teile des Schiffes das Leck sich befindet, Mynheer?"

Langsam wandte er seine Augen mir zu. Er war wirklich in Allem, was er that, würdevoll und gesetzt. Ich habe ihn niemals schnell emporblicken oder nur irgendwie rasch auffahrcn sehen, und das einzige Mal, wo ihn sein würdevolles Be­nehmen verließ, war in jener Nacht, wo er schlafwandelnd die Fluchscene wiederholte.

Ja," lautete seine Antwort.

Ist es weit unten?" forschte Jmogene.

Das Schiff muß vier Gänge tief auf die Seite gelegt werden," erwiederte er.

Ich ließ mein Messer auf den Boden fallen, um mich danach bücken und so

den Ausdruck der Freude in meinem Gesicht verbergen zu können. Eine Neigung von vier Gängen würde sich leicht und bald bewerkstelligen lassen, und meine Be­fürchtungen, daß sich das Fahrzeug wohl gar einen Monat lang an dieser Küste aufhalten könnte, waren hierdurch beseitigt.

Ich hoffe," sagte ich,daß es sich nicht schlimmer erweisen möge als ein gesprungener Plankenknopf."

Das ist es und nichts Aergeres," versetzte er.

Wie viel mehr und schlimmer wünschten Sie es denn eigentlich, Herr Fenton?" rief Van Vogelaar in seiner häßlichsten Manier dazwischen.Denken Sie denn, unsere Pumpe vermöchte mit j edem Drucke die halbe Südsee von sich zu geben, he?"

Es sollte uns nach meiner Berechnung nicht mehr als vier Tage leichter Arbeit kosten," entgegnete ich,um zu kielholen, auszubesiern und uns, bequem ge­staut, wieder frisch auf den Weg zu machen."

Sie haben es ohne Zweifel sehr eilig, Herr, nach Hause zu kommen!" krächzte Van Vogelaar.

Herr," unterbrach ich ihn,ich spreche jetzt mit dem Kapitän."

Master," rief der unleidige Bursche,Herr Fenton hat es eilig, nach Hause zu kommen! Wir sollten ihm eigentlich Gelegenheit geben, eine schnellere Reise zu machen."

Ich hege die Erwartung, in diesem Schiffe heimkehren zu dürfen," versetzte ich und richtete meine Augen auf Vanderdecken.Ich könnte mir kein schnelleres wünschen. Kein besseres Fahrzeug existiert aus dem weiten Weltmeere. Erwägen Sie doch, Mynheer, wie vortrefflich 'es sich in den Stürmen, die über uns herein­brachen, gehalten! Es würde mich freuen, wenn Sie den kleinen Teil Geschicklichkeit, den ich als Matrose besitze, zur Unterstützung Ihrer Leute benutzen wollten. Aber Ihre Höflichkeit ist ohne Grenzen und von jener F>-r . wie man sie in höchster Vollkommenheit bei dem Holländer von guter Abkun antrifft, und so will ich denn, meine eigene Höflichkeit nicht durch weitere Bitten in F rge stellen." (Forts f.)