.irsau
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw
M 139
».LI
MÄ-
>MI«!
SSKäL
WÄftlÄWM!
WMF-
Erscheint Di-ns tag, D-nn-r»t°g und 8-mSt-g. Di- EinrückungSg-bühr b-tr»gt im Bezirk und nSchster Um- ,«bung » Psg. dt« Zeile, sonst 12 Psg.
Donnerstaq, den 27. November 1890
NbonnementSpreir vierteljährlich in der Stadt W Pfg. nn» rv Pf«. Lrägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. IS, sonst in ganz Württemberg Mk. 1. Sb.
Tages-Neuigkeiten.
Calw. Am Montag abend drohte nach anhaltendem Regen die Nagold aus ihren Ufern zu treten. Zum Glück verwandelten sich die Nieoerschläge in der folgenden Nacht in Schnee, worauf ein weiteres Steigen nicht eintrat. Heute Mittwoch morgen waren die Straßen reichlichmit Schnee bedeckt, dabei zeigte das Thermometer um 9 Uhr vorm, noch den niedrigsten Stand in verflossener Nacht von 4 Grad unter Null.
Freudenstadt, 24. Nov. Die am Forbach wohnenden Bewohner von Chriftophsthal und Friedrich sthal haben eine Nacht des Schreckens und der Zerstörung hinter sich. Durch unaufhörliche, mit großen Stürmen niedergehende Regengüsse wurde eine große Wassersnot hervorgerufen. Von allen Seiten stürzten Bäche hernieder, da und dort neue Bette aufwühlend. Der zum Strom angewachsene Forbach hat an vielen Stellen die Uferbauten, die Wehre und Fallen zerstört, die Wiesen überschwemmt, guten Boden weg- und Geröll, Steine, Balken herzugeführt. Der Schaden ist groß. Er trifft zumeist das K. Hüttenwerk, aber auch den Besitz einzelner Arbeiter desselben. Aus vielen Ställen mußte das Vieh gerettet werden. Da und dort waren selbst Menschenleben bedroht. Leider regnet es noch weiter. Besonderer Schaden wurde auch an einigen Sägmühlen angerichtet. Einlaufkanäle, Wehre wurden ganz zerstört, Bretterlager fortgeschwemmt. Kleinere Stege wurden weggerissen, Brückenpfeiler unterwühlt. An einer Brücke staute sich viel Wasser; dasselbe lief in die benachbarten Wohnhäuser, so daß die Bewohner mit Mühe die Betten und das Vieh retteten. Die hiesige Feuerwehr würde nachts 11 Uhr durch Sturmläuten und Signale zur Hilfe gerufen. In Friedrichsthal standen die Beamten und Arbeiter
des Hüttenwerks die ganze Nacht in Thätigkeit, um den Zerstörungen möglichst Einhalt zu thun.
Ludwigsburg, 25. Nov. Die Bewohner von Neckarweihingen und Hoheneck wurden gestern abend durch das plötzliche starke Anschwellen des Neckars in große Besorgnis versetzt. In den unmittelbar am Neckar gelegenen Häusern hielt man sich schon zur Räumung der Wohnungen bereit. Doch erfolgte glücklicherweise in der Nacht kein merkliches Steigen des Wassers mehr. Der Fluß ist indessen an mehreren Stellen über seine Ufer getreten.
Gmünd, 24. Nov. Die furchtbaren Regengüsse der vergangenen Nacht schwellten die Rems zu größerer Höhe an, als es in den Weihnachtstagen 1882 der Fall war. Eine Anzahl Stege sind weg- erissen und das mit großen Kosten bei der Rinder- achermühle hergestellte Wehr hat großen Schaden gelitten. Beim Barackenlager der Artillerie bildete sich ein förmlicher See und auch die Werner'sche Badanstalt hat über Schaden zu klagen. Heute Abend ist das Wasser bedeutend gefallen.
Tübingen, 22. Nov. Gestern Abend hielt Prof. Dr. Bruns im naturwissenschaftlichen Verein einen Vortrag, in welchem er seine während eines dreitägigen Aufenthalts in Berlin gewonnenen Beobachtungen über das Dr. Koch'sche Heilmittel darlegte. Er beobachtete über 50 in Behandlung befindliche Kranke, welche an verschiedenen Arten von Tuberkulose litten. Eine vollständige Heilung ist bei keinem Kranken bis jetzt sestzustellen. Nur leichtere Fälle der Lungentuberkulose können durch das Mittel behandelt werden, das sich übrigens als vortreffliches diagnostisches Hilfsmittel erweist uud dessen Wirkungen wahrhaft wunderbar sind. Der gelehrte Professor bedauert die frühzeitige Veröffentlichung. Eine große Enttäuschung werde bei Gelehrten und Kranken einreißen. Der geniale Dr. Koch verdiene immerhin
unsere höchste Bewunderung und Dank, denn seine Entdeckung sei Epoche machend für die Behandlung der Tuberkulose.
Urach, 25. Nov. In der Papierfabrik zum Bruderhaus in Dettingen wurde am letzten Samstag eine seltsame Entdeckung gemacht. Unter einer Partie Hadern, die schon vor längerer Zeit von auswärts der Fabrik zugeführt wurden, fand sich anläßlich des Sortierens die Leiche eines in ganz ausgetrocknetem Zustand befindlichen kleinen Kindes vor. Ob hier ein Verbrechen vorliegt oder welche Bewandtnis es überhaupt mit diesem seltsamen Fund hat, dürfte wohl klar zu stellen schwer halten, so sehr zu wünschen wäre, daß man dem wahren Sachverhalt auf den Grund käme und Licht in dieses Dunkel brächte.
Berlin, 25. Nov. Nach der Nordd. A. Z. hat bei der zwanglosen Unterhaltung nach dem gestrigen parlamentarischen Essen bei Caprivi der Kaiser wiederholt Windthorst angesprochen und sich angelegentlich nach seinem Befinden erkundigt. Der Kaiser sprach gegenüber einigen Abgeordneten seine Befriedigung über die sachliche Erörterung der Reformvorlagen im Abgeordnetenhause aus; er wünsche eine sachliche Kritik. Der Kaiser geißelte die Unfruchtbarkeit der sozialdemokratischen Kongresse für die Arbeiter und bekannte sich als Feind religiös-dogmatischer Zänkereien. Er tadelte die Politiker, welche sich auf zersetzende Politik beschränken. Sodann berührte er die Entwicklung des Verkehrswesens und sprach sich für den Ausbau der Wasserstraßen und Kanäle aus. Er betonte deren strategische Bedeutung und deren Eignung für den Transport von Kranken und Verwundeten.
Hamburg, 21. Nov. Seeräuber überfielen Donnerstag nacht den auf der Unterelbe ankern;
Jeuilleton.
Das Totenschiff.
Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. Kkark N«ssekk.
(Fortsetzung.)
„Geoffroy, wenn sie Dich an der Küste aussetzen, werde ich Dir folgen. Das Loos, das für Dich gut genug ist, ist auch für mich gut genug. Und wahrhaftig, ich will lieber am Ufer elendiglich zu Grunde gehen als verschont bleiben und bei grausamen Ungeheuern, die Dich gemordet, weiterleben müssen."
Ich dachte einen Augenblick nach und versetzte dann: „Dieser ihr Entschluß verbürgt mir wenigstens vorläufig eine gewisse Sicherheit. Wenn ich ausgesetzt werden soll, so wird man mich sicherlich in der Zwischenzeit unbehelligt lasten. Deshalb scheint es mir, daß ihre Entscheidung unsere Aussichten beträchtlich verbessert . . . Nein, es ist in ihren Absichten nichts vorhanden, was mich erschrecken könnte. Im Gegenteil sehe ich deren Ausführung mit solchem Entzücken entge -n, daß wir zu Gott beten wollen, Vanderdeckens Sinn möge sich nicht wieder ändern."
Sie wußte anfangs nicht, wie sie meine Worte zu verstehen hätte, bis ich sie aufmerksam machte, daß man mich — ihrem Berichte gemäß — nicht eher als nn letzten Moment vor dem Absegeln des Schiffes an's Ufer schicken und ich demnach vollauf Muse haben würde, mich umzuschauen und, während das Fahrzeug gekielholt, das Leck ausgebeffert und das Schiff auf jede Weise zusammengeflickt würde, di? sichersten Mittel und Wege zu unserer gemeinsamen Flucht ausfindig zu machen.
„Und, Heißgeliebte." meinte ich zu ihr, „ich erkenne, daß Du jetzt auch anders denkst und es mit der so gefürchteten afrikanischen Küste wagen willst."
„Ich will Dein Schicksal teilen, Geoffroy, mag da kommen was da wolle, sei es Leben oder Tod! —"
Dreiundvierzigstes Kapitel.
Land t
Hätte Jmogene nicht zufällig diese Unterhaltung belauscht, so würde ich in Vandeideck-'»'s Benehmen keinerlei Grund zum Argwohn gefunden haben. In der Manmgsalii-keit seiner Stimmungen kam nach wie vor dieselbe Einförmigkeit zum Ausdruck: Er war und blieb mürrisch, hochmütig, düster vor sich hin brütend, oft» matS bis zum Wahnsinn heftig, manchmal wieder zum Sprechen aufgelegt, um schließlich in eine erdentdrückte Erstarrung zu verfallen — nicht um Haaresbreite anders denn zuvor. An Van Vogelaar dagegen war eine leichte Wandlung zu verspüren, indem ich ihn zu wiederholten Malen überraschte, wie er mich mit seinen Blicken verfolgte, und zwar mit einem Ausdrucke in den Augen, den man recht wohl als eine düstere, boshafte Schadenfreude bezeichnen konnte.
Meinerseits beobachtete ich die äußerste Vorsicht, ging in Allem, was ich sprach und that, außerordentlich behutsam zu Werke und wagte niemals an Jmo- g ne eine Bemerkung zu richten, auch wenn wir Grund hatten, zu glauben, ganz allein zu sein, ohne meine Stimme zu einem Flüstern zu dämpfen. Pläne schmiedend wälzte ich mich Nachts schlaflos auf meinem Lager und lugte abermals und abeimals nach oben, um zu sehen, ob die Naaen noch Vierkant ins Kreuz gebraßt wären, ob die großen, fliegenden Topsegel ihre windgefüllten Busen noch landwärts neigten.
Zu unserer Flucht war eS notwendig, daß wir einen kleinen Vorrat von Nahrungsmitteln zur Mitnahme bereit hielten, und ich bat daher Jmogene, aus dem na'tbarsten und stärksten Stoff, dessen sie nur immer habhaft werden könnte, einige kleine Säcke, zur Aufbewahrung derselben anzufertigen und mir unter der Hand solchen P-oviant zukommen zu lassen, wie sie ihn, wenn allein oder wenn Prius bei Zubereitung der Tafel gerade einmal abwesend war, leicht entwenden und verbergen konnte.
Ich sagte: „Du hast Zwirn und Nadeln?" denn sie hatte mir erzählt, daß sie einige von den Kleidungsstücken, die ihr Vanderdecken geliehen oder geschenkt, habe ändern müssen. „Wir werden drei oder vier Säckchen nötig haben. Als Material dürfte Leinwand genügen."