»74

längeren als 7tägigen Krankheiten. Nicht anrech - nungs fähig ist die Dauer solcher Krankeiten, welche der Beteiligte sich vorsätzlich oder bei Begehung eines durch strafgerichtliches Urteil festgesetzten Verbrechens, durch schuldhafte Beteiligung bei Schlägereien oder Raufhändeln, durch Trunkfälligkeit oder durch ge­schlechtliche Ausschweifungen zugezogen hat.

Die Krankheits-Nachweise sind in folgender Weise zu führen:

Ueber die Dauer einer Krankheit, während welcher der Erkrankte von einer Orts-, Betriebs- (Fabrik-), Bau-, Innungs-Krankenkasse, von einer Knappschaftskasse, aus der Gemeinde­krankenversicherung, von einer eingeschriebenen pder einer auf Grund landesrechtlicher Vorschriften' errichteten Hilfskasse Krankenunterstützung bezogen hat, hat der Kassenvorstand Bescheinigungen aus­zustellen; für diejenige Zeit aber, welche über die Dauer der von der betreffenden Kasse zu gewähren­den Krankenunterstützung hinausreicht, sowie für die­jenigen Erkrankten, welche einer derartigen Kasse während ihrer Krankheit nicht angehört haben, er­folgt die Bescheinigung durch den Gemeindevor­stand. Für die in Reichs- und Staatsbetrieben beschäftigten Personen können diese Bescheinigungen auch durch die Vorgesetzte Diestbehörde ausgestellt werden.

v.

Der Nachweis über militärische Dienst- Übungen im Heere oder in der Marine in der Zeit nach dem 1. Januar 1886 oder wenigstens seit dem November 1886, deren Dauer ebenfalls als wirkliche Beschäftigszeit ungerechnet wird, geschieht durch Vorlegung der Militär papiere.

L.

Für diejenigen Personen, welche bereits am 1. Januar 1890 das 59. Lebensjahr zurückgelegt haben, ist es geboten, sich Nachweise über die Höhe des Lohnes, welchen sie in der Zeit seit dem 1. Januar 1888 bezogen haben, zu verschaffen, weil von der durchschnittlichen Höhe dieses Lohnes für sie die Höhe der Altersrente abhängt und sie beim Mangel dieses Nachweises nur auf den gering­sten Satz der Altersrente Anspruch machen können, während sie bei Vorlegung des vorbezeichneten Nach­weises vielleicht in eine höhere Stufe der Alters­rente eintreten. Der Nachweis über die Höhe des Lohnes wird am besten durch behördlich beglaubigte Bescheinigung der betreffenden Arbeitgeber geführt.

Die sämmtlichen vorstehend unter bis L erwähnten Bescheinigungen und Beglaubig­ungen sind kosten- und stempelfrei und können demnach leicht beschafft werden.

Keine versicherungspflichtige Person unterlasse es, sich die vorbezeichneten Machweise schleunig zu verschaffen, und jeder Arbeitgeber dringe darauf, daß die m seinem Dienste stehenden Personen sich diese Nachweise rechtzeitig besorgen und sei ihnen da­bei behilflich! Der sorgfältigen Aufbewahr­

ung der beschafften Nachweise sei die größte Auf­merksamkeit gewidmet! Niemand kann wissen, ob er nicht das Unglück haben wird, in den ersten 5 Jahren nach dem Inkrafttreten de- Gesetzes invalide zu werden. Tritt dies aber ein, so können diejenigen Personen, welche in der Beschaffung oder Aufbe­wahrung der erforderlichen Nachweise nachlässig gewesen sind, in Folge ihrer Nachlässigkeit den An­spruch auf Invalidenrente leicht verlieren. Aehnliche Verluste drohen beim Mangel der er­forderlichen Nachweise hinsichtlich des Anspruchs auf Altersrente oder deren Höhe.

VII.

Allgemeines über die Reuten und die Auf­bringung der Mittel für dieselben.

Die diesbezüglichen Bestimmungen des Gesetzes mit ihren zahlreichen Einzelheiten und Unterscheidungen und mit einer Reihe von Vorbehalten für die statutarische Festsetzung setzen einer allgemeinverständlichen, über­sichtlichen Darstellung große Schwierigkeiten entgegen. Da es sich bei unseren Auseinandersetzungen lediglich um eine Einführung in das erst künftig in Kraft tretende Gesetz und um die Gewährung eines mög­lichst klaren Ueberblickes über seinen wesent­lichen Inhalt handelt, welcher durch die Vorführung aller Einzelheiten leicht verdunkelt werden würde, soll der Inhalt des Gesetzes bezüglich der in der Ueber- schrift dieses Abschnittes bezeichneten Gegenstände nur in seinen Hauptzügen dargestellt werden.

Die Mittel für die Zahlung der Renten und die Kosten der Verwaltung der Versicherungs­anstalten werden aufgebracht:

a. durch Zuschüsse des Reiches, und zwar betragen dieselben 50 Mark zu jeder Invaliden- oder Altersrente. Außerdem gewährt das Reich auf seine Kosten das Reichsversicherungsamt und die P o st anstalten zur Vermittelung der Ein- und Auszahlungen;

b. durch Beiträge der Arbeitgeber;

o. durch Beiträge der Versicherten (Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten u. s. w.).

(Fortsetzung folgt.)

Tages-Ueuiykeiten.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Durch Beschluß der K. Regierung für den Schwarz­waldkreis vom 14. November 1890 wurde Jakob Friedrich Stickel, Gemeindepfleger in Dennjächt, Oberamts Calw, zum Schultheißen dieser Gemeinde ernannt.

* Die zur Beratung des VerwaltungS- reform-Entwurfs niedergesetzte Kommission der Kammer der Abgeordneten hat ihre Ar­beiten beendigt. Dieselbe hat sich in den wesentlich­sten Punkten mit dem Entwurf einverstanden erklärt und bringt nur wenig zahlreiche, meist nicht erhebliche Aenderungen zu demselben in Vorschlag. Die Bei­behaltung der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher

Jeuilleton.

Das Totenschiff. ------

Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenemDer fliegende Holländer" genannten Seeqespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar

von W. Klark Russell.

(Fortsetzung.)

Unter der flackernden Beleuchtung des himmlischen Flammenmeeres bekam ich hier und da Vanderdecken zu Gesicht. Er stand am Besantakelwerk; mit der einen Hand hielt er sich an einer Wante oder Pardune, während sich seine Gestalt schräg gegen den Wind neigte und sein gewaltiger Bart stürmisch geradeaus flatterte. Von den Anderen, die sich hinter dem Häuschen befanden, konnte ich nichts sehen. Die in diesem Augenblick vor meinen Augen stehende Scene verwirklichte in der That auf wunderbare Weise die zweifelhafte Ueberliefciung, daß der Fliegende Hol­länder beständig unter Sturm segele. Seit ich an Bord war, hatte ich dieses Schiff unter dem verschiedenartigsten Wetter gesehen, aber obwohl seine übernatürlichen Eigenschaften am charakteristischsten hervortraten, wenn eS bei schwachem, silbernen Mondschein in geisterhafter, totenstiller Mitternachtsstunde auf schwarzer, unbewegter Flut dahintrieb, so war es doch niemals eindrucksvoller, als wenn es, wie eben jetzt­gleich einer von verfolgenden Dämonen bis zum Wahnsinn gehetzten Hexe kreischend und stöhnend unter Blitz und Donner dahinfloh. Und zwar wurde es unaufhaltsam auf dem schon so oft passierten Wege nach dem Osten verschlagen und legte in einer einzigen Minute so viele Faden zurück als es ihm ganze Stunden kosten würde, die so verlorenen wieder einzuholen. Ich richtete meine Blicke wiederholt auf Vander­decken und machte mich, der in ihm kochenden Wrck sicher, auf einen tragischen Aus­bruch derselben gefaßt, ein Ausbruch, dessen Gewalt und Heftigkeit sicherlich mit dem rasenden Toben von See und Himmel im Einklang stehen würde; aber als ob ein Blitzstrahl sein Leben ausgelöscht hätte, so stand er da, stumm, starr und unbewegt.

Es ward mir nun bald klar, daß das Fahrzeug bei einem solchen Seegange, der Berge auf Berge emportürmte, nicht lange mehr derartig vorwärts stürmen durste und man es schleunigst beidrehen mußte, wenn es nicht von den Sturzwellen

wurde mit 10 gegen 4 Stimmen gutgeheißen, ebenso' die vorgeschlagene Einrichtung des DisziplinarhosS zur Entfernung unbrauchbarer Ortsvorsteher. Als ein entschiedener Fortschritt in der Entwickelung der Ge­meinde-Autonomie wurde die vom Entwurf vorgesehene wesentliche Einschränkung der Staatsaufsicht begrüßt.. Nur die Beiziehung der Höchstbesteuerten zu den Ver­handlungen des Gemeinderats glaubte die Kommission ablehnen zu sollen. Ein Antrag auf direkte Wahl der Mitglieder der Amtsversammlung fand nicht die Mehrheit; bei der darauf folgenden Abstimmung über den Entwurf ergab sich Stimmengleichheit, so daß. die Entscheidung hierüber der Kammer anheimgegeben ist. Der Abgeordnete Haußmann hatte mit seinen auf Abänderung des Entwurfs abzielenden Anträgen einen entschiedenen Mißerfolg: von 23 engeren Parteigenossen abgesehen verhielt sich die Kommission zu denselben fast durchaus ablehnend. Die berufen­sten Vertreter des Volks haben hiemit in ihrer über­wiegenden Mehrheit zu Gunsten des Entwurfs Stellung genommen und den Ausstreuungen, als wenn dieser außerhalb des eigenen Lagers der Regierung keine Billigung und Unterstützung finde, ein für alle Mal den Boden entzogen.

Heidenheim, 14. Nov. In vergangener Nacht brannte zwischen Bartolomä und Essingen ein. Schafhaus, das 12000 Garben enthielt, nieder; es gehörte dem Marxenbauer von Waldhausen. Von böswilliger Hand wurde an einem vor dem Adler in Steinheim stehenden Strohwagen, und ebenso an einen ganz in der Nähe der Häuser aufgeschichteten Feimen in Heidenheim Feuer gelegt.

Ueberlingen am Bodensee, 14. Nov. Von welcher Bedeutung und Ertragsfähigkeit die Viehzucht in unseren oberbadischen Bezirken ist, geht aus dem Umstande hervor, daß Herr Sarg, Gutsbesitzer in Nußdorf, in den letzten Wochen im Aufträge eines- Deutschen in Chile 71 Stück Rindvieh Simmenthaler Rasse zum Gesammtpreise von ^ 28525 zu kaufen hatte. Vor wenigen Tagen wurde das Vieh nach Hamburg befördert, begleitet von Herrn Sarg, zwei Landwirten und einer Schweizerfamilie, welche nach Chile mitgeht. Die Frachtkosten bis Hamburg allein betragen rund 3500 die Versicherungskosten 4300- Die Ueberfahrt erfolgt auf einem eigens einge­richteten Dampfer, der sonst Viehtransporte zwischen London und Vlissingen vermittelt. Frkf. I.

Newyork, 13. Nov. Der Italiener Succi hat hier ein 45tägiges Fasten begonnen und bereits die erste Woche seiner Probe hinter sich. Sein Körpergewicht hat sich in dieser Woche um 16^/r Pfund verringert.

Permischtes.

Die Schwaben in Posen. Unser deut­scher Volksstamm ist wie kein anderer über die ganze Welt verbreitet. In den entlegensten Ländern trifft der einsame Wanderer deutsche Landsleute, die sich fern von der alten Heimat angesiedelt haben. Dieser

zerstoßen und überwältigt werden sollte. Doch während ich dies noch so bei mir erwog, ertönte auch schon die tiefe, dröhnende Stimme Vanderdeckens und schallte donnergleich dem Deck entlang:

Laßt die Fockraa herab und macht das Segel fest!'

Einige Mann nach hinten zum Besan!"

Und weitere Befehle folgten. Es war mehr als wenn die Segeltücher von Geisterhänden eingezogen würden als von prosaisch an den Geihtauen zerrenden Männern, da die Fockraa auf die Bollwerksriegelung herabrollte und das Segel, wie von sich gespenstig aus der Dunkelheit hervorstreckenden Fingern gefaßt, ver­schwand. Einzelne Matrosen mit flimmernden Gesichtern arbeiteten sich nach hinten und konnten sich nur mit höchster Anstrengung gegen den ihnen entgegenwehenden Wind vorwärts bewegen. Unter tiefem Schweigen drehte sich das Steuer, die ge­lösten Segeltücher flatterten wütend in der Luft und das Schiff gab nun, dem Druck des Steuers folgend. Bug und Seite der wogenden See preis, die ganze Ströme Wassers darüber ausschüttete.

Kaum donnerte der Wogenschwall an die gewölbten Seitenwände, als sich das altersgraue Schiffsgebäude trotz seiner schweren Decks wie ein schwimmendes Holzkastell erhob und auf der mächtigen Schwellung, die es in Sprühregenwolken hüllte, einherzutanzen begann. Jedoch, wenn seine Situation jetzt wirklich eine ge­fahrvolle gewesen wäre, so würde ich kaum noch etwas anderes als vollste Gleich­gültigkeit empfunden haben. Das Bewußtsein des Fluches, der das Schiff nicht untergehen ließ, war wieder in mir erwacht. Es mühte seltsam zugegangen sein, wenn selbst das neueste und denkbar stärkste Fahrzeug aus dem ersten schrecklichen Ansturm des Orkans vorausgesetzt, daß es nicht geradenwegs mit Mann und Maus gesunken ganz ohne Beschädigung hervorgegangen wäre; dagegen dieses Schiff, uralt wie es war, überlebte den fürchterlichsten Anprall, der je einem Fahr­zeug wiederfahren, unbeschädigt: kein Tau war zerrissen, keine Rundhölzer oder Raaen, deren Fäulnis durch das Glühen in der Dunkelheit offenbar wurde, ge­sprungen oder abgebrochen. Standhafter als es sogar zur Zeit seines Stapellaufes gewesen sein konnte, bot es jetzt den großen dunklen Wellenungeheuern die Stirn, die eS schonungslos auf bergige Wasserhöhen emporrissen, um es vor dem nächsten Atemzuge unter Tosen und Heulen in die tiefsten Tiefen jäher schaumbrodelndcr Ab­gründe zu begraben. (Fortsetzung folgt.)