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90. Jahrgang, Postscheckkonto Nr. 8113 Stuttg«r>

Dienstag» den 17. Oktober

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1916

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Auch der Bersafser dieser Zeilen war des Wahnes, die englische Klugheil werde nach ihrem enttäuschten Ver­such, Deutschland durch die Ententewaffen niederzuwrrfen, mit dem statt dessen nun machtvermehrten Deutschland, einem in Willen und Klugheit gemündiglen, nicht länger zu düpierenden und nicht länger angretsbaren, in ein oer- nunstmäßigcs, beiderseitig nützliches Verhältnis treten kön­nen. Es werde die Hoffnung aufgeben müssen, Deutschland noch durch die unmittelbare Besiegung seiner Kräjte zur Strecke zu bringen oder durch die mittelbare Ntederbtndung seiner Energien mittels deutscher selbstmörderischer Partei- dokirinen. O nein, England gib: kein letztes Ziel auf. Seine Vernunft ist zäher, heharrlicher, standhafter, als daß sie aus eine so bald anpaßliche Welse einsichtig wird. Es heißt sein Rückgrat beleidigen, wenn man es nach dem von foreiAliern mißt. Seine Klugheit ist nicht zehnmal, sie ist hunderunal, tausendmal härter und dabei beweglicher, ak­tiver, grdankensrischsr als die kontinentale. (Zermanin äelenäa. Es geht ums Ganze, geht um dieExistenz" wie die Stolzen wörtlich die Lebensgewöhnung ihres Böl- krrrangs nennen. Nichts von Vertrag, Verständigung: das knirschende:Nieder die Deutschen!' in dm Zähnen, bringt Las Herrenovlk der Insel, das sonst seine Schach­figuren. fremde und irische, kanadische Kämpfen ließ, nun selbe: dem Kriegegott die blutigsten Opfer, fielen zu einer drittel Million seine verwöhnten Jünglinge und Männer in den erfolgarmen Tagen an. der Somme. England haßt Deutschland wcht in dem verblendeten Sinne der Franzosen, es nimmt dagegen als natürlich an, Laß die Deutschen cs jetzt hassen müssen, daß sie nicht ruhen können, bis sie das ihnen Zugedachte vergolten haben. Und bis sie die volle Unabhängigkeit von England haben. Drum legt auch Eng­land dm Verständigem, Versöhnern, den mit Einräumungen, Kolonien, Verträgen Zufriedenen keinen wirklichen Wert bei, die in Deutschland arbeiten und von so sehr viel des redlichen deutschen Vertrauens, daß man sich darauf dann gefahrlos verlassen könne, geleitet sind. Es wartet nicht ab. was diese zustande bri gen, weil es nach seiner umge­kehrten Naivität hier nur Unmöglichk iten sieht. Zwei ge­schiedene Denkwkltcn, die sich keine in die andere versetzen. Für England gibt es keine Welt zu teilen, gibt es kein Leben zu zweien, keinen noch so großen Vorteil, den ihm dabei Demschlaud läßt und gönnt. Es gibt nur, daß der Mitbegehrende, Aufstrebende vernichtet wird, vom Aufgebot der ganzen Welt, Verbündete, Neutrale, Willige, Gezwun­gene, erdrückt, zum Berzappeln gebracht, erdrosselt, stillge­stellt, vernichtet. Im Krieg nach dem Krieg bis ans Ende.

Das kann freilich nicht ohne Hemmnisse, die zu übe - winden sind, geschehen. Da sind die besonderen Industne- und Ftnanzinteressen. die in der Politik des Sic John Si­mon zusammenlauten, verstärkt durch Prinzipienleute des

Freihandels und durch Arbeitergruppen, die schlrchiweg den billigsten Markt haben wollen. Das nationale Element ist aber in der geschichtlichen Erziehung der englischen Volks- gesamtheit sieghafter, vollends wenn es so innerlichst befrie­digend die Verheiß mg. Deutschland wird kaltgemacht, nahe­sieht. Die Norrhcl-ffe-Presse, die das Wort 6erwan nicht mehr, nur noch 8un kennt, hat schon wert Schwierigeres durchgepritscht. so z. B. die Wehrpflicht, und ist aus der Machtprobe abermals stärker, erfolg- und gervirwoermehrt, hervorgegangen. Aehnltch steht es mit den Handels- inlereflen der Dominions; der nationale Wille ist stärker, das weitere wird eingerenkt, die Losung gegen die Deutschen ist der wirksamste Hebel, um die Kolonien, wie noch nie, in den allengiischen Gedanken, zu rvenüen und zu zwingen. Nachdem jahrzehntelang die deutschen Berechnungsopiimisten die Loslösung der Dominions vom Mutterland, deren Ver­selbständigung nach dem Muster der mit Deutschlandbe­freundeten" Vereinigten Staaten prophezeiten.

Gegen die Neutralen, soweit sie nicht schon selbstwillige Helfer sind, soll der Kriegszustand, die Geltendmachung der Kriegsnotwendigketten nach dem Frieden weitcrdauern.

England, zumal als Mitgebieter über die Entente, hat zahlreiche Gewalt- und Schreckmittel wider sie in seiner Hand. Sie brauchen Kohlen oder andere Bodenschätze und tropische Naturerzeugnisie. man wird sie davon absperren, wenn sie zögern, gemeinsame Sache zu machen. Die Län­der und Satrapien der Alliierten umfassen den größten Teil des Erdplaneten. Der Verkehr und die Schiffahrt der Neutralen sollen der Durchsuchung nach dem Kriege unterworfen bleiben, wie ihnen schon angekündigt ist. Sie weiden Deutschland nichts zujühren dürfen, und sie werden gezwungen bleiben, den gleichen Druck auf Deutschlands Verbündete, solange sie es sind zu üben. Sie werden an England gewisse Erzeugnisse der Mittelmächte liefern müssen, wie u. a. Zink aus Rheinland und Belgien und die viel­genannten Farbstoffe. Im übrigen ist geplant, mit einer wirklichen nachhaltigen Gründlichkeit und natürlich auch rechtlichen Unbekümmertheit die chemischen deuischen Ueber- legenheiten in England einzuholen, wobei man auch aus die vielen in Deutschland studierten Japaner, und nicht nur diese, rechne!.

Auch Professor Gustav Schmoll« hat kürzlich von einem friedlichen, harmonischen Verhältnis Englands gegen­über Deutschland geschrieben, das seiner iealpolitischen Klug­heit entsprechen werde. Man kann letztere sehr hoch be­werten und sie doch noch unterschätzen und dadurch falsch berechnen. In ihr ist eine unbeugsame Triebfeder, die der englische Nationalcharakter ist, diese Legierung aus Nieder­sachsenfestigkeit denn die Angelsachsen sind vor 1500 Jahren etngewanderte Niederdeutsche aus demraffen Dreieck" mit normänischer listiger, roher, schonungsloser

Ärmliches.

Agl. Hberarnt Wagolö.

Im Staaisanzeiger vom 14. üs. Mts. erscheint eine Bekanntmachung der K- Zentralstelle für die Landwirtschaft über die Versteigerung von 50 aus Frankreich stammenden Fohlen am 18. Okr. 1916 in Stultgart-Gaisburg Lm städt. Schlachwiehhos von vormittags 9^2 Uhr an.

Der Wvrtlaut der Bekanntmachung kann im Staats­anzeiger bei den O.tsoorstehern etngesehen werden.

Den 14. Okt. 1916. Kommers! l.

Bekanntmachung des Kgl. Oberamtes Nagold.

Die Zuckeroerteilung für die Zwecke der Weinzucke­rung erfolgt durch Bezugsscheine, die bet dem Ortsoorsteher zu beantragen sind und von diesem ausgestellt werden. Der Antrag ist stets beim Ortsvorsteher der Gemeinde zu stellen, in der sich der Verkäufer bzw. Einleger des Wei­nes befindet. Aus den Bezugsscheinen ist genau anzuge­ben, wieviel Liter Wein gekauft bzw. eingelegt worden sind und welche Menge Zucker hieraus entfällt. Dabei ist zu beachten, daß aus 100 Liter gekauften bzw. eingelegten Weines nicht mehr als 7 Kilo Zucker abgegeben werden. Die Bezugsscheine sind darauf an die Laudesvessorgnngs- stelle Stuttgart, Laudesgewerbrmuseum, einzusenden, dis nach Erhebung des Kaufpreises dem Lagerhalter An­weisung zur Lieferung gibt.

Mengen unren 1 Doppelzentner können nicht abgelie- fsrt werden, ss müssen sich daher kleinere Bezieher bet ihren Bestellungen zusammenschlttßm.

Dis Zuckerung des Weines hat nach den Borschristen des § 3 des Wertgesetzes zu erfolgen, der Zuckerbezugobe- rechtmte ist verpflichtet, den Teil des angewiesenen Zuckers, den er zu der gesetzlich zulässigen Weinzuckerung nicht verbrau­chen darf, derLunSesversorgungsstelle zur Verfügung zu stellen.

Den 16. Okt. 1916. Kommerell.

Jer Mg «ach dm Kriege.

Noch immer neigt man bei uns dazu, Englands Dro­hungen als b-otzsWorte" zu nehmen. Sie sind furcht­bar ernst gemeint und werden in dem Maße Taten wer­den, als es Enzians möglich ist, d. h. als wir es nicht vereiteln. Aus dustm Gesichtswinkel müssen wir alle die Welt cmsehen. Im Auslände tritt diese Tatsache klarer hervor als bei uns. wo immer noch zu viel aus unserer Art auf die englische gefolgert wird. Diesem verhängnis­vollen Irrtum sucht ein im Auslande lebender Deutscher im zweiten Oktobrrhest des von Fchrn. o. Grotthuß heraus- gcgedenenTürmers" entgegenzuarbeiten.

Joitgeöanken.

Heinrich Schäff.

Es ist wahr, was dem einen Volk schadet, macht einem anderen wenig od.r gar nichts. So erträgt offenbar das französische Wesen die Unmoral oder, was wir Deutsche eben nun einmal so nennen müssen, viel besser, als wir. Wir dürsten uns den gallischen Leichtsinn ohne inneren und äußeren Schaden nicht erlauben. Aehnlich ist's mit dem Briten. Ob sie nicht ihr kaltes, herzloses Draufgängertum bester ertragen, als wir es könnten, und deshalb noch lange nicht an sich zugrunde zu gehen brauche» ? Das Problem liegt nicht so leicht, wie wir es in unsrer sittlichen Geschichls- auffassung, dir wir nach uns einrichten zu dürfen glauben, meinen.

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Wir Deutsche gehen an der bloßen Geste ebenso, wie am bloßen Geld zugrunde. Franzosen und Briten lebten bislang davon und leben vielleicht stets davon, solange es Franzosen und Briten gibt. Der Nationalcharakter ist ein unausrottbarer, und da der Himmel diese Völker so schuf, wird er ihnen auch mehr Selbsterhaltungssähigkeit gegeben haben, als wir das der Geste und dem Gelds Zutrauen zu dürfen glauben. Auch dürfen wir uns nicht allzusehr auf unsere sittliche Höherkultur verlassen, wenn sie uns auch begeistert und vielleicht stärker macht, als es die anderen durch ihre Kulturen sind. So einfach ist die Entscheidung

nicht! An eines müssen wir uns aber unbedingt halten, an den Glauben, daß wir die höhere und edlere Kultur, die reinere und echtere W ltqualität des Innenlebens, besitzen, und daß wir alles daran zusetzen haben, dieser Kultur die Vorherrschaft für die Zukunft zu sichern. Alles übrige steht

bei Gott, dessen Wege bekanntlich unerforschlich sind.

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Ahmen wir um Gottes willen die anderen nicht nach. Denn was ihnen nichts anhaben kann oder doch von ihnen ertragen wird, das schadet uns. weil wir anders sind. Das Gute überall zu verstehen und sich mit ihm zu bereichern, das ist deutsche Bielseiligkelt. Deutscher Fluch wäre es aber, das zu importieren, was wir als schlecht erkennen müssen. Wenn wir gewiffe Dinge, die wir an sich verachten, dennoch dann und wann nachzuahmen genötigt sind, darf es sich nur um eine absichtliche, d. h. taktische Imitation, nie um unwillkürliche Uebcrnahme handeln.

Niemand hat weniger ein Interesse daran, die kulturelle Eigenart anderer aufzuheben, solange sie sich nicht für unser eigenes Dasein zerstörend äußert, als wir Deutsche, die den Reichtum und die Vielstimmigkeit des Lebens mehr als jede andere Natten sachlich zu schätzen misten. Erst wenn eine Kultur sich dünkelhaft gegen die Selbsterkenntnis abschließt, ihre eigene Stagnation nicht mehr merkt und das wahrhaft Gute und Lebensfähige anderer Kulturen verneint, um daraus politische Folgerungen zu ziehen, die eine all­gemeine Gefahr bilden, erst dann fordert sie unsre Abwehr und je nachdem auch unser Uebcrgewichi heraus.

Auch der Franzose klagt über Unmoral, aber mit Vor­liebe nur. wenn sie und weil sie sich ihm in ihren Wir­kungen aufs nationale Leben offenbart: jene Moral, die sich um ihrer selbst willen als Ausfluß ttesreligiöser Stim­mung einstellt, kennt der Romane schlechtweg viel weniger als der Germane.

Man braucht in der englischen Politik nicht lediglich bewußte Unehrlichkett zu suchen: Der Engländer wird schon durch seine brutale Eigenliebe, durch dos Selbstverständliche seines egoistischen Daseins zum Lügner. Er ist es zum gut Teil in jener Unschuld, die wir eben mit dem Wörtletn Raiviläi bezeichnen. Das mag auch der Grund sein, wes­halb sich die ganze englische Nation noch immer in ihrem moralischen Irrtum solidarisch fühlt.

Nachdem wir es in unserem Innenleben schon vor dem Kriege mit dem Amerikanismus zu tun hatten, nachdem wir dessen oerdertliche Wirkung an Leib und Seele unsres sozialen Lebens verkosten, mußten, treffen wir nun auch im Kriege mit ihm zusammen: mit jener Profitwut, die unter dem Mantel der christlichen Wohlanständigkett die ganze Seelenlosigkeit und Heuchelei einer materialistischen Welt­gesinnung birgt und den breiten Riesengraben oufzeigl, der das deutsche Wesen und das Hinkeetum irnerlich von ein­ander trennt.

*

Die lieben Nachbarn Schweizer, Holländer, Skandi­navier und, wie die Neutralen alle heißen, sehen kühl und fremd aus, sie haben alle nicht das milgemacht, was