<^Ltvss.u
UDUv-,^
-H-.Ä^.!'^ '.v?Är2
128. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw. 65. Iahrgavs.
Erscheint Di en S t a g , Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung s Psg. die Heile, sonst 12 Psg.
Samstag, den 1. November 1890.
NbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt BO Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. IS, sonst i» ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Amtliche Bekanntmachungen.
An die Ortsvorsteher.
Die Frist für Vorlegung der Wegvisitationsprotokolle wird bis 10. Nov. d. I. verlängert.
Dabei erwartet das Oberamt, daß sämtliche Defekte vorschriftsmäßig bis dahin zur Erledigung gelangt sind.
Das Ergebniß der Nachvisitation muß im Protokoll selbst unter Angabe des Datums beurkundet sein.
Calw, den 31. Okt. 1890.
K. Obcramt.
Supper.
Amtliche Bekanntmachung,
betreffend den Ausbruch der Wank- und Akauenseuche.
Unter dem Rindviehstand in Zave Ist ein ist des weitern die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen. Calw, den 30. Okt. 1890.
K. Oberamt.
Amtm. Bertsch.
Deutsches Reich.
— Mit drei Zeilen hat das Organ der Sozialdemokratie, das „Berliner Volksblatt" seinen Lesern mitgeteilt, daß der Generalfeldmarschall Graf Moltke seinen neunzigsten Geburtstag begehe. Ein Wort der Anerkennung für den Mann fand die Redaktion nicht. Die Sozialdemokratie wettert allerdings gegen Per- sonen-Kultus. Aber welche Verehrung hatten die sozialistischen Blätter noch vor wenigen Wochen für .Passalle! Damals brachte dasselbe Blatt spaltenlange Artikel über den soz. „Heros". Mehr als Moltke und sein Leben voller treuer Pflichterfüllung, in seinen Zielen nur gerichtet auf die Größe des Vaterlandes, gilt den soz. Weltverbesserern ein Lassalle, der sein
Leben zwischen philanthropischen Phantastereien und elenden Liebeleien verpufft hat. Staatsanz.
— In der Ansprache, welche der Vorsitzende des Vereins der Berliner Presse, Kammergerichtsrat Wichert, am Sonntag nachmittag an Moltke richtete, wurde u. a. der bedeutsamen schriftstellerischen Thätigkeit des Grafen gedacht. Grade diese Stelle schien den Feldmarschall, der stundenlang vordem eben nur als Soldat gefeiert worden, sympatisch zu berühren, denn er neigte bei diesem Satze freundlich das Haupt. Dann entließ er nach einigen Minuten die Abordnung mit den Worten: „In Ihre Hand ist große Macht gegeben; machen Sie richtigen Gebrauch von derselben, so kann viel geschehen." — Die Abordnung zur Ueberreichung der Moltke st iftung in Parchim wurde am Montag nochmals vom Feldmarschall empfangen, um bei demselben näheres über den Zweck der Stiftung festzustellen. Nachdem über den Stand der Sache eingehend Bericht erstattet war, wurde ein vorläufiges Einvernehmen dahin getroffen, daß nach völligem Abschluß der Sammlung, welche bis Ende nächsten Monats in Aussicht genommen worden ist, endgiltige Entscheidung durch den Feldmarschall in Betreff der Stiftung erfolgen soll.
Potsdam, 29. Okt. Gestern abend um 9 Uhr fand zu Ehren des Königs der Belgier vor dem neuen Palais großer Zapfenstreich, ausgeführt von sämtlichen Militärkapellen von Berlin, Potsdam und Spandau, ungefähr 1300 Mann, statt. Am Anfang und am Schluffe wurde die belgische Nationalhymne gespielt. Die allerhöchsten Herrschaften und ihre Gäste wohnten dem Zapfenstreich vom Balkon aus bei. Der König der Belgier besuchte im Laufe des Vormittags das Mausoleum des Kaisers Friedrich und legte an dessen Sarg einen großen Lürbeerkranz mit einer Schleife in den belgischen Farben nieder; dann stattete der König Besuche ab.
— Major v. Wißmann hat beider letzten kaiserlichen Audienz ein sehr schönes Theeservice vom Kaiser zum Geschenk erhalten. Am 12. November
beabsichtigt er sich in Marseille nach Sansibar einzuschiffen. Entgegen anders lautenden Behauptungen wird, wie wir wiederholt hervorbehoben haben, für das laufende Etatsjahr, also bis zum 3l. März nächsten Jahres, keinerlei wesentliche Aenderung in der Verwaltung des Schutzgebietes eintreten; demgemäß kehrt auch Herr v. Wißmann in dieselben Machtbefugnisse zurück, die er vor seiner Beurlaubung als Reichskommiffar gehabt hat. lieber die Gestaltung der Verwaltung nach dem 1. April wird erst eine Entscheidung getroffen werden, sobald Frhr. v. Soden aus dem Schutzgebiete zur Berichterstattung zurückgekehrt sein wird.
Ausland.
— Die Auswanderung aus Rußland hat in der neuesten Zeit beständig, in einigen Guber- nien sogar mit Riesenschritten zugenommen und verharrt fortgesetzt in der Zunahme, und zwar entvölkert die Auswanderung vornehmlich das platte Land, die Dörfer, nicht die Städte. Es liegt auf der Hand, daß dies kein Anzeichen für zunehmendes Wohlbehagen des russischen Bauern sein kann; der Alt- Eingeseffene würde die Scholle, auf welcher seine Eltern und Voreltern gelebt haben, auf der er ausgewachsen ist, nicht fliehen, wenn sie ihm nicht unerträglich geworden oder gemacht worden wäre, unerträglich trotz der zähen Geduld der russischen Bauern, und zwar in solchem Grade, daß er seine Auswanderung, wird sie ihm nicht gutwillig gestattet, zu gewaltsamer Flucht gestaltet. Ueber einen Fall aus vielen solchen wird Berliner Blättern aus Warschau berichtet: „300 Brasilien-Auswanderer aus dem Kreise Nicszawa (an der Grenze Westpreußens) wurden bei versuchtem nächtlichem Uebergang über die Grenze von der Grenzwache angehalten und mit Gewalt nach ihren Wohnorten zurückbefördert. In Folge des Widerstandes der Bauern machte die Grenzwache von der Schußwaffe Gebrauch; mehrere Personen wurden getötet, eine Frau wurde schwer verwundet."
Deuilleton.
Aas Totenschiff.
Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" ^genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. ßkark Uusselk.
(Fortsetzung.)
Ich hörte mit halbem Ohr auf Vanderdecken, der das Schweigen brach: „Meine Vermutung trifft zu: es verfügt nur über eine Handvoll Leute und wünscht bloß mit uns Worte zu tauschen."
Van Vogslaar gab irgend eine mürrische Antwort, von der mir nur verständlich war, daß darin mein Name vorkam.
Einmal an unserer Wetterseite angelangt, legte der Schooner bei scharfer 'Luv sein Steuer Backbord, und Gafftopsegel, Oberbramsegel und Bramsegel sanken -und schmolzen zusammen wie Schnee vor lauwarmem Winde; aber auch nachdem dies geschehen, hatten sie noch ihre liebe Not, die Gewalt des Windes indem Klemsrgel- ,werk soweit zu vermindern, daß sie nicht an uns vorüberschoffen.
** „Schiiiiip ahoi!" brüllte eine der Gestalten auf dem Halbverdeck, während sie -zu gleicher Zeit an die Leeregeling trat und zu uns herüberrief. „Was für ein Schiff seid Ihr?"
Ganz wie bei dem Vorkommniß mit dem Centaur gab Vanderdecken auch ;jetzt zunächst keine Antwort. Er stand mit seiner Umgebung in düsteres Schweigen gehüllt und blickte wie eine erstarrte Bildsäule unverwandt auf dm Schooner.
Ich raunte Jmogene zu: »ES ist dunkel genug, um dm PhoSphorschein de«
Schiffes hervortreten zu lassen. Das sollte ihnen doch eigentlich schon ein Fingerzeig sein. Sieh, wie feurig glänzend das Gefunkel über das Deck kriecht!"
„Schiiiiip ahoi!" donnerte es uns abermals von dem Schooner entgegen, welcher schaukelnd und unruhig wie ein kurbetiierender Vollblut Heng st, der zornig in sein Gebiß knirscht und seine Ungeduld durch die weitgeöffneten Nüstern schnauft, windwärts lag. „Was für ein Schiff seid Ihr?"
Vanderdecken bewegte seine gigantische Gestalt gegen das Bollwerk. „Die Braave!" erhob sich seine majestätische Stimme und schallte wie ein Donnerschlag durch den Wind.
„Was ist Euer Land?" kreischte der Andere gegenüber.
Vanderdecken verstand augenscheinlich diese Worte nicht, antwortete jedoch, wahrscheinlich in der Meinung, daß diese Fragen zur See stets in derselben Weise folgten: „Von Batavia nach Amsterdam!" indem er, wie der Fragesteller auf dem Schooner, Englisch sprach, indessen not einem Accent, der ebenso stark holländisch als der des Anderen französisch war.
Hier kam mir der närrische, naive Gedanke: Er wird unsere holländische Nationalität erkennen, und da Frankreich und die hohen Generalstaaten miteinander auf freundschaftlichem Fuße stehen, so macht er sich vielleicht aus dem Staube. Doch kaum war diese Phantasie oder Hoffnung durch mein Gehirn geflogen, als auf dem Schooner plötzlich laute Befehle erteilt wurden, und im Nu begannen die Luken deS Schiffes Männer auszuspeien. In ganzen Massen tauchten sie empor, verdunkelten das weiße Verdeck und in ihrer Mitte blitzten Waffen auf. .Kapiiän Vanderdecken!" schrie ich laut, „es ist ein Seeräuber! Vorgesehen, Herr, wenn Sie sie nicht in der nächsten Minute an Bord haben wollen." Ich hielt mich nicht auf, die Wirkung meiner Worte zu beobachten, sondern faßte Jmogene an d:r Hand und zog sie eiligst vom Hinterdeck weg. „Verbirg Dich in meiner Koje, Geliebte, eS sind Piraten und sie werden sogleich in ganzen Scharen über unser Geländer Hereinbrechen."