Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

125.

Erscheint Di-n S «-> g , Donn-rSlag und Samitag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung S Pig- die Zeile, sonst 12 Pkg.

Samstag, den 25. Oktober 1890.

65. Jahrgang.

AbonnementSpretS vierteljährlich in der Stadt »n Pfg. und So Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1., sonst in ganz Württemberg Mk. 1. 35.

Und wenn heute der Greis auf sein thatenreiches Leben mit dem ihm eigenen feinen Lächeln zurück­schaut, so kann er sich sagen, daß er dieses Leben nicht umsonst gelebt, daß er in allen Phasen desselben das Beste gewollt und das Beste vollbracht hat, daß er sich unvergänglichen Ruhm in der Weltgeschichte erworben und ewige Dankbarkeit im Herzen des deuschen Volkes gesichert hat.

Tages-Neuigkeiten.

Calw, 24. Okt. Eine stattliche Anzahl von Mitgliedern der Calwer Museumsgesellschaft hatte sich gestern abend im Saale des Gasthofs zum Waldhorn dahier eingefunden, um den Abschied zweier sowohl um diese Gesellschaft als den Oberamtsbezirk verdienter Männer, des Herrn Oberamtsrichters F r o m- mann und Straßenbauinspektors Stuppel festlich zu begehen. Die beiden hochgeschätzten Herren Be­amten werden binnen kurzer Zeit unsere Stadt ver­lassen, um in gleicher Eigenschaft, ersterer nach Hall, letzterer nach Reutlingen überzusiedeln. Nach dem gemeinschaftlichen Abendessen erhob sich der Vorstand der Gesellschaft, Herr Fabrikant Zoepp ritz, um in warmen Worten der Verdienste der Scheidenden um die Gesellschaft Ausdruck zu verleihen, er versicherte dieselben, daß sie hier allezeit in freundlicher Erinner­ung bleiben und die besten Wünsche der Gesellschaft sie auch nach ihrem neuen Aufenthaltsorte begleiten werden. Herr Oberamtsrichter Frommann dankte dem Herrn Vorredner in bewegter Rede und brachte am Schluß derselben ein Hoch aus auf das Blühen und Gedeihen der Calwer Abendgesellschaft. Auch Herr Inspektor Stuppel gab in beredten Worten seiner Anhänglichkeit an die ihm liebgewonnene Ge­sellschaft und Stadt Calw Ausdruck mit der Zusicher­ung, daß er auch fernerhin in freundschaftlichem Ver­kehr mit derselben bleiben werde.

"Noch manches launige und geflügelte Wort wurde im Laufe des gemütlichen Abends in Rede und Gegenrede gewechselt, mancher kräftige Cantus erfüllte. den Saal, in fröhlichster Stimmung verlief der Rest des Abends und erst gegen Morgen trennten sich die letzten Anwesenden.

Calw. Am nächsten Sonntag nachmittag wird hier im Jul. D reiß'schen Saal Rausch er's österr. Mädchenkapelle konzertieren. Die Mit­wirkenden sind 9 Mädchen im Alter von 1518 Jahren, 3 Knaben und Hr. Direktor Rauscher selbst; ihre Leistungen, welche nach dem uns vorliegenden Programm neben einigen Ouvertüren, vorwiegend aus Salonmusik bestehen, fanden allerorts die günstigste Beurteilung und reichen Beifall. Z. B. schreibt das Leipziger Tageblatt" hierüber: Reudnitz. Seit Anfang voriger Woche konzertiert fast allabendlich in dem EtablissementZu den drei Lilien" die erste österreichische Mädchen-Kapelle unter Leitung von Fräulein Lucie Rauscher. Daß sich die jungen, in eleganten Toiletten erscheinenden Damen nicht nur wegen ihres bescheidenen und höchst anständigen Auf­tretens, sondern auch durch ihre zum Teil künstlerischen Leistungen die Gunst unseres gebildeten Publikums in hohem Grade erworben yaben, zeigt der stets über­füllte Saal, in welchem nach Beginn des Konzerts man schwer noch ein Plätzchen zu erlangen vermag. Und in der That ist es ein seltener Genuß, einem solchen Konzerte beizuwohnen. Unsere besondere Auf­merksamkeit nimmt zunächst Fräulein Rauscher in An­spruch, welche nicht nur sicher zu dirigieren versteht, sondern eine ausgezeichnete Violinspielerin ist. Alle Tonstücke, selbst schwierige Violinkonzerte gelangen von

Zum 90. Geburtstag Mottkes.

Festlich und freudig begeht morgen Sonntag All- Deutschland den neunzigsten Geburtstag des großen Schlachtendenkers, überall im ganzen deutschen Reiche werden ihm die aufrichtigsten Glückwünsche von Jung und Alt, von Hoh und Niedrig entgegengebracht, überall ertönen die Hochrufe aufunseren Moltke." Denn das ist das Charakteristische dieser Jubelfeier, daß sie eine so allgemeine, alle Gesellschaftsklassen, alle Par­teien durchdringende ist, wie sie in dieser Art zu den allergrößten Seltenheiten gehört. An diesem Tage tritt Ewas klar und unzweifelhaft hervor, was selbst die allerbedeutendsten Männer nicht immer von sich sagen können, was aber von unserem greisen General­feldmarschall zweifellos behauptet werden kann: Moltke, der junge Offizier, der Stratege im fernen Orient, der preußische General, der Chef des Generalstabes, der Generalfeldmarschall, er hat gegen viele und mächtige Feinde gekämpft und er hat sie besiegt, aber -er auf der ganzen weiten Erde keinen einzigen Feind! Und weil dem so ist, ließ und läßt ihm auch das Ausland Gerechtigkeit wiederfahren und auch dort rsilt er als der bedeutende Mann, dem der deutschen Heimat reicher Lorbeer ohne Mißgunst gegönnt wird.

Ein so reiches Menschenleben an dieser Stelle in engem Rahmen zu charakterisieren, ist nicht leicht; mm so schwerer, als dem geraden schlichten Sinn und -Wesen eines Moltke, seiner aller Lobhudelei abholde Art gegenüber mit den in manch' andren Fällen üb­lichen Lobeshymnen nicht gethan ist. Moltke ist ein Charakter, ein in so scharfen Umrissen hervortreten­der Charakter, daß auch am heutigen Jubeltage eben nur das wieverholt zu werden braucht, was das Volk, sei es das in Waffen, sei es das am heimatlichen Herde, längst als richtig anerkannt hat. Es giebt nichts in dem Leben dieses seltenen Mannes, das heute etwa, um Mißtöne zu vermeiden, übergangen zu werden brauchte, nichts, von dem man wünschen möchte, daß es anders sei, nichts, was besonders her­vorgehoben werden müßte; denn Alles in diesem Leben ist klar, gleichmäßig, durchdacht, tadellos. Eine einfache, nicht etwa demonstrative Bescheidenheit, wie erstere sich sehr selten bei Männern, die den Gipfel des Ruhmes erklommen, findet, paart sich in Moltkes Charakter mit einer ungemachten, natürlichen Liebes- würdigkeit, die Jedem, ohne Unterschied des Standes, freundlich entgegentritt. Es weht durch die ganze Erscheinung Moltkes, sein Auftreten, sei es dem Sol­daten, sei es dem Volke gegenüber ein gut bürger­licher Zug; er thront nicht unnahbar auf dem Gipfel des Ruhmes, nicht unverständlich der großen Masse des Volkes, vielmehr jedes seiner Worte und jede seiner Thaten sind Jedem klar und verständlich und nicht ein einziges Mal in seinem thatenretchen Leben giebt es eine Handlung, die dem Volke unbegreiflich bleibt. Alles, ivas Moltke thut, ist für das Reich und seine Staatsbürger, Alles ist bedeutsam für Deutschlands Macht, Größe uud Bestand, Alles ist selbstlos, ohne äußerliche Effekthascherei, ja sogar ohne viel Worte zu machen. In seiner schlichten Einfach­heit und soldatischen Kürze hat Moltke selbst sein Losungswort eines Tages kundgegeben, als er in die Handschriften-Sammlung deutscher Männer im Ger­manischen Museum zu "Nürnberg den Spruch eintruq:

Alle Zeit

Treu bereit

Für des Reiches Herrlichkeit!

Mit diesem seinem politischen, sozialen und militär­ischen Glaubensbekenntnis macht Moltke eine ver­wandte Saire in jeder deutschen Brust erklingen, mit

diesem Worte, das aber auch im Einklang steht mit seinen Thaten, knüpft er ein unzerreißbares Band zwischen sich und dem deutschen Volke. In diesem gegenseitigen Verstehen des Meisters der Schlachten und des Volkes beruht die außerordentliche, in unserer heutigen Zeit gradezu wunderbare Popularität Moltkes, beruht die allseitige Verehrung, die dem heute seinen neunzigsten Geburtstag feiernden Greise ent­gegengebracht wird.

In voller Frische des Geistes begeht General­feldmarschall Graf von Moltke seinen 90. Geburtstag. Neben Bismarck der letzte der Paladine um Kaiser Wilhelm und Kaiser Friedrich, der letzte der Helden, die unter seiner Leitung Kaiser Wilhelms Schlachten geschlagen, steht Moltke vor uns als der lebendige Zeuge einer großen Zeit. Pflichtgetreu, wie sein kaiserlicher Herr, unbeirrt an den Erfolg seiner klugen Berechnungen glaubend, selbst wenn die Entscheidung allen anderen zweifelhaft erschien und unbedingt ver­trauend der Tüchtigkeit und Schlagfertigkeit des deutschen Heeres, so steht der große Stratege von Sedan vor dem deutschen Volke. Und bescheidentlich nach so großem Erfolge, jeden Augenblick des Dienstes gewärtig feiert vor 20 Jahren der Generalstabschef im Lager von Versailles seinen 70. Geburtstag. Die Jubelzurufe des deutschen Volkes, die damals ver­rauschten im Donner der Kanonen vor Paris, sie erneuern sich heute vieltausendstimmig, in die stille Zurückgezogenheit des Kreisauer Schlosses auf Schlesiens Fluren und nach seinem Palais in Berlin dringend.

Ein tiefer Gerechtigkeitssinn ist Moltke eigen. Von seinem eigenen Werte lange nicht so durchdrungen, wie er es mit Recht sein könnte, im Gegenteil stets bemüht, außerhalb liegenden Einflüssen das Verdienst zuzuschreiben, das seinen genialen Plänen, seinem klaren Blick, seiner Feldherrnkunst gebührt, hat er immer volle Anerkennungen für andere Leistungen. Namentlich wird er nicht müde, die Thaten der Armen zu preisen, wie er vor Allem ein warmes Herz für den gemeinen Soldaten hat. Immer zufrieden mit dem was ihm selbst geboten wird, seine eigene Per­sönlichkeit in Bezug auf Bequemlichkeit gleichsam als Nebensache betrachtend, ist er vorsorglich für die Be­dürfnisse der Heereskörper, die die von ihm erdachten Schlachten schlagen, die Siege erringen sollen. Kalt­blütig in der Gefahr wie jeder echte Soldat, aus­dauernd in der Ertragung von Strapazen, still zu­frieden und sogar sich abseits haltend nach errungenem Erfolg, voll Eifer, ohne daß dieser sich äußerlich un­angenehm bemerkbar macht, bei der Arbeit, das ist Graf Moltke, der deutsche Schlachtendenker. Und Moltke ist auch ein hochgebildeter Mann, der Lände: und Völker kennen gelernt und studiert hat. Er schreibt vorzüglich und spricht nicht minder gut und vor Allem, wenn er spricht, dann weiß Jeder, daß er auch Etwas zu sagen hat und deshalb lauschen auch auf sein Wort nicht nur die Abgeordneten des deutschen Volkes, sondern auch dieses selbst.

So ist es denn gewiß nicht zuviel gesagt, wenn man die Charakteristik Moltkes in die Worte zu­sammenfaßt: Er hat sein Leben, seine Fähigkeiten, seine Kenntnisse, sein ganzes Wollen und Können zu allen Zeiten dem deutschen Reiche geweiht und Alles, was er that, ist dem Reiche zum Segen ge­wesen; er ist ein Volksmann im besten Sinne des Wortes geworden, ohne daß er je um Volkes Gunst gebuhlt hat; er hat Millionen von Freunden und Verehrern und keinen einzigen Feind; er ist und bleibt eine der stzmpatischesten Persönlichkeiten der Geschichte aller Zeiten; er ist ein ganzer Mann und ein echt deutscher Mann mit allen Fasern seines Herzens!