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Weise auftritt, so ist es wohl zeitgemäß, darauf hinzuweisen, daß der Chloroform durchaus geeignet ist, — und deshalb zur Anwendung angelegentlichst empfohlen wird, — dieser so verderblichen und rasch sich verbreitenden Krankheit vorzubeugen, die schlimmen Folgen, wenn der Stall schon verseucht, abzuschwächen und aber auch ihre Verbreitung zu hemmen oder gar zu hindern. Der Chlorkalk ist dem Vieh durchaus nicht schädlich, vielmehr nützlich, weil er gegen jede schlechte Luft wirkt. Darum, ihr Viehbesitzer, streut Chlorkalk in Eure Stallungen, um Euch und andere vor Schaden zu bewahren!
Friedrichshafen, 20. Okt. Das „Seebl." berichtet: Gestern wurden hier zwei junge Leute im Alter von 16 und 18 Jahren verhaftet. Wie sie eingestanden, hat der eine seinem Vater in Stuttgart, welcher Kassier einer Krankenkasse ist, eine ziemliche Summe gestohlen und den Kameraden als Gesellschafter nach der Schweiz mitgenommen. Sie hatten sich hier durch reichlichen „Kirbeschmaus" und ihr eigentümliches Wesen auffällig gemacht.
Aus dem Fürstentum Walveck, 19. Okt. In dem Dorfe Bring Hausen bei Wildungen hat sich in gestriger Nacht ein schreckliches Brandunglück ereignet, bei welchem eine ganze Familie lebensgefährliche Brandwunden erlitten hat und zwei Knaben in den Flammen umgekommen sind. Heute nacht um 3 Uhr läuteten die Sturmglocken und brachten Dorf und Umgegend auf die Beins; in dem Hause des Landwirts Stöckel war in der Wohnstube Feuer ausgebrochen. Die Frauen hatten rings um den Ofen Flachs aufgestellt, dieser hatte sich entzündet und Wohnstube und die anstoßende Schlafkammer, wo der Hausbesitzer mit Frau und Kinder schlief, standen im Nu in Hellen Flammen. In der Aufregung springen Mann und Frau aus dem Bette unange- kleidet in die brennende Stube, um das Feuer zu löschen, was natürlich beim Brande von Flachs, der wie-Zunder brennt, vergeblich war. Hierbei erlitten die Beiden schwere Brandwunden, zumal der Vater, welcher, um die in der Schlafstube hilflos in ihren Betten liegenden Kinder zu retten, durch die brennende Wohnstube springen mußte. Es gelang ihm auch unter Gefahr seines Lebens, die drei Kinder aus den Betten zu holen und zum Fenster hinauszuspringen, , indessen alle drei erlitten lebensgefährliche Brandwunden; die zwei Knaben starben alsbald unter entsetzlichen Qualen. Das dritte Kind, ein Mädchen, liegt hoffnungslos darnieder. Das Feuer richtete arge Verwüstungen an, wurde jedoch bald bewältigt.
Köln, 21. Okt. Gestern fanden in Düsseldorf, Dortmund, Mühlheim zahlreiche Versammlungen zu Gunsten der Rückberufung der Jesuiten statt.
St. Gallen^ 20. Okt. Zwei hiesige Gymna- sisten stürzten im L-chneesturm vom Säntis ab. Mehrere Rettungsexpeditionen mußten unverrichteter Sache umkehren wegen der Schneemenge.
Paris, 21. Oft. Ein heute stattgehabtes Duell zwischen Deroulsde und Reinach ist unblutig verlaufen. Döroulsde's Pistole versagte. Die Zeugen Reinach's boten eine Fortsetzung des Zweikampfes an. Dsroulsde lehnte jedoch ab.
Vermischtes.
„Warner's Safe Cure.". Das Mainzer Kreisamt hat in Rücksicht auf die Reklamen in den Zeitungen zu Gunsten des „Warner's Safe Cure", welches als Mittel gegen alle Leiden der Nieren-, Leber- und Harnoraane angepriesen wird, ein Ausschreiben an die Bürgermeistereien erlassen, worin dieses Mittel als ein gegen die genannten Krankheiten gänzlich wirkungsloses und, weil die Zuziehung des Arztes verzögernd, als ein die Heilung im höchsten Grade gefährdendes Geheimmittel bezeichnet wird. „Warner's Safe Cure" sei nach der Analyse des Chemischen Untersuchungsamtes in Karlsruhe ein mit Wintergrünöl aromatisierter Aufguß der Blätter des Leberblümchens, in welchem Salpeter, Glycerin und Alkohol in ganz geringer Concentration und verhältnismäßig sehr kleiner Menge enthalten sind. (Auch uns gingen s. Z. Beilagen zur Anpreisung dieses Geheimmittels zu, das ivir der Stadtauflage beilegten. Nach auswärts hat die Beförderung nicht stattgefunden. Red. d. Calwer Wochenbl.)
— Eine romantische Todesanzeige Hat nach einer Belgrader Mitteilung der „M. N. N." der Restaurateur des Hotels „Europa" in Nisch von dem Selbstmorde seiner Gattin in serbischen Zeitungen erlassen. Sie lautetet: „In tiefster Trauer und schmerzerfüllten Herzens gebe ich die Kunde von dem unaussprechlichen Unglück, das mich durch den Tod meiner Gattin Sofia betroffen, die selbst Hand an sich gelegt und, erst 22 Jahre alt, ihrem jugendlichen Dasein in unserer Wohnung ein Ende bereitet hat. Volle neun (?) Jahre lebte ich in glücklicher Ehe und ihr jugendliches Wesen erschien mir wie eine bethaute Blume mit der mein Haus geschmückt war und mir zum Stolze gereichte. Dem Glück steht aber auch das Unglück nicht fern! Es brachte nämlich der Satan einen Bösewicht in Gestalt eines Kavallerie-Rittmeisters in mein Geschäft (Restauration Europa). Derselbe mißbrauchte seine Eigenschaft als Gast und verfolgte ununterbrochen meine Gattin mit Liebesanträgen und gebrauchte dabei allerlei Mittel, bis es ihm zuletzt gelang, sie zu bekhören. Als ich dessen verbrecherisches Treiben inne waro und ich dagegen, wie es sich gebührt, auftrat, zum Schutze meiner Mannes- und und häuslichen Ehre, da empfand die edle Seele meiner Sofia gar zu schwer die Last der Sünde, der sie in ihrer Jugendlichkeit anheimgefallen war, und eingedenk derselben und der Vorwürfe des Gewissens, legte sie in ritterlicher Weise Hand an sich selbst, erschoß sich mit einem Revolver. Mit ihrem ritterlichen Blute hat sie den Mackel von ihrem schönen Antlitz weggewischt, sie hat die beleidigte Gattenliebe gesühnt und das Andenken ihres schönen Namens emporgehoben. Dadurch zerstörte sie freilich mein Lebensglück, denn für mich giebt es ferner keine Freude. ..." — Zum Schluffe erklärt der gekränkte Ehemann, daß er den Verführer beim Gerichte verklagen wird.
Vom Haifisch zerrissen. Im Hafen von Apia aus den Samoainseln wurde am 11. August ein deutscher Matrose des Kreuzers „Sperber" von einem Haifisch zerrissen. Ein Privatbrief eines Kameraden berichtet jetzt über den Unfall, wie folgt: „Am 11. August war Baden befohlen, es waren auch
schon einige im Wasser, als plötzlich ein großer Hai auftauchte und einen der Schwimmer, welcher sich gerade an der losen Angel befand, am rechten Berne packte. Auf das Geschrei, welches nun erfolgte, ließ zwar der Hai los, konnte es sich aber nicht versagen, noch einmal kräftig zuzubeißen und dem Manne das ganze Gesäß, beide Beine mit einem mal abzureißen. Der arme Kerl liegt nun an Bord und leidet furchtbare Schmerzen, wir hätten ihn schon gerne ans Land geschafft, doch ist er bis jetzt noch nicht transportfähig." _
(Thüringische Gemütlichkeit.) Diebe brachen neulich in das Haus eines Justizrates in Coburg ein und hinterließen im Keller eine Karte mit folgendem Inhalt: „Geehrter Herr Justizrat! Zwei Coburger haben sich erlaubt, bei Ihnen zu speisen. Ihr Wein ist sehr gut. Sie haben auch gutes Bier. Gestohlen haben wir Ihnen weiter nichts, als einige Zigarren. Kellerlöcher zumachen!"
Herbstbericht.
Stuttgart, 21. Okt. Hopfenmarkt. Zufuhr 150 Ballen, Verkauf langsam und schleppend, da Käufer wählerisch und die Eigner aus bessern Preise beharrten. Erzielt wurden für la. 190—220 ^ Mittelware 160—180 — Kartofselmarkt:
Zufuhr 300 Ztr. Preis 2 ^ 30 ^ bis 2 ^ 60 pr. Ztr. - Mo st ob st: Wilhelmsplatz. 2000 Ztr. Preis 6 — -rZ bis 6 ^ 20 Güterbahn-
Hof. Mostobst: Zufuhr 7000 Ztr. österr. und Hess. Preis pr. Ztr. 5 10 bis 5 ^ 50 -rZ, waggonweise 950—1020 8200 Ztr. schweiz. 4 ^ 40
bis 4 „A 70 -A waggonweise 840—880
Bönnigheim, 20 Okt. Lese in vollem Gang. Käufe zu 110, 105 und 100 ^ für schwarzes Gewächs, 100, 98 für gemischtes. Qualität recht gut, besser als voriges Jahr.
Brackenheim, 20. Okt. Gemischtes Gewächs verkauft zu 112—120 ^ pr. 3 Ick. Lese in vollem Gange. — 20. Okt. Gemischtes Gewächs verkauft zu 100—105 pr. 3 Ick. Verkauf geht langsam.
Laussen a. N., 20. Oft. Weinpreise für rotes gemischtes Gewächs pr. 3 Ick zu 130, 145, und 140
* Hausen a. d. Zaber, Etat. Lausten a. N., 21. Okt. , Mehrere Verkäufe schwarz Rißling und Portugieser zu 112, 100 gemischt Gewächs 90°^ pro 3 bl. Lese noch im Gang.
Meimsheim, 20. Okt. Schwarzes Gewächs Käufe zu 115, 120, 125 pr. 3 Ick. Gemischtes Gewächs zu 105, 106, 110 pr. 3 Ick. Lese dauert fort.
Kleiningersheim, 19. Oft. Verschiedene Käufe zu 140—145 Noch viel Vorrat Berg
wein. Käufer erwünscht.
Warnung! I! Immer von neuem tauchen weitere Nachahmungen der ächten Apotheker Richard Brandt's Schweizcrpillen auf und kann nicht dringend genug anempfohlen werden, stets beim Ankauf darauf zu bestehen, daß die Schachtel als Etikette ein Weißes Kreuz in rotem Felde und den Namcnszug Richard Brandt trägt, alle anders verpackten Schachteln sind falsch und unbedingt zurückzuweisen- Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandteile sind: Tilge, Moschusgarbe, Aloe, Absynlh, Bitterklee, Gentian.
„Verschaffte ihm der Knoten all den Wind, den er brauchte?" forschte er weiter.
„Nein, Herr, er gab ihnen einen starken Südwester, der sie dreißig Meilen über den Malstrom in der Norwegischen See Hinaustrieb und hierauf wechselte; alsdann löste Kapitän Jenkyns den zweiten Knoten, der denn auch den Wind in den alten Kurs zurückbrachte. Als er dann später von Neuem erstarb und der dritte Knoten aufgeknüpft wurde, erhob sich ein derartig gewaltiger Orkan, daß alle Mann an Bord betend auf die Knies sielen und, im Bewußtsein ihrer Sünde, sich mit einem Höllenkünstler eingelassen anstatt der Vorsehung vertraut zu haben, den Herrn um Gnade und Erbarmen anflehten."
Es war nicht leicht, Vanderdeckens Gedanken in seinem Gesicht zu lesen, teils weil die Hälfte seiner Züge durch das dichte, mächtige Barthaar verhüllt war und andererseits der sichtbare Teil in seiner Bläffe zu Eis und Eisen erstarrt schien; indessen war es zweifellos, daß er an diese finnischen Windbeschwörer glaubte, denn sein ganzes Benehmen offenbarte plötzlich ein unbestimmtes sehnendes Verlangen, und ein blitzartiger Blick der Ungeduld zuckte aus seinen Augen, den man nicht anders deuten konnte als „Wollte Gott, es wäre hier herum ein kaufbarer Wind zu haben!"
Damit hatte ich auch mein Frühstück beendet. Zu gleicher Zeit trat Prius herein und brachte ein Gefäß herzu, das mit bereits geschnittenem, rauchfähigem Tabak angefüllt war. Der Kapitän stopfte seine Pfeife, nachdem er mir den Tabakbehälter zuerst zugeschoben hatte, und versank alsdann in das ihm eigene totengleiche Schweigen. Als er seinen Kopf ausgeraucht, stand er auf und begab sich in seine Kabine. Augenblicklich erhob sich Jmogene und kam an meine Seite.
.O, Geliebter meines Herzens," flüsterte sie. wobei perlende Thränen ihre Augen trübten, „ich glaubte wahrlich. Dich für immer verloren zu haben.
Es schwand mir fast die Besinnung, als Vanderdecken den Grund Deiner Abwesenheit angab."
„Mein gutes Lieb! Mein Ein und Alles!" antwortete ich, indem ich ihre kleine Hand streichelte, die eiskalt in der meinen lag. „Ich bin noch bei Dir und I
hoffentlich können wir in Zukunst um unser Leben unbesorgt sein. Doch war ich diesmal dem Tode gräßlich nahe. Van Vogelaar kam mit Mörderhänden an diese Frühsiückstafel. Stundenlang hat mein Blut auf seiner teuflischen Seele gelastet. Kein Wunder, daß ihm der Mut sank, als ich hereintrat!" ^
„Was hat er denn gethan?" frug sie erregt.
„Ich glaubte ein Schiff zu sehen," erwiederte ich. „Um einen besseren Altklug zu haben, sprang ich auf das Geländer und hielt mich an der Brasse der großen Raa fest. Als er dies gewahr wurde, schlüpfte er nach hint n und knüpfte das Tau los, sich wohlbewußt, daß ich dadurch meinen Halt verlieren und über Bord stürzen würde — aber ich habe glücklicherweise den schnellen Seemannsgriff noch nicht verlernt und schwang mich so vermittelst deS Seiles auf die Besanrusten."
„O, der elende Schurke! Er erzählte Vanderdecken, daß Du auf die Bollwerke geklettert und dabei gefallen wärest. Ach, ich könnte ihn töten!" Sic ballte bei diesen Worten ihre weiße Hand, daß das Juwel an ihrem Finger blitzende Funken sprühte, und ihr Antlitz war vor innerer Aufregung mit einem schwachen Glutrot überhaucht. „Ja, ich könnte ihn töten!" wiederholte sie.
„Stille, stille, mein süßes Kind, unsere Hauptaufgabe besteht darin, Mittel und Wege zur Flucht zu finden, und dazu bedürfen wir nicht nur Verstand und Scharfsinn, sondern vor Allem ruhiger, leidenschaftsloser Uebeilegung. Glaube mir, auch ich könnte den verräterischen Bösewicht töten, nur daß ihm, dem lebenden Leichnam, nichts anzuhaben ist. Auch Du, tapferes Herz, wirst meinem Rat folgen, daß wir diesen Vorfall am besten ganz ignorieren. Nein, behandeln wir ihn lediglich als eine Folge meiner eigenen Ungeschicklichkeit. Wir befinden uns in einem Schiff voll Teufeln und müssen demgemäß handeln, als ob wir sie für Engel hielten.
Ihr Antlitz nahm allmählich seine natürliche Färbung wieder an; ihre geschlossenen Finger öffneten sieb, der leidenschaftliche Glanz ihrer Augen erlosch und ließ nur das sanfte, veilchenblaue Licht sinnenden Nachdenkens dann zurück.
(Fortsetzung folgt.)