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Zelte der Cow-Boys in doppelter Reihe, sie beginnen mit den beiden Speisezelten. Der Service ist nicht gerade feinstes Porzellan, dafür aber, als unzerbrechlich, für die Reise um so mehr geeignet, an den hier gedeckten Tischen wird die gesamte Gesellschaft (allein 47 Indianer) gespeist. Die Arena faßt 8000 Plätze. Was die Bewohner des Lagers am meisten zu schätzen wissen, ist die Nähe des Neckars, der des Wassers in Fülle spendet^ daß der Platz sonst geeignet ist, bedarf wohl keiner Bemerkung. Ein wesentlicher Punkt im Vertrage, den Direktor Pfalz (Kaiserhof) mit Oberst Cody geschlossen, lautet: Bei sofortiger Aufhebung des Vertrages darf einem Indianer auch nicht ein Tropfen geistiger Getränke verabreicht werden. Die Straßenbahn hat sich im Lauf des Vormittags auf großen Besuch vorbereitet. Alle Wagen sind bereit gestellt.
Ludwigsburg, 12. Okt. Seine Kgl. Hoheit der Prinz Wilhelm von Württemberg — so schreibt ein Corresp. d. „Schwäb. Rundschau" — ist in Begleitung seines persönlichen Adjutanten Rittmeister Bieber gestern nachmittag 4 Uhr wieder aus Berlin hier eingetroffen. Die unserer kürzlichen Nachricht, daß diese Reise einer Besprechung des Prinzen mit dem Kaiser wegen des Nachfolgers im württ. Generalkommando gelte, entgegenstehenden Meldungen auswärtiger Blätter, welche dies bestritten und nur von einer Einladung des Prinzen zu den Hofjagden in der Schorfhaide etwas wissen wollten, fallen in nichts zusammen. Wie wir aus sicherster Quelle erfahren ist der Nachfolger nunmehr endgiltig bestimmt und wird die amtliche Veröffentlichung spätestens am nächsten Mittwoch im Staatsanzeiger erfolgen. Die Schwierigkeit wegen der in Betracht kommenden Persönlichkeiten, den Generalen von Wölckern und von Sobbe, beruht darin, daß deren Patente von einem und demselben Tage lauten. — In vergangener Woche veranstalteten die hiesigen Artillerie-Offiziere zwei kleinere Schnitzeljagden, welchen im Laufe dieser Woche zwei größere Jagdrennen folgen werden.
Winnenden, 11. Okt. Gestern Nachmittag fand eine Stuten- und Fohlenmusterung der hies. Beschälanstalt durch Landoberstallmeister v. Hofacker statt, an welche sich eine Remontierung anreihte. Es wurden vorgeführt 104 Stuten, 50 bis 60 Fohlen und zur Remonte 27 Pferde, meist 2- bis 0jährige Fohlen, von welchen 7 Stück ausgemustert und zum Ankauf vorgemerkt wurden. Der Visitierende sprach sich sehr zufrieden über die vorgeführten Tiere aus. Leider ging die Sache nicht ohne Unfall vorüber, indem ein Mann und ein junger Bursche durch Ausschlagen der Pferde nicht unerheblich verletzt wurden. — Auch in Künzelsau und Niederstetten fanden Stutenmusterungen durch den Landesoberstallmeister statt.
Oberndorf a. N. 12. Okt. In Seedorf wurde gestern abend der bejahrte Bauer Lorenz Schneider, der mit einem Fuhrwerk eben vom Felde heimkehrte, von einem zweiten Fuhrwerk, dessen Pferde scheu geworden waren und in wildem Lauf in den Ort hineinrannten, überfahren und so schwer verletzt, daß er nach Verfluß von zwei Stunden verschied. Die Ursache des Scheuwerdens der Pferde war ein Velozipedist, der vor dem Dorfe mit dem Gefährt zusammengetroffen war.
Thalheim, 9. Okt. Heute wurde eine hiesige Familie von einem schweren Unglück heimgesucht. Während die Eltern im Felde arbeiteten, geriet ihr etwa zweijähriges Söhnchen in eine Dunggrube und ertrank darin. Nach längerem Suchen gelang es dem heimgckehrten Vater, dasselbe aus seinem nassen Grab herauszuziehen. Angestellte Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.
Heidenheim,12. Okt. Das Pfund Schweinefleisch ist nun hier von 80 wieder auf 70 zurückgegangen infolge der Einfuhr von Ungarschweinefleisch. Dies wird pro Pfund zu 58 -A der Speck zu 90 ^ und das Schmalz zu 90 abgegeben. Zur Aufzucht werden wirklich bei uns viele englische Einstellschweine, Aorkshyrer Rasse, verkauft. — Das Hundert Stück Kraut zu Sauerkraut kostet hier 4
Giengen, 12. Okt. Ein 17 Jahr altes Mädchen, Fabrikarbeiterin in der hiesigen oberen Filzfabrik, verunglückte gestern auf gräßliche Weise. Sie putzte an einer Maschine, als diese plötzlich in Lauf kam. Das Mädchen wurde von der Transmission erfaßt und erhielt dadurch rechtsseitig einen Schlüsselbeinbruch. Ein eiserner Hebel brachte ihm eine große Stirnwunde bei und zertrümmerte ihm den rechten Oberkiefer. Außerdem war der Blutverlust sehr stark.
Ulm, 10. Okt. Den sog. Hofmetzgern und Güterzertrümmerern möge folgendes zur Warnung dienen: Ein solcher hatte in der Gemeinde Setzingen 2 Hofgütcr im Gehalt von 69 Morgen teils als Selbstkäufer, teils als Bevollmächtigter für andere Käufer (in Wirklichkeit für eigene Rechnung) gekauft und ehe er dieselbe 3 Jahre im Besitz gehabt, stückweise veräußert. Dafür wurde er von der hiesigen Strafkammer zu einer Woche Haft und 300 ^ Geldstrafe verurteilt.
Ulm, 12. Okt. Wie s hr bei der überall herrschenden Maul- und Klauenseuche Vorsicht beim Genuß von Milch nötig ist, beweist die Erkrankung von gegen 20 Kindern. Die Erkrankungen, welche glücklicherweise ohne weitere nachteilige Folgen blieben, zeigten sich in Verstopfungen, Ausschlägen im Gesicht und Beschwerden im Hals. Man hatte hier zu spät die Krankheit der Kühe erkannt und angezeigt.
Waldsee, 12. Okt. Gestern abend stahl ein reisender Handwerksbursche im Gasthaus zum Krug dahier seinem Kameraden ein 10-Markstück. Der Diebstahl wurde aber bald entdeckt und da sich der Thäter weigerte, das Geld herauszugeben, Anzeige gemacht. Der Dieb widersetzte sich der Verhaftung, indem er ganz rasend uni sich schlug und biß. Dem Polizeidiener riß er die Kleider in Fetzen, einem hiesigen Vürgerssohne, welcher der Polizei beisprang, biß er tief in die Hand. Einem andern jungen Mann wurde bei der Rauferei die Achsel ausgerengt. Schließlich mußte der Landjäger gerufen werden. Endlich übermannt und geschlossen nach dem Arrest gebracht geberdete sich der Mensch wie toll, so daß er in dre Zwangsjacke gesteckt werden mußte.
Friedrich sh äsen, 12. Okt. Heute hatten der Präsident des K. Staatsministeriums Staatsminister Dr. Frhr. v. Mittnacht mit Gemahlin, sowie Oberbaurat Klose von Stuttgart die Ehre zur K. Tafel geladen zu werden. Nach derselben begaben Sich Ihre Majestäten mit den Geladenen und dem K. Gefolge in den Schloßhafen uud nahmen
das daselbst vorgefahrene neue Dampfboot' „König Karl" in Augenschein, wobei Allerhöchstdieselben Ihrer Befriedigung über die wohlgelungene rmd geschmackvolle Einrichtung und Ausstattung des Schiffes Ausdruck zu geben geruhten. Im Laufe des Nachmittags fand sodann eine Spazierfahrt auf dem neuen Boot statt, an welcher außer dem Herrn Staatsminister und seiner Gemahlin, sowie den beteiligten Beamten die Damen und Herrn des K. Gefolges Teilnahmen.
_ Staatscmz.
München, 13. Okt. Die Königsschlösser wurden im Sommer d. I. von etwa 80 OoO Personen besucht, welche etwa 240000 ^ an Eintrittsgeldern entrichteten. Die größere Zahl der Besucher entfällt auf Herrenchiemsee, während Neuschwanstein den geringsten Besuch aufwies.
Berlin, 13. Okt. Die Kaiserin Friedrich hat gestern mit ihren Töchtern die Grabkapelle in der Friedrichskirche zu Potsdam besichtigt. Am 16. Oktober werden die sterblichen Ueberreste Kaiser Friedrichs und seiner beiden Söhne, der Prinzen Joachim und Waldemar, im Beisein des K. Hausnrinisters v. Wedell-Piesdorf und der höheren Hofchargen aas der Sakristei der Friedenskirche in die neuerbaute Grab- kapelle übergeführt. Am 18. Oktober, dem Geburtstag Kaiser Friedrichs, erfolgt die feierliche Einweihung der Kapelle. Späterhin soll die Gruft dem Publikum zugänglich gemacht werden.
— Herr Bebel hat, dem Zuge der Zeit folgend, sich vom Berichterstatter des „Galignani Messenger" interviewen lassen. Hier der Wortlaut der betreffenden Unterredung: „Was halten Sie vom Kaiser und seinen Handlungen?" — „Man muß erst sehen, bevor man urteilt," erwiederte Bebel; „es ist das ein sehr nervöser Mann, der jeden Augenblick sich ändern könnte. Heute scheinen seine Absichten wohlwollender Natur zu sein. Doch ist ein plötzlicher Umschwung zu besorgen. Die Strenge liegt in seinem Temperament. Sehr genau kennt er die Rechte und die Pflichten der Monarchie und ist willens, sie an- uwenden." „Und glauben Sie, er könne dem Ein- luß großer moderner politischer oder sozialpolitischer Bewegungen Rechnung tragen?" „Ich meine, er hat von seinen Ahnen einen tiefen Respekt vor der Monarchie und einen unerschütterlichen Glauben an dieselbe geerbt; allein von der Mutter erhielt er auch gewisse englische Anschauungen über die öffentliche Meinung.. Daher kommt es, daß er viel darauf giebt, besonders auf die Presse, die er aufmerksam verfolgt." „Wie denken Sie sich die Folgen von der Beseitigung des Sozialistengesetzes?" „Wir Parteiführer werden eine erheblich gesteigerte Arbeitslast erhalten: doch die Gefahren der Einkerkerung und der Geldbußen bleiben, dieselben. Wir werden jetzt, wo wir in den großen Zentren uns aufhalten dürfen, mit demselben Eifer reden und schreiben, aber man wird uns ebenso streng wie vorher überwachen."
Hamburg, 7. Okt. Bei Sylt kenterts die Schoonerbrigg „Gerhardine"; sieben Mann der Besatzung sind umgekommen.
Bern, 12. Okt. Der schweiz. Bundesrat hat gegen die Einschleppung des Nonnenspinners bestimmte Maßnahmen, die besonders gegen Württemberg und Bayern gerichtet sind, ergriffen. Danach
Die Sonne verschwand und das bleiche Grau des Abends schlich wie eine von Geisterhänden aus dem Osten herbeigezogene Hülle über den verblassenden Glorienschein des Himmels. Der Wind aus dem Norden blies plötzlich mit mehr Nachdruck und in lauteren Tönen und wühlte schäumende Wogen empor, die bei Passierung des Bereiches der westlichen Reflexe eine blutrote Färbung annahmen. Vanderdecken griff nach seinem Sprachrohr und sandte einen lauten Befehl zum Wrack hinüber. Alsbald stieß das letzte Boot von drüben ab und hielt auf uns zu; doch die Dämmerung war bereits der Nacht gewichen, ehe der letzte R st der Fracht, die aus Segeltuch, Tauen und Netzen bestand, ausgeladen und auf Deck geschafft worden war.
Mit dem Eintritt der Dunkelheit wurde die Scene wilder und romantischer: Der Schein des Laternenlichtes huschte gespensterhaft über die bleichen Gesichter und dunklen Gestalten der Matrosen, wie sie die Boot« emporzogen und dieselben, das eine in das andere gesteckt, aufstapelten. Das Schiff begann deftiger zu rollen, da sich die Schwellung ganz unerwartet von Neuem verstärkt halte; die Wellen schäumten und zischten und türmten sich höher und höher, im Osten trat die Mondsichel zwischen den Wolken hervor, kein anderer Laut war vernehmbar als das Plätschern der Wassermassen, die an unsere Seitenwandungen schlugen und das Heulen des näher kommenden Sturmwindes, der aus der Ferne wie ein Rachechor schreiender Frauen und Kinder herüberklang und bereits eine frische Brise als Vvr- botin durch unsere Takelage jagte.
Es war ein arbeitsreicher Tag gewesen und auch der Beginn der Nacht brachte ihnen keine Rast. Doch während all dieser Stunden war. wenn ich des MaatS gelegentliche Flüche, des Kapitäns spärliche Fragen, seine Befehle durch das Sprachrohr und meine wenigen Worte mit Jmogrne abrechne, keine menschliche Stimme vernehmbar gewesen. Am Hellen, lichten Tage und beim Anblick fleißigen, rüstigen Schaffens, das gewissermaßen dem Auge vergäll, was es dem Ohre versagte, fiel Einem dieses Schweigen weniger auf als jetzt in der nächtlichen Dunkel
heit, wo sich die Brise auffrischte, Segel gesetzt werden mußten und noch so Manches zu thun war — so Manches der Art, wie Emporziehen, Ausspannen, Emporklettern, das alle übrigen Matrosen unter Gesang und Geschrei zu vollbringen pflegen. Das Wrack trat wie ein schwarzer Klumpen aus der Finsternis hervor und trieb richtungslos auf dem düstern, schaumgekrönten Gewoge windwärts von dannen, lieber unfern Häuptern begann es zu zittern, zu flattern und zu rumoren, als die stummen Seeleute die Segel anholten und lautlos die Raaen an den Masten emporhißten. Um drei Glasen während der ersten Wache hatte man noch die Steuerbordhälse -usetz-n müssen und das Totenschiff unter voller Gewandung lehnte jetzt mit nach Südwest gerichtetem Schnabel vor einem scharfen Winde; an seinem Bug und Verdeck war es von tausend und abertausend mystischen Fünkchen und Flämmchen lebendig, welche die Finsternis der Nacht in dem altersgrauen Gebälk angezündet, und zischend und kochend brach sich an seinen S>itenwänden der in Heller Weiße emporspritzende Wogenschwall.
Vierunddreißig st es Kapitel.
Wein Leben ist gefährdet.
Wieder einmal trieben wir widerstandslos einher! Wieder einmal zeigte unser Schiffsschnabel nach der Einöde des weiten, südlichen Ozeans! Ein neuer Kampf begann, der nur in Sturm und Niederlage enden konnte, ein neues Sichabquälen des kreischenden, wimmernden Seeungeheuers gegen gigantische, feindliche Wogen, ein Verschlag enwerden von Gott weiß wie vielen Meilen, ehe der Himmel sich wieder ausktä't!
Niemals zuvor hatte ich die ganze Größe des schrecklichen, elenden Verhängnisses, das Vanderdeckeos teuflische Gottlosigkeit auf Schiff und Mannschaft herabbeschworen, mehr gefühlt als eben jetzt, wo das Fahrzeug nach Südwest wies. Die frische Brise schien mit einem „für immer uns ewig!" durch unser Takelwerk zu heulen und das Echo erstarb in dem Lärm der brausenden See.
(Fortsetzung folgt.)
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