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Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

Erscheint Dien S ta g , -Do nn erst a g und SnmStag. Die Einrückungsgebühr betrügt im Bezirk und nächster Um­gebung S Psg- di- Zeile, sonst IS Psg.

Samstag, den 4. Oktober 189V.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und S0 Pfg. TrLgerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 15, sonst i« ganz Württemberg Mk. 1. 35.

Eindruck. Vom Bahnhof bis in die Hofburg pflanz­ten sich brausende Hochrufe fort. Vor der Aspern­brücke begrüßten den Kaiser Wilhelm 30 Waldhornisten mit der Kaiser Wilhelm-Fanfare, wovon der Monarch sichtlich angenehm überrascht war. Kurz nach der Ankunft in der Hofburg besuchte der deutsche Kaiser das Grab des Kronprinzen Rudolf in der Kapuziner­gruft und legte einen Kranz daselbst nieder. Die Abreise zu den Hofjagden in Steiermark erfolgt um 3 Uhr Nachmittags.

Haag, 1. Okt. Trotz offizieller Ableugnung wird das Ableben des Königs, dessen untere Körperteile bereits gelähmt sind, befürchtet und Vorbereitung zum Thronwechsel getroffen.

Tages-Ueuigkeiten.

* Calw, 3. Okt. Gestern Donnerstag zwischen 11 und 12 Uhr vorniittags trafen hier die Offiziere des Generalstabs und andere Offiziere auf einer General stabsreise wobei es sich um Lösung strategischer und taktischer Aufgaben handelt hier ein. Die Uebung leitete der Chef des 13. Armeekorps Oberstlieutenant v. Gilgenheimb. Unter den Offizieren befanden sich S. K. Hoh. Herzog Albrecht vonWürtem- berg, Se. Hoh. Prinz Ernst zu Sachsen-Weimar, Major Münzenmaier, im Ganzen 5 Stabsoffiziere, 8 Hauptleute, 4 Premierlieutenants. Die Uebung hat am 28. Sept. in Böblingen begonnen und endet am 8. Okt. in der Gegend von Herrenalb.

Die hiesigen bürgerl. Kollegien beschlossen in gestriger Sitzung die Absendung einer Adresse an den am 26. ds. seinen 90. Geburtstag feiernden General­feldmarschall Grafen Moltke. Dieselbe, in Bunt­druck kunstvoll ausgeführt, enthält oben in dem viel­farbigen, in den Ecken mit Wappen geschmückten Rahmen, hervorragend das Wappen der Stadt Calw in mustergetreuer Darstellung.

Am 23. Okt. d. I. haben aus dem Land­wehrbezirk Calw etwa 160 Reservisten beim Gren.- Regiment Nr. 119 in Stuttgart zu einer lOtägigen Uebung einzurücken, um mit dem neuen Gewehr aus­gebildet zu werden.

Stuttgart, 30. Sept. Fabrikant Zweifel von hier hat am Samstag auf der Jagv ein be­sonderes Glück gehabt. Er erlegte im Sindelfinger Wald einen Capitalhirsch von 12 Enden. Derselbe hatte 350 Pfund Gewicht. Was für Einnahmen auf dem Cannstatter Volksfest erzielt wurden, geht daraus hervor, daß der Besitzer des einen Kasperl- Theaters in 3 Tagen 360 Mark vereinnahmte. Der Mann hat diese Thatsache selbst erzählt. Schw. R.

Stuttgart, 1. Okt. In der vergangenen Nacht um 2 Uhr wurde bei dem Ziegeleibesitzer Biehl in der Ziegelklinge Karlsvorstadt ein frecher Einbruch verübt. Die Diebe, nicht weniger als vier an der Zahl, gelangten durch den Souterrain in die Wohn­ung. Der von ihnen verursachte Lärm ermunterte den Besitzer des Hauses, der, mit einer Laterne ver­sehen, aus seinem Schlafzimmer trat, aber alsbald von einem der Spitzbuben einen Schlag auf den Kopf erhielt, daß er zu Boden stürzte. Auf das Geschrei der inzwischen ebenfalls erwachten Familie des Biehl eilten einige Arbeiter desselben zur Hilfeleistung her­bei. Drei der Einbrecher sprangen nun zum Fenster hinaus, der vierte aber wurde im Souterrain festge­nommen. Später gelang es einem Schutzmann, noch ein weiteres Glied der Bande dingfest zu machen, so daß anzunehmen ist, daß es gelingt, auch noch die übrigen zwei Gauner zu ermitteln.

Amtliche Bekanntmachungen.

Die Ortsvorsteher

haben durch Vorlegung der Oberfeuerschaudefekten Protokolle nachzuweisen, daß die noch rückständigen Defekte erledigt sind.

Calw, den 2. Okt. 1890.

K. Oberamt. Amtmann Bert sch.

Deutsches Reich.

Berlin, 29. Sept. Mehrere evangelische Geistliche haben vor kurzem mit dem Reichskommisiar in Berlin darüber konferiert, wie die ostafrikanische Kolonie am besten für die Mission nutzbar gemacht werden könne. Wir entnehmen dem über diese Unter­redung veröffentlichten-Bericht folgendes:Die Haupt­frage war: Wohin schicken wir unsere Missionare am besten landeinwärts? Wißmann antwortete:Die Küstenbewohner, also zunächst die Wafaramu, sind sehr stumpf und verkommen. Weiter hinein wird das besser. Nehmen Sie ein größeres Volk mit dicht gelegenen Ortschaften, das ist am besten. Es sind die Stämme der Wanyamwesy, intelligent und ver- chältnismäßig arbeitsam, aber geriebene Händler. Ich erwarte im nächsten Juni 6000 dieser Leute. Die sollen den Dampfer für den Viktoria-Nyanza hinauf­schaffen. Es sind allerdings auch böse Gesellen da­runter. Dem Siki von Unyanyende komme ich noch auf den Kops, der hat die Missionare geradezu ge­hetzt."Aber", warf ihm einer der Geistlichen ein,die Zeitungen melden doch aus Zabora, die Wanyamwesy hätten sich unserem Emin Pascha unter­worfen."Ich bitte Sie," war die Antwort des Reichskommissars,Emin hat 40 Soldaten außer seinen Trägern. Er sollte gar nicht nach Tabora gehen, ich weiß nicht, was ihn dazu genötigt hat. Er sollte nur eine Station am Viktoria-Nyanza an- legen. Es mögen einige Häuptlinge bei ihm gewesen sein, die ihn zum Kommen aufgefordert haben; aber wenn er fort ist, ist es gerade so wie vorher." Und wo ist ein fruchtbares Land?", so fragten wir. Ja, zwei Zehntel unseres Ostafrika sind gutes Land, acht Zehntel sind trockene Savannen. Uird wie viele Leute unsere Kolonien bewohnen, das läßt sich heute noch nicht annähernd beurteilen." Der letzte Punkt betraf die Einrichtung von Gottesdiensten für die evangelischen Soldaten der Schutztruppe.Das ist sehr leicht. In Dar-es-Salaam sind etwa 60 Deutsche, in Bagamojo werden es bis zum April 100. Da hält ihr Pastor am Vormittage m Dar-es- Salam Gottesdienst. Ich lasse ihn auf einem Dampfer nach Bagamojo fahren, was etwa 3 Stunden dauert und dort ist nachmittags Gottesdienst. Das wünsche ich sehr. Und wenn die Eisenbahn zwischen Bagamojo und Dar-es-Salaam fährt, ist's noch einfacher; wäre rch eher m Berlin gewesen, hätte ich schon zum Bau dieser Sache gedrängt.

Berlin, 30. Sept. DieNordd. Allg. Ztg." -bemerkt gegenüber derKreuzztg.", von Schwierig­keiten in der Auseinandersetzung mit dem Reichs­kommissar v. Wißmann könne, solange über die zukünftige Organisation Ostafrikas nichts Bestimmtes feststehe, nicht die Rede sein. Ws zum 31. März 1891, bis wohin die Stellung Wißmanns etatsmäßig festgesetzt sei, würde also eine Aenderung in der Stellung Wißmanns nicht eintreten, der übrigens -demnächst auf seinen Posten zurückkehre.

Bei den Festfeiern der Sozialdemokraten in Berlin sprach u. a. Bebel. Er sagte in seiner Rede in der Bockbrauerei: daß das Gesetz gefallen, sei nur dem Willen des Kaisers zu danken, aber ge­rade, daß dieser Wille an der höchsten Stelle zum Durchbruch kam, sei einer der größten moralischen Erfolge der Partei. Die einzige Partei, welche eine Zukunft habe, sei die Sozialdemokratie, obwohl der protestantische Kaiser und der katholische Papst sich miteinander verbunden hätten, die Sozialdemokratie zu bekämpfen. In einem anderen Lokale fordere Auerbach dazu auf, nach dem Grundsatz der Blut­rache bei den alten Völkern die Erinnerung stets in die Wunden zu tauchen, welche das Sozialistengesetz geschlagen, anstatt letzteres nach dem Satze zu be­handeln: äs mortnis nibil visi bene. In der Brauerei Friedrichshain gelobte Singer, der revolu­tionären Thätigkeit treu zu bleiben. Revolutionärer Phrasen bedürfe man aber nicht; man müsse bezüg­lich der Taktik den Verhältnissen sich anpaffen. In einem andern Lokale wurde das sogen.Weberlied" mit dem Schlußrefrain:Deutschland, wir weben dein Leichentuch, wir weben hinein den dreifachen Fluch" unter tausendstimmigem Beifall ausgenommen. Im Eiskeller" und in der Norddeutschen Brauerei sprach Liebknecht. Es sei, sagteer, ein weltgeschichtlicher Moment, das Sozialistengesetz sei gefallen, die rote Fahne steige empor. Besiegt sei das Sozialistenge­setz schon lange gewesen, begraben werde es heute. Die Gegner kennen die Sozialdemokratie schlecht, wenn sie jetzt auf deren Spaltung hoffen. In sämtlichen Festsülen wurde um 12 Uhr die rote Fahne gehißt und dann ging man meist zu einer Tanzunter­haltung über.

DerNordd. Allg. Ztg." zufolge hat sich ein Konnte behufs Errichtung eines Denkmals in Berlin für die verstorbene Kaiserin Augusta gebildet.

Karlsruhe, 30. Sept. Der Großherzog richtete an den Staatsminister Dr. Turban anläßlich des Geburtstages der hochseligen Kaiserin Augusta ein Handschreiben, worin er bestimmte, daß zum treuen Andenken an das dem Wohlthun gewidmete Leben der Kaiserin das neue Frauenbad m Baden-Baden den NamenKaiserin Augusta-Bad" erhalte.

Ausland.

Wien, 1. Okt. Noch niemals empfing Wien einen fremden Potentaten so glanzvoll wie heute Kaiser Wilhelm. Kein Haus auf der langen Strecke von dem Nordbahnhof bis zum Schönbrunner Schloß blieb undekoriert. Eine großartige via triumplurlis, welche schon gestern bis zu später Nachtstunde von Hundert­tausenden besichtigt wurde, bot heute bei dem präch­tigen Wetter einen herrlichen Anblick. Unzählige In­schriften, welche auf das Bündnis der beiden Reiche anspielen, grüßten den Monarchen. Sensation erregte ein Haus in der Mariahilferstraße, dessen Balkon in ein veritables Schiff umgewandelt war, das die Auf­schrift trug:Der Kurs bleibt der alte!" Die ganze Bevölkerung ist vom frühesten Morgen an auf den Beinen. Um V»9 Uhr traf der Hofzug auf der Nord­bahn ein. Kaiser FranzJosef und sämtliche hier weilenden Erzherzöge empfingen den Kaiser Wilhelm. -Die Begrüßung war eine ungemein herzliche. Kaiser Wilhelm küßte wiederholt den Kaiser von Oesterreich, dann die Erzherzöge. Hierauf fand Vorstellung der Würdenträger und Abschreiten der Ehrenkompagnie unter den Klängen der preußischen Hymne statt. Die Fahrt beider Monarchen in offenem Wagen durch die menschenbesäten Straßen machte einen unauslöschlichen