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hoher Stelle auf weite Kreise ausübt. Doch ist das Wirken der Königin nicht beschlossen in diesem Kreise der Werke christlicher und menschenfreundlicher Liebes- thätigkeit; Kunst und Wissenschaft und jedes edle Streben finden Aufmunterung und Förderung; ver­dankt doch die Hauptstadt lhr jüngstes prächtiges Dmkmal m erster Linie der königlichen Freigebigkeit der kunstsinnigen Herrscherin. Die ehrfurchtsvolle Liebe und treue Anhänglichkeit find der Dank des Volkes füt das segensreiche Wirken Ihrer Majestät. Möge der gütige Gott auch fernerhin mit seiner Gnade über der Königin walten, sie schützen und be­hüten und ihr auf lange Jahre Gesundheit und Kraft verleihen.'

Stuttgart, Iv. Sept. Wie der Schwäb. Merkur berichtet, hat Finanzrat Lang, dessen Gesuch um Wiederaufnahme der Gerichtsverhandlung über das Vaihinger Eisenbahnunglück vom hies. Landgericht durch Beschluß vom 21. Aug. abschlägig beschieden wurde, sich beschwerdeführend nunmehr an das Oberlandesgericht gewendet.

Wildbad, 10. Sept. vr. Peters ist wieder­holt hier angekommen und im Hotel Klumpp abgestiegen.

Laupheim, 10. Sept. Vor einigen Tagen verunglückte ein 5jähriaer Knabe in dem benach­barten Bußmannshausen auf gräßliche Weise. Spielend mit einem geöffneten alten Regenschirme, stürzte er in denselben und stieß sich eine Stahlschine so heftig ins rechte Auge, das er bewußtlos zusammensank. Nur mit Gewalt war die Schiene aus dem Auge zu entfernen. Ohne wieder zum Bewußtsein zu kommen, starb das unglückliche Kind nach 4 Tagen.

Ueber den Friedrichshafener Post­diebstahl wird dem Schwäb. Merkur in Ergänzung früherer Mitteilungen geschrieben: Die Uebernahme der betr. Post am Bahnhofe in Friedrichshafen ge­schah unbeanstandet; der übernehmende Unterbedienstete legte den Geldfahrpostbeutel und 3 Briefposten für die Schweiz in einen großen sog. Kurssack. Die Post wird in einen 4rädrigen Wagen geladen, der vom Bahnhof in das Postamt am Hafen durch einen Postillion geführt wird. Der Wagen kann geschlossen werden und der Unterbedienstete setzt sich dann auf den Bock. Beim Ausladen am Postamt wurde der betr. Sack vermißt; nach einigen Tagen wurde er, wie bekannt, mit den noch verschlossenen schweiz. Briefposten im See bei Konstanz aufgefunden. In der von der Staatsanwaltschaft Ravensburg erlassenen Diebstahlsanzeige werden als vermißt bezeichnet: 1 großer Sammelbeutel, welcher enthielt: 2 Geldpost­beutel und 3 Briefpostbeutel. Die wiedergefundenen 3 Briefpostbeutel waren unversehrt; die 2 Geldpost­beutel aber unter Schonung der Siegel ordnungsmäßig ausgeschnitten und ihres Inhalts beraubt. Gestohlen sind u. a. Banknoten, darunter 237 Stück L 100 (meistens von der Württ. Notenbank in Stuttgart), 2 St. L 1000 mit dem gemünzten Geld zusammen 26501 ^ 91 -A Unter den gestohlenen Schrift­stücken werden auch Akten für das Kabinet Sr. Maj. des Königs aufgeführt. Auf die Entdeckung des Thäters ist eine Belohnung von 1000 ausgesetzt.

An der sächsisch-bömischen Grenze beziffert sich der durch die Hochflut der Elbe ange­richtete Schaden auf Millionen. Bisher zählte man

von Bodenbach bis Dresden 31 Ertrunkene, deren Leichen bei sinkender Flut voraussichtlich gefunden werden. Wie weit diese ihre Opfer fortführte, geht daraus hervor, daß zwei der bei Prag ertrunkenen Pioniere bei Wehlen in der sächsischen Schweiz unter­halb der Bastei ans Land geworfen wurden. In einzelnen niedrig gelegenen Orten stand das Wasser bis unter die Hausdächer.

Berlin, 10. Sept. Ueber das Eisenbahn­unglück, das sich gestern nacht 11 Uhr auf dem Anhalter Bahnhof ereignete, schreibt dieNat.-Ztg.": Als der Wiener Schnellzug einfuhr, versagte die Bremse (Carpenterbremse.) Der Zug riß den Prell- pfahl fort und fuhr in das Bahnhofsgebäude selbst ein, die Wand zertrümmernd. Die Lokomotive sowohl als der hinter derselben folgende Gepäckwagen wurde aus den Schienen gehoben; ein Eisenbahnbeamter, welcher sich in dem Gepäckwagen befand, wurde unter den Trümmern des letzteren begraben, jedoch ziemlich ungeschädigt wieder hervorgeholt. Die Passagiere der nächstfolgenden Wagen kamen mit leichten Kontusionen oder mit dem Schrecken davon. Die Aufräumungs­arbeiten wurden noch in der Nacht begonnen.

Vermischtes.

Die armen Schmetterlinge. Der Pariser Figaro signalisiert seinen Leserinnen eine neue Mode: es ist einem unternehmenden Kopfe gelungen. Schmetterlingstaub auf Seide oder Pergament zu fixieren und man stellt infolgedessen jetzt Fächer her, die mit Schmetterlingen aller Länder in der ganzen Pracht ihrer Farben dekoriert sind. Fräulein Can- robert, deren Vermählung vor einigen Tagen statt­gefunden, trug bereits einen solchen Fächer und in Trouville erregen die Prinzessin von Saga und Mme. Heine Aufsehen damit. Erst die Vögel auf den Hüten und jetzt die Schmetterlinge auf den Fächern! Man kann nicht genug bedauern, daß die Mode ihre Launen nicht einmal in den Dienst nütz­licher Zwecke stellt. Käme sie eines Tages auf den Einfall, daß eine Dekorierung der weiblichen Toilette mit Fichtenspinnern, Borkenkäfern und Rebläusen außerordentlich Me sei, so würden sie der bedräng­ten Forst- und Weinwirtschaft einen erheblichen Dienst erweisen.

DesCylinderhutes" Ende. Der Cylinderhut" ist kein ganz deutsches Wort, und so hat sich die Redaktion eines Berliner Witzblattes veranlaßt gesehen, ein Preisausschreiben zu veran­stalten, um so zu ermitteln, welchedeutschen" Worte sich für Cylinderhutauftreiben" lassen. Dies Preis­ausschreiben hat den Erfolg gehabt, daß, wie die Redaktion jenes Blattes bemerkt, sich dieserhalb dem armen Cylinder die Haare sträuben dürften, wenn er erfährt, daß einigehundertundfünfzig" Sprachreiniger ihr Können an ihm versucht und iu summa summa- i-um an fünfhundert Uebersetzungen erzeugt haben. Unter den zahlreichen Verdeutschungsvorschlägen heben wir folgende preisgekrönten, ihrer Originalität wegen hervor: Hochhut, Glatzenkanne, Fettgondel, Kandida­tenarche, das glänzende Elend, Watzling, Schweiß - Stülper, Parfüm-Höhle, Krempen-Röhre, Dunstkiepe, Pomadendeckel, Glanz-Kühl, Sylvester-Pauke, Duft- Kanone, Genick-Walze, Schautendeckel, Mumpitz-Krone, Trauertonne, Treunesse, Paradeproppen, Exament­

richter, Rummelsburg, Aufsatzkolben, Schmalzgondek, Demutsdeckel, Gedankenscheune, Striegelrolle, Drücke­berger u. s. w. Nun hat jeder die Auswahl 1

8songvns«rnr.

Weites in der Bibliothek.

1. Klemens Merk's Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe. Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunster- zeugniffe.

2. Die Zigeuner. Erzählung von O. Glaub­recht.

3. Das Volk und seine Treiber. Erzähl­ung von O. Glaubrecht.

4. Der Laternenmann. Erzählung von Maria Cummies.

5. Es muß doch Frühling werden. Er­zählung von H. Hübener.

6. Aus fernen Zonen. Erzählungen für Jung und Alt.

7. Verpflanzt. Drei Erzählungen.

8. Auf offener See. Fünf Erzählungen aus allen Weltteilen.

9. Christliche Kirchengeschichte. Heraus­gegeben von dem Calwer Verlagsverein.

10. Gustav Werners Leben und Wirken. Nach meist ungedruckten Quellen dargestellt vom Dr. phil. P. Wurster.

4. Sept.

6 .

8 .

7. Sept.

8. Sept.

9.

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10 . .

10 .

Standesamt ßatw.

Geborene.-

Luise Emilie, Tochter des Johannes Weber, Jacquardwebers.

Emma Luise, Tochter des Jakob Henne­farth, Maschinenstrickers.

Pauline, Karoline, Tochter des Friedrich Schechinger, Maschinenstrickers.

Getraute:

Johann Heinrich Melchinger, Fabrik­arbeiter mit Margarethe Rüd hier.

Gestorbene:

Emilie Sofie Dollinger, 6 Jahre alt, Tochter des August Dollinger, Kauf­

manns.

Luise Schulz, 6 Jahre alt, Tochter des Josef Schulz, Maurers.

Marie Jda Auguste Keller, 6'/- Jahre alt, Tochter des Johannes Keller, Eisen­bahnschaffners.

Wilhelmine Stoll, 5 Jahre aft, Tochter- des Karl Stoll, Schuhmachers.

Gottesdienst

am Sonntag, den 14. September.

Vom Turm: 24.

Vorm.-Predigt: Herr Helfer Eytel. 1 Uhr- Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr Bibelstunde im VereinshauS: Hr. Dekan Braun.

Wo Appetitlosigkeit , belegte Zunge, pappiger Geschmack. Ausstößen, Druck in der Magengegend re., durch Störungen in der Verdauung (Verstopfung) her­vorgerufen wurden, bringt die Anwendung der in den Apotheken L 1. erhältlichen echten Apotheker Rich­ard Brandt's Schweizerpillen sofortige Besserung. Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Be­standteile sind: Tilge, Moschusgarbe, Aloe, Absynth, Bitterklee, Gentian.

bedienten, aufbewahlt wurden, vervollständigten im Verein mit den Hängematten zu Häupten die Ausstaffierung dieses melancholischen, rattenbenagten, ja ekelhaft widrigen Volkslogis.

Mittlerweile war Jans der Tabakschneiderei überdrüssig geworden und ein Bursche, Namens Meindert Kryus, machte sich über das, was übrig geblieben, her. Wer nur immer eine Pfeife hat, füllte sie und zu meinen Erstaunen fand ich, daß sie in dieser Hinsicht wohl versorgt waren, obgleich meine Verwunderung aufhörte, als ich später erfuhr, daß sich unter anderen Frachtartikeln, die Vanderderdecken aus einem verlassenen Schiff entnommen, auch Kisten mit langen Thonpfeifen befunden hatten. Es war rührend und ergötzlich zugleich, diese nur halbbekleideten Geschöpfe beim Rauchen zu beobachten: ihre Art und Weise, den Rauch zum besseren Genießen deS Aromas im Munde zurückzuhalten, die ernste Freude, mit der sie die Wölkchen hervorstießen und aufsteigen ließen, wobei einige in ihren Hängematten, über deren Rand ihre nackten Beine herabhingen, Andere auf den Kisten saßen und den kalten Wind, der durch die Decköffnung hereindrang, offenbar nicht fühlten. Keiner sprach ein Wort. Wenn ihnen überhaupt noch irgend ein Rest eigener Willenskraft ge­blieben, so schien derselbe jetzt nur darauf verwandt zu werden, ihre Pfeifenköpfe in Brand zu erhalten. Jans stand gegen den Vordermast gelehnt, schmauchte behaglich und starrte in das Dunkel. Daß er bereits vergessen hatte, warum er nach unten gekommen, daß ich für ihn schon ebenso wenig mehr existierte als e« der Fall ge­wesen sein würde, wenn ich niemals über die Verschanzung des Saracen gefallen, war klar und deutlich aus seiner seltsamen, erdentrückten Stellung und Miene zu erkennen. Ich klopfte ihm abermals auf die Schulter und langsam, ohne zu er­schrecken, wandte er den Blick auf mich. ES war sicherlich die denkbar leichteste und schnellste Verwandlung aus einem Zustand deS Entrücktseins zu Intelligenz und Leben.

Ich wünscht» so viel wie möglich zu sehen, deshalb wagte ich die Frage - Wo kochen Sie!"

Ich will cs Ihnen zeigen," antwortete er und damit schritt er in der Richt­ung der Springluke von dannen.

Ich konnte ihm nur mit Mühe folgen, denn es war mir kaum möglich, etwaS- zu sehen; wahrlich, hier mußte für Einen, der aus dem Sonnenlichte kam, totale Finsternis herrschen. Wir passierten durch die Oeffnung eines Bretterverschlages auf der Backbordseite und fanden uns alsbald auf einem Deck wieder, das an seinem Hinteren Ende fast ganz mit Taugewinden, Fässern und ähnlichem Gerät angeftillt war. Eine offene Portluke auf der Windseite spendete genügend Licht zur Orien­tierung über die Umgebung. In der Mitte dieses Decks das mit dem Vorder­kastell und jenem Deck, auf dem ich eine der Schlafkabinen inne hatte, Alles eins- und nur durch Verschlüge getrennt war befand sich abseits von Tauen und Fässern eine Art Schiffsküche, ein Raum von beträchtlichen Dimensionen, der an beiden Seiten offen, mit Backsteinen belegt und mit Ofen und Kupfergeschirr zum Kochen ausgestaltet war. Ein Mann der Koch oder Unterkoch mit nackten Füßen, seine Schenkel in verschossene, blaustoffige Hosen und seinen Oberkörper in ein wollenes Hemd gekleidet, war beschäftigt, eine Art Suppe zum Frühstück für die Mannschaft herzurichten. Ein anderer Mann stand an einem Zubereiter und knetete Teig. Dieser Bursch- war eine sehr kurze, korpulente Person mit einem Hals so fett und dick, daß ordentlich ein Fleischkissen unter seinem Kopfrücken lag. Niemals zuvor hatte ich ein treueres Musterbild eines wahren Holländers geschaut als diesen Koch.

Man hätte meinen sollen, daß sich in dieses anheimelnde Geschäft des Kochens und der Pastetenbäckerei ein Element des wahren Lebens und der Natürlichkeit ein- mischen würde, wie eS auf diesem verfluchten Fahrzeug sonst nirgendwo anders zu finden. Doch so wenig war dies der Fall, daß ich mich kaum erinnere, während all der Zeit, die ich auf der Braave zugebracht, einen entsetzlicheren Anblick gehabt zu haben, und ganz besonders waren es die beiden Männer das Unwücklicht ihrer Wirklichkeit, welche eL dazu machten.

(Fortsetzung folgt.)