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103. Amts- und Anzeigeblalt für den Bezirk (Lalw. 65. Jahrgang.
Erscheint Di-n S ta g , Donnerstag und Samstag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Beztrk und nächster Umgebung » Psg. di- Zeile, sonst lL Psg.
Donnerstag, den 4. September 1890.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt X) Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch d'e Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst tv ganz Württemberg Mk. 1. 85.
Tages-Ueuigkeiten.
fAmtliches aus dem Staatsanzeiger.f Teine Majestät der König haben am 27. August d. I. den Professor Ploch er am Reallyceum in Calw auf sein Ansuchen wegen vorgerückten Alters allergnädigst in den Ruhestand zu versetzen geruht.
fAmtliches aus dem Staatsanzeiger.s Seine Königliche Majestät haben allergnädigst geruht, am 12. August die erledigte evangel. Pfarrei Gechingen, Dekanats Calw, dem Pfarrer Keller in Lampoldshausen, Dekanats Neuenstadt zu übertragen.
* Calw, 3. Septbr. Sedansfest. In altüblrcher Weise wurde das deutsche Nationalfest am Borabend durch ein hellloderndes Freudenfeuer auf dem hohen Felsen eingeleitet. Am Festtage selbst erdröhnten von der Lärchenallee aus Böllerschüsse über das Thal, um 5 Uhr wurde Tagwache geblasen, worauf Choralmusik folgte. Die Stadt war in allen Teilen festlich beflaggt und überall sah man von 7 Uhr an die Schulkinder in feierlicher Kleidung ihren Schullokaien zueilen. Um 8 Uhr begannen die Schulfeiern. In der Volksschule ließen die Lehrer ihre Klassen mit einem Choral beginnen und gaben sodann nach einer Ansprache an die Kinder über die Bedeutung des Tages eine kurze Schilderung des Kriegs von 1870—71, welche durch Deklamationen und Gesänge patriotischer Lieder belebt wurde. Das Real- lyceum feierte den Tag in besonders erhebender Weise mit Gesang, Rede und Deklamation. Der Festredner, Hr. Rektor vr. Weizsäcker, gab zunächst in begeisternder Sprache einen Rückblick auf die früheren Einigungsbestrebungen und ein Bild des glücklich geführten Krieges und wandte sich zuletzt in eindringlichen Mahnworten an die Jugend, wünschend, daß -auch sie werde allezeit Mehrer des Reichs bezüglich Her nationalen Freiheit und Wohlfahrt. Um ^10
Uhr fand in der Stadtkirche ein Festgottesdienst statt, welchem die Schuljugend, der Veteranenverein, die Staats- und städtischen Beamten, sowie viele Bürger anwohnten. Die von Hrn. Helfer Eytel über Psalm 64, Vers 10: „Und alle Menschen, die es sehen, werden sagen: Das hat Gott gethan, und merken, daß es sein Werk sei" gehaltene, gediegene Festpredigt machte auf die zahlreichen Zuhörer einen ergreifenden Eindruck. Nach Beendigung des Gottesdienstes zogen die Schulkinder auf den Marktplatz, wo unter den Klängen der städtischen Musik die Verteilung der Kümmelküchlein vorgenommen wurde. Um 2 Uhr sammelte sich der Festzug auf dem Marktplatz. Derselbe wurde eröffnet durch die Stadtkapelle, worauf sämtliche Schulklassen mit ihren Lehrern, der Veteranen- und Militärverein, das Bezirkskommando, der Liederkranz, der Turnverein und die städtischen Kollegien mit der Stadtfahne folgten, den Beschluß des imposanten Zugs bildeten viele hiesigen Einwohner. In schönem, fröhlichem Zuge schritt die festliche Schar auf den Brühl. Hier sang mit kräftigem Wohllaut der Liederkranz den Chor „Und hörst du das mächtige Klingen". Hierauf hielt Hr. Prof. Haug eine zündende, von echt patriotischer Gesinnung durchwehte Festrede, welche wir hier im Wortlaute folgen lassen:
Hochverehrte Versammlung!
Vor wenigen Tagen erstieg ich in heißer Mittagsstunde die rebenumsäumten Höhen des Kaiserstuhles im Breisgau. Mitten aus der breiten Ebene des Oberrheinthales erhebt sich die vulkanische Masse dieses Gebirgsstocks, wie wenn er eigens dazu geschaffen wäre, dem entzückten Wanderer die Schönheit deutscher Lande zu zeigen. Ueberwält'gend schön ist der Ausblick, den man genießt, nachdem der Gipfel des Berges erreicht ist. Hell von der Sonne beschienen breitete sich zu meinen Füßen nach Süden
und Norden die weite mit lieblichen Dörfern und freundlichen Städten besäte Fläche der Rheinebene aus, in welcher da und dort die glänzenden Fluten des grünen Stromes in ihrem gewundenen Bette sichtbar waren, um sich in unabsehbarer Ferne zu verlieren. Im Osten und Westen aber ragten die stolzesten Häupter des Schwarzwalds und der Vogesen gen Himmel empor, mit ihren Scheiteln an die Wolken stoßend. Mit wunderbarer Klarheit zeichneten sich die Schluchten und Thäler des westlichen Grenz- aebirges, des deutschen Teiles der Vogesen, in der leise bewegten Lust, und wenn der trunkene Blick von den erhabenen Schönheiten der Gebirgsnatur zurückkehrte in die Ebene, so blieb er haften an den herrlichen Denkmälern deutscher Kunst, an den Türmen der Münster zu Freiburg, Altbreisach und Straßburg. Tiefster Friede lagerte über der ganzen Landschaft und unwillkürlich konzentrierten sich die Gedanken des Wanderers auf einsamer Höhe in dem heißen Herzenswunsch, dieser Friede möge den gesegneten Fluren an den Ufern des deutschen Stromes für inimer gewahrt bleiben, denn vor seinem geistigen Auge verwandelte sich das liebliche Bild in ein ganz anderes, wie es in den Herbst- und Wintertagen der Jahre 70 und 71 sich dem Beschauer von dieser Stelle aus bieten mußte. Damals wurde die Luft erschüttert von dem gewaltigen Getöse der ehernen Schlünde, welche die Mauern Straßburgs bezwangen, die jetzt so friedlichen Dörfer jenseits des Stromes schickten Feuergarben und nummernde Glockentöne zum Himmel, auf-den nun so stillen Straßen in der Ebene bewegten sich dem Rheine zu die dunkeln Massen der deutschen Heereskörper, welche bestimmt waren mit ihrem Blute das kostbare Gut der deutschen Einheit uns zu erwerben. Bon Süden her aber, aus Entfernungen, in welche das Auge nicht mehr einzudringen vermochte, erreichte Ohr das Tosen jener ungeheuren
Jeuilleton.
Das Gotenschiff.
Bericht über eme Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" -genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. ßkarK Wusse kl.
(Fortsetzung.)
„Wenn wir einmal diese Gewässer im Rücken haben," äußerte Vanderdecken verdrießlich, wobei er Messer und Gabel öfters weglegte, um sich mit beiden Händen durch den Bart zu fahren, während er starr vor sich hinsah, daß man hätte schwören mögen, er schaue eine Vision, „dann werden wir so viel Sonne haben und sie wird von Tag zu Tag höher und höher emporklimmen, bis sie wie ein flammendes Schild gerade über unseren Mastspitzen steht, daß uns die Kühle des biscayischen Meeres mnd die Einfahrt in den englischen Kanal wie einem Durstigen ein frischer Trunk wohlthun wird."
„Bitte. Mynheer," fragte ich, „wie weit nach Osten hat uns dieser Sturm nach Ihrer Vermutung wohl verschlagen?"
Er schaute mich mit einer plötzlichen Gereiztheit an, als wenn er mich für meine kühne Frage zermalmen möchte; dessenungeachtet beantwortete er sie, wenn -auch mit einer schneidenden Schärfe in seiner volltönenden Stimme: „Ungefähr chundertfünfz'g Meilen, Herr; aber warum?"
„Ja, warum?" schnarrte Van Vogelaar und sandte mir dabei einen düsteren Blick zu.
„Um nichts, meine Herren." antwortete ich, von den blauen Augen Jmogene's gewarnt, diesen Gegenstand so schnell als möglich fallen zu lasten. „Die nachzuholende Strecke ist also nicht bedeutend und eine hübsche kleine Südostbrise sollt« mns in drei oder vier Tagen mit vollen Segeln um das Kap treiben."
Vanderdecken erwiederte nichts, seine Blicke wandten sich von mir ab auf den
Tisch, den er wie ein wachend Träumender fixierte, während Ban Vogelaar mich seinerseits minutenlang anglotzte. Da er rechts von mir saß und demgemäß, um mich sehen zu können, seinen Kopf vollständig nach mir herumdrehen mußte, stellte dies meine Mäßigung auf eine harte Probe, und ich hätte ihm für seine Frechheit am liebsten mit einem Schlag in's Gesicht geantwortet. Doch ein kurzes Nachdenken belehrte mich, daß ich dieses finstere und beleidigende Anstarren für ebenso bedeutungslos halten müsse als eines totes Menschen Starrblick, und so erwartete ich das Ende seiner Musterung in Geduld.
Als sich der Kapitän bald darauf erhob, folgte ich ihm auf Deck, während das Wetter für Jmogene immer noch zu rauh und naßkalt war.
Vanderdecken hatte Recht gehabt: der Sturm ließ nach und wir konnten mit Bestimmtheit auf baldigen klaren Himmel hoffen; nichtsdestoweniger ging die See noch fürchterlich hoch und ihr schäumendes, rauschendes Gewoge längs der Seelinie, die jetzt ziemlich klar hervoitrat, brachte Einem die Wahnvorstellung einer weiten Bergkette, deren abgewaadte Seiten im Sonnenschein prangten, während über uns noch das düstere Zwielicht des Sturmes lag. Es rieselte immer noch ein feiner Regen herab, doch nicht derartig, daß cs wie zuvor den Ozean trübte. Indessen bezauberte mich des Fliegenden Holländers Kampf mit den mächtigen Wogenungetümen die auS Nord und West gegen ihn anstürmten, dermaßen, daß ich, ganz versunken in das Schauspiel, so lange herumwänderte, bis ich endlich beinahe ebenso eingeweicht war als damals, wo man mich aufgefischt und an Bord gebracht hatte.
Aber was kümmert sich ein strammer Mattose um eine nasse Jacke, so lange er ein trockenes Hemd auf dem Rücken fühlt, und ich hatte ein solches. Dank Vanderdecken, der so gütig gewesen war, mir einen reichlichen Vorrat an Leinenzeug zu leihen.
Ich weiß nicht, ob ich jemals ein Schiff sah oder von einem hörte, welches so gewaltige Massen Schaum wie dieses emporwühlte. Munter hoben es die Wellenberge empor, und bei jeder Bewegung windwärts schleuderte es mehrere Faden weit eine siedende, wallende, blitzende Schaumfläche vor sich her, in die eS alsbald versank, als wenn es Schnee wäre, und wo e« sozusagen kauern liegen blieb, daß man