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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 65. Jahrgang.
Erschnnt DirnSlag, Donnerst»» und SamSta». ! Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- !l gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Psg. >!
Donnerstag, den 28. August 1890.
Abonnementspreis vierteljährlich in der SA»dt §0 Pfg. und 20 Pfg. Trägerlohn, durch d'e Post Lyogen Mk. 1. 15, sonst t« ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Amtliche Wekarmtmachungen.
Bekanntmachung der H. Zentralstelle für Ne Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung einer Prüfung im Hufbeschlag an der K. tierärztlichen Hochschule in Stuttgart.
Für Schmiede, welche die in Artikel 1 des Gesetzes, betreffend das Hufbeschlaggewerbe, vom 28. April 1885, vorgeschric'bene Prüfung im Hufbeschlag erstehen wollen, findet vom 2.—4. Oktober d. Fs. ein-I Prüfting an der K. tierärztlichen Hochschule in Stuttgart statt.
Diejenigen Kandidaten, welche diese Prüfung erstehen wollen und sich nicht an dem zur Zeit stattfindenden Lehrkurs an der tierärztlichen Hochschule beteiligen, haben das Gesuch um Zulassung zu der Prüfung bis spätestens 11. September d. I. bei der Direktion der tierärztlichen. Hochschule anzubringen.
Bedingung für die Zulassung zur Prüfung ist der Nachweis der mit Erfolg bestandenen Lehrzeit im Schmiedehandwerk und einer zweijährigen Thätigkeit als Schmiedgeselle, wobei die Zeit der Beschäftigung im Hufbeschlag besonders angegeben sein muß. Die urkundlichen Nachweise hierüber sind mit dem Zulassungsgesuch vorzulegen.
Stuttgart, den 19. August 1890.
v. Ow.
Deutsches Reich.
Berlin, 25. Aug. Das Bankett zu Ehren des Dr. Peters im Kaiserhof war verhältnismäßig schwach besucht, aber es herrschte eine animierte Stimmung. Des deutsch-englischen Abkommens geschah fast gar keine Erwähnung. Es sprachen Minister v. Hoffmann, Dr. Peters, Professor Schweinfurth, Regierungspräsident v. Tiedemann, Admiral Livonius
u. A. Telegramme waren in reichlicher Zahl eingelaufen.
Memel, 25. Aug. Der Kaiser ist um 6 Uhr abends eingetroffen und von dem Grafen Waldersee, Unterstaatssekretär Marschall und den Spitzen der Behörden ehrerbietigst begrüßt worden. An der Reede bildeten zahlreiche Schiffe, Fischerboote und der Ruderklub Spalier. Unter dem Jubel der Bevölkerung und unter Glockengeläute fuhr der Kaiser mit Ge- solge nach dem Rathause, Postgebäude und nach dem Gute Tauerlauken zur Louiseneiche. Sämtliche Straßen und herrlich geschmückt. Die Vereine und Gewerke bildeten Spalier.
— Von Helgoland schreibt man der Magdeb. Ztg.: Wie verlautet, gedenkt man auf Helgoland eine zoologische Station zu errichten. SLon früher war eine solche Absicht aufgetaucht, da sich die Insel dazu besonders eignet. — Der schon zum öftern er- erwähnte Bäckermeister in Cuxhafen ist nicht die einzige Person, welche sowohl die Uebergabe der Insel an England im Jahre 1807, wie die Uebergabe derselben an Deutschland im Jahre 1890 miterlebt hat. Dasselbe kann von sich sagen der Konsul Renner Tönnies in Cuxhafen. Dieser wurde im Jahre 1807 auf Helgoland geboren und machte auch die jüngst erfolgte Uebergabe Helgolands in voller Rüstigkeit mit.
— Einzelne englische Blätter, wie die „Times" und „Standard", verraten ein gewisses Unbehagen über die voraussichtlichen Ergebnisse des Kaiserbesuches in Rußland. Die „Times" meint, der Besuch des deutschen Kaisers verhindere wenigstens die Gefahr eines unmittelbaren Zusammenstoßes in Europa; so lange der Zar keinen Krieg plane und Kaiser Wilhelm die Kriege verbiete, könne Europa auf Waffenruhe rechnen; für den Stolz des 19.' Jahrhunderts sei es allerdings nicht schmeichelhaft, daß der Friede des Kontinents von der Weisheit und Laune zweier Individuen abhänge, indessen vorausgesetzt, daß sie beharren, seien sie der Dank
barkeit der Welt sicher. Die „Times" meint vollkommen zutreffend, daß Rußland von seinem Standpunkt aus sich Frankreich nur als eines Instruments zur Durchsetzung seiner Pläne im Orient bediene, die Franzosen würden in einer europäischen Krisis, wenn es sich um die Förderung der französischen Rache gegen Deutschland oder um die Förderung russischer Pläne auf der Balkanhalbinsel handle, bald den Entschluß der russischen Staatsmänner herausfinden. Der „Standard" umgekehrt meint, daß der warme Empfang des deutschen Kaisers und die russische Kälte gegen Frankreich, die er wunderlicherweise entdeckt haben will, keineswegs eine Cooperation Rußlands und Frankreichs ausschließe, nur bedürfe Rußland augenblicklich keines Bundesgenossen. Man darf derartige Erörterungen wohl auf sich beruhen lassen.
Frkf. I.
Sterblichkeitsverhältnisse der europäischen Heere. Die „Nat.-Ztg." schreibt: Das militärärztliche französische Fachblatt ,Archivs« äe insäioins militairs" veröffentlicht eine interessante Untersuchung über die Sterblichkeitsverhältnisse der europäischen Heere, aus welcher hervorgeht, daß das deutsche Heer von allen am günstigsten gestellt ist. Die höchste Sterblichkeitsziffer weist das spanische Heer mit 13,40 pCt. pro Mille auf; es folgt Rußland mit 8,88, Italien mit 7,74, Oesterreich-Ungarn mit 6,94, Frankreich mit 6,06, England mit 5,13, Belgien mit 4,7, endlich Deutschland mit nur 3,97 pro Mille. Was die am weitesten verbreitete Krankheit, die Lungentuberkulose, anlangt, so stellt sich die Zahl der Erkrankungen für Deutschland zwar etwas ungünstiger, da Frankreich mit 2,6 pro Mille den Vorrang vor uns mit 3,12 pro Mille behauptet, dafür aber beträgt die Zahl der tätlich verlaufenen Fälle in der deutschen Armee nur 0,83 pro Mille, worauf als nächstbeste Staaten Belgien mit 1 und Frankreich mit 1,11 pro Mille folgen. Obwohl die Verhältniszahlen sich für Frankreich im allgemeinen nicht ungünstig anlassen und die Tendenz weiterer
Jenilleton.
Das Gotenschiff.
'Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" -genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. Klarst Yusselk.
(Fortsetzung.)
Ich würde meine Leser bald ermüden, wollte ich über Alles, was ich sah, eine eingehende Beschreibung liefern, doch muß ich versuchen, wenigstens in aller Kürze eine allgemeine Idee zu geben: Die erste Kiste war durch eingefügte Schieber in vier Hauptabteilungen zerlegt, während jede Hauptabteilung wieder in mehrere Fächer zerfiel, und jedes Fach war mit in Rmgen, Armbändern, Ohrgehängen und Aehnlichem eingesetzten Edelsteinen und goldenem Schmuck, wie Vögel für die Haare, Broschen, Halsspangen, Ketten um Taille oder Nacken und anderen verwandten Gegenständen gefüllt, deren Wert ein ungeheurer und deren Arbeit von vollendeter Schönheit war. Ich bat um Erlaubnis, einige dieser Sachen näher betrachten zu dürfen, und bemerkte, als ich sie in der Hand hielt, daß einige von ihnen ein viel antikeres Gepräge als andere zeigten, so daß ich zu Fräulein Jmogene auf Englisch sogle: „Ich vermute, daß unser Freund viele dieser Prunkstücke während der verschiedensten Perioden gesammelt hat."
Sie entgegnete in derselben Sprache: „Er kann Ihnen wohl sagen, was er in Batavia gekauft hat oder was ihm nur zur Ablieferung in Amsterdam übergeben wurde, aber nach diesem ist sein Gedächtnis eine tabula rasa und das letzte Schiffswrack, dessen er sich erinnern kann und in dem er mehrere Zentner Silber und un- geprägtes Gold vorfand, ist die Vryheid, die er — ich kann nicht sagen wo — in einem sinkenden Zustande antraf."
„Und sind noch mehr Schätze als diese an Bord?" fragte ich.
„Viel mehr!" erwiederte sie. Dann wandte sie sich an Vanderdecken, der mich, ohne sein Haupt zu bewegen, forschend anblickte, und sagte: „Ich erzählte Herrn Fenton soeben, daß diese Kisten nur eine Handvoll von allen Schätzen dieses Schiffes repräsentieren."
„Ich bin geblendet von Allem, was ich schaue, Mynheer," beeilte ich mich zu versichern, während Prius die Schieber herausnahm und so Schmuckgegenstände und Steine von vielen hundert Guineen Wert enthüllte. „Könnte ich nur eine dieser Hauptabteilungen mein Eigen nennen, so würde dies meine letzte Seereise sein."
„Ei," sagte er. „da ist so manches Schöne hier; manches, das hübsche Summen einbringen wird. Jedoch eine große Anzahl der in jener Kiste enthaltenen Artikel gehören einem Kaufmann, andere hinwiederum sind nur in Kommission gegebene Waaren, und mein eigener Anteil beruht bloß auf Spekulation."
Die andere Kiste hatte nur eine Abteilung. in der viele goldene Kruzifixe von verschiedenen Formaten, Becher, Flacons, massivgoldene Leuchter lagen, während darunter eine Art kleiner Ziegeln oder Zinnbarren verborgen waren, die, wie mir Fräulein Jmogene erzählte, pures blankes Gold enthielten, das zur Täuschung etwaigen Piraten auf diese Weise entstellt worden. Dazu kamen mehrere große Säcke, in die Prius, der automatenhaft um uns herumhantierte, mit der Hand fuhr und woraus er verschiedene Sorten Münzen wie Re-chSthaler, Dukatone, Dukaten, botanische Rupien, spanische Dollar« und sogar Schillinge, die per Stück nicht mehr als sechs Stüver wert waren, zum Vorschein brachte.
ES ist immer ein Vergnügen, blitzende und funkelnde Gegenstände, namentlich die Schönheit des in seltsame oder phantastische Formen verarbeiteten Goldes, strahlende, in zwanzig verschiedenen Farben zugleich spielende Juwelen und Edelsteine zu betrachten und zu bewundern, und wäre ich ein Seeräuber oder ein Weib