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sieht gut aus, Borchert dagegen scheint von den Strapazen stärker mitgenommen zu sein.
Ebingen, 20. Aug. Ein bedauerlicher Vergiftung s fall, welcher den Tod eines 7jährigen Mädchens zur Folge hatte, erregt hier allgemeine Teilnahme. Eine Hausfrau hatte aus Heidelbeeren und Branntwein einen sogen. Ansatz gemacht und ihn in einer Flasche vor das Fenster hinausgehängt, um ihn durch die Sonnenhitze zur Gährung bringen zu lassen. Die Abwesenheit der Eltern auf dem Felde benützte das Kind, um den Inhalt oer Flasche zu versuchen. Die Folgen machten sich alsbald bemerkbar; als die ahnungslosen Eltern heimkamen, fanden sie das Kind schwer erkrankt. Sofort herbeigerufene ärztliche Hilfe kam zu spät, das gefährliche Gift hatte schon zu viel Gewalt über den schwachen Körper erlangt, und heute Nacht hat der Tod das arme Kind von seinen Leiden erlöst.
— In Weilheim bei Tuttlingen ereignete sich am Sonntag früh em Unglücksfall. Als am Samstag der Sohn des Bahnwärters R. bei einem Freudenschießen seinen Revolver benutzte, blieben noch einige Patronen zurück. Der Bruder des Genannten wollte dieselben entfernen und war unglücklich genug, den Lauf des Revolvers in der Hand zu halten, als der Schuß losging. Die Kugel drang ihm in die hohle Hand und von da durch den Arm bis zum Ellbogen. Die Kugel konnte bis jetzt vom beigezogenen Arzt noch nicht entfernt werden.
Karlsruhe, 18. Aug. lieber einen aufregenden Vorfall, der sich gestern nachmittag im neuen Amtsgefängnis abspielte, wird der Bad. Presse berichtet: Drei wegen Diebstahls in Untersuchung stehende gefährliche Personen waren wegen Mangels an genügenden Räumlichkeiten im neuen Amtsgefängnis, welches zur Zeit behufs Vergrößerung im Umbau begriffen ist, in einer Zelle untergebracht. Dieselben faßten nun in verflossener Woche den Entschluß, den Gefangenenaufseher zu ermorden, sich die Schlüssel anzueignen und sich wie auch andere Gefangene auf freien Fuß zu setzen. Das Vorhaben sollte gestern nachmittag zur Ausführung gelangen. Die drei Gauner machten sich durch Klopfen bemerkbar und verlangten Wasser; der Gefangenenaufseher öffnete die Zelle und einer derselben ging mit dem Krug heraus, um einscheinend Wasser zu holen. Als derselbe die Zelle verlassen hatte, stürzten die zwei anderen sich auf den Gefangenenaufseher, warfen ihn zu Boden und wollten ihn erwürgen. Derselbe setzte sich jedoch so kräftig zur Wehre, daß er die gefährlichen Angreifer nach kurzer Zeit zurückschlug, aber dabei fast kampfunfähig wurde. Alle drei bluteten stark. Die beiden schlossen hierauf den Aufseher in den Gang des zweiten Stocks ein und begaben sich zu dem dritten Kollegen, der inzwischen zur Frau des Ueberfallenen in das Bureau gegangen war; hier verlangten die drei die Schlüssel, um öffnen zu können. Die Frau jedoch weigerte sich dessen entschieden und setzte sich ebenfalls zur Wehr, wobei sie gleichfalls gewürgt wurde. Eine andere Frau, die zufällig auf Besuch anwesend war, flüchtete sich bei dem Vorgang und schrie um Hilfe. Ein Beamter des großh. Amtsgerichts war auf dem Bureau anwesend; als derselbe die Hilferufe hörte, beorderte
er schnell Schutzleute herbei, die in der Nähe postiert waren, auch wurden Schutzleute durch das Telephon gerufen, welche dann in Gemeinschaft mit dem Gefangenenaufseher die Angreifer in Ketten legten. Einen weiteren Gefangenen hatten die Ausbrecher schon aus seiner Zelle herausgerissen.
Manchester, 18. Aug. Gestern nachmittag brannte das Queen's Theater fast gänzlich nieder. Das ganze ziemlich wertvolle Inventar wurde zerstört, aber Verlust an Menschenleben ist nicht zu beklagen. Gleichzeitig brach in der zu Miles Platting, unweit Manchester, gelegenen großen Baumwollspinnerei der Firma Holland u. Co. Feuer aus, wodurch der größere Teil der Gebäude eingeäschert und Schaden im Betrage von 120000 Pfd. Sterl. angerichtet wurde.
— Aus Nishny-Now gorod wird gemeldet: Unweit der Stadt ist der Passagierdampfer „Gregor" mit 102 Personen, größtenteils Kaufleuten, an Bord nachts in Brand geraten und gänzlich vernichtet worden. Die schlaftrunkenen Reisenden sprangen erschreckt ins Wasser, wobei ein großer Teil ertrank. Der Schaden an Waren ist sehr bedeutend. Die ganze Post ist verbrannt.
Nermischies.
— Der letzte Bericht des Eidgenössischen Versicherungsamtes, veröffentlicht auf Beschluß des Schweiz. Bundesrates voin 28. April 1890, betont es ausdrücklich, daß keine Anstalt in der Weise wie die Gothaer zur unentgeltlichen Mitübernahme des Kriegsrisikos befähigt ist, und daß die Staatsbehörden, welche diesen epochemachenden Schritt der Gothaer Lebensversicherungsbank ohne Einschränkung genehmigten, denselben nicht ohne weiteres bei allen anderen Anstalten gutheißen konnten. — Als „tendenziöse Schwarzmalerei" bezeichnet der gleiche amtliche Bericht die Darstellungen einiger Anstalten, welche die unentgeltliche Mitübernahme des Kriegsrisikos von ihreni Standpunkt aus ablehnen mußten und dieselbe darum mit allen Mitteln bekämpfen zu müssen glaubten.
— Professor Schweninger gedachte sein Heidelberger Sanatorium am 15. September zu schließen und seine ärztliche Praxis für einige Monate gänzlich zu Mieren, um die dringend nötige Erholung zu finden, nachdem er 200 Nächte im Jahr auf der Eisenbahn zugebracht hat. Nachdem aber Professor Schweninger sich zu Anfang dieser Woche von Kissingen nach Heidelberg begeben hatte, ist er dort so schwer erkrankt, daß seine Ueberführung nach Berlin erforderlich wurde.
— Ausstellung für volksverständliche Gesundheits- und Krankenpflege zu Stuttgart vom 6. bis 30. September 1890. Was doch so eine Gewerbehalle alles in ihrem Schoße zu bergen hat und welch wechselreiche Bilder an ihren Räumen vorüberziehen! Bald strömen Tausende von Bewohnern unseres Schwabenlandes herbei, um in einer Landesgewerbe-Ausstellung die Mannigfaltigkeit unserer industriellen Leistungen und den darauf verwendeten Fleiß zu bewundern, bald widerhallen die Wände vom donnernden Gebrülls der Löwen einer Menagerie. Nur kurze Zeit und Koulissen und Wände
schmücken sich mit den hervorragensten Leistungen der' Zeichnungsschulen des Landes. Wiederum öffnen sich ihre Pforten und das staunende Auge ergötzt sich an im üppigsten Grün prangenden Rasenplätzen mit den herrlichsten Solitärpflanzen und reizendsten Blumenteppichen. Berauschende Düfte durchfluten die Hallen;, rauschende Kaskaden fallen über malerische Felsentrümmer und lauschige Plätzchen, umhegt von Nadelhölzern und Palmen, locken den entzückten Besucher.. Und nun? Nun wird anfangs September der XXI.. Kongreß des deutschen Vereins für naturgemäße Lebensweise hier tagen und in gleicher Zeit, vom 6.. bis 30. September eine hygieinische Ausstellung, die erste derartige Ausstellung in Süddeutschland, in der. Gewerbehalle geöffnet fein. Sie soll ein Bild geben: von dem, was namentlich in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Gesundheits- und Krankenpflege durch Wort und That geleistet worden ist. Sie soll möglichst übersichtlich geordnet zeigen, wie schnell die Industrie auch auf diesem Gebiete sich zurecht gefunden und die Absichten der Pfleger dieser Richtung zu realisieren verstanden hat. Sie soll endlich den Ausstellern Gelegenheit geben, mit ihren Artikeln das Publikum bekannt zu machen und dadurch ihren Kundenkreis zu erweitern. Es sind heute schon 150 Aussteller angemeldet. Einschließlich der Ausstellung an Litteratur und einer Anzahl von Nachzüglern, die in ziemlich sicherer Aussicht steht, dürfte die Gesamtzahl sich auf über 200 Aussteller belaufen. Einseitigkeit wird der Ausstellung nicht zum Vorwurf gemacht werden können. In einem chinesischen Pavillon wird- chinesischer Thee von chinesischen Händen kredenzt. Sicher ist, daß man Palästinawein zu kosten bekommt; ferner verschiedene Arten von Chokolade und Kakao., Die Elektrizität wird als Heil-, wie als Beleuchtungsmittel gezeigt werden. Einen sehr erheblichen Raum werden jene Geräte einnehmen, die als Ladeneinrichtungen immer mehr Eingang in die bürgerliche Wohnung finden. Besonderer Aufmerksamkeit wert dürfte sein die Einrichtung eines maurischen Bades in 2 Kabinetten von Eugen Reißer-Stuttgart. Einige Meister der Fußbekleidung werden Normalschuhwerk zur Ausstellung bringen. Von großer Wichtigkeit werden die Desinfektionsmittel sein. Voraussichtlich wird die Gewerbehalle elektrisch beleuchtet und damit ein Betrieb bis abends 9 Uhr ermöglicht sein. Die eigentliche Restauration wird die Gestalt eines Wintergartens haben.
Staudesamt Kalw.
Getraute:
19. Aug. Jakob Knecht, Commis hier und Anna Christiane Enz hier.
Gestorbene:
17. Aug. Anna Maria, geb. Ko pp, Ehefrau des Christian Fi echter. Maschinenstrickers, 35 Jahre alt.
21. „ Sofie, geb. Wöhrlen, Witwe des ch Friedrich.
Schmahl, Siebmachermeisters in Ulm.
Gottesdienst
am Sonntag, den 24. August.
(Zugleich Feiertag Bartholomäi.)
Vom Turm: 230. Vorm.-Predigt: Hr. Dekan, Braun. Christenlehre mit den Töchtern. Nachm.-Predigt: Hr. Vikar Mezger von Neubulach.
seine kurze Erwiderung ebensoviel als durch eine einstündige Unterredung. Außerdem erinnerte mich der ernste Blick des lieblichen, Hellen Augenpaares mir gegenüber, daß ich bei aller Wißbegier sehr vorsichtig sein mußte.
„Sie haben ein scharfes Auge, Herr," sagte Vanderdecken ruhig, ohne die gewöhnliche Heftigkeit, „wenn Sie den Jakobsflab in meiner Kabine bei dem schwachen Lichte, das darin war, sehen konnten. Was haben Sie weiter beobachtet?"
Ich erzählte ihm aufrichtig und der Wahrheit gemäß, denn ich konnte mir nicht denken, warum dies seinen Zorn herausfordern sollte, daß ich ein Sprachrohr, ein Stundenglas, Bilder und Aehnliches gesehen hätte. Ader als ob sie ihn bester kenne und mich zu schützen wünsche, fuhr Jmogene dazwischen: ,O, Kapitän, wollen Sie Herrn Fenton nicht die Portraits Ihres Weibes und Ihrer Kinder zeigen? Sie würden ihn gewiß entzücken, ich weiß es."
Sofort befahl er Prius, die erwähnten Bilder hereinzubringen. Wenn ich jemals gezweifelt, daß dieses Schiff der wahrhaftige Fliegende Holländer war, diese Portraits allein würden eine Ungewißheit ein- für allemal befestigt haben. Das Material, auf dem sie gemalt, war an mehreren Stellen geborsten und die Schwärze eines hohen Alters lag verdüsternd und dick auf ihnen. Sie waren alle von gleichem Format, ungefähr zehn Zoll lang und sechs Zoll breit. Er gab mir zunächst das Bild seiner Gemahlin und beobachtete mich, während ich auf das Gemälde stierte, scharf mit seinen grimmen Augen. Es stellte eine würdevolle Dame dar, in schwarzer, eng anschließender Haube, mit gelblichem Haar und rundem, vollem Busen, eine etwas schwerfällige Frau von echt holländischem Gepräge und rundem Gesicht, die indessen einer gewissen Anmut nicht entbehrte und vielleicht fünfundvierzig Jahre zählen mochte. Ihre Kleidung konnte ich schwer unterscheiden; die Arme waren bis zu den Ellbogen entblößt und sie sowie die Hände schienen mir sehr sein und außerordentlich lebenstreu gemalt zu sein. Die Anderen stellten junge Mädchen von verschiedenem Alter dar. Welches von ihnen nach DanderdeckenS Meinung Fräulein Dudley ähneln sollte, wurde mir nicht klar; da war nichts in diesen düsteren Abbildungen, obwohl sie zweifellos Mädchenjugend und Kindheit Wiedergaben, was
eine Aehnlichkest mit der englischen Schönheit von Jmogene's zartem, blauäugigem» goldhaarumsäumtem Gesicht angedeutet hätte.
Das Mädchen, welches Geertruida genannt wurde, entbehrte nicht einer gewissen Lieblichkeit; sie besaß fröhliche, lebenslustige Augen, einen zierlichen Mund, doch die Wangen waren allzu voll. Da war auch die kleine Margarethe, für welche, der amüsante Flötist bestimmt war; ihre Augen schauten mich aus dem düsteren Hintergründe mit einem halb scheuen, halb verwunderten Blick an.
Ich reichte eins nach dem andern zurück und der Kapitän nahm sie entgegen, starrte ein jedes minutenlang an und streute Bewegungen ein wie: „Das ist Johanna, wie sie leibt und lebt!" womit er seine Gemahlin meinte. „Was giebt es Wunderbareres als diese Portrastmalerei! Kein Zeitalter dürfte wahrscheinlich in dieser Hinsicht dem unseligen und keine Nation der holländischen gleichkommen. Wie sprechend treu nach dem Leben ist das Auge hier! Es däucht mir, wenn ich sie zornig anredete, würde sie weinen!" Oder: „Du wirst in diesem Mädchen" — dabei auf Geertruida deutend — „eine treue Schwester finden, Jmogene; sie ist so einfach, sittsam und unschuldig, so voller Fröhlichkeit und Scherz und doch dabei so pflichtbewußt, daß in ganz Holland kein Frauenzimmer lebt, welches eine bessere Frau abgeben würde." Oder: „Ah, mein kleiner Liebling, Dein Vater wird bald bei Dir sein," dabei küßte er das Portrait seiner Tochter Margarethe.
Prius stand in der Nähe, um die Bilder wieder in Empfang zu nehmen, aber Vanderdecken starrte immer noch minutenlang auf dieses eine, und zwar so bewegungslos, daß ich wirklich meinte, daß ihn abermals eine seiner seltsamen Anwandlungen oder Erstarrungen befallen hätte. Fräulein Dudley und ich verhielten uns während dieser Momente ganz still, nur daß wir uns gegenseüig anblickten, als wenn wir Beide gleich stark die gräßliche Bedeutung der Melodieen des draußen heulenden Sturmwindes fühlten, mit denen er diese Scene einer großen Vaterliebe auf eigene, bedeutungsvolle Weise begleitete, während er zu gleicher Zeit das Schiff in langen, schrecklichen Stößen unbarmherzig zurückwarf in die tiefere Einsamkeit jener Gewässer, deren Grenzen es nie und nimmer überschreiten sollte. (Frts. f.)