stände. Ueberall werden deutsche und österreichische Ge­schäfte oder solche mit deutschklingenden Aufschriften »er» wüstet, geplündert oder gar in Brand gesteckt. Deutsche Wohnungen wurden erbrochen und Möbel, sogar Klaviere au» den Fenstern geworfen. An der Spitze der plündern- den Banden marschierten seingekleidete Herren, die eine ge­naue Proskriptionsiiste der Opfer in den Händen hielten. Das Los, ihr Eigentum der Verwüstung ausgesetzt zu sehen, teilen 30100 deutsche, österreichische, ja auch schweizerische Geschäfte. Durch das Hinaurwerfen der Möbel aus dem 5. Stockwerk wurden zwei Individuen au» der Menge ge­tötet. Polizei und Larabinieri sahen müßig zu, um. wie sie sagten, nicht durch ihr Eingreifen die Wut der Menge zu erhöhen und den Pöbel etwa zu Blutvergießen zu ver­anlassen. Die aufgebvtene Infanterie war, wie es heißt gegen die Banden ganz machtlos. Erst als Kavallerie Her­beigerusen wurde und flott gegen die Meuterer losging, konnten die Straßen gesäubert werden. Die Wut des Pöbels scheint auch dadurch entfacht worden zu sein, daß mehrere hundert Verwundete in Mailand ankamen. Die Presse macht kaum schüchterne Andeu­tungen über die Vorgänge. DerCoiriere della Sera" be­schwört das Volk, den Fremden kein Haar mehr zu krüm­men, da Tausende von Italienern in Deutschland und Oesterreich sich befänden. Nach dem Berl. Lok.-Anz. wurde da» deutsche Konsulat vollständig verwüstet. Der nationalistische Pöbel setzte sich im Kvnsulat in den Besitz von Listen der Deutschen und zieht nun in zahlreichen Ko­lonnen von Haus zu Haus.

Mailand, 29. Mai. (WTB.) DerCorriere della Sera" meldet, daß die Polizei aus Anlaß der Unruhen in der Nacht über 200 Personen verhaftete, die sich im Besitz von Waren befanden, die aus geplünderten Geschäften stammen. Weitere Verhaftungen stehen bevor.

DerErfolg" der Verbündeten bei den Dardanellen.

Konstantinopel, 28. Mai. WTB. Die Nachricht über das Eindringen eines englischen Torpedobootes am 22. Mai in das Marmara-Meer, das dort 8 Schiffe versenkt habe, ist unwahr. Ebensowenig trifft die Meldung über Vernichtung von Transportdampfern durch englische Unter­seeboote zu. Alle Untsisrebootsunternehmungen des Gegners it Beginn der Dardanellenaktion haben bisher als Gesamt- solg zu verzeichnen: 2 Wachtboote uud ein leerer Dampfer ffenkt. 2 Dampfer leicht beschädigt. Diese sind bereits wckt. Dagegen hat der Gegner bis jetzt im Ganzen 5 Eierseeboote verloren.

London, 28. Mai. WTB. Das Reutersche Bureau meldet aus Alexandria: Ein verwundeter französischer Offi­zier der früher m den Schützengräben in Frankreich gelegen hat, erzählte, er habe nie ein solch heftiges Feuer erlebt als während und nach der Landung der Truppen an den Dardanellen. Es war ein wahrer Regen von Schrapnells, Maschinengewehr und Gewehrkugeln. Die Sesamtziffern der Verluste sind noch nicht bekannt. Man nimmt an, daß die Wirrten in den ersten drei Tagen 8000 bis 9000 Mann verloren haben.

Konstantinopel» 28 Ms'. (WTB.) Wie aus Bu- drum gemeldet wird, befindet sich nach Angaben von Sol- daten, die bei Budrum gefangen genommen worden sind, unter den im Laufe des vorgestrigen Kampfes Gefallenen auch der Kommandant des Kreuzers, der vor Budrum Truppen zu landen versucht hatte.

Gegen den Suezkanal.

Kauft autirropel, 28. Mat. (WLB.) Die Hohe Pforte hat den befreundeten und neutralen Staaten eine Zirkularnote folgenden Inhalts übermitteln lassen:

Die Kaiserlich Ottsmanifche Regierung sieht sich in Erwägung dessen, daß die englische Regierung ihre ge­genüber den neutralen Mächten durch die Bestimmungen der Konvention von 1888 übernommenen Verpflichtung, in den Gewässern des Suezkanals kein Kriegsschiff zu halten, nicht Rechnung trägt, und sogar den Ka­nal befestigt Hst, und daß andererseits die fran­zösische Regierung zum Zwecke einer feindlichen Handlung gegen da» Ottomanische Kaiserreich Truppen in Aegypten gelandet hat. durch diese Tatsachen vor die gebieterische Notwendigkeit gestellt, militärische Maßnahmen zur Verteidigung des kaiserlichen Gebietes, von dem Aegypten einen Teil ausmacht, zu ergreifen und die Feindseligkeiten auch aus den Suez­kanal auszudehnen.

Die Rote sägt noch hinzu, wenn daraus Beeinträch­tigungen zum Schaden neutraler Schiffe und Güter entstün­den, so sei klar, daß die Verantwortlichkeit dafür auf di« französische und englische Regierung falle.

Kriegsmüdigkeit i« England.

Das ..AstonblaLet" erfährt durch einen Londoner Kor- ttspondenten folgendes über die Kriegsmüdigkeit. die in England in weiten Kreisen um sich zu greisen beginnt: Man sehnt sich hier immer mehr nach Frieden. Ueberall hört man denselben Wunsch äußern. Man fängt an, des Kriege« überdrüssig zu werden. Das Interesse daran ist auch ganz erlahmt, obgleich gewisse Zeitungen und gewisse Politiker alles tun, um es aufrecht zu erhalten. Die Ab- Neigung gegen den Krieg wird nicht zum mindesten durch die Berheimlichungspolittk der Regierung erhöht. Bisher hat man den Verlust des KriegsschiffesAudacious" noch nicht zugegeben, sondern glaubt die Katastrophe verbergen zu können, indem man einem andern Schiff diesen Namen

gibt und nun den neuenAudacious" herumfahren und sich in den Häfen zeigen läßt! Wetter ist das Volk wütend darüber, daß die Regierung, trotz ihrer Versprechungen, die Verluste an Mannschaften auf dem französischen Kriegs­schauplatz verschweigt. Allmählich erfährt man sie aus pri­vatem Wege, und ist über die großen Zahlen niedergeschla­gen. Utber die Lügenpolitik der Regierung in bezug aus die Operationen gegen die Türkei herrscht große Erbitterung."

Versenkte Dampfer.

Stavanger, 28. Mai. (WTB.) Der holländische Fischdampfer Tres Fratres traf hier mit 7 Mann von der schwedischen Bark R. Roswall aus Oskarshann ein. Die Bark war mit Pflanzen aus Oskarshann (Sunderland) unterwegs. Bor Malmö hielt ein deutsches Unterseeboot die Bark an und gab die Weiterfahrt nach Durchsicht der Papiere frei. Am 26. Mai, nachmittag» 4 Uhr erfolgte 56 Grad 35 Min. nördl. Breite, 2 Grad 30 Min. östliche Länge eine furchtbare Explosion. Das Deck wurde in die Luft gesprengt, Backbord stark beschädigt, 2 Mann getötet. Als das Schiff gegen 10 Uhr sank, traf ein holländischer Fischdampfer ein.

London, 28. Mai. (Reuter.) WTB. Der englische DampferCadeby". »on Oporto nach Tardiff unterwegs, wurde aus der Höhe der Scillyinseln von einem deutschen Unterseeboot in den Grund geschaffen. Die Besatzung und 4 Passagiere wurden gerettet.

London, 28. Mai. WTB. Der dänische Dampfer Betty war mit Kehlen von Blyth nach Kopenhagen unterwegs. Er wurde ohne vorherige Warnung torpediert und begann sofort zu sinken. Der Kapitän und die Be­satzung wurde durch den schwedischen Dampfer Waldemar gerettet.

Stockhol«, 28. Mai. (WTB.) Der dänische Damp­fer Ely, mit Kohlen von Schottland nach Sundvall be­stimmt, ist bei Söderarm nördlich von Stockholm auf eine Mine gestoßen und sofort gesunken. Die Besatzung ist gerettet.

Der Papst.

Aus Madrid erfährt dieVosstsche Zeitung", daß im Zusammenhang mit Verhandlungen über eine etwaige Ver­legung des päpstlichen Wohnsitzes nach Spanien der König das Kloster Escorial angeboten habe. Man glaubt aber nicht, daß eine Ueberstedelung des Papstes notwendig werden wird.

Ausweisung der Judeu aus Kowuo.

Petersburg, 28. Mai. (WTB.) Nach derNowoje Wremja" sind aus der Festung Kowno sämtliche Juden (2000 Mann) ausgewiesen worden. Diese Tatsache Hai in russischen Kreisen Aufsehen erregt, weil derartige Aus­weisungen in der Regel nur aus gefährdeten Punkten statt- zufinden pflegen.

Autijapauifche Bewegung in China.

Petersburg, 29. Mai. (WTB.)Nowoje Wremja" meldet aus Peking: Die antijapanische Bewegung schwillt in China trotz des Verbots der Regierung immer mehr an. In Ehanahai sind chinesische Läden zerstört worden, die japanische Waren führten. Dem nationalen Befreiungsfonds fließen von allen Setten große Summen zu. So haben zwei reiche Chinesen in Amerika zusammen 12 Millionen Dollar gespendet.

Aus Stsdt und Land.

Nagald, 31. Mai 1912

Ehreutasel.

Das Eiserne Kreuz haben erhalten: Leutnant Fuchs, Seminarlehrer von hier. Kriegsfreiwilliger Alfred Bock, im Inf.-Reg. 122, Sohn des Kaufmann« Ludwig Bock aus Calw, Gefreiter Gottlob Höpfer, Reservist Im württ. Pionierbataillon, Polizeidiener von Deckenpsronn.

Die Silberne Verdienstmedaille erhielten: Ersatzreseroist Jakob Gras, Metzgermeifier von hier und Reservist Geb­hard Koch aus Bollmaringen, beide im Res.-Inf.-Regt. Nr. 247.

Der Kaiser hat dem Cslwer Buchhändler Paul Ol pp die Rote Kreuz-Medaille III. Klaffe verliehen.

Gefördert wurde Fr. Maurer, Geometer, zum Oberbsolsmannmaaten.

Kriegsverluste.

Brioade-Ersatz-Vataisto« Nr. SS, 2. Kamp.: Trs.-Res. Friedrich Snpprr, Nufringen. schw. »er«. Jnf.-Rgt. Nr. 12», Stattgart, 7. Komp.: Must. Wilhelm Nestle, Psraudarf, l. »er«.

Abgabe von Mehl «ud Brot au Heeresange, hörige «ud Kriegsgefangene. Zum Zweck einer gleich- mäßigen und möglichst vereinfachten Behandlnng der Ab­gabe »an Mehl unb Brot an Heeresangehörige und Kriegs- gefangene, die ausnahmsweise nicht unmittelbar au» Beständen der Heeresverwaltung verpflegt werden, ist mit der Heeres- Verwaltung eine Vereinbarung getroffen worden, die für sämtliche Kommunaloerbände des Landes gilt.

s Staatslotterie, S. Klasse, IS. Ziehnngstag. Auf Württemberg gefallene Gewinne: X 3000 auf Nr. 177 386, 189 702. 1000 aus Nr. 31041, 175798,

176 345, 177 033, 184 060, 186 595, 188 911. ^ 500 aus Nr. 176 294, 177 657, 177 908, 177969, 178 337, 186555, 187 241, 187 320, 196320, 217 739. Außerdem 195 Gewinne zu 240 ^ (ohne Gewähr).

r Emmingen. Ein Fuhrmann verlor die Gewalt über sein Gespann. Dadurch wurde ein Kind überfahren und gelötet.

Effringen. Für den verstorbenen Gemeindepsteger Dürr wurde Georg Ziegler, Bürgerausschußmitglied, zum Nachfolger gewählt.

An- de« Rachbarbezirke«. Oberhangstett. Am Freitag erhielt Johann Holz­äpfel den ersten Bienenschwarm.

r Stuttgart. Herzog Ulrich, der jüngste Sohn des Herzogs Philipp von Württemberg, ist aus dem östlichen Kriegsschauplatz durch einen Schrapnellschuß leicht verwun­det worden.

Stuttgart. Die Gesamtsumme der Kaiserspende deut­scher Frauen beträgt über 60000

r Troffinge«. In schweres Leid ist unoerhofft die Familie des W.lh. Weisser versetzt worden. Ihr 17jähr. Sohn stürzte beim Futterholen von der Oberlenne in die Scheune hinunter und blieb tot liegen.

r Bühl. Altschaltheiß Hönle hat mit seiner Gattin dieser Tage das West der goldenen Hochzeit gefeiert.

r Bo» der badische« Grenze. In Unterkirnach ist das Anwesen des Straßenwarts Johann Weißer abge- brannt. Das ganze Gebäude ist mit allem Inventar dem Feuer, das auf bis jetzt ungeklärte Weise im oberen Dach- raume entstand, zum Opfer gefallen.

Rechtspflege.

Die ordentliche« Schwnrgerichtsfitznnge» des HI. Bterteljahrs in Tübingen beginnen am Montag, den 5. Juli 1915 vorm. lOVi Uhr. Zum Vorsitzenden wurde ernannt Landgerichtsdirektor Dr. Kopfs.

Calw. Dem Zahntechniker E. Baier von hier war die fahrlässige Tötung einer Patientin zur Last gelegt. Die Strafkammer Tübingen, vor der die Sache verhandelt worden ist, war der Ansicht, daß fahrlässige Körperverletzung in Aus­übung des Berufs oorliegs und eine Geldstrafe von 100 »ck eine entsprechende Sühne darstelle.

Tübinger Strafkammer. Die Vergehen gegen die Bundesratsoorschristen betr. die Regelung des Verkehrstzmit Brot, Getreide und Hader beschäftigen noch längere Zeit die Gerichte. Trotz der hohen Strafen, welche ans d!ese Vergehen gesetzt sind, gibt es noch immer Leute, welche ihrem guten Herzen zu viel Raum lassen und immer wieder Getreide verkaufe». In den Oberämtern Nagold und Calw war der Irrtum verbreitet, man dürfe Getreide ver­kaufen, nur nicht an Händler. Jetzt wurden wieder 3 Bauern au» den genannten Oberämtern mit je 3 belegt. Im Oberamt Calw wurde s.hr viel Haber gedörrt, gemahlen und dann für menschliche Nahrung als Haberbrei und Hafergrütze verwendet. Die Leute hielten das für erlaubt, weil man das schon seit alter Zeit so mache, und entschul­digten sich mit ihrer Notlage, kein Getreide zu besitzen und keines kaufen zu können, auch fehle vielfach das nötige Geld, das erlaubte Quantum Mehl kaufen zu können, dazu mangele es an Kartoffeln. Das Oberamt hat nun sämtlichen Müllem oe'bste», gerösteten Haber zu mahlen. Da viele Haberbesitzer den Haber in eigenen Backöfen rösteten, blieb die Sache lange verheimlicht, jetzt soll der Kommunalverband Calw über 26000 Ztr. Haber an die Kriegsgetreidegksellschast abltesern, aber ein großer Teil da­von ist schon an Der« verfüttert oder zu Nahruugsmitteln verwendet: so z. B. halte Holzhändler Sieb in Bernloch drei Ztr. Haber seinen Ochsen verfüttert. Er erhielt eine Strafe von 10 Die Farrenhaltersehefrau Kuli daselbst hatte 40 Pfund Haber den Farren und Aua. Kull 1 Ztr. Haber den Hühnern verfüttert. Strafe je 3 Wald­schütze Zimmermann daselbst röstete 1 Ztr. Haber und ließ ihn mahlen, er bekam hievon 30 Pfund Habermchl, welches er in seiner Familie verwendete. Strafe ebenfalls 3 Wenn man bedevkt, daß gerösteter Haber sehr wenig Mehl gibt, so ist es erklärlich, daß aus diese Weise der Militär­verwaltung große Mengen Haber entzogen wurden.

Landwirtschaft, Handel und Verkehr.

Postalisches. Die erste Postb»1«nsahrt von Er-enztngen nach Baisingen wirb »o« 1. 3uni bs, Is. an zu folgen»« Zelt ausgefährt:

Werktag»

1.15 ab Trgenzingen Bhs.

1.-5 P.°Ag.

1.45 au Baisingen.

Briefverkrhr mit Amerika. Briefe au» Denischland «ach Ken B«rrini,ten Staaten »on Amerika sowie solche in umgekehrter Rich­tung unterliegen bis aus weitere» allgemein den Portosötzen des Welt- poswersins. Die Anwendung der ermäßigten Taxe bleibt bis zur Wiederaufnahme des deutschen Dampfcrmrkrhr» mit den Bereinigten Staaten ansgeschlossen.

Die hohe» Schweinepreise. San, besmikers lebhaft ist zur Zeit wohl der Handel mit seiten Schweinen samohl als auch mit Mtlchschweinen. Entsprechend de« hohen Breis für fette Schweine «erde« auch für die Milchschweme sehr hahe Preise angelegt. Die Schweinezucht ist wohl znr Zeit der einträglichste Zweig der Land­wirtschaft.

re»tr«l»tmittl«»r»ßr>t für Ahsliernert«! i« Ztittzart.

Tafelodstpreise auf dem Stuttgarter «ngroS Markt a« 2». Mai: Aepfel 45- 6V per V, kg: der Umsatz ist nur ganz unbedeutend, auch in Südfrüchten. Kirschen 3552 /H, Walderd­beeren 8,50 Gartenerdbeeren 2 grüne Stachelbeeren 35 Spargeln, hiesige 6070 fremde 3560 ^ per Pfund: reichliche Zufuhr. Ln sonstige» Gemüsen wird besanders Salat und Rhabarber z« billigen Preisen angebatrn: ttglich steigende Zufuhr.

Ansbunft über Bebiimpsungrmaßnahmen gegen Un»ezirfer und Krankheiten zum Schutz unserer Obsternten erteilt der Wärst. Odst- bau»erei«, Stuttgart, Eßlingerstr. 15.

Anzeigen,

welche auf den Markt Bezug haben, bitte« wir baldmöglichst anfzngeben.