bindung steht. Dieser nahm daher keinen Anstand, dem freundlichen Herrn, der in liebenswürdigster Weise dessen Kinder beschenkt hatte, eine Zahlung von etwa 75 zu machen, womit sich der Reisende unter höflicher Empfehlung entfernte. Nachträglich kamen dem hiesigen Geschäftsmann aber doch allerlei Bedenken und er fragte bei der Fabrik an, ob sich die Sache richtig so verhalte, worauf er umgehend die Antwort erhielt, daß man weder von einem Reisenden, noch von einer Zahlung etwas wisse. Obwohl nun sofort bei der Polizei Anzeige hievon gemacht wurde, so ist es bis jetzt noch nicht gelungen, des Schwindlers habhaft zu werden.
Ulm, 8. Aug. Seit einiger Zeit trieb sich ein Handwerksgeselle hier umher, der bald diesen, bald jenen Namen und Gewerbe angebend sich in verschiedenen Häusern einmietete, von seinem Mietsherrn sich zur Bezahlung der Fracht für seinen Koffer Vorschüsse geben ließ und dann verduftete. Gestern versuchte er das gleiche Manöver, wurde aber erkannt und gestern nacht nicht ohne Mühe verhaftet. Der Verhaftete ist ein von verschiedenen Gerichten wegen Betrugs im Rückfall steckbrieflich verfolgter Schreiner namens Kauffmann.
Bruchsal. Ein böser Streich ist, wie die Blätter berichten, einem Geschäftshause, das viele Geschäfte in den Reichslanden macht, durch einen Lehrling gespielt worden. In dem Kundenverzeichnis des betr. Geschäfts waren hinter jedem Namen die durch die Reisenden gesammelten besonderen Ansichten über den persönlichen Charakter des Inhabers ausgezeichnet. Hinter einer Firma, die durch ihre Chikaniererei berüchtigt war, stand das Wort: Chikaneur. Der nichts ahnende Lehrling schrieb nun auf die Adresse einer Besuchsanzeige „Herr P . . . R . . ., Chikaneur in R . . .". Der Reisende des Geschäfts wurde von dem Herrn „Chikaneur" wann empfangen.
München, 8. Aug. Der Meifterfahrer Rußlands, Tschermissiew, der zum hiesigen Radfahrer-Kongresse eingetroffen und die Reise von Petersburg hieher auf dem Bicycle ohne Unfall zurückgelegt hatte, wurde heute während des Trainierens 'durch die Unvorsichtigkeit eines Arbeiters tötlich verletzt.
Crefeld, 12. Aua. Sämtliche bei dem schon gemeldeten Hauseinsturz Verschüttete find jetzt geborgen. Nach der Crefelder Zeitung beträgt die Zahl der Toten 26, davon sind 3 Männer, 6 Frauen, 17 Kinder; 10 Personen wurden gerettet, davon eine Frau leicht, ein Kind schwer verletzt. Zwölf Bewohner waren während des Unglücks abwesend.
Hamburg, 12. Aug. Aus den königlichen Forsten bei Lüneburg wird das Auftreten der „Nonne" in besorgniserregender Weise gemeldet.
Lübeck, 10. August. In dem Koupe eines starkbesetzten Waggons im Lübeck-Hamburger Postzug spielte sich gestern abend kurz vor der Station Wandsbeck ein schrecklicher Vorgang ab. Einer der Mitfahrenden, ein Russe, stach plötzlich einem anderen Passagier ein Messer in die Brust; sodann stach er einem Kinde ein Äuge aus und verletzte fünf andere Passagiere schwer durch Messerstiche. Der wahrscheinlich von plötzlichem Irrsinn Befallene wurde auf dem Bahnhof Wandsbeck nach heftigem Kamps von den Bahnbeamten dingfest gemacht. — Die Mitreisenden
schildern den Vorgang wie folgt: Der Mörder war in Lübeck eingestiegen und hatte während der ganzen Reise still vor sich hinbrütend in emer Ecke gesessen und unverständliche Worte gemurmelt. Dicht vor der Wandsbecker Station zog er plötzlich ein langes Messer, sprang auf den in der anderen Ecke sitzenden Mann los und versetzte ihm einen Stich in die Gegend des Herzens. Während der Gestochene zusammenbrach, stach der Wütende das Kind ins Auge, ein anderes Kind und eine Frau in den Kopf; mehrere Mitreiseiide, die dem Mörder das Messer entreißen wollten, erhielten ebenfalls bedeutende Verletzungen. Mehrere Frauen fielen in Ohnmacht, andere versuchten aus dem Fenster des Koupe's zu springen. Der Mörder, der nur russisch spricht, giebt an, er heiße Basil Petrow, sei aus Lentjew in Rußland gebürtig und von Prosession Taucher. Er will in Hamburg eine Stelle angenommen haben, die er antreten wollte. Als Grund zu seiner Blutthat giebt er an, daß er vor einigen Tagen in Hamburg von einem Arbeiter am Bahnhof angerempelt worden sei, weil ihn dieser für einen Streikbrecher hielt. Vor dem Wandsbecker Gehölz will er diesen Gegner in dem Gestochenen wieder erkannt haben und derartig in Wut geraten sein, daß er blindlings zugestochen habe. Obgleich das Auftreten des Russen bei seiner Vernehmung sehr ruhig und seine Antworten bestimmt waren, muß man doch annehmen, es mit einem Geisteskranken zu thun zu haben.
Vermischtes.
Der Sprung in denNiagarafall. Ein junger Herr namens William Ellis, der Sohn eines reichen Brauers in Springfield (Illinois), kam am 2. August in Elifton House an, begleitet von seiner Braut, Fräulein Alice Drew, deren Mutter und Bruder, einem Advokaten in Chicago. Die Gesellschaft besuchte den Fall, und nach dem amerikanischen Ufer hinüberfahrend, stand sie einige Minuten in den Anblick des Hufeisenfalls versunken da. Zur Zeit befanden sich viele andere Besucher an dem Orte. Der junge Ellis veranlaßte Fräulein Drew, sich mrt ihm dem Rande zu nähern, als er plötzlich seinen Arm um ihre Hüfte legte und vor den Augen der entsetzten Mutter laut aufschreiend mit seiner Braut in den Wasserfall hineinsprang. Die Leichen des Paares find noch nicht geborgen.
Die Elektrizität macht jetzt in Amerika schon den öffentlichen Stiefelputzern Konkurrenz. So sieht man in den Straßen Chicago's eine elegante Stiefelputzmaschine in Thätigkeit, die im Wesentlichen aus einem kleinen unterhalb der Stützfläche des Fußes in einem Kasten untergebrachten Elektromotor und einer rotierenden Putzbürste besteht. Der Apparat ist die Erfindung eines Herrn Major in Chicago.
Gemeinnütziges.
Schutz derHaustiere gegen Bremsen, Stechmücken rc. Der „Feierabend des Landw." empfiehlt als erprobte Mittel, um Bremsen, Stechmücken, Stechfliegen rc. von unseren Haussäugetieren, insbesondere den Pferden, fern zu halten, die folgenden Einreibungen. Nach Martin wirke eine Mischung von 64 Gramm toetiäa, mit 0,2 Liter Weinessig
und 0,4 bis 0,5 Liter Wasser unfehlbar. Die Lösung wird mittelst eines Schwammes auf jene Stellen der Haustiere aufgetragen, die am meisten den Fliegenstichen ausgesetzt sind. Ferner seien Waschungen mit dem Absud von Wallnußblättern bemerkt. Zu diesem Zweck koche man die Wallnußblätter in Essig ab und nehme alle 14 Tage eine Waschung jener Haustiere vor, die den Stichen der Zweiflügler ausgesetzt sind. Auch genügt ein Abreiben mit grünen Wallnußblättern, nur muß dieses in kürzeren Intervallen erfolgen. Verdünnter Tabak-Absud, wobei auf einen Teil gewöhnlichen Tabak 30 bis 40 Teile Wasser kommen, dann verdünntes Benzin oder Petroleum, auf einzelne Körperstellen aufgetragen, haben ebenfalls gute Wirkung. Auch kann hier noch der Wunden Erwähnung gethan werden, die unbedeckt gehalten bleiben müssen. Diese sollen vor andringenden Fliegen die ihre Eier oder Larven in dieselben legen wollen, durch Bestreichen mit Terpentinöl, sehr verdünnter Phenplsäure oder stinkendem Tieröl geschützt werden.
In Mecklenburg ist vielfach zum Schutz der Pferde gegen Insekten auf Waldwiesen das Verfahren in Gebrauch, mit einer Mischung, bestehend aus Hirschhornöl, ungereinigter Carbolsäure und Petroleum zu gleichen Teilen, das Haar der Pferde an den besonders leidenden Teilen leicht zu befeuchten, und soll man dadurch stets die Wirkung erzielen, daß Fliegen sowohl als Bremsen die befeuchteten Stellen ängstlich meiden.
Die „Wiener landw. Zeitung" empfiehlt als einfaches Mittel die Kürbisblätter, mit welchen man im grünen, frisch abgepflückten Zustande die Zugtiere vor dem Ausfahren tüchtig reiben möge. Den Geruch können die Insekten nicht vertragen.
A. Böhm in Pribpslau teilt in der „Wiener landw. Zeitung" Folgendes mit: „Am 29. Juni erntete ich Heu, und fand gleich bei Einbringung der ersten Fuhren, daß das vorgespannte Handpferd, ein Schimmel, so von Fliegen zerstochen war, daß ihm das Blut an der Brust, am Bauche und an den Beinen förmlich herunterrann. Da mich das Tier dauerte, ließ ich anhalten, gab in ein Gefäß Liter Wasser, mischte hierzu circa 1 bis 2 Decagramm Carbolsäure, ließ damit dem Tiere die zerstochenen Stellen abwaschen und fand, trotzdem dasselbe den ganzen Nachmittag angestrengt wurde und schwitzte, daß die Fliegen nunmehr fern blieben, weshalb dieses einfache Mittel, als erprobt, Pferdebesitzern bei ähnlichen Anlässen bestens empfohlen werden kann."
Durch „Ztschrft f. d. landw. V. d. Gr. Hess."
Nur eine Mark kostet die Schachtel, enthaltend 50 Pillen der ächten Apotheker Richard Brandt'8 Schweizerpillen in den Apotheken. Selbst bei täglichem Gebrauch reicht eine Schachtel für einen Monat, so daß die Kosten nur wenige Pfennige pro Tag ausmachen. Hieraus geht hervor, daß Bitterwässer, Magentropfen, Salzpastillen, Ricinusöl und wie die vielen Mittel alle heißen, dem Publikum viel teurer als die ächten Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillen zu stehen kommen, dabei werden sie von keinem anderen Mittel in der angenehmen, unschädlichen und sicheren Wirkung bei Magen-, Leber-, Gallen-, Hämorrhoidalleiden rc. rc. übertroffen. Man sei stets vorsichtig, die ächten Apotheker Richard Brandt's Schmeizerpillen zu erhalten, da täuschend ähnlich verpackte sogenannte Schmeizerpillen sich im Verkehr befinden. Die auf jeder Schachtel auch quantitativ angegebenen Bestandteile sind: Tilge, Mo- schusgarbe, Aloe, Äbsynth, Bittcrklee, Gentian.
Waffermassen aus dem Wege zu gehen. Auf diese Weise kroch ich geschützt vorwärts und erreichte bald den Fockmast, wo der Bootsmann Jans mit drei oder vier Matrosen stand, die alle zusammen unter einer Art sehr stark gebauten, kastenartigen Stalles Schutz gesucht hatten, aus dem das Grunzen von Schweinen und das Gackern von Gänsen, Hühnern und ähnlichem Getier vernehmbar war. Da nun diese Burschen in der Meinung befangen waren, noch in der Zeit Cromwell's und Blake's zu leben, und demgemäß jeden Engländer als ihren Feind betrachteten, so daß mein Durchstöbern ihres Schiffes sie sehr leicht gegen mich aufbringen konnte, bedurfte ich notwendigerweise einer meiner Anwesenheit in ihrer Nähe erklärenden, passenden Entschuldigung und redete dementsprechend Jans auf die höflichste Weise also an:
„Kann ich hier die Leute finden, die gestern Abend bei meiner Rettung thätig waren? Ich möchte ihnen gerne dafür danken."
„Da ist der Houtmann," antwortete er barsch, „der Andere ist unten."
Ich wandte mich an den Mann, den er Houtmann genannt, und erblickte in ihm einen alten Seemann von vielleicht sechzig Jahren, der wie müde den Kopf hängen ließ und die Hände iw den Taschen verborgen hatte, während sein Antlitz ausgemergelt, faltig und melancholisch aussah und seine Gesichtsfarbe gleich der aller Anderen die des Grabes war. Er trug Stiefel, weite, gelbe Theertuchhosen und einen Kittel von dem gleichen Stoffe; sein Anzug wurde vervollständigt durch einen Lootsenrock, einen guten, regendichten Matrosenhut, Südwester genannt, wie ich einen solchen an Bord des Saracen selbst zu tragen pflegte, und einen dicken um den Hals geschlungenen Shawl.
Ich streckte meine Hand aus und sagte: „Houtmann, ein englischer Matrose dankt einem braven Holländer von demselben Berufe für sein Leben."
Er lächelte weder, noch zeigte ein einziges Zucken in seinem Antlitz, ob er meine Worte überhaupt verstanden hatte; nur reichte er mir auf die mechanischste Art von der Welt seine Rechte, die ich schüttelte. Aber Niemand war froher als
ich, als ich sie wieder loslafsen konnte. Wenn jemals eine Hand die Kälte des Todes besaß, um Einem das Fleisch gefrieren zu machen, so war es die seinige. Keines anderen Menschen Körper auf diesem Schiff hatte ich bisher berührt, obgleich Vanderdecken meinen Arm ergriffen hatte und ich diese eine Berührung nimmermehr vergessen werde. Will der geehrte Leser annehmen, daß diese Kälte von der Nässe und dem Winde herrührte? Nein! er zog die Hand aus der Tasche, aber hätte er sie sogar von einem Eisblock erhoben, man würde trotzdem, wäre er ein Mensch wie ich selbst gewesen, bei allem das Fleisch durchdringenden Frost nicht den Tod in seinen Adern empfunden haben, wie ich ihn in Wirklichkeit gefühlt hatte.
Die Uebrigen waren verschiedentlich angezogen, in Kleidern, wie sie recht wohl die Garderobe eines Schiffes bergen mochte, dessen Besatzung seit 150 Jahren alle irgend nutzbaren Ueberbleibsel aus gescheiterten und von ihnen durchstöberten Fahrzeugen sammelte und an Bord brachte.
Alle hatten ein charakteristisch holländisches Gepräge: Der Eine schien noch ein Dreißiger, ein Anderer ein Vierziger, wieder Andere älter zu sein. Aber da war ein undefinierbares Etwas — undefinierbar, bei Gott! und wenn mein Leben auf dem Spiel gestanden, ich hätte es nicht erklären können — das im Verein mit ihren Bewegungen, ihren Gesichtszügen und Aehnlichem Einem Gewißheit gab, daß bei ihnen an Stelle der Zeitbeschränkung die unbegrenzte Ewigkeit getreten und ihr Aeußeres ebensowenig ein Maßstab für ihr Alter war als das Bildnis auf dem Grabmal eines Verstorbenen den darunter ruhenden Staub repräsentiert. „Der Wind bläst wie närrisch," wandte ich mich wieder an Jans, begierig meinen nicht sehr bedeutenden holländischen Wortvorrat durchsuchend und fest entschlossen, jeder mir etwa bevorstehenden, noch so bitteren Erfahrung kühn die Stirn zu bieten und ein gefaßtes Aeußere entgegenzusetzen, „aber die Braave ist ein festes Schiff und benimmt sich in diesem Hundewetter höchst rühmlich."
„So denken auch die Ratten!" brach Houtmann sein Schweigen, indem er sich Jans zuwandte. (Forts, folgt.)