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Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
63. Jahrgang.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und > 20 Pfg. Trägerlohn, durch d'e Post bezogen Mk. 1. 15, sonst iv ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. ! Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- ^ gebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg. I
Amtliche Wekanntmachungen.
Amtliche Bekanntmachung
betreffend die Ordnung für den amtlichen Bezirkspostverkehr.
Mehrfache Vorschriftswidrigteiten, welche in letzter Zeit bei Verwendung von Bezirks-Portowert- zeichen vorkamen, veranlassen das Oberamt, die in Frage kommenden Bestimmungen der revidirten Ordnung für den amtlichen Bezirkspostverkehr innerhalb des Oberamtsbezirks Calw vom 30. April 1880 bekannt zu geben. Nach Z 2 dieser Ordnung sind zum Bezug der Bezirksportowertzeichen berechtigt:
a. das K. Oberamt einschließlich des gemeinschaftlichen Oberamts, das 51. Amtsgericht, das K. Oberamtsphysikat, dis K. Revierämter, sowie die K. Notariate.
b. die Corporationsstellen und Beamten, die Ortsvorsteher und Verwaltungsaktuare, die Cor- poraticmsförster, die Redaktion des Amtsblatts und die Buchbinder je für ihren amtlichen Verkehr, sowie der landwirtschaftliche Bezirksverein. —
Laut Amtsversammlungsprotokoll vom 30. November 1885 Z. 10 wurde die Verwendung von Bezirksportowertzeichen weiter der Bezirkskrankenkasse Calw und endlich durch Amtsversammlungsbeschluß vom 16. Mai 1887 Z. 13 dem Buchdruckereibesitzer E. Carl in Calw verwilligt — letzterem soweit es sich um Versendung von für den Amtsgebrauch bestimmten Druckformularien an die Gemeindebeamten des Bezirks handelt. —
Nach Z 3 der cit. Ordnung dürfen die Bezirks- Portowertzeichen nur von den in Z 2 ausdrücklich genannten Stellen und Personen und nur im portopflichtigen Verkehr innerhalb des Oberamtsbezirks verwendet werden.
Donnerstag, den 7. August 1890.
Hienach ist also die Verwendung der Bezirks- Portowertzeichen für den Verkehr der Gemeinden mit Mobiliar-Feuerversicherungsagenten oder andern Geschäftsleuten im Bezirk, auch wenn es sich um Gemeindeangelegenheiten handelt, verboten.
Calw, 6. August 1890.
K. Oberamt.
Amtm. Bertsch, A.-V.
Deutsches Reich.
— Eine Friedenskundgebung des Zaren wird aus Petersburg berichtet. Der Kriegsminister Wannowski hat am Sonntag sein öOjähriges Ofsiziersjubiläum gefeiert und aus diesem Anlaß ein Handschreiben des Zaren erhalten, in welchem es u. A. heißt: „Unser Vaterland bedarf zweifellos einer starken und wohlorganisierten Armee, welche auf der Höhe der zeitgenössischen Entwickelung des Militärwesens steht; jedoch nicht für agressive Zwecke, sondern einzig zur Wahrung der Integrität und Ehre des russischen Staates. Die unschätzbaren Güter des Friedens schützend, welche Ich mit Gottes Hilfe Rußland noch lange zu erhalten hoffe, sollen die Wehrkräfte des Landes sich in gleicher Weise entwickeln und vervollkommnen, wie die anderen Zweige des Staatslebens, ohne die Grenzen der Mittel zu überschreiten, welche die wachsende Bevölkerung und die sich bessernden ökonomischen Verhältnisse des Staates gewähren."
— Die begeisterte Aufnahme, welche Kaiser Wilhelm in Ostende gefunden hat, scheint die französische Presse sehr verstimmt zu haben. Die Pariser Blatter namentlich können nur schwer ihre schlechte Stimmung verbergen. Einige Zeitungen erblicken in dem Besuche des deutschen Kaisers einen Versuch, Belgien zum Dreibunde heranzuzieheu. Dem gegenüber protestiert eine große Zahl belgischer Zeitungen gegen die Anmaßung der französischen Presse,
Feuilleton.
Das Gotenschiff.
Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. Klark Wusse kl.
(Fortsetzung.)
„Es scheint ein heftiger Sturm zu rasen," sagte Jmogene, die mich während meines aufmerksamen Lauschens angeblickt hatte. „Aber wir haben, seit ich auf diesem Schiffe bin, noch weit wildere Stürme gehabt als dieser ist."
„Ohne Zweifel, während der langen, beschwerlichen Jahre, die Sie hier zugebracht haben! Aber was ist Ihre Erfahrung bezüglich der Winde, die sich diesem Schiffe widersetzen: Ereignen sie sich auf natürliche Weise wie der heutige, der schon genügend durch das Aussehen des Mondes und andere Anzeichen angekündet war, oder entstehen sie plötzlich, auf eine Weise, die Einem verrät, daß sie, den Naturgesetzen widersprechend, nur für dieses Schiff bestimmt sind, damit der Fluch seinen Fortgang habe?"
„Darauf kann ich Ihnen keine genügende Antwort geben. Alles, was ich weiß, ist dies: Sobald wir einen bestimmten Punkt erreichen, bekommen wir Gegenwind, wie sich mein armer Vater und alle Seeleute auszudrücken pflegen; manchmal weht eine sanfte Brise, manchmal ein wütender Sturm, aber wie es auch sein mag, das Schiff wird stets viele, viele Meilen weit zurückgctrieben, aber genau wie weit, kann ich nicht sagen."
Ich wollte sie jetzt mit weiteren Fragen über die — wie ich eS nennen will — nautische Routine und das Manövrieren der unglücklichen Schiffsmannschaft nicht 'belästigen, denn ich ahnte schon, daß mir wahrscheinlich mehr Muße, als mir wün-
die Belgien daran hindern wollte, den deutschen Kaiser in gebührender Weise zu empfangen, und setzt sich zur Wehr gegen die bevormundende Art, mit der die Pariser Boulevardprefse den Belgiern ihr Verhalten in Ostende vorschreiben wollte.
Kissingen, 4. Aug. Fürst Bismarck ist heute abend um 7 Uhr angekommen. Der Empfang war überaus großartig und herzlich. Die Equipage mußte unterwegs oft halten und wurde mit Blumen förmlich überschüttet.
— Die überseeische Auswanderung aus dem Deutschen Reiche über deutsche Häfen, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam betrug im Juni 1890 6407, und in der Zeck vom Anfang Januar bis Ende Juni 1890 49084 Personen; von letzteren kamen aus Posen 7458, Pommern 6045, Westpreußen, 5873, Bayern rechts des Rheins 4024, Württemberg 3070, Hannover 3046, Schleswig-Holstein 2403, Brandenburg mit Berlin 2013, Rheinland 1791, Baden 1579, Hessen-Nassau 1202, Schlesien 1111, Königreich Sachsen 1037 u. s. w.
Ausland.
Ostende, 3. Aug. Vom Spezial-Berichterstatter d. Frkf. I. Ueber die Ankunft des Kaisers gab ich Ihnen bereits telegraphische Nachricht. Ich will noch einzelne Details nachtragen. In liebenswürdigstem Entgegenkommen hatte man für die Vertreter der Presse einen vorzüglichen Platz reserviert, direkt neben der Landungsstation, an welcher die „Hohenzollern" anlegen sollte. Um 12 Uhr kam das Kaiserschiff in Sicht. Eine Stunde später, Schlag ein Uhr, fiel der erste Schuß zum Zeichen, daß der Kaiser an der Hafeneinfahrt angelangt sei. Bald darauf fuhr die „Hohenzollern" ein. Der Kaiser, in der Uniform der Garde-Dragoner, stand allein auf der Kommandobrücke. Als er die JourncÄsten- tribüne passierte, wurde ihm ein dreimaliges'Hoch ausgebracht, in welches auch die Vertreter der fran-
schenswert, werden würde, um diese Dinge selbst zu studieren. Doch da sie in der Unterhaltung mit mir augenscheinlich Vergnügen fand und ich andererseits über das Totenschiff so viel als möglich Aufschluß zu haben wünschte, so beschloß ich, angetrieben von dem Gedanken, daß Vanderdecken möglichenfalls unser Zusammensein oder Zusammensprechen verbieten könnte und ich dann Niemand an Bord mehr haben würde, bei dem ich Erkundigung einzuziehen im Stande wäre, meine Nachforschungen sogleich und so weit anzustellen, als es die Höflichkeit nur immer erlaubte.
„Ich hoffe, Fräulein Dudley," begann ich, ihr in die wie Kronjuwelen funkelnden Veilchenaugen schauend, die zu meinem Entzücken mit einem unschuldigen jungfräulichen Ausdruck in den meinen ruhten, „daß meine Fragen Sie nicht belästigen —"
„O, keineswegs!" unterbrach sie mich. „Wenn Sie nur wüßten, wie es mich freut, wie es nach der langen öden Gemeinschaft mit den Leuten dieses Schiffes mein Herz erfrischt, Sie sprechen zu hören, Ihr menschlich lebendes Antlitz zu schauen!"
„Ach, es ist mir fast unmöglich, es kür wahr zu halten!" sagte ich. „Hoffentlich wird es Gott gefallen, daß sich das, was ich gestern Nacht als das furchtbarste, zum Wahnsinn führende Unglück betrachtete, schließlich zum größten Glückssall, den ich je erlebt, wenden möge. Doch darüber, was in dieser Hinsicht zu thun ist, wollen wir später sprechen. Ich muß mich erst über meine Umgebung genau orientieren. Aber bitte, sagen Sie mir gefälligst, verehrtes Fräulein, auf welche Weise verschafft sich das Schiff den nötigen Mundvorrat? Ich nffll doch nicht glauben, daß diese Menschen auch auf wunderbare Art gesättigt werden. Wenigstens — dessen bin ich gewiß — ist das Fleisch, welches ich heute Morgen kostete, nicht seck 1653 eingepökelt gewesen!"
Sie lächelte und entgegnete: „Wenn Speise und Trank out die Neige geben, segeln sie nach irgend einem Ort der Küste, wo ein Fluß vorhanden ist. Dort fahren sie, mit Musketen bewaffnet in Booten ans Land und kehren dann regelmäßig mit reicher Beute beladen zurück."