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müßte sie gesund werden. Der Mann begab sich in einer Droschke auf das Feld, auf welchem die „Hexe" arbeitete, zwang die Widerstrebende durch Gewalt und Drohungen in den Wagen einzusteigen, und brachte sie nach seiner Wohnung. Hier wurde die Frau vor das Bett der Kranken geschleppt und von letzterer am Hase gewürgt und ins Gesicht geschlagen. Schließlich erhielt sie einen Schlag auf die Nase, daß sie heftig blutete. Nunmehr erschien die Mutter mit einem Eßlöffel, fing das Blut auf und gab dieses ihrer Tochter ein. Die Kur hatte aber keinen Erfolg, die Kranke starb einige Wochen später. Der Vorgang, dessen Einzelheiten durch Zeugenaussagen festgestellt wurden, hat sich in Okra, einem großen Dorfe, welches mit Danzig durch Pferdebahn verbunden ist, ereignet. Die Beteiligten, die von dem Gericht wegen Körperverletzung und Nötigung zu Geldstrafen verurteilt wurden, gehören zu den vermögenderen Personen des Arbeiterstandes.
Paris, 22. Juli. Tabakverbrauch in Frankreich. Ein französischer Statistiker hat ausgerechnet, daß der alljährlich in Frankreich verbrauchte Tabak, als Strick von zwei Zoll Durchmesser gedreht, dreißig Mal um den Aequator gelegt werden könnte. Zu festen Ziegeln gepreßt, gebe die gleiche Quantität Tabak eine Pyramide, welche beinahe die Höhe der dritten großen Pyramide Egyptens erreichen würde. Zu Schnupftabak zerrieben, genügte der Tabak, um eine große Stadt zu verschütten, wie dies im Altertum Herkulanum und Pompeji zustieß. Vielleicht findet sich ein gewissenhafter Statistiker, um die Richtigkeit dieser Behauptung zu prüfen.
Die Bestrafung des englischen Garde- Grenadier-Bataillons. Man schreibt uns aus London, 22. Juli: Der Herzog von Cambridge besichtigte gestern in der Wellington-Kaserne das 2. Bataillon der Garde-Grenadiere vor seinem Abgänge nach Bermuda. Nach dem Vorbeimarsch hielt der Herzog folgende Ansprache an die Truppen: „Offiziere und Mannschaften des 2. Grenadier-Bataillons! Ich kann nicht länger von Euch als Garden sprechen, denn Ihr habt das, was ich bislang als das erste Regiment im britischen Heere betrachtete, geschändet. Während der 50 Jahre, die ich mit dem Regiment in Verbindung gestanden, habe ich es stets als das Musterregiment der Armee erachtet, und als ich heute Morgen Eure Reihen abritt, that es mit leid, zu denken, daß ein so schöner Truppenkörper sich "so gänzlich entehrt hat. Es nützt den Unteroffizieren nichts, in Abrede zu stellen, daß sie Kenntnis hatten von der Stimmung, welche unter den Mannschaften herrschte und in der jüngsten beklagenswerten Kundgebung von Ungehorsam ihren Ausgang fand. Leider fft nicht ein einziger Mann vorgetreten, um die Be-' schwerden, über welche die Mannschaften klagten, zu offenbaren. Ihre Majestät ist tief betrübt darüber, daß es notwendig geworden ist, die Mannschaften ins Ausland zu senden, aber es blieb nichts Anderes übrig." Zu dein augenscheinlich tief gerührten neuen Kommandeur des Bataillons, Oberst Eaton, sagte der Herzog: „Leben Sie wohl und seien Sie gütig gegen die Mannschaften." Das Kriegsgericht fällte gestern sein Urteil über die 6 Rädelsführer der Gehorsamsverweigerung. Zwei erhielten je 2 Jahre und die übrigen je 18 Monate Gefängnis. Die Mannschaften des Bataillons durften gestern oie Kaserne nicht verlassen, und heute früh um 5'/- Uhr traten sie an, um per Eisenbahn nach Chatam zu fahren, woselbst
die Einschiffung an Bord des Truppenschiffes „Tamar" welches sie nach Bermuda führen soll, erfolgt.
Vermischtes.
— Die Biene, das Sinnbild des Fleißes und der Klugheit ha,t'in ihrem Leben und Treiben so manches, an dem sich die Menschen ein Beispiel nehmen können. Ein derartiger vielleicht weniger bekannter Zug im Leben dieses scharfsinnigen Insektes ist auch folgender: Die Biene bedarf wie wir zu ihrem Wohlbefinden einer Luft, welche aus 21 Teilen Sauerstoff und 70 Teilen Stickstoff besteht. Da nun die Bienenvölker nicht selten 30000 bis 40000 Köpfe stark sind und die ausgeatmete Luft ärmer an Sauerstoff ist als die eingeatmete, so muß es in einem Bienenstöcke oft an guter Lust fehlen. Außerdem wird aber Sauerstoff durch die Verbrennung der Abfallstoffe verbraucht und die schlechte Luft müßte schließlich den Bienen verderblich werden, wenn sie nicht gar wohl für Luftwechsel zu sorgen wüßten. Sie machen das auf folgende sinnreiche Weise, die zu bewundern wohl jeder aufmerksame Imker Gelegenheit hatte. Es stellen sich von der Außenseite der Fluglöcher an bis zu den Waben zwei Reihen von Arbeitsbienen auf, dicht nebeneinander und bewirken durch anhaltendes heftiges Bewegen ihrer Flügel den Luftwechsel im Stocke. Dabei sehen sie mit dem Kopfe nach dem Innern des Stockes zu. Es entsteht dabei ein Brausen, das man oft bis auf 20 L-chritte weit hören kann. Dieses Lüften der Bienenbewohnung geschieht meistens am späten Nachmittage, was gleichfalls wieder von dem feinen Scharfsinn der Tierchen zeugt; denn sie lassen den durchgreifenden Luftwechsel stattfinden vor Beginn der Nachtruhe, während welcher sämtliche Bienen im Stocke atmen. — Giebt es nicht heutzutage noch Menschen genug, die sich inbezug auf das Lüften ihrer Wohnungen von den Bienen beschämen lassen? Albbote.
Die Schweinezucht.
Bei den gegenwärtig bestehenden günstigen Aussichten für die Produktion von Fleisch, schreibt man dem „Dtsch. Lndb.", kommt der Haltung und Zucht der Schweine eine besondere Bedeutung zu und zwar sowohl im größeren landwirtschaftlichen Betriebe, in welchem bedeutende Mengen von Kartoffeln, Molkereiabfällen, leichtem Getreide re. entsprechend zu verwerten sind, als auch in bäuerlichen Wirtschaften, in welchen die Abfälle aus der Küche neben Kartoffeln und guter oder abgerahmter Milch benutzt werden sollen, um den Bedarf an Fleisch für den Haushalt zu beschaffen oder bei der Aufzucht der Schweine zur Verwendung zu kommen, welchen der kleine Landwirt oft mehr Zeit und Aufmerksamkeit widmen kann, als der Leiter eines großen Betriebes. Die Behauptung: daß das Schwein einen größeren Nutzen abwerfe als die Kuh, erweist sich dann als richtig, wenn man sich nicht auf das Glück verläßt, das nach der Ansicht Vieler zu einer rentablen Schweinezucht gehört, sondern wenn man zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß die bei derselben zu erzielenden Erfolge auf die rationelle Haltung und Fütterung von Schweinen einer passenden Rasse, sowie auf die angewandte Mühe und Sorgfalt zurückzuführen sind. Es eignet sich in erster Linie das englische Schwein dazu, gute Erfolge zu
erzielen. Alan unterscheidet hierbei kleine, große und mittelgroße Zucht. Bei sämtlichen englischen Schweinen trifft man eine außerordentlich schöne Entwicklung des Rumpfes, kleinen, kurzen, meist unterhalb der Stirn eingedrückten Kopf, kurze, verhältnismäßig: schwache Beine, weniger dichten Borstenbestand, größere Empfindlichkeit gegen Witterungseinflüsse und geringere Fruchtbarkeit als bei den Landschweinen. Dagegen sind die Mastfähigkeit und die Körperformen sehr aut und die mächtige Entwicklung des Rumpfes im Vergleich zu derjenigen von Kopf und Füßen, führt zu einem sehr befriedigenden Schlachtresultat. Es können deshalb auch die englischen Schweinerassen: und vornehmlich einige derselben zur Veredelung von Landschweinen mit Vorteil benutzt werden, sofern eine gute Stallfütterung und entsprechende Pflege vorausgesetzt werden darf. Zu der großen Zucht ge» hören: 1. Das große Porkshire-Schwein,. das Lebendgewicht kann mit 250—300 Kilogramm: beim ausgewachsenen Jorkshire angenommen werden;: die Fruchtbarkeit ist gut, die Mütter werfen 8—12 Ferkel, welche sie gut säugen, und die, mit 1 Jahr zur Mast aufgestellt, bald 150—200 Kilogramm Gewicht erreichen. Das Fleisch ist gut, der Speck ziemlich fest. — 2. Das Leicester-Schwein diente bei seiner vorzüglichen Mastfähigkeit zur Heranbildung verschiedener englischer Schweine-Rassen. — 3. Das- Suffolk-Schwein, ähnlich dem Aorkshire, ist jetzt meist mit andern Rassen gekreuzt. — 4. Das Lincoln-Schwein unterscheidet sich vom Aorshire nur durch einen längeren zugespitzten Kopf, etwashängende Ohren und noch kürzere Beine.
Zur kleinen Zucht gehören: das kleine Jork- shireschwein, das Kalleshillschwein, Sussexschwein, Suffolkschwein, Essexschw-ein,. das Brokshire- und Hampshireschwein. Das Brokshireschwein ist eine der besten, für deutsche Verhältnisse passenden Schweinerassen, schwarz von Farbe,, gescheckt oder auch rötlichbraun vorkommend. Die- Borsten sind dicht gestellt, der Kopf nicht besonders leicht, lang und nur wenig eingesentt, die Ohren sind klein und aufrecht stehend. Der-Rumpf ist gut entwickelt, Schulter und Schenkel fleischig die nicht sehr feinen Beine sind von mittlerer Länge. Die Entwicklung ist eine ziemlich rasche, Gewicht mit 10—12 Monaten 100 bis 120 Kilogramm, die Fruchtbarkeit sehr gut, ebenso die Mastfähigkeit. Wegen der festeren Gesundheit und Widerstandsfähigkeit werden vielfach die Brokshire- den Essex- und anderen Schweinen mit Recht vorgezogen.
Auch einige amerikanische Rassen empfehlen sich, so besonders das Poland-China; dasselbe besitzt, einen sehr ebenmäßig entwickelten Rumpf mit besonders schön gebildeten Hinterschenkeln. Diese Schweine, sind sehr gesund, widerstandsfähig und kräftig; sie ertragen den Waidegang und weite Transporte sehr gut, sind gutartig und verträglich; die Fruchtbarkeit. ist eine mittlere, die Ferkel kommen auffallend klein, zur Welt, entwickeln sich aber sehr schnell und schön, so daß mit dem Alter von 1 Jahr ein Gewicht von 120—130 Kilogramm erreicht wird. Das Schlachtgewicht ist ein hohes; über dis Qualität des Fleisches. und Speckes besteht ein leidlich günstiges Urteil.
Gottesdienst
am Sonntag, den 27. Juli.
Vom Turme: Nr. 554. Vormittags-Predigt: Hr.. Dekan Braun. Christenlehre mit den Söhnen. Nachm.. Predigt: Hr. Dekan Braun.
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„Herr," wandte sich Vanderdecken mit einer Höflichkeit an mich, die ebenso eigensinnig war wie seine Leidenschaftlichkeit, „Sie werden gefürchtet haben, daß ich Sie verhungern lassen wolle."
„Nein, Mynheer," erwiderte ich.
„Sie werden unsere Kost ziemlich ärmlich finden," fuhr er fort. „Bitte, folgm Sie mir."
„Herr," sagte ich, „verzeihen Sie mir, wenn ich Sie einen Augenblick zurück- halte. Ich fühle jedoch Ihre außerordentliche Güte zu tief, um nicht den Wunsch zu hegen, derselben dadurch würdiger zu werden, daß ich Ihnen meine Seemanns- dirnste zur Verfügung stelle. Ich bitte Sie, nach Belieben darüber zu bestimmen, wenigstens so lange bis wir einem Schiffe begegnen, das Sie von meiner Gegenwart befreit."
„Sie scheinen keine sehr große Meinung von uns Holländern zu haben," sagte er in höflichem Tone; „bitte, Herr, lassen Sie es sich gesagt sein, daß sich ein Holländer sich niemals glücklicher fühlt, als wenn er Unglück mildern kann. Kommen Sie gefälligst, die geschützte Kajüte wird Ihnen nach diesem sturmumbrausten Deck umso behaglicher erscheinen."
Ich schwieg und die flatternden Zipfel meines Rockes an mich ziehend, damit mich die Windsbraut nicht zu Boden werfen möchte, folgte ich ihm in die Kajüte unter dem Hüttendeck und zerbrach mir beim Hinabsteigen den Kopf, wie das Wunder erklärbar sei, daß der Speichrrraum dieses Schiffes nach anderthalb Jahrhunderten noch Vorräte und Wasser für seine Besatzung enthalte.
Nun, der geehrte Leser wird meinen, daß ich jetzt genug der Ueberraschungen gehabt und mich nun nichts mehr in Verwunderung setzen könnte, aber man stelle sich mein grenzenloses Erstaunen vor, als ich beim Eintritt in die Kajüte, die weniger
dunkel war als ich vermuthet hatte, eine junge Dame im Alter von achtzehn bis zwanzig Jahren erblickte, die rechts von des Kapitäns Stuhl saß. Von dieser plötzlichen Ueberraschung wie gelähmt, war ich unfähig, meine Füße von der Stelle zu rühren, während sie ihrerseits einen Ruf des Erstaunens ausstieß, sich hastig erhob und mich anstarrte, wobei sie sich mit der rechten Hand an den Tisch klammerte, als wenn sie eines Haltes bedürfe. Ich sah sofort, daß sie von meiner Anwesenheit an Bord ebensowenig unterrichtet gewesen war, als ich bis zu diesem Momente von ihrer Existenz gewußt hatte. Unwillkürlich blitzte die Idee durch mein Gehirn, daß sie Vanderdeckens Tochter, daß sie in dem über das Schiff ausgesprochenen Verdammungsurteil gleich allen Andern dieser elenden Schiffsangehörigen eingeschloffen sei und daß, in Uebereinstimmung mit Kapitän Skevingtons verrückter aber wunderbarer Theorie über die Leute des Totenschiffes, ihr äußeres Aussehen dem entspräche, welches sie in ihrer Todesstunde gezeigt haben würde, dabei nur belebt von jenem göttlichen Richterspruch, der die Braave flott und ihre Mannschaft empfindend und- sich bewegend erhielt. Ihr Anzug verstärkte diese Vermuthung in mir und erinnerte mich an alte holländische Gemälde, die ich in Rotterdamm gesehen; er bestand aus einem schwarzen Sammetjacket, das mit Pelz verbrämt und mit vielen goldenen Knöpfen geschmückt, ihre Gestalt sehr vorteilhaft hervorhob, und einem grünseidenen.. Kleid, das zwar einfach, aber ein wenig zu wett war, als wenn es für korpulentere Formen verfertigt worden; den Hals umschlang eine Perlenkette und von dem Zeigefinger der auf dem Tisch gestützten Hand blitzte ein Diamant von seltenem Glanze. Kleine rote Schuhe vervollständigten ihren Anzug, während das Haar frei» aufgelöst herabhing.
(Fortsetzung folgt.)