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oder in Vollzug einer Veräußerung Vieh (Rindvieh, Schafe, Schweine, Ziegen) nur auf Grund von Ge­sundheitszeugnissen ausgeführt werden darf, welche von einem Thierarzte ausgestellt sind.

Dies wird hiemit zur öffentlichen Kenntnis gebracht.

Calw, den 2. Juli 1890.

K. Oberamt.

Supper.

Deutsches Reich.

Beim Rückblick aufdieNeichstags- session schreibt das Frkf. I. wie folgt: Der Reichs­tag steht für diesen Sommer am Ende seiner Arbeiten, doch wurde, um die weit vorgeschrittenen Beratungen der Gewerbeordnungskommission nicht im Herbst wieder von neuem anfangen zu lassen, nur eine Vertagung und nicht ein förmlicher Schluß der Session vorge­nommen. Am 6. Mai wurde die erste Tagung des neugewählten Reichstages eröffnet. Nach dem Aus­fall der Wahlen vom 20. Februar fehlte es nicht an Prophezeihungen, daß der Reichstag ein vorzeitiges Ende finden werde, Prophezeihungen, welche in der allgemeinen Situation und dem bisherigen Verhalten der die neue Mehrheit bildenden Parteien einige Be­gründung fanden. Gleichwohl ist der erste Abschnitt der Thätigkeit des Reichstages günstiger und erfolg­reicher verlaufen, als man erwartet hatte, . und zwar durch die entgegenkommende Haltung der Centrums­partei, welche es offenkundiger Weise vermeiden wollte, jetzt eine Krisis und eine Reichtagsauflösung herbeizu­führen. Die deutschfreisinnige Partei hat nach einem kurzen Anlause, ihre Fähigkeit zu positiven Leistungen zu beweisen und den Anschein zu erwecken, als ob auch sie nach dem Kanzlerwechsel eine andere politische Haltung einnehmen werde, schließlich wieder im Verein mit den Socialdemokraten gegen Alles gestimmt, was den Reichstag beschäftigte, auf kolonialem, militärischem, sozialpolitischem Gebiete. Dagegen hat sich auf allen diesen Gebieten das Centrum mit den sogen. Cartell- parteien zu einer neuen Mehrheit vereinigt, welche die der Reichsgesetzgebung obliegenden Aufgaben löste. So ist es gelungen, mit großen Mehrheiten eine not­wendige Verstärkung unserer Wehrkraft zu Stande zu bringen und die Bewilligung der dazu erforder­lichen finanziellen Mittel durchzusetzen. Ebenso wur­den die zur Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung m unserem afrikanischen Kolonialbesitz nötigen Mittel bewilligt. In einem weiteren Nachtragsetat wurden die Gelder zur Erhöhung der Gehälter der besonders bedürftigen unteren Beamten bereit gestellt. Eine andere große Leistung, ebenfalls gegen die Be­schlüsse der Deutschsreisinnigen und Sozialdemokraten zu Stande gebracht, war das Gewerbegerichtsgesetz, welches, wenn auch nicht in allen Einzelheiten unseren Wünschen entsprechend, doch alle Aussicht bietet, für friedliche Schlichtung oder gerechte Entscheidung ge­werblicher Streitigkeiten Fürsorge zu treffen. Der sehr umfangreiche und tiefeingreifende Gesetzentwurf zur Abänderung der Gewerbeordnug, der einerseits den oft verlangten verstärkten Arbeiterschutz gewähren, anderseits auch Maßregeln zur besseren Sicherung von Zucht und Ordnung im Arbeiterleben schaffen will, ist bisher nur in seinem ersten Teil in einer

Kommission sehr gründlichen Beratungen unterzogen worden, die auch hier die Aussicht auf ein positives Ergebnis im nächsten Winter eröffnen. Von den sonstigen minder belangreichen Arbeiten des Reichs­tages erinnern wir nur an die Genehmigung des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrages und an die deutschfreisinnigen Interpellationen über den Voll­zug der Freiheitsstrafen und über die Paßverordnung m Elsaß-Lothringen. Von den Anträgen aus dem Haufe sind erst wenige zur Verhandlung gekommen. Ruhe und Erholung haben die Reichsgesetzgeber jeden­falls verdient. Es ist seit dem 22. Oktober v. I., wo die jetzt beendigte parlamentarische Saison ihren Anfang nahm, viel gearbeitet worden.

Infolge des Erlöschens des kleinen Be­lagerungszustandes sind nach der Frkf. Ztg. bereits am Sonntag mehrere Ausgewiesene, darunter auch Liebknecht, dessen Familie noch in Leipzig wohnt, nach Leipzig zurückgekehrt. Von ihren Freunden wurden sie bewillkommt, auch wurden am Abend in einigen Vororten Begrüßungsfestlichkeiten veranstaltet.

Ausland.

Christiania, 1. Juli. Bei herrlichstem Wetter erfolgte die Einfahrt des Kaisers, sowie die Auffahrt zum Schloß genau zur vorbestimmten Zeit. Von hier fuhr eine Dampferflotte von 54 Schiffen in zwei Kiellinien dem deutschen Geschwader auf dem Fjord entgegen; alle führten die deutsche Flagge am Hauptmast. Um */s4 Uhr kam das deutsche Geschwader bei Longaaren in Sicht. Dem Kaiserschiff vorauf fuhr ein norwegisches Kanonenboot, darauf derKaiser" mit dem Kaiser an Bord, dannDeutsch­land," dahinterPreußen"" sodann die blanke mit weißem Rumpf weithin leuchtendeIrene" mit dem Prinzen Heinrich und dem Herzog von Mecklenburg. Die deutschen Schiffe fuhren in die Gasse, welche die Begrüßungsschiffe bildeten, ein brausendes Hurrah erscholl aus beiden Seiten, den Grüßenden winkte der Kaiser von der Kommandobrücke herab, ebenso Prinz Heinrich. Als die Irene passiert, schwenkten die Be­grüßungsschiffe links und rechts und folgten dem deutschen Geschwader, denKaiser" vorauflassend, zu beiden Seiten. Der Anblick des Hafens wie der Stadt war zauberhaft; unzählige kleine Fahrzeuge belebten den Wasserspiegel; zwischen dem Ankerplatz des Kaisers und der Landungsbrücke bildeten Hunderte buntbewimpelter Boote eine schwimmende Hecke. Eine ungeheure Menschenmasse, in der Mehrzahl hellge­kleidete Damen, hatten die Tribünen auf oem Fest­platz besetzt; bis auf die Dachfirsten hinauf war alles voll Menschen. König Oskar bestieg mit Prinz Eugen schon einige Minuten vor 5 Uhr ein Boot, um an denKaiser" zu gehen. Bei der Begrüßung an Bord desKaisers" bis zur Landung hallte un­aufhörlicher Geschüzdonner über den Fjord, um, an den ferneren Bergwänden brechend, sein Echo zurück­zusenden. Im ersten Landungsboot befand sich König Oskar allein, der lebhaft begrüßt wurde, im zweiten Boot der Kaiser, Prinz Heinrich und Prinz Eugen; als Kaiser Wilhelm den König Oskar auf freier Brücke umarmte und küßte, erbrauste unbeschreiblicher Jubel; die Hurrahrufe wollten nicht enden. Der Kaiser trug die großen Abzeichen des Olafordens über

der Admiralsuniform, König Oskar den Schwarzen Adlerorden ebenfalls über der Admiralsuniform. Nach der Vorstellung im Kaiserzelt erfolgte die Fahrt zum Schlosse, Kaiser und König fuhren zusammen in sechs­spännigem Wagen mit Vorreitern, Oberstallmeister Schwerdrup ritt dem Kaiser zur Seite, darauf Prinz, Heinrich, Herzog von Mecklenburg, Prinz Eugen, da­raus das Gefolge in sechs ferneren Wagen. Die Königin Sofie empfing die Gäste im Schlosse, wo. der Kaiser um 6 Uhr einfuhr. Die herrlichste Stim­mung belebte den Kaiser wie den König und jubelnde Erregung beherrscht die Bevölkerung ob dein groß-, artig gelungenen Feste.

Christiania, 3. Juli. Bei dem Festmahl, das gestern abend im Königsschlosse stattfand, hob der König in seinem Trinkspruch auf den Kaiser hervor: Nicht zum ersten Male suche ver Kaiser das Land auf, er habe schon im Vorjahre die Westküste und die Ostküste befahren und seine Wertschätzung der Naturschönheiten Norwegens und Schwedens be­wiesen. Das norwegische Volk habe in diesen Tagen seinen Gefühlen Ausdruck gegeben, welche es für den Kaiser und auch für Deutschland beseelten. Der Kaiser dankte für die Aufnahme, die er in der Hauptstadt gefunden habe. In seiner Jugendzeit sei er nicht gereist, so wolle er jetzt als Kaiser durch Reisen sich ausbilden und als Herrscher die Nachbarn kennen lernen; dieses Land habe er aus Liebe zu dem kernigen Volke aufgesucht, das durch steten Kampf sich durchgearbeitet habe. Bei der Mannestreue und Königstreue, die den Germanen e'gen, sei er über­zeugt, daß das Volk in allen Gefahren für seinen König einstehen werde; er trinke auf Norwegen und das Wohl des Königs.

Tages Reurykeitcn.

Der Münsterbaumeister v. Beyer wurde von Sr. Maj. dem König durch das Ehren-Nitter- kreuz der Württembergischen Krone und nach aus­wärtigen Blättern von Sr. Maj. dem Kaiser durch den Kronen-Lrden 3. Klasse und von Sr. K. H. dem Prinz-Regenten von Bayern durch den Michael- Orden 3. Klasse ausgezeichnet.

Ulm er Münsterfest. Nach Beschluß der Generaldirektion wird am Sonntag den 6. Juli, vor­mittags 10 Uhr das Festspiel wiederholt.. Bei günstiger Witterung findet um 2 Uhr das Fischerstechen statt und um 4'/- Uhr das Volksfest in der Friedrichsau..

Eine Regimentstochter, die sechs­zehnjährige wunderschöne Keksholm, deren Vater das russische Grenadierregiment des Kaisers von OesterreichKeksholm" ist, hat am 19. Juni im Alexander-Marien-Jnstitut zu Warschau ihre Erzieh­ung abgeschlossen, ein Ereignis, welches fünf Tage darauf vom ganzen Regiment durch ein großes Fest gefeiert wurde. Im letzten türkischen Kriege fanden einige Soldaten des Regiments Keksholm in einem von seinem Bewohnern verlassenen Dorfe ein hübsches vierjähriges Mädchen, welches seine beim Heranrücken der Russen geflohenen Eltern in der allgemeinen Ver­wirrung mitzunehmen vergessen hatten. In einer am Bivouacfeuer abgehaltenen Beratung beschlossen die

das Flimmern des verfaulten Holzwerkes, das beinahe zweihundert Jahre dem Wetter ausgesetzt gewesen ist!"

Gemach, Tom!" schrie ein Anderer;seine Mannschaft ist der Hölle ver­fallen; sie besitzen die Bosheit von Teufeln und brauchen uns nur zu berühren, um uns auf der Stelle sinken zu machen!"

Wartet nur; Ihr werdet es gleich in ein Nichts zerfließen sehen!" rief einer der zwei Ausländer unserer Besatzung;wenn es so ist, wie ich mir denke, ist es mit dm Geistern verruchter Menschen bemannt, die auf der See umgekommen sind. Sobald die Glocke schlägt, wird Alles verschwunden sein."

Alsbald entstand eine Bewegung auf Vorderdeck und der Zimmermann, von zwei kräftigen Burschen getragen, wurde heraufgebracht und im Kreise der Matrosen niedergesetzt, dann so aufgerichtet, daß er das fremde Fahrzeug sehen konnte. Ich war ebenso begierig als irgend einer der unwissendsten Seeleute an Bord, zu hören, was er sagen würde, und schlich mich einige Schritte näher, um seine Worte bester verstehen zu können. Minutenlang starrte er hinüber, ohne daß ein Laut über seine Lippm kam; mein Geist war so gespannt und erregt, daß mir diese Minuten wie Stunden erschienen. Endlich begann er:Kameraden, das da drüben ist das Toten­schiff wie eS leibt und lebt! Lugt scharf aus und Ihr werdet das steile Bugspriet mit der runden Spitze an seinem Ende «kennen und dm hintern Bug unterscheiden können, der eine Form zeigt, die älter ist als eine der bejahrtesten Seeratten an Bord zusammengmommen. Schaut die Hinterharke des BesanmasteS und wie der Hieling des Fockmastes in dm Vorderpiek rinzudringm scheint! Das ist das Schiff 1650 sein Geburtsjahr Vanderdeckm sein Kommandant ich habe oft davon erzählen hören richtet mir dm Kopf auf, Maat»!"

Und hier, sei es aus Schmerz, Schwäche oder Schrecken, fiel er in Ohnmacht. Schnell legte man ihn der Länge nach auf Deck und spitzte ihm Master in's Gesicht. Endlich kam er wieder zu sich, doch zitterte er am ganzm Leibe und weigerte sich, zu sprechen oder irgend welche Fragen zu beantworten.

Ein leichtes Dünnrrwerdm der Dunstschichtm, die seither dm Mond verhüllt, hatte uns ermöglicht, dir von dem Zimmermann angedruteten Punkte des unheim­

lichen Schiffes zu sehen; und während man sich mit dem Ohnmächtigen beschäftigte,, brach das Mondlicht durch eine Oeffnung im Nebel, doch war sein Schein immer noch äußerst schwach und trübe, und um die entstellte, verzerrte Scheibe bildete sich alsbald wieder ein bleicher Ring, wie er bereits vorher sichtbar gewesen. Und doch schien sein Glanz, wie schwach er immer sein mochte, die Atmosphäre von den schwarzen Dünsten, die uns so lange umgeben, zu säubern. Jetzt konnten wir Alle da« Fahrzeug deutlich erkennen, wie es backstagsweise, mit uns zugewandter Breit- feste dalag und seine Raam gleich den unseren nach dem Winde gestellt hatte, wäh­rend seine Segel unbewegt und schlaff herabhingen.

Es war der unheimlichste Anblick, den je das Auge eines Menschen hatte. Der Mond vermochte die über und um dasselbe lagernde Finsternis nicht ganz zu zerstreuen, so daß man nicht sagen konnte, welches seine Farbe oder Anstrich sei.. Sein Bug lag der alten Mode gemäß tief im Master, das Hauptbord schlängelte sich bis zum Schnabel hinauf, der zweifellos einen Schmuck trug, obgleich er nicht sichtbar war. Von dort erhob es sich hügelartig aufwärts, nur von den Bollwerken durchbrochen, die sein Mittel-, Hinter- und kurzes Hüttendeck begrenzten. DieS war Alles, was am Rumpf unterscheidbar war. Der Fockmast stand beinahe ganz am Ende des Bugspriets, der Besanmast überragte des Schiffes Stem und trug eine Raa, die dem Gewände einer Feluke entsprach, das Horn des daran gehißten Segels strich dicht an einer ungeheuren Schiffslaterne vorbei, deren eiserne Umrahmung, da das Glas zerbrochen und verschwunden war, wie das Skelett eines Ungeheuers aussah. Und auch der Beherzteste schauderte beim Anblick de» schwachen feurigen Geflimmers,. das, glühwurmähnlich, an der uns zugekehrten Außenseite sein Wesen trieb. Ich war zuerst der Meinung, daß sein Aeußeres glänzend glatt sei und diese Lichter nur der Widerschein deS phosphorescirenden Seefeuers im Wasser unter ihm wären, doch es wurde bald klar, daß dem nicht so sei, denn obwohl in der Thal ein grünlicher Schein de» wahren Seefeuers an oder nahe feiner Seite sichtbar wurde, sobald «S- sich in Folge der Dünung ein wenig hob oder senkte, so hüpfte und spielte dieses. FLulniSgefunkrl doch überall, ungeachtet der phoSphorischen Flämmchen unter ihm.

(Fortsetzung folgt.)