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und dann im Wald nach seiner Knebelung an Händen und Füßen den Hals abgeschnitten hat, zum Tod verurteilt worden.
Tübingen, 26. Juni. Der Bau des Karser- Wilhelms-Turms auf dem Osterberg soll nun begonnen und in vier Monaten zu Ende geführt werden. Der Gesamtaufwand für den Monumentalbau wird 18—20000 ^ betragen, wovon mehr als gesammelt sinv. Mit der Ausführung hat der Ausschuß Werkmeister Letsche hier betraut.
Plochingen, 26. Juni. Von einem bedauerlichen Unglücksfall ist heute zu berichten. Zwei Knaben im Alter von 12 und 13 Jahren spielten heute abend beim Baden Haschen und gerieten dabei unversehens an eine gefährliche Stelle (Einfluß der Fils in den Neckar). Die Strömung riß sie fort; der eine rief noch angstvoll um Hilfe. Totengräber Findeisen hatte den Mut, sich in den Neckar zu stürzen, und es gelang ihm auch, den einen der Knaben zu retten. Beide Knaben hatten sich, nach Aussage des geretteten, gegenseitig gefaßt, im Augenblick der Rettung aber verließ wohl einen die Besinnung, er ließ los und sank sofort unter, so daß er von dem um das eigene Leben kämpfenden Retter nicht sofort gefunden werden konnte. Obwohl Weichenwärter Ehninger auf die Notrufe des Findeisen am Neckar abwärts vorauseilte und dort sich in den luß stellte, konnte er den wohl abwärtstreibenden naben nicht entdecken, welch letzterer auch trotz eifrigen Suchens mittelst Nachen und Rechen "bis jetzt nicht aufgefunden worden ist. Der Verunglückte ist der Sohn des Bahnhofaufsehers Frei.
Heidenheim, 25. Juni. Ein Hafnergeselle von Schnaitheim, welcher von einem Nebenarbeiter mit einem Stiefel auf den Unterleib gestoßen wurde, ist gestorben.
Ulm, 26. Juni. Heute nachmittag 4 Uhr ertönten die Sturmglocken. In einem der Brauerei zum „Strauß" gehörigen Gebäude auf dem Frauengraben, dem sogen. Kohlenstadel, war Feuer ausgebrochen, das mrt solcher Schnelligkeit um sich griff, daß auch die Anbauten, den Gebrüdern Bürglen und der Bierbrauerei zum „Bären" gehörig, bald in Flammen standen und die Feuerwehr sich darauf beschränken mußte, die nebenanliegenden Wohnhäuser zu retten. Die Scheuern waren mit Heu und Stroh dicht angefüllt. Ein an den Stadel angebautes, der Brauerei zum „Strauß" gehöriges Faßhaus, in welchem über 400 Stück große Fässer lagerten, brannte samt diesen vollständig nieder.- Das dcmebcn befindliche Anwesen des Malzfabrikanten Bek wurde sehr stark beschädigt, während der Inhalt eines an dieses angebauten Papiermagazins durch die Wassermassen sehr notlitt. Der Brand wurde, wie die polizeilichen Erhebungen ergaben, durch das 5jährige Söhnchen eines Wirts verursacht, das mit der Magd in den Kohlenstadel gegangen war, um Eis zu holen, hiebei von der Magd Zündhölzer zum Anzünden des Lichtes erhalten und mit diesen das Stroh angezündet hatte.
Ulm, 28. Juni. Es ist eine Adresse eingelaufen von der königl. technischen Hochschule Stuttgart an die Stadt Ulm. Sie lautet: „Ulm feiert das Fest der Vollendung seines herrlichen Münsters. Zu dem Himmel empor ragt der gewal- tme Turm, wie ihn Meister Böblinger erdachte. Wahrzeichen der Macht waren dem Mittelalter die
Türme: zu Ehren Gottes, aber auch zu Ehren der Stadt sollte der Turm der Pfarrkirche von Ulm zeigen, was die Stadt bedeute: der höchste Turn: der Welt sollte den Ruhm und den Reichtum der mächtigen Reichsstadt verewigen. Schlimme Zeiten brachen die städtische Kraft und störten den Bau. Eine neue Zeit ist gekommen, die geeint hat in deutschen Landen, was sich bestritt und schädigte. Und in Erfüllung jener Ehrenschuld gegen die Väter hat die Stadt Ulm den Münsterbau ausgenommen, und durch neue Kunst und Technik so pietätvoll, wie schön zu Ende geführt. Am Rhein zu Freiburg, Straßburg und Köln, an der Donau zu Ulm, Regensburg und Wien, wo spiegeln sich in fremden Strömen gleiche Wunderwerke gothischer Baukunst? Als Pflegestätte der Baukunst beglückwünscht die königl. techn. Hochschule zu Stuttgart die Stadt Ulm zu der Vollendung ihres Münsters, des hehren Denkmals städtischer Größe, des frommen Sinns und der erhabenen Kunst in der Vergangenheit, und zugleich des Wahrzeichens neuer Kraft zum alten Volksgeist, der Schwabenland ruhmvoll macht wie im alten, so im neuen Reich. Stuttgart, 23. Juni 1890. Das Lehrerkollegium der königl. techn. Hochschule. I. A. Direktor Prof. vr. Weyrauch." Schw. M.
— Für den Fremdenandrang in Ulm spricht wohl am besten der Umstand, daß für ein Zimmer schon 120 bezahlt wurde. Der Wirt zur „Wilhelmshöhe" hat zu seinem großen Personal für die Festtage noch ein Hilfspersonal vqzz 60 Kellnern und Kellnerinnen engagiert.
Ebingen, 28. Juni. Ein bedauerlicher Unfall ist gestern abend dem in der ganzen Umgegend bekannten und allgemein beliebten Fuhrmann Christian Schick zugestoßen. Derselbe war damit beschäftigt, das am gestrigen Tage eingeführte Heu auf den Barn zu bringen, wobei er herunterfiel und einen Arni und Fuß brach. — Gleichzeitig hören wir, daß gestern nachmittag das 4jährige Kind des Hutmachers Frank bedeutende Brandwunden dadurch erhielt, daß es gebrannte Kalksteine in die Tasche seines Kleidchens steckte, welche durch hinzugetretene Feuchtigkeit erhitzt wurden und so die äußerst schmerzlichen Wunden verursachten.
Tuttlingen, 26. Jum. Die Frage der Donaukorrektion in unserer Stadt ist nun end- giltig gelöst. In der gestrigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde beschlossen, den Plan "des Oberbaurats v. Leibbrand, betreffend die Korrektion der Donau und die Erweiterung des Stadtbauplans zu genehmigen. Der Gesamtaufwand, die Kosten der Auffüllung des alten Donaubettes eingerechnet, beträgt 183,000 Durch die Ausführung der Donauverlegung gewinnt die Stadt bedeutend, namentlich werden eine Reihe schöner Bauplätze, sowie ein großer freier Platz geschaffen, und man wird nicht irre gehen, wenn inan annimmt, daß letzterer zur Aufstellung des Schneckenburgerdenkmals vorgesehen ist. — Im hiesigen Waisenhaus wurde gestern nacht ein frecher Einbruch verübt, wobei verschiedene Lebensmittel, wie Speck, Schinken, Käse rc. entwendet und die Vorratskammer vollständig geleert wurde.
Ravensburg, 26. Juni. Ein sich selbst überlassenes Kind in der unteren breiten Straße geriet vorgestern auch hinter die Zündhölzchen und zündete damit das im Zimmer stehende Bett an, worauf
es, wahrscheinlich aus Furcht vor den Flammen, ins anstoßende Gemach ging. Nachbarn entdeckten und löschten den Brand, ehe das Feuer weiter um sich greifen konnte.
Paris, 27. Juni. (Elektrische Versuche.) Gestern abend stieg der Luftballon „Figaro" aus der Gasfabrik von La Billette aus, nachdem er dazu einen telephonischen Befehl vom Eiffelturm erhalten hatte. Es handelt sich um den Anfang einer Reihe von Experimenten, durch welche genau bestimmt werden soll, auf welche Entfernung zwischen der Sternwarte des Turins und einem freien Ballon elektrische Signale ausgetauscht werden können. Wie verlautet, gelangte man zu einem höchst befriedigenden Resultate.
Vermischtes.
Eine deutsche Amazone. Fräulein Johanna Maestrick, deren Wiege in nächster Nähe der deutschen Neichshauptstadt gestanden haben soll, ist gegenwärtig die Heldin des Tages in Portugal. In Lissabon, wo die noch nicht Zwanzigjährige schon vor einigen Jahren eintraf, hatte sich ihrer ein geschäftskundiger Impresario angenommen, der das große und schöne Mädchen zu einer Stierkämpferin auszubilden beschloß. Die Lehrzeit war in diesem Frühjahr beendet und der Impresario glaubte seine Schülerin nicht besser einführen zu können, als daß er sie ver- anlaßte, an der zu Lissabon zu Pfingsten veranstalteten Schönheitskonkurrenz teilzunehmen, bei der der Ruf ihrer allerdings noch nicht öffentlich bewiesenen Fechtkunst der Dame den ersten Preis einbrachte. Die gekrönte Schönheit gab vorsichtshalber ihr erstes Debüt vor den Thoren von Oporto, wo sie unter den rasenden Beifallsrufen der Zuschauermassen zwei Stiere nach kurzem Kampf in den Sand streckte. Die Siegerin hielt zu Pferde unter Musik, von Tausenden begleitet, ihren Einzug in die Stadt.
Eine 42tägige Hungerprobe. Der Italiener Succi, welcher jüngst in London eine 36tägige Fastenprobe bestand, hat einen Nebenbuhler gefunden in der Person eines Franzosen Namens Alexandre Jaques, welcher letzten Sonnabend im Royal Aquarium in Westminster eine Hungerprobe begann, die sich über 42 Tage erstrecken soll, während welcher Zeit er nichts als Wasser und ein geheimes weißes Kräuterpulver genießen will. Jaques, ein alter französischer Soldat, der den Feldzug von 1870 bis 1871 gegen die Deutschen mitmachte, hat vor zwei Jahren m Edinburgh bereits 30 Tage mit Erfolg gefastet.
Kaudrv. Konsumverein Calw.
Eingetr. Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht.
Unser Lager befindet sich nun im Hause des Herrn Louis Tingler z. „Adler" hier, welcher vom 1. Juli 1890 ab geschäftsführender Vorstand unseres Vereins ist. Zahlungen von Seiten der Herren Ziechner können der Bücherreoission halber — erst vom 15. Juli ab an Genannten gemacht werden.
Calw, 30. Juni 1890.
Der geschäftsführende Vorstand:
Hugo Nau.
Er war sehr beliebt an Bord, Dank seiner ausgezeichneten Fähigkeiten als Seemann,-und einmütig antwortete die Mannschaft, daß sie keinen besseren Befehlshaber wünschten, ja daß sie auf keinen Fall in einen Wechsel willigen würden. Nachdem dies mit einer Herzlichkeit und Einstimmigkeit ausgesprochen war, die mich ungemein freute, denn ich schätzte den Mister Hall selbst sehr hoch und es war mir höchst angenehm, unsere Leute so wohlgesinnt zu finden, trat ein peinliches Schweigen ein, das endlich von einem heuern Flüstern unterbrochen wurde.
„Noch etwas?" frug Mister Hall.
„Wohlan, Herr," antwortete der Bootsmann mit achtungsvoller Miene, „'s steht so mit den Jungens: Es ist der Glaube unter ihnen, daß die Schnaue unserm Schiff Unglück gebracht hat, und die Meinung ist, daß wir lieber nach der Tafelbay zurücksegeln sollten, um da den bösen Zauber aus dem alten Kasten austrerben zu lasten."
„Wie soll das bewerkstelligt werden?" sagte der Mister Hall, der teils wegen seiner Erschöpfung und teils well er sich ihnen für ihre freundliche Aufnahme seiner Anrede verpflichtet fühlte, geduldig auf die Sache einging.
Hierauf trat eine weitere Pause ein, dann begann der Bootsmann, nicht ohne eine gewisse Scheu: „Der Zimmermann, welcher mehr vom Gespensterschiff und seinem Zauber auf andere Schiffe zu erzählen weiß als wir Alle zusammen, meint, das einzige Mittel, den von seiner höllischen Macht herrührenden Fluch des Unheils aus den Räumen des Fahrzeuges zu treiben, sei, einen geweihten Priester an Bord kommen, alle Hände zum Gebet auf Deck antreten und den Segen über das Schiff aussprechei. zu lassen. Er sagt, das sei- der einzige Weg, es los zu werden."
Können wir denn nicht selbst zu Gott beten, uns seinen Segen zu geben?" frug Mister Hall.
AIS der Bootsmann mit der Antwort zögerte, sagte ein Mattose: „Es muß «in Mann sein, der das rechte Gebet kennt, der die rechten Worte zu gebrauchen versteht!"
„Ja!" rief ein Anderer, „er muß geistlichen Stande« sein."
Mister Hall wandte sich halbseits um, als wenn er mich anreden wolle. Dann,
wie sich anders besinnend, sprach er laut: „Wohlan, Jungens, wir haben jetzt Windstille und wenig Aussicht auf baldige Aenderung. Wie wäre es, wenn wir diese Angelegenheit bis morgen früh ruhen ließen? Herr Fenton und ich wollen es mittler» weile besprechen, und Ihr auf Vorderdeck könnt auch darüber Nachdenken. Ich glaube, wir werden Alle ruhiger geworden sein, sobald unser armer Kapitän bestattet ist und die Sonne wieder über uns scheint. Dann können wir eher zu einem vernünftigen. Beschluß kommen. Es wäre jedenfals zu bedauern, rückwärts segeln zu müssen, nach diesem harten Stück Arbeit, das es uns gekostet, dahin zu gelangen, wo wir jetzt sind. Doch in Vorbereitung des Falles, daß Ihr am Morgen noch ebenso dächtet wie jetzt, wollen wir das Schiff, sollte sich eine Brise erheben, unter kleinem Segel halten, um zu verhindern, daß wir während der Nacht um ein Beträchtliches vorwärts kommen. Billigt Ihr das, Leute?"
Alle nickten zustimmend und die Versammlung ging auseinander. Doch bemerkte ich, daß die, welche dienstfrei waren, dies nicht benutzten, um hinabzugehen. Sie traten zu denen auf Wache am Vorderkastell, und ich konnte deutlich hören, wie sie ernstlich zusammen verhandelten; ihre Stimmen durchbrachen die Stille der Nacht wie jenes Summen einer Gemeinde in der Kirche, das gewöhnlich der Liturgie folgt.
Mister Hall war bald an meiner Seite und wir wanderten das Deck entlang.
„Es ist zu bedauern, daß die Leute von der Idee besessen sind, düs Schiff sei behext," begann er. „Und gerade diese Jahreszeit ist in den Gewässern gewöhnlich nicht die beste; das Schiff zu wenden, heißt — wie ich glaube — das Wetter, das jetzt ruhig genug ist, nur erzürnen, ganz abgesehen von der Gefahr, in holländische Hände zu fallen."
Ich erzählte ihm meine Unterhaltung mit dem Schiffszimmermann unb fügte hinzu, daß ich mich über die Besorgnisse der Mannschaft nicht wundere, da der alte Bursche eine Teufelsgabe besitz«, seine Prophezeiungen in einer furchterregenden Weise vorzukagen.
(Fortsetzung folgt.)