traurig-ernste Veranlassungen in Frage — immer wird man sich in herkömmlicher Weise an unfern Liederkranz wenden und nie wird man eine Abweisung erleben, stets werden seine herrlichen Weisen im Gewände der gemütlichsten Bescheidenheit den Tag versüßen.
Was ich aber als für unsere Stadt ganz besonders segenbringend und dankenswert erkennen möchte, das ist der Beitrag zur Lösung des sozialen Problems unserer Zeit, der m der Existenz und Wirksamkeit unseres Liederkranzes und Gausängerbundes, wenn auch für manchen unbewußt, gelegen ist.
Die strebsamen Handwerker und bescheidenen Arbeiter namentlich sind es, die um die Fahne des Liederkranzes sich schaaren und von den eifrigen Leitern des Vereins in unverdrossenen Mühen für die erhabenen Ideale der Gesangeskunst begeistert werden.
Sie erhalten damit nicht blos Ruhe und Erholung nach den Lasten des Tages, nicht blos berechtigte Freude und Vergnügen für den Kreis ihrer Lieben, nicht blos Trost und Linderung in Gram und Sorgen — nein sie werden dadurch auch vor den Abwegen bewahrt, auf die anderwärts falsche Freunde in solchen Feierstunden sie leiten, und gefeit gegen die bedauerlichen Jrrtümer jener Unglücklichen, die ins bürgerliche und Familienleben statt der verheißenen aber nie erreichbaren Glückseligkeit nur Neid und Haß, nur Unzufriedenheit und Unglück bringen; sie werden gewöhnt, wohlgesittet und in wohldisciplinierter Einigkeit sich als nützliche und dienende Glieder dem Ganzen anzuschließen, sie überzeugen sich, daß die Ideen von Gott, Freiheit und Vaterland — die sie begeistert besingen — kein leerer Wahn genannt werden können, daß der Mensch erst Mensch im vollen Sinne des Wortes ist und auf die Stufe der gerechtfertigten Selbstachtung im Gefühle seiner Würde erhoben wird, wo Groß und Klein, Hoch und Nieder, Reich und Arm sich brüderlich die Hände reicht, wenn er sich diesem idealen Reiche angehörig weiß.
Das ist, meine Verehrten, der Gewinn davon, wenn man nicht blos singt um zu singen, sondern wenn man das Ideal der Kunst des Gesanges anstrebt, wie der neidlose Beurteiler das in der Wirksamkeit unseres Gausängerbundes und seiner hochverdienten Leitung finden muß.
Wenn ihr Mitglieder des Gausängerbundes das heutige Fest im Vollbewußtsein dieser Eurer idealen Aufgabe feiert, und wenn ihr, die Mitglieder des Liederkranzes Liebenzell, angesichts der neuen Fahne Euch vornimmt, in geschlossener Einheit und unentwegt auch kräftig nur dieses Ziel im Auge zu haben, dann kann man Euch — wie ich es von Herzen thue — zum heutigen Tage wahrhaft beglückwünschen, dann dürft ihr der Anerkennung Eurer Mitbürger erst recht sicher sein, dann werden die zahlreichen Vereine und Freunde, die so freundlich als Teilnehmer zur heutigen Doppelfeier aus nah und fern herbeigekommen sind. Euch erst mit wahrer Verehrung und voller Hochachtung die Freundeshand drücken.
Dies dürfte Ihnen dann die beste Genug- thuung sein für Ihr 16jähriges mühevolles Wirken und die Früchte hievon sehen Sie in der nun zu enthüllenden Fahne, welche Ihnen als Symbol der Brüderlichkeit und Eintracht für die Zukunft in Freud und Leio vorangetragen werden soll. Bleibt ihr treu, wie sie Euch, denn sie begleitet einst jeden bis zum Gabe und nimmt erst Abschied für immer an der offenen Gruft.
Und Ihnen, verehrte Mitglieder der Gausängerbundes, die ihr wohl alle hieher gekommen seid, um Lorbeeren zu holen, möchte ich raten, die bittere Enttäuschung eines eventuellen Durchfalls nicht so sehr schmerzen zu lassen, vielmehr rufe ich Ihnen zu, ermannt und rafft Euch zusammen mit dem Vorsatze, das nächstemal desto sicherer zum Siege zu gelangen.
Zum Schluffe rufe ich Euch aber allen zu, daß ferne von Euch sei Unfrieden und Zerwürfnisse jeder Art, ferne Flauheit und Gleichgiltigkeit, ferne auch Selbstüberhebung und Eigendünkel. Pfleget die traditionelle Bescheidenheit und Gemütlichkeit, scheuet keine Mühe und keine Arbeit und füget Euch stets willig in die gutgemeinten Anordnungen Eurer erfahrenen und hochzuachtenden Vorstände und Leiter, dann wird Euch der Ruhm nicht fehlen, sowohl brave Sänger, als geachtete Männer und wackere Bürger genannt zu werden; dann wird auch in Erfüllung gehen, was ich und mit mir die ganze Festversammlung Euch von Herzen wünscht, daß der Liederkranz Liebenzell mit dem ganzen Gausängerbund blühe und gedeihe für und für.
Nachdem der Beifallssturm geendet, trug die Festdame Frl. Neuner ein sehr ansprechendes Gedicht vor und übergab sodann die neue Fahne an den Verein. Dieselbe ist aus dem Fahnengeschäft von Neff in Biberach hervorgegangen; sie trägt auf der einen Seite das Wappen von Liebenzell, auf der andern die Worte „Das deutsche Lied, das deutsche Wort ertöne frei an jedem Ort." Die dem Blind angehörenden 13 Vereine sammelten sich nun auf der Tribüne, um 2 Gesamtchöre „Trittst ün Morgenrot daher" und „Im Pokale goldner Wein" zum Vortrag zu bringen. Diese Massenchöre sollten bei den nächsten Gausängerfesten mehr in den Vordergrund treten, als es diesinal der Fall war. Jedenfalls sind 2 Chöre zu wenig. Auf die Einstudierung der Gesamtchöre dürfte noch größerer Fleiß und pünktlichere Sorgfalt verwendet werden, wenn ein schöner, voller und hinreißender Chorgesang erzielt werden soll. Nicht das Preissingen, sondern das Massenchor muß die Hauptsache bei den Sängerfesten bilden. Der Vortrag der beiden Chöre war befriedigend, jedoch zu monoton, wie auch der Tempo zu schleppend war. Der Bund hat an Schull. Schramm einen sehr tüchtigen Dirigenten gefunden.
Der Vorstand des Gaubundes, Buchdruckereibesitzer Meeh von Neuenbürg, hielt sodann eine begeisterte Ansprache an die Sänger; er forderte dieselben auf, daß sie treu zu der schönen Sache des Gesangs und besonders zu dem neugegründeten Bunde stehen sollen, damit dieser auch blühe, wachse und gedeihe. Der Redner schloß seine Ausführungen mit
einem brausend aufgenommenen Hoch auf das deutsche Lied. Nun begann der Wettgesang; hiebei beteiligten sich 9 Vereine. Leider wurden die Vorträge durch lauten Lärm sehr gestört; es ist dies eine Rücksichtslosigkeit, die aufs strengste zu rügen ist. Leute, welche für den Gesang kein Interesse zeigen, mögen sich doch ganz von derartigen Festen fernhalten. Auf das Urteil des Preisgerichts war man sehr gespannt. Das Ergebnis, verkündet von dem Gauvorstand, ist folgendes : Mit Preisen (in der Reihenfolge der Leistungen) werden bedacht die Vereine Neuenbürg (25 S., Der Lenz ist angekommen, von Dürner), Birken- feld (25 S., Nun zu guter Letzt, von Mendelssohn) und Hirsau (13 S., So sei gegrüßt, v. Schumann), (beide gleiche Anzahl von Punkten), Arnbach (18 S., Ein Morgenschimmer glüht, von Silcher), Engels- brand (21 S., Ein König ist der Wein, von Kunz). Außerdem erhielt Neuenbürg noch eine Ehrengabe von dem Liederkranz Liebenzell. Bei jedem der einzelnen aufgerufenen Vereine erscholl lauter Beifall und Zuruf. Das Preisgericht bestand aus den HH. Seminaroberlehrer Hegele in Nagold, Gesangsdirektor Müller in Calw und Hauptlehrer Eckert in Brötzingen. Nach unserer Ansicht entspricht das Urteil des Preisgerichts vollständig der Wirklichkeit und den Leistungen der einzelnen Vereine. Vor der Preisverteilung entledigte sich Oberlehrer Hegele seiner ihm gewordenen Aufgabe, den neuen Bund im Namen des Schwäbischen Sängerbundes zu begrüßen und willkommen zu heißen als Glied am großen Ganzen. Hieran schloß der Redner noch verschiedene Bemerkungen über den Wettgesang an, wobei er namentlich betonte, daß der Massengesang eifrig zu pflegen sei und daß sich die Sänger Mühe geben sollen, ja recht schön zu sprechen. Was nun die Preisgesänge selbst betrifft, so müssen wir gestehen, daß abgesehen etwa von den 3 ersten preisgekrönten Vereinen, ein schöner, befriedigender Gesang nicht gehört wurde. Die Stimmen waren größtenteils sehr rauh, noch ungefchult und auch oft recht unsicher. Die Aussprache war meistens unschön, die Auffassung zu einseitig oder zu gesucht. Besonders aber fiel uns auf, daß das Volkslied zu wenig berücksichtigt wurde, viele Chöre waren für diese kleinen Vereine entschieden zu hoch gewählt; nur Chöre mit 30—50 Sängern vermögen diese Ausgabe befriedigend zu bewältigen. Wir möchten allen ländlichen Vereinen raten, nur das einfache, edle Volkslied zu singen; darin werden sie ihre größte Befriedigung finden. Sodann wäre fast allen vorgetragenen Chören eine größere Frische zu wünschen gewesen. Im ganzen haben wir den Eindruck gewonnen, daß sich die Vereine viel Mühe gegeben haben, um ehrenvoll zu bestehen und wir glauben, daß wenn die Vereine m der Pflege des Gesangs so fortfahren, auch ein Fortschritt beim nächsten Fest notwendigerweise zu verzeichnen sein wird. Dazu tragen ja diese Sängerversammlungen ganz besonders bei, denn der Hauptwert derselben ist der, daß ein Verein einen andern hört und seine Leistungen darnach beinißt. Möge diese objektive und freimütig ausgesprochene Kritik zur Weiterentwicklung des deutschen Männergesangs beitragen und in diesem Sinne von den einzelnen Vereinen aufs freundlichste gewürdigt werden.
Ilewo.
Es war ein grausamer Anblick, ein so schönes, stattliches Schiff, das über die sanftbewegte Oberfläche soeben noch ruhig und stolz dahingl'tt, plötzlich zum Wrack werden zu sehen, gleich einer wunderlieblichen, prächtig gekleideten Prinzessin, die — wie wir oft in Märchen gelesen — von einem schrecklichen Ungeheuer ergriffen und zerissen wird. Oder es war dem giftigen Hauche der Pestilenz zu vergleichen, der irgend eine schöne Menschengestalt berührt und im Nu in ein häßliches Gerippe verwandelt, was kurz vorher noch majestätische Formen zeigte, Formen, die verschönert waren mit Allem, was die Kunst Schmuckvolles schaffen und Allem, was die Natur an Farbe und Glanz verleihen konnte.
Sechstes Kapitel.
Jer Kapitän spricht abermals vom Hotenschiff.
Ich hatte in der Nacht, welche dem Tage folgte, an dem wir Tafelbay verlaßen, die erste Wache, d. i. von acht Uhr bis Mitternacht, und um zwei Glasen, um neun Uhr, wanderte ich langsam das Deck auf und ab, den Kopf voller Phan- tasieen, hervorgerufen durch den Anblick des gestirnten Himmels, von dem über unserer Steuerbordraae das südliche Kreuz hell herniederglänzte, und durch das milde Licht des Mondes, der , obgleich erst in zwei oder drei Tagen voll, seine, in's Rosenrote spielenden Strahlen verklärend über das Schiff ausgoß. Da trat Kapitän Skevington aus seiner Kajüte und stand, sich gegen mich wendend, einen Moment lautlos still, indem er mit einem ernsten Blick die ganze Runde der vor ihm sich ausbreitcnden See umfaßte.
ES blies eine leichte Brise und das Schiff strich unter vollen Segeln langsam südwärts mit einem angenehmen, dem Spiel von Fontaine» ähnelnden Rauschen, das aus der Richtung des Bugs heraustönte.
„Eine mhige Nacht, Fenton," redete mich der Kapitän endlich an.
»Ja, Herr, sehr ruhig in der That. Ganz hinten im Südwest war einige Male ein schwaches Wetterleuchten bemerkbar. Der Wind ist gleichmäßig, wenn auch ein wenig schwach."
»Eine Nacht so recht geeignet mit dem Dämonenschiff zusammenzutreffen, he, Fenton, was meinen Sie? rief er mit einem leisen Lachen, das nicht ganz natürlich klang.
„Ich fürchte nur, die Aussichten für ein solches Begegnen sind sehr schwach, Herr."
„Sie fürchten!"
„Nun," erwiderte ich, verwundert über sein schnelles Auffangen meiner leichthin gesprochenen Worte, „ich meine, das Dämonenschiff, wie Sie es benennen, was ja eins der Wettwunder ist, gesehen zu haben, würde eine gewaltige und interessante Erfahrung sein, groß genug, um Zeitlebens davon zu sprechen."
„Gott behüte uns vor einem solchen Rencontre!" sagte er, seinen Hut lüftend und mit einem Aufblick gegen die Gestirne.
Ich mutmaße — dachte ich bei mir — daß rtnser Näherkommen zu den Regionen, wo das Phantomschiff kreuzen soll, seine abergläubische Furcht von Neuem geweckt hat. „Haben Sie in Kapstadt mit irgend Jemand über Vanderdecken gesprochen?" fragte ich ihn. "
„Nein," antwortete er, »ich hatte davon schon zur Genüge vom Master jener Schnaue. Was hätte ich auch fragen sollen?"
»Ob das Schiff in jüngster Zeit auch noch von jemand Anderem gesehen worden."
„Wahrhaftig, danach hätte ich mich erkundigen können, aber es ist mir gar nicht in den Sinn gekommen. Apropos, Fenton, erinnern Sie sich noch des Gesprächs. das wir neulich hatten, und zwar über Körper, die dem Teufel verfallen, nachdem sie das von den Naturgesetzen bestimmte Alter zum Sterben überschritten haben?"
„Jawohl, Herr."
„Nun," fuhr er fort, „darüber ist mir noch ein anderer Gedanke gekommen. ES würde mich ungemein befriedigen, wenn ich das Werkzeug sein könnte, zu beweisen, daß Menschen wohl die Grenzen des natürlichen Alters um viele, viele Jahre überschreiten und dabei doch ihre eigenen Seelen bewahren. Es würde ein Staunen verursachen, wenn bewiesen würde, daß die das Totenschiff bemannenden Mattosen keine Geister oder Phantome, wie vermutet worden, sondern Reste einer wirklichen Schiffsmannschaft sind, Menschen, die ihre Kameraden überlebt haben und nun außerordentlich alt find." (Forts, folgt.)