Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier mit Trägerlohn 1.35 -6, Im Bezirks- und 10 Lw.-Verkehr 1.40 im übrigen Württemberg !.50 -6. Monats-Abonnements nach Verhältnis.

184

er Gesellschllster.

Anzeigen-Gebühr für die einspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrist oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 /H, bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Fernsprecher Nr. 29.

,Sk dm Sdmmk-SkD AizO.

88. Jahrgang.

Postscheckkonto Nr. 5113 Stuttgart

Beilagen: Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwab. Landwirt.

Sonntag, den 9. August

1914

De? europsücde Krieg.

Amtliches.

K. Gberarrrt Wagskd.

Den Herren Ortsvorstehern

werden die Pferdevorführungslisten, sowie die Fahrzeug- l sten durch die Post zugesandt.

An der Hand der Pferdevorführungslisten sind unter Abzug der ausgehobenen Pferde und unter Berücksichtigung der Zugangslisten neue Listen anzulegen. In den Fahr- zeuglisten sind die ausgchobencn Fahrzeuge zu streichen. Bollzugsbericht ist alsbald zu erstatten.

Der Erlaß vom 6. Aug. (Gesellschafter Nr. 181) wird hiemit zurückgenommen.

Den 7. August 1914. Kommerell.

Verstärkte Beschränkungen für de« Post-, Tele­graphen- «nd Fernsprechverkehr mit dem Ausland. Der Postverkehr zwischen Deutschland und Belgien

ist gänzlich eingestellt und findet auch aus dem Wege über andere Länder nicht mehr statt. Es werden daher keinerlei Postsendungen noch dem angegebenen fremden Land mehr angenommen, bereits vorliegende oder durch die Briefkasten zur Einlieferung gelangende Sendungen werden den Absendern zurückgegeben.

Der private Telegraphen- «nd Fernsprechverkehr zu und von diesem Land ist ebenfalls eingestellt.

». Grarrsldirrktis» brr Poftr« n»k Selegrsphe«.

Aufruf des Kaisers.

An das deutsche Volk. Seit der Reichsgrün­dung ist es durch 43 Jahre mein und meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neideten uns den Erfolg unserer Arbeit. Alle offenkundige und heimliche Feindschaft in Ost und West und von jenseits der See haben wir ertragen im Bewußt­sein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, daß wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischen Ueber- fällen rüsten. Man will nicht dulden, daß wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein An­sehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muß denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf zu den Waffen! Jedes Zögern, jedes Schwanken wäre Verrat dem Vaterland gegenüber. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten, um Sein oder Nicht­sein deutscher Macht und deutschen Wesens. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie war Deutschland überwunden, wenn es einig war. Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war. Berlin, 6. Aug. Wilhelm.

Gleichzeitig ergeht ein Aufruf des Kaisers an Heer und Flotte:

Nach 43jähriger Friedenszeit rufe ich die deutsche wehr­fähige Mannschaft zu den Waffen. Unsere heiligsten Güter, das Vaterland, den eigenen Herd gilt es gegen ruchlosen Ueberfall zu schützen. Feinde ringsum! das ist das Kenn­zeichen der Lage. Ein schwerer Kampf, große Opfer stehen uns bevor. Ich vertraue, daß der alte kriegerische Geist noch in dem deutschen Volke lebt, jener gewaltige kriegerische Geist, der den Feind, wo er ihn findet, angreift, koste es, was es wolle, der von jeher die Furcht und der Schrecken unserer Feinde gewesen ist. Ich vertraue auf Euch, Ihr deutschen Soldaten; in jedem von Euch liegt der heiße, durch nichts zu bezwingende Witte zum Sieg, und jeder von Euch weiß, wenn es sein muß, wie ein Held zu ster­ben. Gedenket unserer großen, ruhmreichen Vergangenheit, gedenket, daß Ihr Deutsche seid! Gott helfe uns!

Berlin, Schloß, 6. August 1914. gez. Wilhelm.

In ernster Stunde ein ernstes Wort.

SP. Wir gehen mit gutem Gewissen in den Krieg. Eine unerhörte Herausforderung hat ihn uns frevelhafter- weise aufgedrungen, und hinterlistig ist man mit uns ver­fahren. Unser Kaiser hat das Menschenmögliche getan, uns den Frieden zu erhalten. Mag sein, daß es vom rein kriegstechnrschen Standpunkt aus ein Fehler gewesen ist mit der Mobilmachung immer wieder zu warten und dem Gegner einen Borsprung zu lassen; es ist uns doch eine große Genugtuung, daß es so gegangen ist. Nun wissen es alle im Volk, die überhaupt sehen wollen: diesmal konnte es nicht anders sein. Also nehmen unsere braven Soldaten das Beste mit, ein gutes Gewissen und ehrliche deutsche Entrüstung, deren sie sich vor Gott nicht zu schämen brauchen. Ja wohl, vor Gott. Ob wir es leicht oder schwer oder gar nicht mit unseren Be­griffen von einem gütigen Wcltregiment zusammenbringen, daß der Allmächtige den Krieg zuläßt jetzt ist es Tat­sache, und es geht uns nicht anders als unseren Vätern. Sind sie mit Gottesfurcht und Gebet in den Krieg gezogen, hat es die Daheimbleibenden vereinigt und denen draußen den Mut gestählt, wenn sich die vielen vor dem Herrn aller Herren beugten und seine Hilfe anriesen, so soll es heute bei uns nicht anders sein.

Wir wollen den billigen Spott nicht milmachen, der sagt, Gott sei immer mit den stärkeren Bataillonen. Unsere Heeresverwaltung hat alles getan, die deutschen Regimenter stark zu erhalten, und unser Volk hat erst kürzlich neue große Lasten auf sich genommen, um die Armee stärker zu machen. Wir haben unsere Schuldigkeit getan. Aber so kurzsichtig und kleindenkend wollen wir nicht sein zu glau­ben. bei den großen Akten der Weltgeschichte komme es nur auf menschliche Technik, aus Geld, Zahl und Ausbil­dung an. Es gibt noch eine göttliche Welt- regierung, bei der das Recht gut aufge- hoben ist. Wir würden jämmerlich verarmen und uns der besten inneren Kraft berauben, wenn wir jetzt nicht erst recht auf den Gott unserer Väter vertrauen wollten. Man hat es der Kirche nachgesagt, sie scheue sich nicht mit den Greueln des Kriegs leichffertig zu spielen und Mordwaffen Waffen zu segnen. Wenn sie wüßten, die solches sagen, wie dankbar wir alle für einen ehrlichen Frieden wären! Wäre unser Kaiser nicht ein Mann, der Gott fürchtet, er hätte nicht der Friedens Kaiser bleiben können, der er ge­wesen ist, bis auf den letzten Augenblick, in dem er es ge­wissenshalber nicht mehr sein durfte. Wir freuen uns dieser seiner Haltung; sie ist auch die der Kirche und des Pfarr- stands. Solls nicht anders sein, nun dann in Gottes Namen! Und mit gutem Gewissen in den Kamps!

Wir gehen mit ernsten Gedanken dem Krieg entgegen. Es gehört zu den erfreulichsten Beobachtungen, die man am ersten Mobilmachungstag machen konnte, daß man überall entschlossene, aber ernste Gesichter sah. Kein leichtfertiges Reden, kein Umsichwerfen mit übermütigen Kcaftsprüchen, kein frivoles Wort; nicht einmal ein Fluch kam zu meinen Ohren, und ich habe viel gehört. So ist es recht I Wie ernst der Krieg werden wird, das ahnen wir jetzt kaum. Wir wollen einander das Herz nicht schwer, sondern stark machen, wollen aber ernst bleiben, ein gottee- fürchtiges Geschlecht.

Wir wollen allen Hader vergessen, ein einig Volk von Brüdern! Es gibt jetzt keinen konfessionellen Gegensatz mehr. Weg mit aller Bitterkeit, die sich etwa in den Zeiten des Kampfs angesammelt hätte I Der Pariei­gegensatz soll verstummen! Er ist zum Teil schon verstummt. Aber auch der Sozialdemokratie gegenüber wollen wir keine scharfen Worte führen. Sie ist vielfach mißleitet, und auch von den Führern mögen nun manche sehen, daß die Welt eben doch anders ist, als sie doktrinäres Vorurteil gesehen hatte, und daß es doch etwas wert ist, zu einem Volk zu gehören, das sich in ernster Stunde zu schützen weiß. Wir wollen nicht vergessen, daß die Last des Kriegsdienstes auf allen Ständen ruht, der Zahl nach aber am stärksten auf den unteren Ständen, und daß die Familien der Daheimblei­benden gerade dort am schwersten zu tragen haben. Also verzeihen und vergessen, was im Paiteikamps ungutes vorgekommen ist! Was könnte uns lieber sein, als daß alle wieder an ihr Vaterland glauben lernen!

Wir wollen Brudersinn üben zunächst an den Genossen unseres Volks. Mit ihnen hat uns Gottes Wille enger verbunden als mit andern. Sie haben daher das erste Recht auf unsere Teilnahme. Hilfe, Tröstung. Aber auch die Angehörigen der andern Länder sind unsere Brüder. Vergessen wir nicht, daß das russische Volk gutartig ist; es steht unter dem Einfluß einer kleinen, aber mächtigen Oberschicht, welche selbstsüchtige Interessen verfolgt. Wir wollen als Christen über sie und die Glieder anderer Völker, die unsre Gegner sein werden, reden und an ihnen handeln. Im Krieg draußen, ja, da gilt die furchtbare Gewalt; wir können es nicht ändern. Aber wir wollen nicht vergessen, daß der barmherzige Samariter Ocl in die Wunden dessen gegossen hat, der ohne Zweifel nicht sein Bolksgtnosse war.

Alles wird in uns lebendig und rein erhalten, Mut, gutes Gewissen, Brudersinn, wenn wir uns des Glaubens an Gott nicht schämen, sondern damit ernst machen, so gut wir es verstehen. Es handelt sich wahrlich nicht um die Interessen der Kirche, wenn ich dieses schreibe, sondern um das Wohl unseres heißgeliebten Volks. Wir Kämpfen jetzt um unsre Existenz, unsere Kultur, unsere materielle und geistige Habe. Da soll niemand uns das Leid antun, zu glauben, wir raten anders, als es das Beste unseres Volkes erfordert. Mag es die Ehre der Kirche sein, sei es die vermeintliche oder die wirkliche, die diesen oder jenen dem Glauben und dem Gottesdienst entfremdet hat, oder irgend etwas anders, jetzt geht es nicht um Lehren und Theorien. Schließe sich unser Volk auch im Glauben wieder zu­sammen, werden wir wieder ein betendes, gottesfürchtiges Volk! Wir werden viel verlieren an materiellem Gut, noch mehr an dem Blut unserer geliebten Söhne, und viel Jammer wird es geben, von dem wir jetzt nicht weiter reden wollen. Gewinnen wir wieder den Geist der Gottes­furcht, mit dem unsere Väter vor hundert Jahren Großes gewagt, geglaubt, gelitten haben, dann ist nichts verloren, dann verjüngt sich unser Volk. Gott ist nicht tot. Dem Volk, das seiner nicht vergißt, werden nene Lebenskräfte

Zuwachsen. ?rokv88or O. Rarster.

Unsere Verlegene Röstung.

Berlin, 7. Aug. Die im Reiche eingesetzte Rüstungs- Kommission hat ihr Arbeiten nahezu vollendet. Der größte Teil der von ihren Mitgliedern zu erstattenden Berichte ist bereits von der Kommission selbst fertig gestellt worden. Dies eilt insbesondere von dem Bericht, den der Abgeordnete Erzberger über die Waffenlieferungen für Heer und Flotte erstatt. 1 hat. Dieser Bericht gelangt zu dem Ergebnis, daß Heer und Flotte tadellos bewaffnet sind, daß unsere Bewaffnung, sowohl was Handfeuerwaffen als Ge­schütze anbelangt, der Bewaffnung derjenigen Staaten, mit denen wir Krieg führen, überlegen ist.

Auch nach dieser Richtung hin kann unser Volk mit vollem Vertrauen der kommenden Ereignissen entgegensetzen. Der Bericht soll übrigens in der nächsten Zeit veröffentlicht werden.

Französische Verdrehungen.

Paris, 6. Aug. Der Präsident der Republik richtete an die Kammer eine Botschaft, in der er erklärt, Frank­reich sei das Opfer eines Angriffs (!) Seit mehr als 40 Jahren haben die Franzosen in echter Friedensliebe auf den Wunsch berechtigter Wiederherstellung verzichtet und das Beispiel einer großen Nation gegeben, die die neu- erstarkie Macht nur im Interesse des Fortschritts und der Humanität nütze. Man könne Frankreich seit Beginn der Krise keinen Akt hoher Geste und kein Wort oorwerfen, das nicht entgegenkommend und friedlich gewesen sei. In der Stunde ernster Kämpfe dürfe Frankreich sich feierlich darüber Rechnung oblegen, daß es bis zum letzten Augen­blick die äußersten Anstrengungen, einen Krieg zu vermei­den, gemacht habe. Die mutige Armee erhebe sich, um die Ehre, die Fahne und den Boden des Vaterlandes zu verteidigen. Der Präsident hob ferner die Einigung des Landes hervor und drückte dem Landheer und der See­macht die Bewunderung und das Vertrauen aller Fran­zosen aus. Geeint in gemeinsamem Gefühl nurde die