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1»ts- mb Amäje-Alll sti de« Aermts-rM Aizold.
Fernsprecher Nr. 29.
88. Jahrgang.
Postscheckkonto Nr. 5113 Stuttgart
Beilagen: Plauderstübchen. Mustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwitt.
.U 183
Ikreitsg, dw 7. August
1914
Der Krieg.
Amtliches.
Bekanntmachung, betreffend die sofortige Einzahlung gestundeter Zölle und Reichsstener».
Auf Grund der mir für den Fall einer Kriegsgefahr beigk legten Befugnis bestimme ich:
1. Die zurzeit gestundeten und die nach den gesetzlichen Vorschriften noch zu stundenden Beträge an Zöllen und Reichssteuern mit Ausnahme der Erbschaftssteuer find bei der zuständigen Zoll- oder Steuerstelle gegen Gewährung eines Abzugs von vom Hundert für ein Jahr sogleich bar einzuzahlen, sofern der Stundungsnrhmer es nicht oorzieht, in Höhe der gestundeten Beträge Wechsel zu zeichnen und zu übergeben.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die zu einem Zeitpunkt fällig werdenden gestundeten Beträge zusammen die Summe von 300 ^ nicht erreichen. Doch steht es den StundungsNehmern in diesem Falle frei, die Beträge gegen Gewährung des in Absatz 1 festgesetzten Abzugs sofort bar einzuzahlen.
2. Die Anrechnung noch nicht fälliger Branntwein- steuervergütungsscheine. Branntwetnsteuergutscheine und Zuckersteueroergütungen aus gestundete Abgaben ist bis auf weiteres ausgeschlossen.
Berlin, den 1. August 1914.
Der Reichskanzler.
Fn Vertretung: _(gez.) Kühn.
verstärkte Beschränkungen für dev Bost-. Fetegrapßen- «nd Kernsprechverkehr mit dem Anstand.
Der Postverkehr zwischen Deutschland und England
ist gänzlich eingestellt und findet auch auf dem Wege über andere Länder nicht mehr statt. Es werden daher keinerlei Postsendungen nach dem angegebenen fremden Land mehr angenommen, bereits vorliegende oder durch die Briefkasten zur Einlieserung gelangende Sendungen werden den Absendern zurückgegeben.
Der private Telegraphen- und Fernsprechverkehr zu und von diesem Land ist ebenfalls eingestellt.
K. Generaldirektio« der Posten «nd Telegraphen.
Mithilfe bei den Ernte-Arbeiten.
Die Ernte steht in vielen Landesgegenden unmittelbar bevor, vielfach ist sie in vollem Gange. Damit die Er- nährung unserer Bevölkerung sicher gestellt wird, muß Vorsorge für die rechtzeitige Einbringung ^es Erntesegens getroffen werden. Da durch die Einberufung einer großen Zahl von in der Landwirtschaft tätigen Männern es vielfach an ausreichenden Arbeitskräften für die Ernteardeiten fehlt, wird an Arbeiter und Arbeiterinnen, welche in Städten, In- dustrieorten u. s. f. entbehrlich sind, die Bitte gerichtet, sich für die Mitwirkung bei den Ernte-Arbeiten zur Verfügung zu stellen und sich bei de« Arbeitsämter» ««d de« Arbeitsnachweisen der Wanderarbeitsstätte« zu melden.
Bei der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft haben sich bereits Männer aus verschiedenen Berufeständen, welche Beruf und Amt nicht in der Stadt festhält, sowie Mitglieder von Iugendoereinigungen und Verbänden zur Mitwirkung bei den Erntearbeiten angeboten. Weitere derartige Angebote sind erwünscht. Sie werde», soweit sie nicht unmittelbar beim nächsten Arbeitsamt erfolgen, von der Zentralstelle an das Arbeitsamt Stuttgart weitergegeben werden.
Lohn und Arbeitsbedingungen teilen die Arbeitsämtermit.
Die Landwirte werden ersucht, ihren Bedarf an Arbeitskräften bei den Oberämtern anzumelden, welche die Anmeldungen an die Württ. Arbeitsämter und an die Arbeitsnachweise der Wanderarbcltefiädten schleunigst weitergeben.
Arbeitsämter befinden sich in Stuttgart, Aalen, Cannstatt, Eßlingen, Friedrichshofen, Geislingen, Gmünd, Göppingen, Hall, Heldenheim, Heilbronn, Ludwigsburg, Ravensburg. Reutlingen, Rottwell, Schwenningen, Tübingen, Tuttlingen. Ulm.
Arbeitsnachweise der Wanderarbeitsstätlen befin- I den sich in Aalen. Backnang, Biberach, Blaubeuren, Böblingen, Calw, Crailsheim, Eßlingen, Grislingen, Gmünd. ! Göppingen, Hall, Heidenheim, Heilbronn, Herrenberg, Horb, ! Laupheim, Künzelsau, Leonberg, Leuikirch, Ludwigsburg, I Mergentheim, Münfirgen, Nagold, Oberndorf, Oehringen, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Saulgau, Dornahof, Schrozberg, Stuttgart, Tellnang-Friedrichshasen, Tübingen, Tuttlingen, Ulm, Baihingen a. E., Waldsee, Wangen und Wangen-Isny.
Seitens der K. Eisenbahnverwaltung ist Fahrpreisermäßigung für die Beförderung von Ernreabeitern in Aussicht gestellt worden, worüber demnächst weiter Bekanntmachung ergehen wird.
Stuttgart, den 3. August 1914.
K. Ministerium des Innern: Fleischhauer.
Die Herren Ortsvorsteher
werden ersucht, sür alsbaldige öffentliche Bekanntmachung des Aufrufs in ihrer Gemeinde Sorge zu tragen.
K. Obcromt Kommerell.
Bekanntmachung des K. Ministeriums des Innern, betreffend die Prüfung für den mittlere» Verwaltungsdienst«
Die auf 11. August ds. Is. und die folgenden Tage anberaumte Prüfung für den mltleren Verwaltungsdienst ist bis auf weiteres verschoben worden.
Stuttgart, den 2. August 1914.
_Fleischhauer.
Agl. Hberarnl Nagold. Bekanntmachung, betr. die Pferdeaushebnng.
Die Besitzer der als Reserve ausgewählten Pferde werden nochmals darauf hingewiefen, daß sie bei Vermeidung der gesetzlich angedcohten Strafe aus drei Wochen, vom Tage der Aushebung an gerechnet, diese Pferde zur Verfügung der Militärbehörde zu halten haben.
Die Auszahlung der Schätzungssummen an die Besitzer der abgenommenen Pferde und Fahrzeuge erfolgt gegen Ablieferung der Anerkenntnisse und Quittungsleistung durch die Kameralämter, welchen die erforderlichen Mittel durch das Kriegszahlamt zugesandt werden.
Die Anweisung zur Bezahlung der Beträge wird vom K. Kriegsministerium aus den bereitstehenden Mitteln der Kriegskasse erteilt.
Das Oberamt wird sr. Zt. bekannt mache«, wann die Auszahlung der Beträge erfolgt.
Den 5. August 1914. Kommerell.
Die Herren Ortsvorsteher
werden unter Bezugnahme auf die heutige Bekanntmachung, betr. Arbeitsvermittelnug, ersucht, die Einwohnerschaft auf die Tätigkeit der Arbeitsämter und der Arbeitsnachweise bei den Wanderarbeitsstätten aufmerksam zu machen und die telephonische oder schriftliche Vermittelung zwischen den Eesuchstellern und den Arbeitsnachweisen zur übernehmen.
In den größeren Ortschaften dürste es sich empfehlen, sür diese Aufgabe Vertrauensleute in den einzelnen Gemeinden aufzustellen.
Den 6. Aug. 1914. Kommerell.
Maul- und Klauenseuche in Gültliugeu.
Nachdem die Maul- und Klauenseuche in Gültlingen erloschen ist, werden die angeordneten Schutzmaßregeln aufgehoben.
Der Oberamtsbezirk ist nun wieder frei von Maulund Klauenseuche.
Nagold, den 6. Aug. 1914.
Amtmann Mayer.
Ein Ruhmestag des deutschen Reichstags.
Berlin, 4. Aug. Seit seiner Begründung hat der deutsche Reichstag eine so gewaltige Sitzung wie die heutige nicht erlebt. Noch nie hatte es ein solches Parterre von Abgeordneten und nnen solchen Andrang aus der Bundesratsestrade gesehen, auf der fast dein bekanntes Gesicht fehlte. Die Formalitäten wurden schnell erledigt, das bisherige Präsidium auf Vorschlag des Grafen Westarp einstimmig durch Zuruf wieder gewählt. Nun sprach der Reichskanzler. Er hielt eine durch ihren tiefen Ernst und den Verzicht aus jedes überflüssige Wort und jeden falschen Pathos doppelt eindringliche Rede. Die Aufzählung der Tatsachen, die Deutschland trotz seiner bis zum letzten Augenblick betätigten Friedensbemühungen den Krieg aus- gezwungen haben, wirkte tief erschütternd, und diese Empfindung entlud sich in elementarem Beifall, als der Kanzler feststellte, ein längeres Zuwarten, bis die beiden Gegner, zwischen die wir eingekeilt sind, fertig gewesen und den Zeitpunkt des Lossch!agens selber gewählt hätten, wäre ein Verbrechen gewesen. Stürmische Hört-Hört-Rufe unterbrachen wiederholt die Eröffnungen des Kanzlers über das russische Ränkespiel. Der Kanzler verlas dcn Bericht des Generalstabs, aus dem hervorgeht, daß Frankreich den Frieden gebrochen hat. Er erwähnte den einzigen durch Nichtachtung der gegebenen Befehle erfolgten Fall der Ueberfchreitung der französischen Grenze durch eine deutsche Patrouille, betonte aber nachdrücklich, daß, noch ehe diese einzige Grenzüberschreitung erfolgte, französische Flieger in großer Anzahl die Grenze überflogen und in Süddeutschland Bomben geworfen haben. „Wir sind in Not!" rief der Kanzler. „Und Not kennt kein Gebot!" Das aufhorchende Haus erfuhr, daß nicht nur Luxemburg besetzt ist, sondern daß zur Stunde vielleicht schon deutsche Truppen auch belgisches Gebiet betreten haben. Daß Deutschland sich dadurch in Widerspruch mit dem Völkerrecht setzt, weiß es, aber es wußte auch, daß Frankreich zum Einfall in Belgien bereit stand. Und das hätte sür uns verhängnisvoll werden können. Wer in Not ist, darf nur daran denken, wie er sich durchhaut. Beifall im ganzen Haus und nicht endenwollendes Händeklatschen, auch auf den Tribünen, folgte diesen mit erhobener Stimme gesprochenen Worten. Der Kanzler teilte mit, daß Deutschland in Brüssel erklärt habe, cs werde das Unrecht, das es jetzt begehe, sofort wieder gut machen, wenn es sei« militärisches Ziel erreicht habe. Wir stehen Schulter an Schulter mit Oesterreich-Ungarn! Das waren die einzigen, dem Bundesgenoffen gewidmeten Worte, aber sie sagten auch alles. Ueber Italien fiel nicht eine Bemerkung. England gegenüber hat Deutschland die Erklärung abgegeben. daß solange sich England neutral verhält, unsere Flotte die Nordküste Frankreichs nicht angreisen wird, und daß wir die territoriale Integrität und Unabhängigkeit Belgien» nicht antasten werden. Der Reichskanzler wiederholte diese Erklärung feierlich vor aller Welt und fügte mit Nachdruck hinzu, daß Deutschland im Falle der Gegenseitigkeit bereit sei, keine feindliche Aktion gegen die französische Handelsschiffahrt vorzunehmen. Er wiederholte zum Schluß die Worte des Kaisers, daß Deutschland mit reinem Gewissen und mit reincn Händen in diesen Kampf ziehe. Deutschland verteidige nur feine Rechte und hinter dem deutschen Heer und der deutschen Flotte stehe das ganze deutsche Volk. Im ganzen Haus und auf den Tribünen folgten diesen Motten des Kanzlers wahre Begeisterungsstürme. Nun sprach Präsident Kämpf und wiederholte die vom Reichskanzler betonte Einmütigkeit des Reichstags. Und jubelnder Beifall, namentlich auch auf der rechten Seite des Hauses, folgte feiner Erklärung, daß auch diejenige Partei, die sonst grundsätzlich gegen den Krieg ist, die für die Verteidigung des Reichs nötigen Mittel bewilligen werde. Es geschah, was wohl noch nie geschehen ist, daß alle bürgerlichen Parteien die Haltung der Sozialdemokraten feierten. Der Präsident gab dem festen Vertrauen Ausdruck, das das ganze Volk der Heeres- und d-r Marineleitung entgegenbringt, und schloß mit der unbedingten Zuversicht, daß wir siegen werden. Auch seinen Worten folgte stürmischer Beifall.