Amtliche Bekanntmachungen.

Die gemeinschaftlichen Aemter

derjenigen Gemeinden, in welchen Kleinkinderpflegen mit Unterstützung der Centralleitung des Wohlthätig- keitsvereins bestehen, werden zur alsbaldigen Vorleg­ung der Jahresberichte aufgefordert.

Calw, den 4. Juni 1890.

K. gem. Oberamt. Supper. Braun.

Calw.

Am Samstag, den 14. ds. Mts., Vormittags 9 Uhr,

findet

Amtsversammlung

auf hiesigen: Rathaus statt, bei welcher nach dem be­stehenden -Turnus die Gemeinden Calw, Agenbach, Althengstett, Bergorte, Breitenberg, Deckenpfronn, Gechingen, Hirsau, Liebelsberg, Liebenzell, Möttlingen, Reuweiler, Oberhaugstett, Oberkollwangen, Ober- relchenbach, Ostelsheim, Simmozheim, Sommenhardt, Speßhardt, Wtammheim, Teinach, Unterreichenbach, Zwerenberg, und zwar Calw mit 7 Stimmen, Alt­hengstett mit 2 Stimmen, die übrigen Gemeinden je mit 1 Stimme stimmberechtigt sind.

Die OrtSvorsteher der nicht stimmberechtigten Gemeinden sind eingeladen, der Amtsversammlung mit berathender Stimme anzuwohnen.

Gegenstände der Berathung sind:

1) Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben

21 Genehmigung der Amtsvergleichungskosten pro 1889/90.

3) Festsetzung des Amtsvergleichungstaxen pro 1890/91.

4) Amtskörperschaftsetat pro 1890/91.

5) Rechnung der Krankenpflegeversicherung pro 1889.

6) Wahl des Amtsversammlungsausschusses.

7) Wahl der Oberamtswahlcommission.

8) Wahl der Commission für die Verkeilung der Quartierlast.

9) Wahl eines Oberamtswegmeisters.

10) Dienstinstruction für denselben.

11) Aufstellung des Kaminfegers Fr. Halm von Markgröningen für den zweiten Distrikt.

12) Verwilligung eines Beitrags zu den Kosten der Jnventarvermehrung im städtischen Kranken­haus zu Calw.

13) Verwendung der Bezirkepostwertzeichen in: Ver­kehr des Oberamts, der Amtspflege und der Ortsarmenbehörden mit den Kreislandarmenbe­hörden und Landarmenpflegen.

14) Belohnung des Amtspfleqers und der Gemeinde­beamten für die Geschäfte der Bezirkskranken­pflegeversicherung.

15) Einige minder wichtige Gegenstände.

Heber die Wahl der Deputirten für Calw und Althengstett sind Protocollauszüge hieher vorzulegen. Calw, den 5. Juni 1890.

K. Oberamt.

Supper.

* Calw. Am 17. Juni steht eine partielle oder teilweise Sonnenfinsternis bevor. Ihre Dauer wird in den verschiedenen Gegenden insgesamt nahezu 6 Stunden betragen. Sie beginnt nördlich beim Aequa- tor an der Sierra Leonaküste morgens 7'/« Uhr und ist in ganz Europa, Asien (mit Ausnahme des öst­lichen Teils) und Afrika sichtbar. Bei uns kann die Finsternis" erst einige Stunden später wahrgenommen werden. In Stuttgart nimmt sie ihren Anfang um 8 Uhr 52 Minuten und endet um 11 Uhr 28 Min/ Die Sonnenscheibe wird hiebei durch den Mond etwa zur Hälfte verdeckt erscheinen. In Candia, der Haupt­stadt Kretas, wird die Finsternis ringförmig sein und es werden sich dort interessante Erscheinungen in der Natur beobachten lassen. Die Vögel werden auffallend scheu, furchtsam und flüchten in die Nester, die Tiere suchen sich zu verstecken, die Blumen schließen ihre Blüten und ein unbehagliches Gefühl durchzieht Menschen und alle übrigen lebenden Wesen.

* Calw. Verwaltungskandidat Emil Zieg - l e r von hier. Stadtschultheißenamtsassistent in Freu­denstadt, ist zum Polizeikommissär in Goppinaen ge­wählt worden.

Nagold, 2. Juni. In Haiterbach wurde ein 12jähriger Knabe, der in einer Sandgrube spielte, durch eine überhängende Wand verschüttet und ist erstickt.

Seine Majestät der König nahmen Mittwoch vormittag von 10 Uhr an die Parade über die gesamte Garnison von Stuttgart und Ludwigs- bürg auf dem Exerzierplatz bei Cannstatt ab. Die Truppen, im Paradeanzug ohne Gepäck, ohne Haar­busch und mit enthüllten Fahnen ausgerückt, waren zur Paradeausstellung in drei Treffen formiert. Die

rrsuu.

M 65.

Amts- und ÄnzeiAeblatt für den Bezirk (Lalw.

65. Jahrgang.

Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Di- EinrückangSgebichr betrSgt in, Bezirk und nächster Um­gebung S Psg. die Zeile, sonst 12 Psg.

Samstag, den 7. Zuni 1890.

AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt BO Pfg. und 20 Pfa. TrLgerlohn, durch d'e Post bezogen Mk. 1. iS, sonst in ganz Württemberg Mk. I. 3b.

der Amtspflege und deren Kassenbestand pro 31. März 1890.

Tages-Ueuigkeiten.

Keuilleton. «^«6 °.rb°.-n.

Der: Geschworene.

Erzählung von Aerdinaud Kermann.

(Fortsetzung.)

Der weite Saal des Schwurgerichts war erfüllt von jener dumpfen, beklem­menden Atmosphäre, wie sie sich im Laufe mehrstündiger Verhandlungen in solchen Räumen cinzustellen pflegt. Um dem allzugrellen Sonnenlichte zu wehren, hatte man die Fenstervorhänge zugezogen, und die matte Beleuchtung trug noch dazu bei, den feierlichen Ernst des Ortes zu erhöhen, wo eben die Würfel über das Schicksal eines jungen, hoffnungsvollen Menschenlebens geworfen wurde.

Die einnehmende Persönlichkeit und das bei aller männlichen Festigkeit doch ruhige und bescheidene Auftreten des angeklagten Jeetzemüllers hatte auf Richter und Geschworene einen günstigen Eindruck hervorgebracht; aber seine Sache stand nichtsdestoweniger hoffnungsvoll. Mit klarer Stimme hatte er sich fürLnichtschuldig erklärt. Wohl sei er dem Thalmüller feindlich gesinnt gewesen, niemals aber sei Ihm auch nur für einen Augenblick der Gedanke gekommen, sich durch einen feigen hinterlistigen Ueberfall an iym zu rächen. Wenn in der Anklageschrift die Behaupt­ung enthalten sei, daß man ihn in der Unglücksnacht habe im Dorfe umherschleichen sehen, obwohl er dort Nichts zu schaffen gehabt, so gebe er diese Möglichkeit unbe­dingt zu, ohne eine weitere Auskunft erteilen zu können, aber auch ohne diesen zu­fälligen Umstand als einen Beweis für seine Schuld gelten zu lassen. Wester könne er Nichts zu seiner Verteidigung sagen.

Dann waren die Zeugen vernommen worden. Der Knecht aus der Jeetze- mühle hatte ausgesagt, daß sein Herr während der ganzen Nacht außer dem Hause gewesen und erst gegen 4 Uhr Morgens sehr verstört und aufgeregt heimgekehrt sei. Ein Bewohner des Dorfes behauptete, den Jeetzemüller gegen Mitternacht am Ein­gang des Dorfes und zwar in der Nähe des Bühlhofes gesehen zu haben, wo er .augenfällig bemüht gewesen sei, sich vor jedem fremden Blick zu verbergen. Die

Richtigkeit beider Angaben mußte Philipp im vollen Umfange bestätigen, aber auf die Frage des Präsidenten, wie er denn die Zeit zwischen zwölf Uhr Nachts und vier Uhr Morgens hingebracht habe, hatte er auch jetzt nur ein beharrliches Still­schweigen. Dann war der Hauptbelastungszeuge, der Bauer Heinrich Langhöfner aufgerufen worden. Seine Angaben waren die einzigen, welche Philipp schon in der Voruntersuchung energisch bestritten hatte, und der Präsident machte darum den Zeugen vor seiner Vernehmung nochmals sehr eindringlich auf die Heiligkeit seines Eides aufmerksam, mit dem er jedes seiner Worte zu bekräftigen habe. Langhöfner nickte auf alle diese Vorhaltungen stumm mit dem Kopfe, ohne indessen den Präsidenten anzusehen. Seine kleinen, stechenden schwarzen Augen irrten vielmehr unstät in allen Ecken des Saales umher, und von Zeit zu Zeit fukr er sich mit der Hand über die Stirn, als ob er dort etwas wegzuwischen habe. Mit leiser, heiserer Stimme, die vielfach auf den Geschworenenbänken kaum vernehmlich war, wiederholte er seine schon früher gemachten Angaben. Er hatte in jener Nacht im Wirtshause mit dem Thalmüller Karten gespielt und war. als er alles Geld verloren hatte, das er bei sich geführt, fortaegangen, well er sich nicht noch obendrein von dem Gewinner hänseln lassen wollte. Es mochte eine Viertelstunde an zwei Uhr gefehlt haben, als dies ge­schah. Er habe sich aber nicht gleich heimbegeben, weil er sehr aufgeregt gewesen sei und auch die Vorwürfe seiner Frau gefürchtet habe, und so sei er dann mehrere Male planlos zwischen den Feldern umhergestreift. Wie er aus einiger Entfernug einen Schuß und den Hilferuf gehört habe, sei er wohl ein Stück vorwärts gelaufen, aber habe die Richtung nicht genau feststellen können und das Suchen darum bald aufgegeben. Wie er aber dann den Steg des Dorfbaches überschritten habe, um zu seinem Hause zu gelangen, habe er zu seinem Erstaunen den Jeetzemüller gesehen, der kaum ein Dutzend Schritte von ihm entfernt am Wasser kniete und sehr eifrig damit beschäftigt war, etwas von seinem Rock abzuwaschen. Auch habe ein Gegen­stand neben ihm gelegen, den er, Langhöfner, für eine Axt gehalten habe. Wie er dann den Müller freundschaftlich angerufen, sei der ganz erschrocken zusammenge­fahren, habe den verdächtigen Gegenstand hastig unter seinem Rocke verborgen und sei eilig davongegangen, ohne den Gruß zu erwidern.

(Schluß folgt.)