Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
Preis vierteljährlich hier mit Trägerlohn 1.35 -6, im Bezirksund 10 L».-Verkehr 1.40 im übrigen Württemberg ILO >6. Monats-Abonnements nach Verhältnis.
> 145
Der «kMslhastrr.
Fernsprecher Nr. 2S. 88. Jahrgang. Postscheckkonto Nr. siis Stuttgart
Donnerstag, den 25. Juni
Anzeigen-Gebühr für die einspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
Beilagen: Plauderstübchen,
* Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
1914
Wichtiges vom Tage.
Nach neueren Meldungen sind bei dem Sturm Unglück auf dem Bo den fee auf deutschem Gebiet nur fünf Fischer ums Leben gekommen.
In Anwesenheit des Kaisers fand heute die Eröffnung des erweiterten Kaiser Wilhelm-Kanals statt.
Die vom „Deutschen Kurier" verbreitete, von uns bezweifelte Meldung, daß die Kolonial reife des Kronprinzen wieder ausgenommen werden soll, wird von offizieller Seite dementiert.
Der König von Sachsen ist von Petersburg, wo er zum Besuch des Zaren weilte, wieder zurückgekehrt.
Sicherem Bernehmen nach wird der badischeLand« tag am Mittwoch, den 1. Juli, geschlossen werden. Die Sozialdemokraten haben in der Budgetkommtssion der Zweiten Kammer den Etat abgelehnt.
Das Landgericht Kolmar hat die Strafe Keims wegen Beleidigung Wett erlös auf 30 Mark ermäßigt.
In Elbassan wurde Essad zum Mbret ausgerufen, Balona ist bedroht; Bib Doda soll von den Aufständischen geschlagen sein.
Beim Einsturz einer Brücke in Neuyork wurden fünfzig Arbeiter zerschmettert.
In Paris kam es infolge Lohnfragen zu einer Demonstration der Postbeamten.
Amtliches.
Agt. HberarnL Hlagold.
Gemeindeeinkommeriftener.
Nach einem Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 12. Juni ds. Is. haben sich beim Vollzug der Novelle zum Gemeindesteuergesetz vom 10. Mai ds. Is. (Reg.Bl. S. 123) Zweifel darüber ergeben, ob die Prozente der Einheitssätze der staatlichen Einkommensteuer, in welchen die Gemeindeeinkommensteuer gemäß Art. 23 neuer Fassung festzusetzen ist, bis zum Höchstbetrag von 7S°/o automatisch austeige«.
Diese Frage ist nach dem genannten Min.-Erlaß zu bejahen.
Auch ist in ihm ungeordnet, daß da, wo bei Beschluß, fassung über die Höhe der im laufenden Rechnungsjahr zu erhebenden Gemeindeumlage (Art. 127 Abs. 2 der Gemeindeordnung) der Art. 23 neuer Fassung noch nicht berücksichtigt wurde, dies nachzuholen ist.
Die Beschlüsse wollen nunmehr umgehend oorgelegt werden.
Auch wird die alsbaldige Vorlage der noch ausstehenden Voranschläge des Gemeindehaushälts für 1914 erwartet.
Den 24. Juni 1914.
Kommerell.
König Ml-el« i. non Württemberg nnd die „elsch-loi-ringische Mge".
Sin Sedrukblktt s« seine« 50. Todestage a« 25. Zani 1914 van Professor Larl Sander.
Die Entscheidungsschlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 besiegelte zum zweitenmale das Schicksal Napoleons I. Am 6. Juli wurde Paris von den Truppen seiner verbündeten Gegner besetzt nnd am 8. Juli hielt König Ludwig XVlII. seinen Einzug.
Die Vertreter der vier Hauptmächte Preußen, Oesterreich, Rußland und England setzten sich zu einer Regierung zusammen, um über die Fcied-nsbedingungen zu beraten. Die Hauptfrage war die Sicherstellung der Grenzen Deutschlands und der Niederlande gegen Frankreich. Preußen forderte in erster Linie, daß Frankreich zum Angriff aus seine Nachbarn unfähig gemacht werde durch Abreibung der Festungsgürtel im Norden und Osten längs der französischen Grenze, durch Lostrennung mindestens von Elsaß und Lothringen durch finanzielle Schädigung, durch Ueber- wachung des gefährlichen Nachbars auf längere Zeit. Die Armee und die öffentliche Meinung standen auf Preußens Seite. Der preuß schen Politik lag eigener Gewinn an Land und Leuten ferne, sie erstrebte die Festigung der deutschen Grenzen durch die Stärkung der zunächst liegenden Staaten. England und Rußland aber zeigten nicht das geringste Interesse dafür, daß Deutschland neue und gesicherte Grenzen bekam. Sie wollten Friedensgarantien nur durch die vorübergehende Besetzung eines Teils der französischen Festungen erreichen. Sie verlangten, daß König Ludwig XVIII. nach Besitz und Würde" keinerlei Schädigung oder Erniedrigung erfuhr; sie wollten zu ihrem eigenen Vorteil an der Gre^e Deutschlands ein stark« Frankreich. Oesterreich trat wohl hie und da für einzelne sicherstellende Maßregeln an der Grenze ein und wurde von Preußen vollends zu gewinnen gesucht, es fürchtete aber nichts so sehr als die Möglichkeit einer aufrichtigen Bereinigung der süddeutschen Staaten und gönnte ihnen aus diesem Grunde keine Vergrößerung. Und wenn Oesterreich nach Wiedererlangung seiner früheren oberelsäßischen Besitzungen strebte, so halte es Rußlands Ansprüche auf österreichisch-galizische Gebiete zu fürchten. So schwankte Oesterreich zwischen beiden Parteien hin und her.
Es war seit langer Zeit Sitte geworden, politische Meinungen über die Gegenwart, Absichten für die Zukunft in Denkschriften ntederzulegen, die von Regierung zu Regierung, von Staatsmann zu Staatsmann wanderten. Hierher gehören drei derselben. Der preußische General Knesebeck führte in seiner vom 13. August 1815 datierten Schrift aus, es fei ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, man werde sich die Franzosen durch Schonung und Großmut geneigt machen; die Rückgabe der Eroberungen Frankreichs sei unerläßlich. Wilhelm von Humboldt, der Vertreter Preu- ßens, wandte sich hauptsächlich gegen einen Aufsatz des russischen Vertreters, welcher der Hauptgegner des Abtre
tungsplanes war. Den Kern feiner vom politischen und strategischen Standpunkte aus angestellten Erwägungen faßt Humboldt folgendermaßen zusammen: „Eine andere Verteilung der gegenseitigen Macht bleibt das einzige Mittel, welches Europa wirklich vor neuen Gefahren schützen kann; und unter den Methoden, die man zur Schwächung Frankreichs oder zur Stärkung seiner Nachbarn anwenden könnte, würde als die einfachste, folgerichtigste diejenige erscheinen, welche den Nachbarstaaten eine gesicherte Grenze verschafft, indem man ihnen als Berteidigungsmittel die festen Plätze gibt, deren Frankreich, seit es dieselben besitzt, sich als Angriffspunkte bedient hat".
Im gleichen Monat arbeitete Kronprinz Wilhelm von Württemberg, der in Paris sich befand, eine umfangreiche Denkschrift aus und legte darin Württembergs Standpunkt über die Schaffung gesicherter Grenzen dar. Wir entnehmen ihr nur diese wenigen Worte: „Es müssen Garantien geschaffen werden, welche standhallen, auch wenn die Regierung in Frankreich wechselt.Es ist überflüssig, hier
alle die Beweisgründe zu wiederholen, welche die Bereinigung von Elsaß-Lothringen mit dem Mutterlands fordern . Es handelt sich dabei keineswegs um das Abreißen eines Stücks von Frankreich, sondern einfach um die Zurückerstattung einer Provinz, die zu Frankreich gehört nur allein nach dem Recht der Eroberung. Es handelt sich nicht darum, das Beispiel nachzuahmen, das Frankreich seit 25 Jahren gegeben hat, sondern einzig darum, auf den deutschen Boden eine Provinz zurückzuführen, welche ihm nur die Gewalt entrissen hat. Durch die Zurückerstallung dieser Provinz würde Frankreich keineswegs seine Grenzsicherung verlieren, welche auch in den Vogesen besieht. Nur seine vornehmste Angriffswaffe würde Frankreich entrissen werden mit dem Besitz des linken Ufers am Oberrhein. Frankreich selbst würde an Bevölkerung und Quellen des Wohlstandes Pen <mgrenKenden Mächten doch stets überlegen bleiben. Die Verstärkung Süddeutschlands
ist eine Notwendigkeit. Eine bloße Schleifung der Festungen erreicht diesen Zweck nicht; sie erniedrigt und erbittert ein Volk, ohne es zu schwächen. Nicht die elsässischen Festungen Hüningen, Schlettstadt und Straßburg, sondern der Boden des linken Rheinufers ist es, der. wenn er den Franzosen belassen wird, früher oder später die Sicherheit von Süddeutschland und dadurch die Ruhe von Europa bedroht. Die öffentliche Meinung in Deutschland fordert diese Maßregel."
Ueber die Denkschrift des Kronprinzen von Württemberg. die nach Aussage des Freiherr» vom Stein bei den Staatsmännern zirkuliert hat. äußerte sich der niederländische Gesandte mit diesen Worten: „Der württembergische Aufsatz ist sicher wert, in dieser Reihe deutscher Bestrebungen
sehr beachtet zu werden, ja voranzustehen.Die Grund-
ideen der Württemberger waren sicher richtig."
In den ersten Tagen des Septembers erreichte der Kampf zwischen den Regierungen, die in Paris verhandelten, den Höhepunkt. Oesterreich trat von seinen Forderungen zurück. Kaiser Alexander von Rußland, der Frankreich zum Glück Europas groß und stark haben wollte, erließ
Hin IrMiugstraum.
Bon Fr. Lehne.
(LI. Fortsetzung.) (Nachdr. verb.)
Der junge Offizier holte tief Atem — also das war es! Ihn wollte sie, ihn um jeden Preis — daher dieser feinangelegte Plan! Für ihn stand es fest, daß Gabriele um die ganze Wechselgeschichte wußte — am Ende war sie es auch gewesen, die das so fein ersonnen hatte! — Wortlos stand er auf und griff nach seiner Mütze. Herr Ulrich erhob sich gleichfalls.
„Sie gehen, Herr Leutnant — ?"
„Ja: Herr Ulrich, denn meine Selbstachtung verbietet mir, noch länger eine solche Erniedrigung meiner Person mit anzuhören. Ich lasse mich nicht Kausen. — Morgen werde ich den Wechsel zur bestimmten Zeit einlösen."
„Wie Sie wollen." lautete des Bankiers Kühle Ant- wort; „ich gebe Ihnen aber zu bedenken, daß ich keine Lust habe, mich zum Mitschuldigen eines offenbaren Be- truges zu machen, zu dem Ihr Name benutzt worden ist!" Dabei wandte er sich ab und sah anscheinend gleichgültig zum Fenster hinaus. Wolf trat wieder einige Schritte zu ihm hin und entzegnete mit mühsam behaupteter Fassung:
„Ich habe den Wechsel ausgestellt —"
„Das ist nicht wahr, Herr von Wolfsbmg, Sie sprechen die Unwahrheit! Sie sind es nicht gewesen; Ihre anfäng
liche Entrüstung war echt und recht — Sie waren es nicht, sondern, wenn Sie es durchaus hören wollen —"
„Nein, nein," schrie da Wolf auf, „nein! — Aber was haben Sie denn für Schaden? Ich zahle Ihnen morgen die Summe, ich kann sie bekommen — dann ist die Sache erledigt."
„Meinen Sie? Für mich nicht! — Ein Kaufmann, Herr von Wolfsburg," entgegnete Ulrich scharf, „hat denselben Begriff von Ehre, wie die Herren Offiziere, die manchmal einen ganz falschen und übertriebenen Kultus damit treiben! Nochmals, ich gebe mich nicht dazu her —" „So gönnen Sie mir doch wenigstens Zeit zur Ueber- legung!"
„Ueberlegung, wo andere mit lausend Freuden zugreifen würden," sagte der Bankier in bitterem Tone, während doch etwas wie Mitleid beim Anblick von Wolfs bleichem Gesicht in ihm aufstieg.
„Herr Ulrich — ist das aber ehrenhaft, mich zu etwas zwingen zu wollen, wovon —"
„Kein Wort, Herr Leutnant, wenn Sie nicht wollen, das morgen schon der Name Wolfsburg mit Schmach bedeckt ist! — Ich habe Mitleid mit Ihnen, weil ich Sie stets als einen Mann von Ehre und Charakter erkannt habe, deshalb schlug ich Ihnen diesen Ausgleich vor — denn seinem Schwiegersohn tut man schon zuliebe, was einem Fremden gegenüber zu gewogt wäre! Zum Beispiel könnten Sie von dieser Sache nicht doch einmal Gebrauch machen? Dann wäre mein Ansehen als ehrlicher Geschäftsmann hin! Zu solchen unsauberen Geschichten gebe
ich mich nicht her." Scharf und bestimmt klang alles, was er sagte, und seine Augen ruhten forschend auf Wolf, der mit gesenktem Kopse dastand, die Mütze nervös in den Händen drehend.
„Also, wie Sie wollen, Herr Leutnant," fuhr der Bankier kühl fort, „ich dränge Ihnen meine Tochter nicht auf ; dazu ist mir mein Kind zu lieb. Glauben Eie denn, daß ich da kein Opfer bringe?"
„Herr Ulrich," rang es sich mühsam von Wolfs Lip- pen, „Herr Ulrich, ich bin ja bereits gebunden! Ein Mäd- chen —"
„Weiß ich. lieber Wolssburo, weiß ich alles! Sie werden doch aber nicht im Ernst daran gedacht haben, jene kleine Putzmacherin zu heiraten. Etwas wie Mitleid über solche Unvernunft klang da aus st.ner Stimme. „Im Ernst? Das glaube ich nicht! Liebe macht blind! Begreife ich, wenn das Mädel so hübsch ist, wie meine — wie allgemein gesagt wird. — Na. über a etwas sehe ich hinweg. Noch der Verlobung aber muß natürlich reiner Tisch gemacht werden! Am besten, wir geben der Person eine Abfindungssumme —"
„Halten Sie ein, Herr Ulrich." stieß Wolf halberstickt
hervor, „halten Sie ein, das ist meine Sache.-Eine
Frage noch: weiß Ihr Fräulein Tochter darum?" Er wollte klar sehen; sie mußte es wissen, bestimmt; denn sonst hätten ihre Andeutungen nicht gar so bezüglich geklungen. Der Bankier hotte in seinen Papieren zu suchen, als er diese Frage beantwortete; es war fast, als scheue er sich, Wolf in die Augen zu sehen.